Carlo Ubbiali 1950 auf seiner FB-Mondial.

Teil 2 über die Geschichte des ersten MV Agusta Werksfahrers

Nach WM-Rang 4 für MV im ersten Jahr der Motorrad-Weltmeisterschaft wechselte Carlo zum amtierenden Weltmeister-Fabrikat FB-Mondial. Trotz des Weggangs von Weltmeister Nello Pagani zu Gilera hatte Ubbiali sehr starke Konkurrenz im eigenen Team für die Saison 1950. Der Saisonauftakt glückte ihm gar nicht nach Wunsch. Anfangs Mai nahm er zusammen mit 120 weiteren Fahrern am damals sehr populären Rennen Milano-Taranto statt. Ein über 1’300 km führendes Straßenrennen. Die Ziellinie überquerte er mit seiner 125 cm³ Mondial zwar als erster, wurde danach jedoch disqualifiziert. Was genau mit seinem Bike nicht in Ordnung gewesen sein soll, kann heute nicht mehr mit Sicherheit gesagt werden. Beim nicht zur Weltmeisterschaft zählenden Großen Preis von Österreich fuhr Carlo am 11. Juni 1950 die schnellste Runde in der 125 cm³ Klasse. Doch am Ende wurde es nur der vierte Platz hinter Josef Harburger (A), Biaggio Nocchi (I) und Norbert Fehr (A). Es war ein Saisonbeginn zum Vergessen und leider sollte es beim ersten Grand Prix in den Niederlanden nicht besser gehen.

F. B. Mondial Werbung mit dem Weltmeistertitel von 1949 in der 125 cm³ Klasse und dem Hinweis auf die drei mit dem Racing-Bike verwandten Straßenmodelle. Interessanterweise hatten die Italiener damals bereits unterschiedliche Modelle auf derselben technischen Basis. Als in den 1960-er Jahren die japanischen Werke begannen den weltweiten Motorrad-Markt zu überschwemmen, gab es lange Zeit nur eine einzige Version. Die Initialen F.B. standen übrigens als Abkürzung für Fratelli Boselli, auf Deutsch die Gebrüder Boselli.

Die Werksteams der Motorrad-Weltmeisterschaft 1950

Fehlstart beim GP der Niederlande
Carlos Teamkollege Bruno Ruffo gewann den 125 cm³ Grand Prix der Dutch TT in Assen vor Mondial-Teamkollege Gianni Leoni. Morini Pilot Giuseppe Matucci komplettierte das Podium. Die Plätze 4 und 5 gingen an Umberto Braga (FB-Mondial) und MV-Fahrer Felice Benasedo. Den ersten WM-Punkt seit Durchführung der Motorrad-Weltmeisterschaft eines nicht-Italieners holte sich der Lokalmatador Gijis Lagerweij. Der Niederländer fuhr eine Sparta, eines der unzähligen Fabrikate, die nicht lange überleben sollten. Zumindest was die Motorrad-Produktion der Firma aus dem Land der Tulpen betrifft, ab 1982 wurden nur noch Fahrräder hergestellt. Carlo Ubbiali ging in Assen leer aus und musste auf die zweite von erneut nur 3 Weltmeisterschafts-Runden der 125-er hoffen. Seine Mondial hatte ihn bei der Dutch TT im Stich gelassen, wodurch er ausgefallen war. Nach dem ersten GP Podium im Vorjahr eine herbe Enttäuschung für den jungen Mann aus Bergamo. Bei nur 3 WM-Läufen war seine Chance auf den Titel damit bereits so gut wie dahin.

Der Circuit von Assen in den Jahren 1926 bis 1954 – ein typischer Straßenkurs wie damals die meisten Strecken. Die heutige, wesentlich kürzere Rundstrecke liegt im Bereich von „Oude Tol“, was übersetzt soviel wie „alte Maut“ bedeutet.

