Rumi Honda – Musterbeispiel für heutige Werksteams
Was heute in der MotoGP und WorldSBK für die japanischen Motorradhersteller vollkommen normal ist, war im Geburtsjahr der Superbike Weltmeisterschaft noch eher untypisch. Nachdem Suzuki mit der legendären GSX-R750 einen neuen Typ reinrassiger Sportmotorräder begründet hatte, wollte der weltgrößte Hersteller unbedingt nachziehen. Daher schufen sie im Jahr 1987 die VFR-750R RC30, um dem Konkurrenten aus Hamamatsu das Leben nicht allzu einfach zu machen. Das erste Bike von Honda, welches direkt für den Einsatz auf der Rennstrecke geschaffen und frei erhältlich war. Was heute fast alle Hersteller tun, um die Preise damit möglichst auf ein teils fast unverschämt wirkendes Niveau zu heben, war damals noch eher untypisch. Sie entschieden sich nämlich für eine auf 5000 Stück limitierte Kleinserie, mit dem stolzen Preis von in Deutschland rund 28.000 D-Mark. Eine ganze Menge Holz, um nur einen Tick besser zu sein als Suzuki mit deren Ikone.
Das klare Ziel für die Entwicklung der RC30
Natürlich verfolgte Honda damit aber ein klares Ziel mit der Entwicklung ihrer RC30. Es ging darum, mit diesem Bike im Jahr danach um die neu lancierte Superbike WM mitzufahren. Ducati hatte den Japanern gegenüber einen Hubraumvorteil aufgrund des Reglements und deshalb wollte Honda Nägel mit Köpfen machen. Yamaha sollte zwei Jahre später mit der OW01 FZR750R nachlegen und damit absolut auf Augenhöhe mit ihren Konkurrenten liegen, während Suzuki für viele reichlich überraschend auf eine Werks-unterstützte Teilnahme verzichtete. Honda hingegen wählte einen europäischen Partner für ihren Einsatz und sorgte für einen Fahrer, welcher in den USA zu den absolut besten der Szene gehörte. Superbike Rennen erfreuten dort schon seit vielen Jahren hoher Beachtung, während in Europa für Rennen auf seriennahen Bikes der endgültige Durchbruch erst mithilfe der auf die Saison 1988 geplanten seriennahen SBK Weltmeisterschaft erfolgen sollte.
Der Honda-Partner für die Mission WM
Rumi ist, wie viele heute gar nicht mehr wissen, eigentlich eine historische Motorradmarke aus Italien. Gegründet vier Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg als Moto Rumi, wurde die Firma später zur Officine Fonderie Rumi, mit Sitz in Bergamo (Norditalien). Ursprünglich hatte die Fabrik von Donnino Rumi Maschinen für die Textilindustrie hergestellt. Erst später begann man, Zweitaktmodelle mit horizontalem 125 cm³ Paralleltwin zu produzieren, welche von Pietro Vassena entwickelt worden waren. Später kamen größere Modelle und Roller dazu, sowie ab 1960 Motorräder mit V-2 Motoren mit hängenden Ventilen. Wenig später wurde die Motorenproduktion komplett eingestellt, aber noch bis 1966 GoKart-Motoren gebaut. In den 1970-er Jahren kam der Name Rumi zurück und mit 125 cm³ Motoren fertigte man Straßenrennmaschinen und wurde Partner des Honda-Werksteams für den Einstieg in der Superbike-Klasse.
Das haarsträubende Reglement – eine wahre Fehlgeburt
Der spätere Ducati WSBK Teamchef und Manager in der MotoGP, Davide Tardozzi war eines der ersten Opfer eines wahrlich haarsträubenden Reglements. Als Laufsieger bei der Premiere in Donington Park (England) am 27. März 1989 hatte er auf seiner Bimota YB4EI im zweiten Rennen Sturzpech, womit er ohne WM-Punkte aus England nach Ungarn weiterreisen musste. Ein krasses Beispiel, was für kranke Hirne teils in Motorsportbehörden für derartigen Unsinn mitverantwortlich waren und es, teils auch heute noch sind, oder gleichwertige Nachfolger fanden. Der bedauernswerte Italiener fuhr ein Bike mit dem Motor der legendären Yamaha FZ-750 und italienischem Fahrwerk, was eine Art Zwitter war und trotzdem als eigene Marke galt. Eigentlich eine Steilvorlage für Kawasaki, sollten sie nächstens in die MotoGP zurückkehren wollen. Am besten nehmen sie dann einen Suzuki, Yamaha oder Honda Motor und ein eigenes Fahrwerk dazu und so werden sie auf Anhieb erfolgreich sein.
