Die 3 Titanen Englands, wovon einer von der Statur her etwas aus der Reihe fiel, am GP von Finnland in Imatra 1967. Von links Mike „the Bike“ Hailwood, Bill Ivy und Phil Read .

Die Saison 1968 mit dem unvergessenen Idol vieler Fans

Bill Ivy hatte im Vorjahr überlegen den 125 cm³ Weltmeistertitel geholt. Mit insgesamt 8 Siegen in 12 Rennen und dazu 2 zweiten Plätzen war es eine ähnliche Dominanz wie diejenige von Mike „the Bike“ beim 250 cm³ Titel 1966. Damals hatte Mike Hailwood sämtliche Rennen gewonnen, bei denen er ins Ziel kam. Doch im Jahr darauf blieb bis zum letzten Rennen der Saison offen, wie der Champion am Saisonende heißen würde. Am Ende verteidigte Hailwood 1967 seinen WM-Titel. Es wäre damals auch mit dem heutigen Punktesystem bis zuletzt eng geworden. Doch aufgrund der höheren Konstanz hätte Read mit 180 Punkten die 250-er Weltmeisterschaft gewonnen, vor Hailwood mit 177 und Ivy mit 176. Für die Saison 1968 hatte sich Honda mit einem neuen Vierzylinder-Motor vorgenommen, eine neue Attacke in der 500 cm³ WM zu reiten. Die Titel-Entscheidung war 1967 bereits eine enge Angelegenheit zwischen Agostini (MV) und Hailwood auf der Honda gewesen. Die 250-er und 350 cm³ Kategorie hatte man seit zwei Jahren fest im Griff und nun sollte die langjährige Dominanz von MV Agusta in der Königsklasse endlich fallen.

Mike Hailwood auf der 500 cm³ Vierzylinder Honde bei einem Vorsaison-Rennen 1968 in Rimini.

Die FIM stellt die Motorrad-Rennsportwelt auf den Kopf

Doch es kam alles völlig anders, als man es sich in Japan und auch in der breiten Öffentlichkeit gedacht hatte. Bereits vor Saisonbeginn 1968 schockierte eine Nachricht von Ende Februar die Sportwelt. Honda zog sich aus dem Wettbewerb nach sieben GP-Saisons zurück! Nach 138 Siegen in den fünf Soloklassen, 16 Fahrertiteln und 18 Herstellertiteln kam dieser Entscheid für viele überraschend. Hintergrund dafür war mitunter die Ankündigung der obersten Motorrad-Sportbehörde FIM, auf das Jahr 1969 gravierende technische Einschränkungen einzuführen.

Damit war infolge Reglements-Änderung der FIM per 1969 Schluss – die Honda 6-Zylinder 250 cm³ Rennmaschine. Aus diesem Grund verzichtete Honda bereits 1968 auf eine Weiterentwicklung und zog sich bereits vor Saisonbeginn aus dem GP Sport zurück.

Die Werksteams der Saison 1968

Durch das angekündigte Reglement wurden die von den Japanern entwickelten 4, 5- und 6-Zylinder-Motoren der mittleren Klassen per 1969 verboten. Genauso wie die Motoren mit mehr als einem Zylinder bei den 50-ern, sowie mehr als 6 Gängen. Dazu kam eine Beschränkung auf 2-Zylinder-Motoren in der 125 cm³ Klasse. In dieser Kategorie war Suzuki in der Saison 1967 bereits mit einem V4-Zylinder Zweitakter gegen Honda mit einem 5-Zylinder Viertakter angetreten. Die 50-er 2-Zylinder von Suzuki hatte 14 Gänge. Dies war notwendig um das schmale Drehzahlband, bei welchem der Motor ausreichend Leistung abgab, überhaupt nutzen zu können. Die Werke Honda und Suzuki verzichteten daher bereits auf die Saison 1968, sich weiterhin werksseitig in der WM zu beteiligen. Die beiden ehemaligen Honda Werks-Piloten Hailwood und Bryans erhielten für 1968 noch Maschinen und Ersatzteile. Doch nur für Rennen außerhalb der WM, mit einem klaren Verbot der Teilnahme an Grand Prix Veranstaltungen.