Der Durchbruch Ubbialis beim GP von Nord-Irland
Auf dem Clady Circuit gastierte der GP-Zirkus nach dem GP der Schweiz, der diesmal in Genf ausgetragen wurde, auf dem Clady Circuit. In Genf hatten die 125-er allerdings Pause gehabt. Die kleinste Klasse war dort genauso wenig wie beim Saisonbeginn auf der Isle of Man und danach beim GP von Belgien in Spa-Francorchamps ausgeschrieben gewesen. Der Ulster GP war die zweite von nur 3 Runden der 125 cm³ Weltmeisterschaft und Carlo sollte diesen Tag in seinem Leben nicht mehr vergessen. Er fuhr die schnellste Runde und holte sich am 18. August 1950 den ersten GP-Sieg seines Lebens. Während diesmal sein Mondial-Teamkollege Gianni Leoni Pech hatte und sein Motor ausging, holte mit Bruno Ruffo der Dritte Spitzenfahrer im Bunde Rang 2. Besonders kurios an diesem Grand Prix war die Tatsache, dass überhaupt nur die zwei Mondial Fahrer gewertet wurden. Kein anderer Pilot hatte das Ziel außer ihnen beiden erreicht. Doch Ubbiali konnte dies egal sein, er hatte den Sieger der ersten WM-Runde von Assen geschlagen und seinen Triumph redlich verdient.

Bruno Ruffo – der 250 cm³ Weltmeister von 1949. Seinen ersten 125-er Titel hatte er nach einem Sieg und Platz 2 bei nur drei Rennen nach dem Ulster GP schon fast auf sicher.

Das Saisonfinale in Monza
Zum dritten und letzten WM-Lauf der 125 cm³ Klasse in Monza hatte Carlo keine weite Anreise. Selbst damals konnte man diese Wegstrecke wohl in einer knappen Stunde bewältigen. Während Bruno Ruffo als Favorit auf den WM-Titel galt, hatten Ubbiali und Leoni noch Außenseiterchancen. Doch dafür hätte Ruffo das Ziel nicht erreichen dürfen und genau dies tat er beim GP der Nationen mit Rang vier. Gianni Leoni gewann das Rennen, während Carlo die schnellste Runde für sich beanspruchte und hinter diesem Platz 2 erreichte. Dritter hinter den beiden Mondial Piloten wurde Luigi Zinzani auf Morini. Auch die Ränge 5 und 6 gingen mit Raffaele Alberti (FB-Mondial) und Emilio Soprani (Morini) an zwei Italiener.

Die Strecke von Monza nach der Wiederherstellung der Kriegsschäden ab 1949 hatte ein ziemlich simples Layout. Mit Ausnahme von 1952 bis 1954 mit Barcelona fand in den ersten 11 Jahren der Motorrad-Weltmeisterschaft ab 1949 das Finale immer hier statt.

Vize-Weltmeistertitel für Ubbiali
Hinter Bruno Ruffo wurden dessen beide Teamkollegen Carlo Ubbiali und Gianni Leoni ex aequo Vize-Weltmeister. Das Reglement hatte gegenüber 1949 bereits zum ersten Mal geändert. Ansonsten wäre Carlo mit einem Punkt mehr als Leoni sogar alleiniger Vize-Champion geworden, weil damals für die schnellste Runde in zusätzlicher WM-Punkt vergeben wurde. Doch der junge Mann aus Bergamo hatte die Zukunft noch vor sich. Niemand konnte damals ahnen, wie oft er noch zuoberst auf dem Podium stehen und wie viele Titel er noch holen sollte. Den Entscheid für den Wechsel zu Mondial hatte Ubbiali jedenfalls nicht bereuen müssen. Der beste MV Pilot Felice Benasedo war mit lediglich 2 WM-Zählern nur Siebter in der WM-Endabrechnung geworden. In den ersten Jahren der Motorrad-Weltmeisterschaft war gegen FB-Mondial schlicht kein Kraut gewachsen.

FB-Mondial 125 cm³ von 1950 – in dieser Jahr erneut das Maß aller Dinge im Rennsport.

125 cm³ Fahrer-Weltmeisterschaft 1950

Nachdem damals nur die ersten 6 Fahrer eines Rennens WM-Punkte gewinnen konnten, hier zur Vollständigkeit auch die Piloten, welche bei einem GP auf Rang 7 bis 10 ins Ziel gekommen waren (mit den damals üblichen Ländercodes): Dario Ambrosini (I, Morini), Franco Bertoni (I, MV Agusta), Romolo Ferri (I, Morini), Tonnie Heinemann (NL, Eysink), Renato Magi (I, MV Agusta), Dick Renooy (NL, Eysink), Antonio Ronchei (I, MV Agusta), Toon van Zutphen (NL, Eysink).