Erstes WSBK Podium für den Rumi Honda Piloten und die erfolgreiche Fortsetzung
Besser als in Donington hätte das in Italien stationierte Honda Team kaum in die neue Meisterschaft starten können. Zusammen mit Marco Lucchinelli und Joey Dunlop strahlte Fred Merkel auf der Ehrenrunde nach den beiden Läufen um die Wette. Bereits für das zweite Event der SBK Weltmeisterschaft wurde das stupide Reglement korrigiert und ab dem Hungaroring gab es pro Lauf Punkte, aber damals für den Sieger erst 10 statt wie heute deren 25. In England waren für die Gesamtwertung noch 20 Punkte vergeben worden, was erst im zweiten Jahr pro Rennen der Fall sein sollte. Nach einem vierten und zweiten Platz reiste er als Gesamtzweiter nach Budapest weiter, wo er den ersten Lauf gewann und im zweiten siebter wurde. In Hockenheim blieb er nach P17 im ersten Lauf und einem Ausfall in der vorletzten Runde punktelos. Auch im ersten Lauf in Spielberg (Österreich) sah der Kalifornier nach einem Crash im ersten Umgang die Zielflagge nicht.
Der Schlüssel zum ersten Erfolg lag in der Konstanz
Nach zwei Ausfällen folgte eine beeindruckende Serie für Merkel und sein Team RCM Oscar Rumi. Ab dem zweiten Lauf auf dem heutigen Red Bull Ring punktete der US-Boy jedes Mal. Mit dem ersten Rennen beim Saisonfinale gewann ihm erst der zweite Saisonsieg, aber es war zugleich der vielleicht wichtigste seines Lebens. Nur noch Pechvogel Tardozzi und dessen ebenfalls extrem konstanter italienischer Landsmann Fabrizio Pirovano hatten vor dem letzten Lauf in Mansfeild (Neuseeland) noch eine, wenn auch nur geringe Chance, den Mann aus dem Ursprungsland der Superbike Rennen am Titel zu hindern. Aber dieser machte zusammen mit seinem aus dem Norden Italiens stammenden Team alles richtig und fuhr einen sicheren fünften Platz nach Hause, während Stéphane Mertens gewann und die beiden Italiener scheiterten. Pirovano war nur auf P13 ins Ziel gekommen und Tardozzi war mit Sturz ausgeschieden. Letzterer dürfte sich zusammen mit der Bimota Truppe noch längere Zeit über die in Donington von der FIM „gestohlenen“ 10 Punkte geärgert haben. Mit vier Siegen und diesen fehlenden zehn Zählern hätte es ihm für den Titel gereicht.
Die Fortsetzung einer Erfolgsgeschichte
Für die Saison 1989 trat Rumi Honda mit einem zusätzlichen zweiten Piloten an, der aus dem eigenen Land stammte. In der Person des für einen Rennfahrer eher kräftig gebauten Piergiorgio Bontempi aus der Hafenstadt Ancona hatte man einen vielversprechenden Mann gefunden. Dieser war davor in der 125 cm³ Klasse angetreten, wofür er jedoch mit seiner Statur gegenüber vielen seiner Konkurrenten stark benachteiligt war. Anfänglich tat er sich allerdings in der SBK noch sehr schwer und scheiterte in den ersten Runden kläglich. Einzig in Enna-Pergusa, bei der einzigen Austragung in der WorldSBK Geschichte, holte er in beiden Läufen Punkte. Merkel fuhr in diesem Jahr sogar drei Rennen in der 500 cm³ Motorrad-Weltmeisterschaft für Honda. In Donington Park reichte es als bestes Resultat für Rang 11. Wesentlich besser lief es für den Kalifornier bei seiner Titelverteidigung, wie unsere nachfolgende Grafik verdeutlicht.