Kalender 1968 – mit gravierenden Änderungen
Der spontane Rückzug von Honda und Suzuki sollte auch Auswirkungen auf den Kalender haben. Ohne die zwei japanischen Werke verlor deren Heim-GP schlagartig an Bedeutung. Ursprünglich waren in diesem Jahr 12 Runden geplant. Doch nach der Absage von zwei Grand Prix wurde die Meisterschaft von 1968 letztlich auf zehn reduziert. Die Übersee-Rennen von Kanada und Japan flogen aus dem Kalender. Bei den 125-ern waren es dadurch nur noch 9 Runden und in der 350 cm³ Kategorie deren 7. Nur bis 250 cm³ und für die 500 cm³ Königsklasse fanden 10 WM-Läufe statt. Der Grand Prix von Kanada 1967 blieb ein Einzelfall und wurde nie mehr fortgesetzt. Wie NSU im Jahr 1954 vergab Yamaha die Titelvorgabe für 1968 angeblich bereits im Voraus: Die 125 cm³ WM sollte Phil Read gewinnen und der 250-er Titel war für Bill Ivy bestimmt.

Start zum GP von Hockenheim der 350 cm³ Klasse im Jahr 1967. Im Folgejahr kam nach 1965 zum zweiten Mal die Nürburgring-Südschleife anstelle des Hockenheimrings zum Zug.

Saisonauftakt am Nürburgring – erneutes Pech bei den 125-ern
Anstelle von April-Wetter herrschten beim Saisonauftakt auf der Eifel hochsommerliche Temperaturen. Kein Wunder, fanden die Rennen am 21. April daher vor einer gigantischen Zuschauerkulisse mit rund 200-tausend Besuchern statt. Veranstaltungen in Deutschland, egal ob in West oder Ost, schienen Bill Ivy jedoch einfach kein Glück zu bringen. So kam es auch im 125 cm³ Rennen, welches Teamkollege Phil Read gewann, während „Little Bill“ aufgrund von Problemen mit der Kraftstoff-Zufuhr aufgeben musste. Zweiter wurde Lokalmatador Hans Georg Anscheidt auf der privat eingesetzten, ehemaligen Werks-Suzuki vor seinem Landsmann Siegfried Möhringer und dem jungen Dieter Braun (beide MZ). Nach unbeschreiblichem Pech bereits in den 2 Jahren davor auf dem Hockenheimring, schien es in Deutschland für Billy wie verhext zu sein.

Hans Georg Anscheidt – im 125 cm³ Rennen auf der Nürburgring Südschleife zweiter hinter Read. Der Erfolg beim GP von Deutschland sollte 1968 sein bestes Resultat in dieser Klasse bleiben. In der „Schnapsglasklasse“ holte sich der Deutsche auf Suzuki dafür den 3. WM-Titel in Folge.

250 cm³ Rennen – endlich der erste Sieg in Deutschland
Im 250 cm³ Rennen kam endlich die erhoffte Wende. Den 250-er GP gewann Bill Ivy vor dem Neuseeländer Ginger Molloy (Bultaco) und Kent Andersson (SWE, Suzuki). Read verbuchte einen Nuller und Heinz Rosner konnte aus politischen Gründen gar nicht erst starten. Die Organisatoren hatten angekündigt, dass man sich im Fall des Sieges eines ostdeutschen Piloten weigern würde, die DDR Flagge zu hissen und die ostdeutsche Hymne abzuspielen. Trotz Intervention der FIM gaben sie nicht nach und der MZ-Fahrer durfte auf Weisung seiner Teamführung nicht zum Start antreten.

