Bernhard Petruschke (DKW) bei einem Rennen kurz vor der kriegsbedingten Pause – er sollte nach dem 2. Weltkrieg dem DDR-Staatsbetrieb der IFA (später MZ) gehörig zu denken geben.

Der MZ-Bezwinger der ersten Stunden der DDR

Bernhard Petruschke, später auch mit dem Übernamen „Petrus“ versehen, erblickte am 6. April 1910 in Grünberg in Schlesien (heute Zielona Góra in Polen) das Licht der Welt. Als Sohn eines Gärtners machte er nach der Schule eine Ausbildung als Zimmermann. Seine ersten Gehversuche mit einem motorisierten Zweirad soll er mit 17 Jahren unternommen haben und ab 1931 fuhr Bernhard seine ersten Rennen. In der ersten Zeit war er auf Rudge unterwegs, einem englischen Fabrikat. Er lebte zwischenzeitlich bereits in Berlin und trat bei zahlreichen Rennen an. Im ersten Jahr als „Ausweisfahrer“ und ab der 2. Saison 1932 als „Lizenzfahrer“. Zu den wichtigsten Erfolgen in seiner Anfangszeit gehört ein 2. Platz 1934 in der 350-er Klasse und der Sieg bis 500 cm³ beim Feldbergrennen im Taunus.

Eine Rudge 350 cm³ Maschine mit 4-Ventil Zylinderkopf, wie sie von Petruschke zu Beginn eingesetzt wurde. Das geringe Gewicht von 125 kg und ein spezielles Getriebe mit bis zu 21 Gängen prädestinierte dieses Bike für den Rennsport der Vorkriegszeit.

Bereits 1934 am Schleizer Dreieck
Auch auf dem Schleizer Dreieck findet man Petruschke bereits 1934 in den Statistiken. Sein erstes zählbares Resultat holte er sich Mitte September auf seiner Rudge in der 500 cm³ Klasse mit Rang 5. Sieger in diesem Rennen wurde Bernd Rosemeyer vor Otto Ley (beide DKW). Erstgenannter war eines der ganz großen Motorsport-Idole Deutschlands, der 1936 mit Auto Union Rennwagen-Europameister wurde. Im Januar 1958 verunfallte er bei einem Rekordversuch auf der Reichsautobahn Frankfurt-Damstadt tödlich. Seine Beerdigung wurde zu einem wahren Staatsakt, nachdem sich mit seinen Erfolgen auch Nazi-Führer geschmückt hatten. Auf frühen Fotos ab 1933 war Rosemeyer bereits mit der Hakenkreuz-Binde an den Start gegangen, daher erhielt er von der NSDAP auch ein Ehrengrab. Sein Tod wurde, wie damals in vielen Fällen üblich, sehr heroisierend inszeniert.

Hans Soenius (links im Bild), Sieger der 1000 cm³ Klasse und Bernd Rosemeyer (rechts) als Sieger der 500 cm³ Kategorie bei der Siegerehrung mit dem damals obligaten Hakenkreuz auf den Siegerkränzen. Der wohlgenährte Uniformierte in der Mitte dürfte sich, sofern er den 2. Weltkrieg überlebt hatte, später bestimmt nur noch selten in der Öffentlichkeit gezeigt haben.

Zahlreiche Erfolge bis zum Krieg
Die Saison 1934 beendete „Petrus“ als Deutscher Vizemeister in der 350 cm³ Klasse gemeinsam mit Werner Mellmann (NSU) hinter Oskar Steinbach (NSU). Das Schleizer Dreieck brachte Bernhard in den Jahren danach weniger Glück. Im Rennen von 1936 war er auf dem Weg zu einer Spitzen-Platzierung. Doch in Führung liegend übertrieb er es und kam zu Sturz, wobei er sich an der Hand verletzte und einige Quetschungen zuzog. Es folgten zahlreiche Spitzenplatzierungen bevor der 2. Weltkrieg ausbrach, darunter der Sieg beim GP von Belgien 1937 in der 175 cm³ Klasse auf DKW als Werksfahrer. Im Jahr darauf kam noch der Erfolg bei den 250-ern auf DKW an der letzten Vorkriegs-Veranstaltung des Kurpfalz-Rennens beim Hockenheimer Dreieck dazu. Die Behauptung für einen 175 cm³ Sieg auf dem Sachsenring von 1938 (wie in einigen Quellen zu finden) ist jedoch nicht belegt. Laut unseren Unterlagen wurde diese Kategorie damals gar nicht ausgetragen. Aber nach dem Krieg sollte Petruschke in Hohenstein-Ernstthal durchaus noch ausreichend Grund zum Feiern finden.

Bernhard Petruschke bei einer seiner letzten Vorkriegs-Veranstaltungen vor dem Start.