Das schwierige dritte Jahr für Rumi Honda
Nach zwei WM-Titeln war es erwartungsgemäß schwer, ein weiteres Mal am Saisonende 1990 ganz oben zu stehen. Vor allem Ducati war mit dem ehemaligen Grand Prix Piloten Raymond Roche extrem stark und auch Yamaha war mit Fabrizio Pirovano sehr gut aufgestellt. Dazu die schnellen Leute wie der unerschrockene Giancarlo Falappa (Ducati), von den Fans „Löwe von Jesi“ genannt, sowie der Belgier Stéphane Mertens (Honda), die beiden Engländer Rob McElnea und Terry Rymer (beide Yamaha). Neu mischte auch Kawasaki mit dem Australier Rob Phillis werksseitig mit und mit Baldassare Monti erhielt Fred Merkel einen wesentlich stärkeren Teamkollegen. Die Saison begann diesmal in Jerez de la Frontera und damit zum ersten Mal in der Geschichte der Superbike WM auf spanischem Boden. Merkel holte sich hinter Roche im ersten Lauf Rang 2 und im zweiten wurde er hinter dem Franzosen und dessen Teamkollegen Falappa dritter. Es folgten für den US-Amerikaner drei Siege in den folgenden sechs Läufen und 3 Runden und nur auf dem Hungaroring verpasste er mit Rang 6 im zweiten Rennen das Podium.
Die Probleme ab Mosport und der verlorene Titelkampf durch eine Verletzung
Auf der skandalös gefährlichen Strecke in Kanada sollte die Weltelite zum letzten Mal zu Gast sein. Während WM-Leader Roche mit einem Doppelsieg seine Führung ausbaute, musste Merkel sich mit den Rängen 5 und 10 begnügen. Ausgerechnet in seiner Heimat lief es danach überhaupt nicht nach Wunsch. Reifenprobleme verhinderten beim Event in Brainerd ein besseres Resultat, wonach es im österreichischen Spielberg wieder etwas aufwärts ging. Aber dann kam das Aus für die nächsten beiden Runden. Die Zeitschrift American Motorcyclist nannte in einem Artikel den Grund dafür. Weil Merkel als Vielstarter auch beim berühmten 8-Stunden-Rennen von Suzuka für Honda hochhalten sollte, reiste er Ende Juli in Japan an. Als Sieger von 1984 zusammen mit Mike Baldwin hatte er 6 Jahre danach aber kein Glück. Bereits im Training verletzte er sich bei einem Sturz ernsthaft und fiel damit für die nächsten zwei SBK-Runden aus. Honda gewann trotz des Sieges von Roche in der Fahrer Weltmeisterschaft für Ducati aber immerhin die Marken-Wertung. Stéphane Mertens als WM-Dritter und Baldassare Monti mit Rang 8 trugen einen wesentlichen Teil dazu bei. Eine Teamwertung gab es damals noch nicht, aber mit einem Total von 346 Punkten hätte es für Rumi gegenüber Loctite Yamaha mit 376 womöglich kaum zum ersten Platz gereicht.
Die weiteren Jahre nach dem verlorenen Titel
Mit Fred Merkel und Baldassare Monti ging es für Rumi Honda 1991 mit demselben Line-up in ihre bereits vierte Saison und damit das vierte Jahr der seriennahen Weltmeisterschaft. Niemand konnte vor dem ersten Rennen ahnen, dass ausgerechnet ein Landsmann von Merkel dabei die überragende Figur werden sollte. Als Privatfahrer für das US-amerikanische Fast by Ferracci Team war Doug Polen die absolute Sensation. Der aus der Autostadt Detroit im Bundesstaat Michigan stammende Ducati Pilot gewann gleich auf Anhieb das erste Rennen in Donington Park. Mit einem Motorschaden fiel er im zweiten Rennen aus und gewann danach die nächsten vier Rennen in Folge. Dies mit Ausnahme des von den um die WM kämpfenden Stars aufgrund der Gefährlichkeit der Strecke allesamt boykottierten Skandalrennens von Mosport (Kanada).