Strahlemann Bill Ivy – nach dem 250 cm³ GP von Deutschland hatte er zum ersten Mal auch in diesem Land Grund zum Lächeln.

Der 125 cm³ GP von Spanien
Nachdem er beim GP im Montjuic Park von Barcelona in den beiden Jahren zuvor das 125 cm³ Rennen gewonnen hatte, strebte Billy natürlich hier den Hattrick mit 3 Siegen in Folge an. Doch trotz schnellster Rennrunde sollte es in diesem Jahr wohl einfach nicht sein. Zusammen mit Teamkollege Phil Read schied er mit einem Kurbelwellenschaden aus und der Spanier Salvador Cañellas gewann vor Ginger Molloy (beide Bultaco) und Heinz Rosner auf MZ. Beide Yamahas waren mit exakt demselben Problem ausgefallen und die Pechsträhne bei den 125-ern hatte sich für Ivy damit fortgesetzt. Die Hoffnung von Derbi in diesem Rennen war der junge Angel Nieto, der es jedoch übertrieben hatte und durch Sturz ausgeschieden war.

Hier führte Bill Ivy noch vor Phil Read im 125 cm³ Rennen – bevor beide mit einem Kurbelwellenschaden ausfielen.

Das nächste Drama beim 250 cm³ Rennen von Barcelona
Nun wollte der kleine Engländer im 250 cm³ Rennen erst recht gewinnen, doch erneut bremsten ihn technische Probleme ein. Erneut wurde aus dem erhofften Sieg ein Ausfall, während sein Stall-Kamerad Read vor Rosner und Molloy gewann. Beim 4. Grand Prix Rennen seit dem Auftakt in Deutschland hatte Ivy bereits zum dritten Mal unsägliches Pech mit der damals extrem anfälligen Technik. Diesmal war es eine Störung an der Transistor-Zündung seiner Yamaha, welche ihn jeglicher Siegchancen beraubte. Auch der Schwede Kent Andersson fiel in denselben Rennen (125 cm³ und 250 cm³) wie Ivy aufgrund technischer Probleme aus.

Montjuic Park 250 cm³ GP Leader Phil Read, nachdem er sich bis zu dessen Ausfall ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Bill Ivy geliefert hatte.

WM-Runde 3 auf der Isle of Man mit kurioser Folge der Stallorder
Im 125 cm³ Rennen fand die Pechsträhne von Ivy endlich ein Ende und er landete hinter Teamkollege Read auf Platz 2. Eigentlich hatte Billy fast das ganze Rennen geführt und den Sieg auf sicher, doch Yamaha hatte offensichtlich bereits vor dem Rennen die Rollen festgelegt. Die Anweisung der Stallregie lautete demnach, dass Ivy die schnellste Rennrunde fahren solle, aber Phil Read das Rennen gewinnen müsse. So kam es zu einer der kuriosesten Szenen, welche man sich im Rennsport nur denken konnte. Billy hielt als Führender in der letzten Runde an und fragte einen Streckenposten bei Creg-ny-Baa nach dem Stand des Rennens. Nachdem Ivy die Bestätigung erhalten hatte, dass er in Führung lag, tuckerte er langsam bis ins Ziel weiter. Damit konnte Read gewinnen und beide hatten ihren Auftrag pflichtgemäß erfüllt. Jahrzehnte später gab es beim Formel 1 GP von Österreich eine ähnliche Szene, als Rubens Barrichello per Team-order seinem Teamkollegen den Sieg schenken musste. Der Brasilianer hatte 2002 kurz vor dem Ziel in Führung liegend seinen Ferrari abgebremst, um Michael Schuhmacher vorbeizulassen. Später gab Rubens zu Protokoll, er hätte sich darauf vor Wut übergeben.

