Teils dramatischer Rückgang der Besucherzahlen

Man kann es drehen und wenden wie man will, nach den ersten Runden der WSBK ist ein mehrheitlich bedrohlicher Rückgang der Besucherzahlen zu verzeichnen. Und nachdem die Organisatoren von Brünn sich bedauerlicherweise nach einem eigentlich erfolgreichen Event 2018 wieder zurückzogen, wurde Jerez als Ersatz für 2019 bezüglich Besucherzahlen alles andere als belohnt. Bei den ersten 5 WSBK Veranstaltungen (Jerez kam 2019 wieder frisch in den Kalender und hat daher keine Vorjahreszahlen) gab es ein Minus von zusammengezählt fast Fünfzigtausend Besuchern. Während in Assen und Imola das Wetter nicht mitspielte, kann für Imola zusätzlich die Verdoppelung der Eintrittspreise gegenüber dem Vorjahr als Erklärung gelten. Bei den ersten 3 Rennen dürfte das Wetter aber definitiv nicht als Entschuldigung dafür herhalten, auch wenn es beim Europa-Auftakt in Aragon verhältnismäßig kalt war.

Entwicklung der Besucherzahlen 2015 – 2019

Jerez hatte 2018 kein WSBK-Rennen. Bei allen anderen Strecken bis auf Imola war 2019 Negativrekord.

Trauriges Beispiel – Brünn

Wieso der WSBK-Lauf in Brno im Juni 2018 angeblich zu wenig lukrativ war, dürfte für immer ein Rätsel bleiben. Wir sahen viele begeisterte Zuschauer, die Strecke ist gut erreichbar für viele Fans in Deutschland, Österreich und sogar der Schweiz. Dazu kommt dank der Nähe zur zweitgrößten Stadt der Tschechischen Republik ein mehr als ausreichend gutes Angebot an Hotels sämtlicher Kategorien. Im Gegensatz zum MotoGP Wochenende waren diese während des WSBK-Events auch preislich absolut erschwinglich. Für wenig über 200 Euro konnte man ein VIP Ticket fürs ganze Wochenende kaufen, mit welchem man Zugang zu fast allen Bereichen hatte, inklusive Fahrerlager und Zugang aufs Dach gegenüber der Haupttribüne. Unzählige Fans, es waren eher Hunderte als Dutzende, leisteten sich diesen (gegenüber MotoGP) erschwinglichen Luxus. Im Preis inbegriffen war Catering und Getränke. Laut offiziellen Angaben kamen insgesamt über fünfzigtausend Besucher am ganzen Wochenende und trotzdem soll die Veranstaltung kaum kostendeckend gewesen sein! Wie sollen dann die Organisatoren von Aragon mit der Hälfte an Besuchern über die Runden kommen? Irgendwas stinkt hier doch gewaltig zum Himmel. Am besten streicht man Brünn für MotoGP baldigst aus dem Kalender. Das dauernde Gejammer, dass ohne kräftige Zuschüsse der öffentlichen Hand ein Verlust unvermeidbar sei, nervt mittlerweile gewaltig. Selbst mit Besucherzahlen, von denen andere Veranstalter nur träumen können, komme man kaum über die Runden. Ausgerechnet dort wäre Reiti gerne auch dieses Jahr gefahren und auch wir und viele Fans hätten den Masaryk Ring ebenfalls gerne wieder für ein WSBK-Wochenende besucht!

Brünn Lauf-Sieger Jonathan Rea nach dem 1. Rennen auf dem Weg zur Siegerehrung. Leider fiel dieses Rennen für 2019 wieder aus dem Kalender, obwohl 2018 über 50 Tausend begeisterte Besucher vor Ort waren.

Vielfältige Gründe & fragliche Zahlen

Die Gründe für den Besucherrückgang in der WSBK sind vielfältiger Natur. Im aktuellen Jahr sieht es für viele Zuschauer aus, als kämpfe die bisherige Elite der World Superbike mit ihren seriennahen Bikes gegen ein MotoGP Motorrad und ist entsprechend chancenlos. Bis auf die Fahrerstrecke in Imola fand in der Regel ein Alleingang von Alvaro Bautista auf seinem MGP Prototypen statt. Der Autodromo Dino e Enzo Ferrari war der erste Kurs, auf welchem Jonathan Rea zum 1. Mal in dieser Saison seine Stärken zeigen konnte. Kein Wunder, Imola hat keine einzige lange Gerade und hier sind fehlende PS mit fahrerischen Qualitäten wettzumachen. Im verregneten Training lag Rea über eine Sekunde vor dem Zweiten, seinem Teamkollegen Leon Haslam. Auf den ersten 4 Strecken hatte der Nord-Ire allerdings keine echte Chance, meist reichten wie in BuriRam zwei Geraden für Bautista, um jeden Gegner aus seinem Windschatten abzuschütteln. Ein echter Wettkampf um die Spitze fand so meist gar nicht statt, wodurch kein wirklicher Kampf um den Sieg zu beobachten war. Deshalb braucht man sich auch nicht wundern, wenn die Besucherzahlen entsprechend tief waren, sowie die TV-Einschaltquoten die Erwartungen nicht erfüllten. Ausgerechnet in Imola spekulierte daher der Veranstalter auf ein Ducati-Fest und verdoppelte gegenüber dem Vorjahr gleich mal die Eintrittspreise. Doch Weltmeister Jonathan Rea machte ihnen einen Strich durch die Rechnung und gewann überlegen das 1. Rennen und das Superpole Race. Ob es seine Überlegenheit am Samstag war, oder der vorangekündigte Regen, am Sonntag fanden nur sehr wenige Fans den Weg zum Autodromo.

