Bills letzte Saison mit dem tragischen Unfall in der DDR
Der Ausgang der Saison 1968 mit dem unglücklich verlorenen 250 cm³ WM-Titel war die bisher größte Enttäuschung im Leben des erst 26-jährigen. Im Vorjahr hatte er so viel Pech gehabt, wie mancher Rennfahrer in seiner ganzen Karriere nie. In der ersten Saisonhälfte war Ivy bei 10 Grand Prix lediglich viermal ins Ziel gekommen. Dreimal hatte er dabei gewonnen und einmal überquerte er die Ziellinie absichtlich nur als Zweiter. Dies war bei der TT, als er aufgrund einer Stallorder von Yamaha bei den 125-ern nicht gewinnen sollte. Originellerweise hatte Bill damals in der letzten Runde sogar angehalten und einen Streckenposten nach dem Zwischenstand im Rennen gefragt. Danach kaum mehr als im Schritttempo bis ins Ziel fahrend, um Phil Read gewinnen zu lassen. Und genau dieser hatte ihn später verschaukelt und die Stallorder seinerseits missachtet, als es um den 250 cm³ Weltmeistertitel ging. Ab Brünn fuhr Read nur noch für sich selbst und gewann den Titel letztlich bei Punktegleichstand mit Ivy am grünen Tisch. Bill Ivy war derart enttäuscht, dass er danach sogar seinen Rücktritt aus dem Motorrad-Rennsport bekannt gegeben hatte und in die Formel 2 wechseln wollte.
Der Rücktritt vom Rücktritt und die letzten Rennen seines Lebens
Das Angebot von Jawa
Es war ein Angebot der heute noch existierenden tschechoslowakischen Firma Jawa, welche Ivy mit ihrem neuen V4-Zweitaktrenner in die 350 cm³ Weltmeisterschaft schicken wollte. Letztlich dürften auch finanzielle Gründe mitentscheidend gewesen sein, dass sich Bill zum Rücktritt vom Rücktritt entschloss. Man darf auch sagen, eigentlich hatte er trotz eines 125 cm³ Weltmeistertitels 1967 und zwei Vize-WM-Titeln (125 cm³ und 250 cm³) aus dem Vorjahr noch eine Rechnung offen. Mit der 350-er Jawa einem Giacomo Agostini und Konsorten etwas einzuheizen, war eine vielversprechende Option. Der Hersteller aus der heutigen Tschechischen Republik wollte dadurch, genauso wie die Japaner, mit sportlichen Erfolgen den Verkauf seiner Motorräder im Westen kräftig ankurbeln.
Die Werksteams von 1969
Trotz des Rückzugs der drei größten japanischen Werke nahmen insgesamt 16 Werke an der Motorrad-Weltmeisterschaft teil. Nach Honda und Suzuki im Jahr 1968 war nun auch Yamaha nicht mehr dabei. Doch bereits auf die Saison 1973 sollte die Firma mit den 3 Stimmgabeln im Logo wieder in den GP Sport zurückkehren. Und nur ein Jahr später auch Suzuki diesem Beispiel folgen. In den 1960-er Jahren gab es noch sehr viele Marken, welche in den kommenden 1 bis 2 Jahrzehnten leider von der Bildfläche verschwanden. Bis auf Jamathi, Linto, Münch-URS und Paton handelte es sich in der nachfolgenden Aufstellung um Hersteller, deren Modelle man auch im Straßenverkehr antraf. Bei den 4 Ausnahmen handelte es sich um rein für den Rennsport entwickelte Prototypen, die höchstens für den Einsatz auf Rundkursen gedacht waren. Es gab in dieser Zeit auch bereits käufliche Rennmaschinen, weshalb anstelle der Werks-Bikes privat eingesetzte Yamahas weiterhin mit am Start waren.
Einschneidende Reglementsänderungen auf die Saison 1969
Für die Hersteller waren vor allem die technischen Einschränkungen bezüglich der Anzahl der Zylinder und Gänge sehr einschneidend. Vorbei war die Zeit der 6-Zylinder 250 cm³ Motoren und von 50 cm³ Zweizylinder-Rennern mit 14 Gängen. Hans Georg Anscheidts 50 cm³ V2-Suzuki von 1968 hatte solch ein Getriebe. Aufgrund eines extrem schmalen nutzbaren Drehzahlbands bei der Leistungsabgabe ihrer Motoren, war dies auch notwendig. Die 125 cm³ Fünfzylinder-Honda, mit der Luigi Taveri 1966 noch Weltmeister wurde, war bereits 1968 nicht mehr werksseitig eingesetzt worden.