Eine Streckenkarte der Tourist Trophy von 1968 – der rund 60 km lange Straßenkurs war viel zu lang im GP Kalender und forderte unzählige Todesopfer. Auch nachdem der GP-Zirkus ab 1977 für den GP von England nach Silverstone ausgewichen war, ging der Wahnsinn auf der Isle of Man weiter. Bis heute sind wir bei über 250 Rennfahrern, die auf dieser Strecke ihr Leben verloren. Im Jahr 2020 sorgte ironischerweise das SARS-CoV-2 Virus dafür, dass durch die Absage in dieser Saison kein neues Opfer dazukommen konnte.

Das 250 cm³ Rennen der Tourist Trophy und der tapfere Billy
Man kann sich die Motivation des kleinen Engländers im 250-er Rennen gut vorstellen. Bereits in der ersten Runde fuhr er einen unglaublichen Schnitt von 169 km/h. Aber in der 2. Runde geriet er mit seinem rechten Fuß bei der Ortschaft Milntown kurz vor Ramsey unter die Fußraste. Die Maschine machte dabei einen förmlichen Satz nach links und der arme Bill verstauchte sich dazu heftig sein rechtes Gehwerkzeug. Doch damit nicht genug schlug bei dieser Gelegenheit die Maschine auch noch links auf und es brach ein Stück eines Auspuffs dabei ab. Ab nun gab Ivys Zweitakt-Yamaha nur noch auf 3 von 4 Zylindern richtig Leistung ab, worauf Phil Read auf Platz 2 liegend wieder deutlich an Zeit gutmachen konnte. Doch beim zweiten Boxenstopp erfuhr Ivy, dass sein ärgster Kontrahent mit einem Reifenschaden bei Bungalow ausgeschieden war. Ab nun teilte sich „Little Bill“ das Rennen klug ein und sicherte sich seinen ersten 250 cm³ Sieg der Karriere auf der Isle of Man. Zweiter wurde der Italiener Renzo Pasolini auf Benelli vor Heinz Rosner (DDR) auf MZ. Der kleine Jockey Ivy musste laut Augenzeugen nach seinem Sieg vom Motorrad gehoben werden, so arg waren seine schmerzhaften Verletzungen!

Bill Ivy auf der 250 cm³ Yamaha bei seiner Siegesfahrt an der TT von 1968. Das Oberleder seines Stiefels war bereits arg angeschliffen und der tapfere Billy biss auf die Zähne bis ins Ziel.

Erneutes Pech am 125 cm³ GP von Assen
Nach seiner Bestzeit im Training galt Bill Ivy für dieses Rennen natürlich als Hauptfavorit. Aber bei einer Startkollision fuhr ihm der Schwede Kent Andersson über den Fuß und streifte dabei die Yamaha des Engländers. Dieser kam trotzdem gut vom Start weg, musste aber auf Platz 2 liegend nach der 2. Runde an die Box. Dort wurde eine geplatzte Kühlwasserleitung diagnostiziert, was womöglich aufgrund der Karambolage beim Start passiert war. Bill gab zudem jedoch zu Protokoll, dass er durch die Fußverletzung vermutlich das Rennen sowieso nicht durchgehalten hätte. Das Pech des Lieblings der Massen war unbeschreiblich! Erst zwei von 6 Rennen hatte er bis dahin überhaupt beenden können und nun im 7. WM-Lauf bereits der vierte unverschuldete Ausfall. Es gewann Phil Read vor Ginger Molloy und dem Niederländer Jan Huberts auf MZ.

Phil Read bei seiner Siegesfahrt zum 125 cm³ GP von Assen.

Das 250-er Rennen mit dem gerechten Ausgang
Wohl niemand hatte den 250 cm³ Sieg so verdient wie Ivy und das wusste auch Teamkollege Phil Read. Trotzdem lieferten sich die beiden einen sehenswerten Kampf um den Sieg, bei welchem am Ende der kleinere der zwei Yamaha Werkspiloten als Erster über die Ziellinie fuhr. Ob das Resultat nur eine Folge der Stallorder war, oder ein echt geführter Kampf, behielten die zwei letztlich für sich. Immerhin lag Ivy nun mit 3 Siegen nach vier Rennen wie geplant auf WM-Kurs, genauso wie Read bei den 125-ern. Weiter ging es nach Belgien, wo diesmal die kleinere Klasse pausieren musste, weil die 125 cm³ Kategorie in Spa nicht ausgeschrieben war.