Von den angeblich über Zwanzigtausend Besuchern war am Sonntag in Imola nichts zu sehen, hier 5 Minuten vor dem Superpole Race die Tribüne der Kurva Tosa. Am WSBK Rennen 2018 war hier am Sonntag kaum noch ein freier Platz zu finden.

Die offiziellen Angaben zu den Besucherzahlen lauteten:
Freitag 20’912
Samstag 28’340
Sonntag 22’861
Im Gegensatz zum Samstag waren allerdings die Tribünen fast leer und insofern hegen wir berechtigte Zweifel an diesen Zahlen.

Auch bei Rivazza nur sehr spärlich besetzte Plätze, sogar die Verpflegungsstände waren zum Teil beinahe verwaist und man musste kaum anstehen – der einzige Vorteil.

Unter dem Strich sind die genannten Zahlen für Freitag und insbesondere Sonntag höchst fragwürdig. Dies gilt übrigens auch für die Angaben für BuriRam, wo am Sonntag nach unserer Beobachtung kaum weniger Besucher als 2018 anwesend waren. Dort war es umgekehrt als in Imola, die offiziellen Zahlen sind deutlich tiefer als die Beobachtung vor Ort zeigten. Angeblich waren nämlich im Vorjahr 36’460 Besucher am Sonntag an der Strecke, während es 2019 nur 26’443 gewesen sein sollen. Seltsamerweise war die Tribüne dieses Jahr aber genauso voll wie letztes Jahr und man fand kaum freie Sitzplätze. Allerdings kam man heuer an allen Tagen problemlos auf die Haupttribüne, ohne je ein Ticket zeigen zu müssen. Vielleicht ist dies die schlichte Erklärung zum Besucherrückgang in BuriRam, nämlich dass viele auch ohne Ticket auf die Tribüne fanden oder zumindest die Registrierung fehlte. Übrigens gibt es in BuriRam keine anderen Plätze als auf der Haupttribüne, es ist dieselbe Situation wie beim Event mit den tiefsten Besucherzahlen überhaupt bei WSBK und MotoGP, in Losail/Qatar.