Die ersten Jahre nach dem 2. Weltkrieg

Vor Kriegsausbruch waren die größten Erfolge Petruschkes die Vize-Europameisterschaft in der 250 cm³ Klasse für DKW als Werkspilot. Er hatte offenbar deutlich mehr Glück nach dem Krieg als beispielsweise sein späterer Weggenosse Heinz Fügner, der die ersten 3 Jahre ab 1945 in Gefangenschaft verbracht hatte (siehe dazu die 7-teilige Story in unserer History). Anfänglich trat Bernhard mit einer DKW in der gesamtdeutschen Meisterschaft an. Wie vor dem Krieg bereits schaffte er es mit der 350 cm³ DKW 1948 zur Vizemeisterschaft. In der DDR war nun Kleinmachnow, 15 km östlich von Potsdam zu seinem Wohnsitz geworden. Eine Teilnahme an der ab dem Jahr 1949 ausgetragenen Motorrad-Weltmeisterschaft war kein Thema für Petruschke. Die nur in Europa ausgetragene WM konnte man im Prinzip in den ersten 3 Jahren ihres Bestehens als absolute Farce bezeichnen. Erst ab 1952 wurden Fahrer aus Deutschland wieder zugelassen. Davor waren diese, als eine Nachwirkung der Nazi-Zeit, gar nicht startberechtigt. Eine pauschale Sperre zur Bestrafung der deutschen Sportwelt für Nazi-Gräueltaten, was für ein Unsinn! Dabei wäre ausgerechnet der Motorsport ein gutes Mittel für den sofortigen Weg zurück in die Normalität gewesen. Ähnliche Schandtaten wiederholten sich nach dem Bau der Berliner Mauer 1961, wonach DDR-Rennfahrer jahrelang keine Visa für NATO-Staaten erhielten. Damit waren sie in der WM absolut chancenlos, da die meisten Rennen in Mitgliedsländern stattfanden.

Skizze zur Funktionsbeschreibung der Kompressor-Aufladung aus einem französischen Magazin der 1950-er Jahre. Als dieses Prinzip auf die Saison 1951 weltweit im Zweirad-Rennsport verboten wurde, sah die Fachwelt für Zweitakt-Motoren ab dann keine Zukunft mehr.

Die Folgen des Kompressor-Verbots und der schwierige Neubeginn in der DDR
Zusammen mit seinem Freund Daniel Zimmermann unternahm „Petrus“ das, was in der DDR noch für Jahrzehnte die einzige Problem-Lösung darstellen sollte. Man improvisierte was das Zeug hergab und baute unter Anleitung des begabten Technikers eine auf DKW RT 125 Basis bestehende Eigenkonstruktion, die „ZPH“. Dies stand für die Anfangsbuchstaben von Konstrukteur, Fahrer und Mechaniker Henkel. Kernstück dieser Entwicklung war der seitlich am Kurbelgehäuse angesetzte Plattendrehschieber, über den die Gemisch-Zuführung vom Vergaser direkt in das Kurbelgehäuse gesteuert wurde. Diese Technologie sollte später auch von MZ übernommen werden, womit die unglaublichen Erfolge trotz einfachsten Mitteln im Arbeiter- und Bauernstaat überhaupt erst möglich wurden. Noch später gelangten die Geheimnisse dieser Technologie auf wunderbare Weise nach Japan, siehe unter History die Story über Ernst Degner.

Die DKW RT 125 wurde als IFA 125 (später MZ) nach dem Krieg in Zschopau weiter produziert und bildete für fast sämtliche 125 cm³ Renner der ersten DDR-Nachkriegsjahre die Basis. Auch Horst Fügner und Ernst Degner (siehe History auf unserer Seite) starteten ihre Karriere mit frisierten Exemplaren dieses Modells aus der Vorkriegs-Zeit. Die erste Vorstellung der IFA 125 Rennmaschine fand im Rahmen des Stralsunder Bäder-Rennens 1949 statt.

1950 – das erste Jahr mit der ZPH 125
Es stellte sich früh heraus, dass die ZPH schneller war als die IFA 125. Die Abkürzung IFA stand für „Vereinigung Volks-eigener Fahrzeugwerke“ und hatte ihren Standort an der ehemaligen DKW-Fertigungsstätte in Zschopau. Ab 1956 sollte daraus zuerst IFA-MZ werden, danach nur noch MZ als Abkürzung für Motorradwerke Zschopau. Der erste 125 cm³ Titel des DDR-Meisters der Nachkriegszeit ging allerdings an Erhart Krumpholz auf der IFA-DKW, aber eher aufgrund der höheren Konstanz. Der Eigenbau unter der Regie von Konstrukteur Daniel Zimmermann hatte zu Beginn zwar den besten Speed, litt jedoch anfänglich noch an kleinen Kinderkrankheiten. Trotzdem gelang Petruschke auf dem Schleizer Dreieck ein guter 4. Platz hinter H. P. Müller und zwei weiteren „Wessies“ (Ewald Kluge und Heiner Dietrich) aus der Bundesrepublik Deutschland. Beim 1. Bäder-Rennen von Stralsund schaffte Bernhard den wohl größten Achtungserfolg dieser Saison. Anlässlich des Rennens an der Ostsee bewies er dazu noch seine Nehmerqualitäten als Rennfahrer. Trotz eines Sturzes im Training trat „Petrus“ am Sonntag mit bandagiertem Knie zum Rennen an. Und prompt holte er sich unter frenetischem Applaus der Zuschauer den 125 cm³ Sieg. Es hatte sich für ihn gelohnt, dass er auf die Zähne gebissen hatte.

Das Geburts- und Wohnhaus von „Petrus“ im damaligen Grünberg, im heutigen Polen, bevor er anfangs der 1930-er Jahre nach Berlin zog.

Weiter siehe Teil 2 der Story über Bernhard Petruschke..