Beginn einer neuen Ära
Nach einer ersten Phase (1949-1958), in welcher die großen europäischen Fabriken die Szene beherrscht hatten, war die zweite mit dem Auftreten und der Vorherrschaft japanischer Hersteller (1959-1968) nun Geschichte geworden. Ab 1969 begann eine neue Ära. Nach dem Rückzug der Japaner sollten die technischen Beschränkungen und die neue Methode der Punkteverteilung kleine europäische Hersteller dazu ermutigen, in den GP-Rennsport einzutreten. Die wichtigste Änderung auch aus Fahrersicht betraf den Modus, nach welchem die WM-Punkte bei der Weltmeisterschaft ab nun vergeben wurden. Statt nur den ersten 6 erhielten nun die ersten 10 jedes GP-Rennens WM-Punkte gemäß der folgenden Skala:
Nuller zum Saisonauftakt
Bill Ivy trat beim GP von Spanien zum ersten Mal mit der Jawa-4 an. Im Gegensatz zu den Jahren davor fand dieses Rennen jedoch nicht mehr auf dem Straßenkurs von Montjuic Park bei Barcelona statt. In den Jahren 1966 und 1967 war Bill dort zum Sieger im 125 cm³ Rennen gekürt worden. Diesmal ging es nach Jarama auf eine Strecke, die für alle Piloten neu war. Der nordöstlich von Spaniens Hauptstadt Madrid gelegene Rundkurs existiert noch heute. Allerdings flog der Circuito del Jarama ab 1993 aus dem GP-Kalender. Im Jahr 1969 war die Premiere und in der 350 cm³ Klasse gewann mit Giacomo Agostini der haushohe Favorit. Zweiter wurde der Australier Kel Carruthers auf Aermacchi vor Giuseppe Visenzi (ITA/Yamaha) und Ginger Molloy (NZL/Bultaco). Bill Ivy fiel bei diesem Rennen aus und musste einen Nuller in kauf nehmen. Er trat in dieser Saison nur bei den 350-ern an, Jawa hatte sich für dieses Jahr vollständig auf diese Klasse fokussiert. Das Team von Benelli protestierte vor dem Rennen dagegen, dass MV Agusta die Strecke am Freitag vor dem Rennen exklusiv gemietet hatte. Agostini hatte dadurch auch im 500 cm³ Rennen leichtes Spiel und gewann überlegen vor Angelo Bergamonti (ITA/Paton) und Ginger Molloy (NZL/Bultaco).
Erster Achtungserfolg beim GP von Deutschland
Auf dem Hockenheimring hatte Ivy in den 3 Jahren davor schon manche Höhen und vor allem Tiefen erlebt. Mehrheitlich versagte die fragile Technik der Yamaha dabei ihren Dienst und einmal war er unschuldig in einen Massensturz verwickelt worden. Doch 1969 war „Little Bill“ das Glück hold und er konnte zum ersten Mal unter Beweis stellen, wozu er auch in der 350 cm³ Klasse mit einem halbwegs konkurrenzfähigem Bike fähig war. Der kleine Engländer setzte Giacomo Agostini das ganze Rennen über stark unter Druck. Am Ende gewann der haushohe Favorit und rechts von ihm stieg Ivy als sensationeller Zweiter aufs Podest. Dritter wurde sein erfahrener tschechoslowakischer Jawa Teamkollege Frantisek „Franta“ Stasny vor Jack Findlay (AUS) und Giuseppe Visenzi (ITA), beide auf Yamaha.
GP-Rennpause in Le Mans und an der TT
Am GP von Le Mans in Frankreich fehlte Ivy, nachdem die 350 cm³ Klasse hier wie in Spa-Francorchamps nicht ausgeschrieben war. Auch an der TT war er nicht am Start, da seit 1969 parallel auch in der Formel 2 antretend. Beim ersten Rennen am 7. April in Thruxton lag er nach dem Qualifying hinter Jochen Rindt auf Platz 2. Im ersten Halbfinale wurde er danach Vierter, bevor er im anschließenden Finale mit einem Motorschaden in Runde 34 aufgeben musste. Wie so oft konnte Bill Ivy meist nur die Technik wirklich einbremsen.
Schwerer Unfall und wechselhafter Fortlauf der Formel 2 Karriere
Am ADAC-Eifelrennen auf der berüchtigten Nürburgring Nordschleife kam Bill auf Höhe „Schwalbenschwanz“ von der Strecke ab und verunfallte schwer. Beim nicht zur Meisterschaft zählenden Grand Prix von Limburg in Zolder (Belgien) feierte Ivy sechs Wochen später mit Platz 5 seine erste Zielankunft. Danach trat er am Rhein-Pokalrennen auf dem Hockenheimring an. Hier führte er zu Beginn sogar das Rennen an, bevor er mit einem technischen Defekt ausschied. Nach einem Startverzicht in Monza für ein Rennen am 22. Juni ging es wieder auf 2 Rädern weiter, der GP von Assen wartete.