Mittel zur Trendwende

Konkurrenzfähigkeit
Die Möglichkeiten zur Verbesserung dieser Situation haben Dorna und FIM größtenteils selbst in der Hand. Die Spieße müssen wieder gleich lang sein, mit welchen gekämpft wird, sprich man sollte Ducati genauso einbremsen wie in den vergangenen Jahren Kawasaki. Wer gesehen hat (ob live oder am TV, beispielsweise in BuriRam) wie Bautista förmlich an Rea vorbeiflog auf der Geraden, kann die bisher einzige Reduzierung der Maximaldrehzahl der Ducatis um lächerliche 250 U/Min nach 3 Rennen absolut nicht verstehen. Selbst die englischen Sprecher von Eurosport International betonten mehrmals, dass Jonathan Rea auf der Bremse deutlich besser sei als Alvaro Bautista. Auf den (zu) langen Geraden war Rea allerdings chancenlos, was auch der Kommentator und Experte aus England öfters betonten. Bautista flog auf der Zielgeraden förmlich an Rea vorbei und nach der nächsten Geraden konnte sich der Kawasaki Fahrer nicht mal mehr im Windschatten von Alvaro halten. Der Abstand war bereits zu groß. Bei Kawasaki gab es zu Zeiten von Reas Dominanz teils auf einen Schritt wesentlich größere Drehzahlreduktionen, um das Feld wieder näher zusammenzurücken, als dieses Jahr bei Ducati. Wieso man dies seitens der FIM völlig verpennt, ist für die meisten Fans und Experten absolut unverständlich.
Attraktivere Rennstrecken
Es geht hier nicht nur um Attraktivität oder wie schön eine Piste liegt, sondern insbesondere um Aspekte wie Erreichbarkeit und Angebot an Unterkunftsmöglichkeiten. In Losail im Wüstenstaat Qatar sieht es diesbezüglich nur auf den 1. Blick gut aus. Wer zum Beispiel die Flugpreise aus Mitteleuropa am diesjährigen MotoGP Rennen mal unter die Lupe nahm, begreift was hier gemeint ist. Mit einem Flug nach Bangkok und nur einem Zwischenstopp in Qatar für das Rennen, sparte man bei Qatar Airways beinahe die Hälfte des Preises gegenüber einem Direktflug nach Doha. Ein anderes Beispiel ist das Motorland Aragon, nahe der Kleinstadt Alcaniz, mit gerade mal einer Handvoll vernünftiger Unterkunftsmöglichkeiten. Die nächste einigermaßen größere Stadt ist eine gute Fahrstunde entfernt, die autonome Provinz Aragonien liegt genaugenommen mitten in der spanischen Pampa. Selbst Spanier haben hier Probleme, wenn die Rennen an zwei Tagen stattfinden und nicht nur wie bei der MotoGP an einem. BuriRam in Thailand gehört in dieselbe Kategorie, es gibt dort kaum Hotels und man kann sogar fast nur per Flug anreisen. Die Flüge ab der Hauptstadt Bangkok sind allerdings rar und natürlich extrem gut gebucht, da ja auch Fahrer, Teams und Offizielle meist nur für möglichst kurze Zeit anreisen. Im selben Flieger wie Marco Melandri oder Krummi nach seinem Sieg 2018 zu Reisen, hat unbestritten einen gewissen Reiz. Aber hohe Besucherzahlen an solch exotischen Rennplätzen sind natürlich eine Illusion. In Europa gibt es eine Unmenge an geeigneten Strecken, welche bestimmt nicht an der Homologation scheitern dürften. Imola hat nicht einmal eine Service-Road, auf welcher Krankenwagen unbehindert zu Unfallorten gelangen können. Am WSBK-Rennen war der einzige Tunnel zum Paddock von der Haupttribüne her gesperrt (selbst für Paddock Show Ticket-Inhaber). Trotzdem ist die eigentlich völlig veraltete Strecke im Kalender. Wieso nicht zum Circuito de Catalunya nahe Barcelona oder Le Mans? Valencia in Spanien wäre ebenfalls eine perfekt geeignete Strecke, ganz zu schweigen vom Sachsenring und natürlich auch Silverstone. In Asien wäre bestimmt auch Sepang die bessere Alternative zu BuriRam, zum Glück ist in Indonesien ein Projekt in der Pipeline.
Vernünftige Reglemente
Wie das Beispiel des MotoGP Prototypen von Ducati für 2019 zeigt, haben die aktuell gültigen Reglemente der WSBK beträchtliche Lücken. Dass ausgerechnet der Rekordinhaber an Titeln der seriennahen WM sämtliche Emmentaler-große Schlupflöcher im Regelwerk nützte, um einen aktuell fast unschlagbaren MGP-Prototypen ins Rennen zu schicken, erstaunt viele Fans. Viele Ducatistis schauen verwundert unter den Tank ihrer kürzlich erworbenen Maschine und wundern sich, dass hier zwei Zylinder fehlen. Mit einem V4-Motor an einer seriennahen WM anzutreten ist das eine. Wenn man aber dann noch statt wie in den bisherigen Jahren eingebremst wird (die zugestandene Höchstdrehzahl liegt um Welten über den Werten für Kawasaki und Yamaha), verstehen die meisten langjährigen Fans die Welt nicht mehr. Offenbar soll unbedingt ein anderer Weltmeister her als Jonathan Rea zum 5. Mal.
Fragen zur Zukunft & verpasste Chancen
Doch wie weiter für die nächsten Jahre? An den zahlreichen Spekulationen dazu möchten wir uns keinesfalls beteiligen, aktuell würde die Umsetzung der bisherigen Regelung durch die FIM eigentlich ausreichen. Bei Anwendung der Reglemente wie bisher üblich, wären die Ducatis längst bei Maximaldrehzahlen wie die Konkurrenz eingebremst worden. Doch seitdem der für die WSBK zuständige Dorna-Mitarbeiter Ruben Xaus im Vorjahr sich öffentlich über das angeblich mangelnde Charisma von Jonathan Rea beschwerte, liegt die Erklärung auf der Hand. Ein ehemaliger WSBK-Fahrer, der nicht einen einzigen WM-Titel in seiner Karriere einfuhr, sollte sein Mundwerk beim Thema Rea eigentlich im Zaum halten. Solange die Dorna nicht klar Farbe bekennt, wie es weitergehen soll, tun sie weder den beteiligten Herstellern noch sich selbst oder den Fans der Serie einen Gefallen. Klar ist jedem halbwegs vernünftigen Beobachter zumindest, dass
einige Hersteller in absehbarer Zeit aussteigen dürften, sollten sie durch unvollständige oder falsch angewendete Reglemente ausgebremst werden. Insbesondere muss eine klare Linie erkennbar sein, wohin die Reise in den nächsten mindestens 2-3 Jahren geht. Nachdem klangvolle Namen im Motorsport wie MV Agusta und Aprilia, ganz zu schweigen von Suzuki, bereits ausgestiegen sind, herrscht absoluter Notstand.

WM-Titel in der WSBK – Ducati mit riesigem Abstand und 14 Titeln in Führung, vor Honda und Kawasaki mit je 6.