Der Neuseeländer Ginger Molloy beim 125 cm³ GP von Assen 1968 auf seiner Bultaco.

GP von Belgien – die Pechsträhne findet eine Fortsetzung
Aufgrund seiner Fußverletzung vom 125 cm³ GP von Assen musste der als schlechter Starter bekannte Bill Ivy seine Yamaha beim Schiebestart in Spa-Francorchamps im Sattel sitzend in Gang bringen. Interessanterweise war trotzdem er es, der beim Start am besten wegkam. Am Ende der ersten Runde führte Billy mit 17 Sekunden vor Rod Gould auf Kawasaki und Read fuhr für einen Zündkerzen-Wechsel an die Box. Am Ende der vierten Runde bog Bill aus demselben Grund in die Boxengasse ab.

Start zum 250 cm³ GP von Belgien von 1968 mit dem führenden Bill Ivy. Doch mit viel Pech schied er bereits zum 5. Mal in diesem Jahr unverschuldet aus. Bei 9 bisherigen Starts war er nur viermal ins Ziel gekommen.

Das Pech klebte Ivy an den Fersen
Als er an die Box fuhr, hatte Ivy bereits eine Minute Vorsprung auf die nächsten Verfolger herausgefahren. Doch bei ihm stotterte sein Bike auch nach dem Kerzenwechsel noch und in der folgenden Runde setzte ein Zylinder nach dem nächsten aus, bis der Motor nur noch auf einem lief. Damit konnte er genau noch bis zur Box rollen, als seine Yamaha ihren Geist ganz aufgab. Zu diesem Zeitpunkt hatte Heinz Rosner auf MZ geführt, aber Phil Read fing ihn vor dem Ziel noch ab und gewann das Rennen. Dritter wurde Rodney Gould (GBR) vor dem Ungarn László Szabó (MZ) und Santiago Herrero (SPA, Ossa).

Phil Read auf seiner Siegesfahrt beim GP von Belgien 1968 in der 250 cm³ Klasse.

Bills letzter und sehr erfolgreicher Sachsenring GP
Niemand konnte zu diesem Zeitpunkt wissen, dass er 1968 zum letzten Mal in seinem Leben am Sachsenring GP am Start stehen würde. Doch es sollte ein sehr erfolgreicher Renntag für den knapp 160 cm hohen Winzling aus England werden. Im Sattel seiner Yamaha war Bill Ivy ein wahrer Gigant. Doch nach dem Start zum 125 cm³ Rennen bekam er Probleme und musste wie so oft in dieser Saison die Box ansteuern. Er war wie Read bereits schlecht gestartet und die Aussetzer an seiner 4-Zylinder Yamaha ließen nichts Gutes ahnen. Nach etwa einer Minute konnte er wieder losfahren, die Mechaniker hatten die Ursache gefunden und behoben. Phil Read führte bereits vor Heinz Rosner und Ivy lag zu diesem Zeitpunkt nur an 27. Stelle. Doch der kleine Mann mit dem großen Kämpferherz fuhr wie entfesselt. Innerhalb von 2 Runden hatte er bereits 12 Fahrer überholt. In der neunten Runde stellte Bill mit 3:12.2 einen neuen 125 cm³ Rundenrekord auf, mit einem Durchschnitt von 161.344 km/h. Read gewann das Rennen vor einem überragenden Ivy und Günter Bartusch (DDR, MZ).

Bill Ivy auf der 125 cm³ Yamaha war der Mann des Rennens beim GP der DDR von 1968.