Die unglaubliche Serie von Polen und ein chancenloses Rumi Honda Team
Nach Platz zwei in Spielberg (Steiermark/Österreich) stand der US-Boy danach siebenmal ohne Unterbruch zuoberst auf dem Podium. Erst ein gewisser Jonathan Rea (Kawasaki ZX-10RR) sollte fast zwei Jahrzehnte später seine Serie von 17 Siegen in einer Saison egalisieren. Für Merkel hingegen begann die Saison praktisch erst mit Runde vier bei seinem Heimrennen. In Donington Park fiel er in beiden Läufen mit Motorproblemen aus und in Jarama (Spanien) danach in beiden Rennen mit einem Crash. Der Kalifornier musste wesentlich mehr riskieren, um wenigstens zu versuchen, mit den Besten schrittzuhalten. Auf der in die Jahre gekommenen VFR-750 RC30 war dies jedoch fast unmöglich. Im Prinzip war er rein daher so gut wie ohne Chance, wie früher ganz vorne mitmischen zu können.
Auch der zweite Fahrer mit viel Pech
Teamkollege Monti ging es ähnlich und er sah die Zielflagge in den ersten 4 Läufen infolge eines Motorschadens und zwei Stürzen nur einmal auf Rang 6. Nach zwei Top Ten Resultaten in Brainerd (USA) trat er nach einer Verletzung in Spielberg gar nicht mehr zu den Rennen an und ward nur noch in Mugello ein letztes Mal gesehen. Allerdings verzichtete er auch dort auf den Start und damit war für ihn die Saison vorbei. An der Seite des unbekannten Richard Arnaiz aus den USA trat der Italiener im Jahr danach erneut für Rumi Honda an. Dieser vermochte sich in Albacete beim Saisonauftakt jedoch nicht einmal für das Rennen zu qualifizieren. Monti war nur bis Japan mit dabei und ein sechster Rang auf der Strecke in Spanien sollte sein bestes Resultat bleiben. Mit WM-Position 17 für den Italiener und sein Team war natürlich kein Staat zu machen. Eine neue Waffe von Honda im Kampf um die WM war zudem nicht in Sicht. Deshalb war es wenig verwunderlich, dass die italienische Mannschaft ab 1993 für viele Jahre nicht mehr im Paddock vertreten war.
Nachwuchsförderung und kurzes Comeback
Rumi war auch in der 600-Supersport-Meisterschaft mit dem damals sechzehnjährigen Rubén Xaus engagiert und zur Stelle, als auch in dieser Klasse die Einführung der Superstock-Klasse vollzogen wurde. In der Saison 2002 stieg das Team Rumi nochmals in der SBK-Weltmeisterschaft ein und trat mit dem Engländer Mark Hackles als Honda Castrols Satellitenamerin auf der VTR-1000 SP2 an. Nach einer enttäuschenden Saison und Sponsorenproblemen kam jedoch gleich danach wieder der Ausstieg. Die Firma stellte fortan ihre Erfahrung insbesondere im nationalen Rennsport zur Verfügung. International trat Rumi nicht mehr in Erscheinung, aber dieser Name wird wie derjenige von Alstare, Ten Kate, Puccetti und vielen weiteren unauslöschlich mit der Geschichte der Superbike Weltmeisterschaft verbunden bleiben.
Die Erfolge von Rumi Honda in der WSBK
Die Erfolge des Rumi Teams und ihre Vorbildwirkung
Vor dem Engagement als Honda Werksteam in der SBK hatte Rumi 1987 bereits die italienische SBK Meisterschaft gewonnen. In der Saison 1990 holten sie den SBK Europameistertitel und 1991 nochmals denjenigen in der Heimat.
Das Beispiel der Liaison von Honda mit dem italienischen Team sollte jedenfalls Schule machen. Etwas über 40 Jahre später waren sowohl das MotoGP Team des weltgrößten Herstellers, wie auch das von HRC für die WorldSBK, beide in Spanien domiziliert. Genauso in unmittelbarer Nachbarschaft auch dasjenige von Kawasaki. Auch Yamaha hat seine europäische Basis, die Marke mit den gekreuzten Stimmgabeln im Logo operiert für beide WM-Serien seit Jahren von Norditalien aus.
Mehr über sämtliche Jahre der WorldSBK siehe in unserer reich illustrierten History.
Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© WorldSBK).
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