Dramatischer Verlauf eines fantastischen 350 cm³ GP der Niederlande
In einem fantastischen Duell gelang es Bill Ivy, in diesem Rennen Agostini zu folgen und dabei mehrmals sogar in Führung zu gehen. Doch wieder einmal ließ den kleinen Kämpfer die Technik im Stich. Denn seine Jawa V4 lief teilweise plötzlich nur noch auf drei von 4 Zylindern, wodurch Ivy zurückfiel. Doch der Engländer gab nicht auf und schaffte es sogar noch, den zweiten Platz hinter Agostini und vor dem Italiener Silvio Grassetti zu retten. Bei zwei Zielankünften 2 zweite Plätze im 4. Rennen. Es war schlicht sensationell, was Bill Ivy mit der Zweitakt-Jawa gegen den erfolgreichsten Rennfahrer der Geschichte hier gezeigt hatte. Weiter ging es zum Sachsenring. Im Vorjahr hatte Ivy hier Platz 2 im 125 cm³ Rennen erreicht und das 250-er Rennen sogar gewonnen.
Der GP der DDR auf dem Sachsenring
Wie üblich herrschte ein Besucherandrang am Sachsenring, der weltweit seinesgleichen suchte. In der damaligen DDR hatten die Stars aus der GP-Szene seit jeher eine besondere Anziehungskraft. Der Enthusiasmus an der Strecke und in der ganzen Umgebung ist heute noch spürbar, doch das Event von 1969 ging als schwarzes Wochenende im Rennsport in die Geschichte ein.
Ivys tragischer Tod vor dem Sachsenring GP
Am 12. Juli beim Training zum GP der DDR fand der erst 26-jährige Bill Ivy auf dem Teilstück vor der Badberg-Kurve auf tragische Weise den Tod. Man stellte später fest, dass an seiner 350 cm³ V4 Jawa ein Pleuellager-Defekt zu einem sogenannten „Kolbenklemmer“ geführt hatte. Womöglich hatte sich Bill im falschen Moment den Helm gerichtet und daher die Hand nicht rechtzeitig an der Kupplung, um noch auf den blockierenden Motor reagieren zu können. Ivy wurde beim Sturz gegen den Pfeiler eines Zauns geschleudert und verstarb kurz darauf an schweren Kopf und Thorax-Verletzungen.
Zitat von Bill Ivy
„Little Bill“ soll einmal gesagt haben
„Ich muss das Leben so leben, weil es so aussieht, dass dieses Leben nicht mehr lange dauert“.
Bill Ivys Erfolge in Kurzform
Der kleine Engländer gewann von 1963 bis 1968 insgesamt 95 Rennen. 21 Siege davon erzielte er bei 46 Starts an Grand Prix Rennen, wo außerdem 19 Podiums-Platzierungen dazukamen. Bill Ivy fuhr 28 mal die schnellste Runde in einem GP, also bei mehr als jedem zweiten Lauf, an welchem er teilnahm. Kam „Little Bill“ bei einem WM-Lauf nicht ins Ziel, war in den meisten Fällen die fragile Technik daran schuld. Viel zu oft hatte der Winzling mit dem großen Kämpferherz unsägliches Pech mit dem Material. Besonders tragisch war unter diesen Umständen, dass auch sein tödlicher Sturz auf dem Sachsenring die Folge eines technischen Versagens an seiner 350 cm³ V4 Jawa war. Beim Finalrennen in Opatija gelang Silvio Grassetti auf einer Jawa der erste Saisonsieg in der 350-er Klasse. Frantisek Stasny wurde in Ex-Jugoslawien bei diesem GP im heutigen Kroatien Dritter. Der als Ersatz für Ivy engagierte Italiener Grassetti hatte davor bereits beim GP der Tschechoslowakei in Brünn mit Platz 3 und beim GP der Nationen in Monza (P2) zwei Podiumsplatzierungen erreicht.
Hallo,
auf dem Foto der zerstörten Maschine handelt es sich sicherlich nicht um eine Jawa 673!
Sollte einer Interesse haben an Fotos von der Jawa nach dem Unfall, der kann sich gerne
an mich wensden! Habe einiges an Bildmaterial!
Gruß aus der Eifel
Hallo und vielen Dank für das Feedback!
Dieser Hinweis wird in die nächste Überarbeitung einfliessen und bitte gerne an entspr. Bildmaterial.
Leider gibt es auch bei älteren Dokumenten immer wieder fehlerhafte Untertitel, wie wir bereits öfters feststellen mussten.
Offenbar demnach auch im angesprochenen Fall und insofern sind wir natürlich um jeden Hinweis und Foto sehr dankbar.
Beste Grüße
Die Motoracers