Der Triumph im 250 cm³ Rennen
Doch es sollte noch besser kommen und Billy startete wie beim GP von Spa in Belgien erneut bei den 250-ern auf seiner Yamaha sitzend. Die beiden Yamaha Werksfahrer übernahmen sofort die Spitze und fuhren dem Rest des Feldes auf und davon. Read und Ivy jagten sich über die Strecke und schenkten sich keinen Meter. In der 8. von 15 Runden musste Phil jedoch an die Box fahren, das Kühlwasser seiner Zweitakt-Yamaha kochte bereits. Nach einem Austausch des Kühlwassers ging er wieder auf die Strecke und hatte nach 2 Runden bereits wieder zu Bill aufgeschlossen. Read fuhr wie wenn der Teufel hinter ihm her war und stellte mit über 170 km/h Durchschnitt einen neuen Rundenrekord auf.

Start zum 250 cm³ GP vom Sachsenring 1968 vor eindrücklicher Zuschauerkulisse. Ganz links Phil Read neben seiner Yamaha und rechts von ihm Teamkollege Bill Ivy, auf seinem Bike sitztend.

Ivy siegt nach mutmaßlicher Stallorder
Read hatte zwar die Führung übernommen, doch man bekam den Eindruck er hätte Ivy danach leicht davonziehen können. Dies geschah jedoch nicht, sondern er hielt sich brav knapp vor Bill. Read verhielt sich genauso, wie wohl von den Team-Oberen von Yamaha vor dem Rennen bereits angeordnet. Die meisten Zeitungen berichteten nach dem Rennen auch klipp und klar, dass eine Stallorder für den Ausgang des Rennens entscheidend gewesen sei. Doch Ivy konnte dies egal sein. Nach all dem Pech, was er erlitten hatte und den vielen Ausfällen in den Rennen davor, hatte er sich den Sieg so oder so verdient. Die beiden Teamkollegen fuhren mit je einem zweiten und ersten Platz im Gepäck weiter nach Tschechien, respektive der damaligen Tschechoslowakei. In Brünn wartete bereits der Masaryk-Ring auf die 2-Rad Helden der damaligen Zeit.

Ivy (rechts) vor Read – so lautete der „Marschbefehl“ von Yamaha für den GP der DDR 1968.

125 cm³ GP der Tschechoslowakei
Auf dem damaligen Straßenkurs nahe der Stadt Brünn hatte Ivy im Vorjahr bei den 125-ern gewonnen und wurde hinter Read in der 250 cm³ Klasse Zweiter. Doch diesmal waren die Vorzeichen speziell, insbesondere aufgrund der Vorgaben ihres Arbeitgebers Yamaha. Ein Sturz in der Farina Kurve auf regennasser Strecke beim 125 cm³ Rennen von Bill Ivy sorgte dafür, dass Read ohne jeglichen Verdacht auf eine Stallorder den Sieg davontrug. Er hatte sich und Yamaha damit in der viertletzten Runde der Weltmeisterschaft bereits vorzeitig den Fahrer- und Herstellertitel gesichert. Zweiter wurde der Ungar Szabo vor Günter Bartusch (DDR), beide auf MZ. Ivy war am Schienbein verletzt und für das spätere 250 cm³ Rennen aus diesem Grund arg handicapiert.

Start zum 125 cm³ GP von Brünn 1968, von links Heinz Rosner (Nr. 22), Bill Ivy (2) und Phil Read (1).

Die Polemik nach dem falschen 250 cm³ Sieger
Nachdem das Ziel in der 125-er Klasse für Yamaha und Read erreicht war, wäre nun der angeschlagene Ivy an der Reihe gewesen, das 250 cm³ Rennen für sich zu entscheiden. Mit mehreren Schmerz-stillenden Spritzen, die ihm ein Arzt vor dem Start verabreicht hatte, biss Bill auf die Zähne. Nach dem Start lag er anfänglich nur an siebter Stelle und auch Phil war schlecht weggekommen, führte aber bereits nach der ersten Runde das Feld an. Bill gelang es danach, sich Stück für Stück nach vorne zu arbeiten. Nach einiger Zeit war er auf Platz 2 angekommen, aber nun passierte das Unerwartete. Erstaunlicherweise hielt sich Phil Read danach jedoch nicht an die Stallorder, um Ivy vorbeizulassen und ging als Erster mit 15 Sekunden Vorsprung auf Bill durchs Ziel. Heinz Rosner wurde vor Rod Gould Dritter. Nach dem Rennen gab Ivy zu Protokoll, dass er nebst seinem körperlichen Handicap auch noch mit Bremsproblemen gekämpft hatte. Der Haussegen bei Yamaha hing nun natürlich gewaltig schief und Read, der laut eigener Aussage Ivy überhaupt erst zu Yamaha ins Boot geholt hatte, beanspruchte plötzlich auch den zweiten WM-Titel für sich. Er argumentierte, dass er Ivy davor bereits zweimal freiwillig den Vortritt gelassen hatte und daher ab jetzt auch um den 250 cm³ Titel mitkämpfen wolle.

Jack Findlay (Bultaco) vor Heinz Rosner (MZ) im 250 cm³ Rennen von 1968.

Die Grand Prix von Finnland und Irland
Phil Read hatte zu diesem Zeitpunkt bereits geahnt, dass sich Yamaha zum Jahresende werksseitig aus dem GP Sport zurückziehen würde. Wohl auch deshalb verhielt er sich seinem Teamkollegen seit Brünn ziemlich rücksichtslos. Beim GP von Finnland in Imatra siegte Read vor Ivy im 125 cm³ Rennen, Platz 3 ging an Heinz Rosner. Bei den 250-ern hatte Ivy den besseren Start, stürzte jedoch in Runde 9. Dabei verletzte er sich erneut am Bein. Der Sieg ging an Read, der sich damit zum zweiten Mal in Folge einen Doppelsieg sicherte. Weiter ging es auf dem Dundrod Circuit, wenige Kilometer östlich der nord-irischen Stadt Belfast. Am Ulster GP stürzte zur Abwechslung Phil Read im 125 cm³ Rennen, welches danach von Bill Ivy gewonnen wurde. Diesmal war es Read gewesen, der mit Bremsproblemen gekämpft hatte. Beim 250-er Rennen gewann Ivy, womit er die WM-Führung wieder zurückeroberte. Es war ein kleiner Stein, der von Ivys Hinterreifen in Reads Kühler gespickt wurde und dadurch die 250er-Meisterschaft wiederbelebte. Read fiel dadurch aus, Zweiter hinter Bill wurde Heinz Rosner (DDR, MZ) vor dem Engländer Rodney Gould auf Yamaha.

Bill Ivy (innen im Bild) und Phil Read – die zwei Speerspitzen von Yamaha in den Jahren 1966 bis 1968 im Kampf um die Weltmeisterschaft (125 cm³ und 250 cm³).

Showdown beim GP der Nationen in Monza
Beim Saisonabschluss in Monza gewann bei den 125-ern erneut Bill Ivy vor Phil Read. Dritter wurde Hand Georg Anscheidt, der damit nach Platz 2 auf der Nürburgring-Südschleife sein zweites Podium in dieser Saison schaffte. Doch viel spannender war natürlich das 250 cm³ Rennen, da Read schon lange als Weltmeister in der kleineren Klasse feststand. Und prompt gewann er auch das Finale vor Ivy, womit die beiden Streithähne im selben Stall exakt punktgleich waren. Auch nach Abzug der Streichresultate blieben für beide je 46 Punkte. Selbst die Zahl der zweiten Plätze war mit je 2 bei beiden Piloten ident. Nach dem Rennen hatte Ivy noch erklärt, aufgrund von Leistungsverlust an seiner Yamaha keine Chance auf den Sieg gehabt zu haben. Ende 1968 musste die FIM diesen Fall auf ihrem Jahreskongress untersuchen. Bill Ivy reichte gegen Read 2 Proteste ein, welche jedoch abgelehnt wurden. Einer davon betraf eine fehlende Übereinstimmung des Nummernschilds.

Ivy vor Rea auf den beiden Werks-Yamahas – so hätte es in der 250 cm³ WM ursprünglich sein sollen.

Fragwürdiger Entscheid zur Titelvergabe am grünen Tisch
Die FIM regelte den Fall Read-Ivy mit den gleichen Mitteln wie bei der 125 cm³ Hersteller-Wertung von 1953 und 1957. Dafür wurde ein Vergleich der jeweiligen Zeiten in den letzten vier Rennen herangezogen, in welchen beide Piloten ins Ziel gekommen waren. In diesem kleinen Glücks-Spiel gewann Phil Read seinen vierten Weltmeistertitel um zwei Minuten, fünf Sekunden und drei Zehntel. Da blieb für viele Sportfans die Frage offen: Wäre es unter den gegebenen Umständen nicht fairer gewesen, den Titel gemeinsam an die beiden Fahrer zu vergeben? Einmal mehr hatten sich die Funktionäre nicht mit Ruhm bekleckert. Man kann verstehen, dass Bill Ivy damit alles andere als glücklich war. Im Vorjahr hatte er sogar beim GP von Kanada angehalten, um Read vorbeizulassen und 1968 tat er dasselbe an der TT. Zudem hatte er Phil noch bei weiteren Rennen den Vortritt gelassen und das alles nur, um sich am Saisonende derart geprellt zu fühlen.

125 cm³ Fahrer-Weltmeisterschaft 1968

125 cm³ Hersteller-Rangliste 1968

250 cm³ Fahrer-Weltmeisterschaft 1968

250 cm³ Hersteller-Rangliste 1968

Die Erfolge von Bill Ivy im Jahr 1968
4. Febr, Alicante (Spanien), 125 cm³ (Yamaha)
4. Febr, Alicante (Spanien), 250 cm³ (Yamaha)
21. April, Grand Prix von Deutschland, Nürburgring-Südschleife (GER), 250 cm³ (Yamaha)
25. April, Milano-Marittima, Cervia (Italien), 125 cm³ (Yamaha)
25. April, Milano-Marittima, Cervia (Italien), 250 cm³ (Yamaha)
12. Mai, „Mai-Pokalrennen“, Hockenheim (GER), 125 cm³ (Yamaha)
12. Mai, „Mai-Pokalrennen“, Hockenheim (GER), 250 cm³ (Yamaha)
19. Mai, Cadwell Park (GB), 125 cm³ (Yamaha)
10. Juni, Tourist Trophy, Isle of Man, Lightweight TT 250 cm³ (Yamaha)

16. Juni, Post-TT Meeting, Mallory Park (GB), 250 cm³ (Yamaha)
29. Juni, Dutch TT, Assen (Niederlande), 250 cm³ (Yamaha)
14. Juli, Grand Prix der DDR, Sachsenring (GDR), 250 cm³ (Yamaha)
17. Aug, Grand Prix von Ulster, Dundrod (Nord-Irland), 125 cm³ (Yamaha)
17. Aug, Grand Prix von Ulster, Dundrod (Nord-Irland), 250 cm³ (Yamaha)

2. Sept, Oulton Park (GB), 250 cm³ (Yamaha)
15. Sept, Grand Prix des Nations, Monza (Italien), 125 cm³ (Yamaha)
22. Sept, „Race of the Year“ Meeting, Mallory Park (GB), 125 cm³ (Yamaha)
29. Sept, Riccione (Italien), 125 cm³ (Yamaha)
6. Okt, „Race of the South“ Meeting, Brands Hatch (GB), 125 cm³ (Yamaha)