125 cm³ Hersteller-Weltmeisterschaft 1950

Die Saison 1951 mit dem ersten WM-Titel für Ubbiali

Carlo Ubbiali war Mondial nach seinem Vize-WM-Titel von 1950 treu geblieben und auch sein Arbeitgeber sollte dies nicht bereuen. Neu war der GP von Spanien in den Kalender aufgenommen worden. Der Saisonauftakt 1951 fand auf dem Straßenkurs im Montjuic Park von Barcelona statt. Hier war auch die 125 cm³ Klasse im Programm, weshalb nun auch mit Montesa der erste spanische Hersteller in der WM teilnahm. Endlich waren es dadurch nun auch 4, statt bisher nur drei Runden in der kleinsten Klasse. Aber immer noch waren auch diesmal zum letzten Mal noch die Fahrer aus Deutschland an der Motorrad-Weltmeisterschaft nicht zugelassen. Daher nahmen natürlich auch keine Werke aus Deutschland in der WM teil. Auch aufgrund der Veranstaltungsorte war die Weltmeisterschaft immer noch mehr eine eher reduzierte Europa-Meisterschaft, mit weniger Runden als bei der EM vor dem 2. Weltkrieg.

Die 3 GP-Sieger der kleineren Klassen beim Ulster GP 1950, von links: Bob Foster (350 cm³), Maurice Cann (250 cm³) und Carlo Ubbiali (125 cm³) nach seinem ersten GP Sieg seiner noch jungen Karriere.

Die Werksteams der Motorrad-Weltmeisterschaft 1951

Die deutschen Werke und Fahrer sind in Kursivschrift aufgeführt, da sie im dritten aufeinanderfolgenden Jahr immer noch nicht teilnahmeberechtigt waren. Doch eine Saison später sollte sich dies endlich ändern. Dadurch entstand ab 1952 auch zum ersten Mal in allen Klassen eine echte Konkurrenz. Die Saison 1951 war jedoch noch eine „italienisch-spanische Meisterschaft“, wobei es Montesa deutlich an Konkurrenzfähigkeit mangelte. Insofern blieb im 3. Jahr der WM alles beim alten und die Italiener konnten den Titel unter sich ausmachen. An der Überlegenheit von Mondial änderte dies damals aber noch nichts.

Podestplatz für Ubbiali beim Saison-Auftakt 1951
Beim Rennen auf dem für die meisten Grand Prix Fahrer neuen Kurs im Montjuic Park von Barcelona gewann Guido Leoni. Carlo folgte seinem Teamkollegen auf Platz 2 vor Morini Pilot Vincenzo Zanzi und Raffaele Alberti (FB-Mondial). Für Letztgenannten und den Sieger sollte dies der letzte GP ihres Lebens sein. Die beiden wurden kurze Zeit später Opfer einer Massenkarambolage beim 125-er Rennen auf dem Circuito di Ferrara vom 6. Mai 1951. Drei Jahre später sollte Ubbiali dieses Rennen gewinnen, als es nach einer Pause bis dahin zum letzten Mal zu einer Austragung kam.

Das Layout der damaligen Strecke vom Montjuic Park.
Heutige Aufnahme vom Montjuic Park mit links im Hintergrund der Stadt Barcelona und rechts dem Hafen. Die Strecke von damals war ein gefährlicher Straßenkurs, weshalb ab 1969 die Strecke von Jarama Austragungsort des GP von Spanien wurde.

Die TT-Premiere für Carlo Ubbiali
Zum ersten Mal gastierte 1951 auch die kleinste Klasse auf der Isle of Man. Es war somit die Tourist Trophy Premiere für Carlo und er wusste um die Gefährlichkeit des Straßenkurses. Die brandgefährliche Strecke hatte bis vor seiner Premiere bereits über 30 Todesopfer gefordert. Man darf davon ausgehen, dass Ubbiali mit dem gebotenen Respekt an seine Aufgabe ging. Anders wäre er wohl kaum bei seinem Tod im Juni 2020 der letzte noch lebende Teilnehmer der ersten Motorrad-WM Saison geworden. In den ersten Jahrzehnten des Motorrad-Rennsports war die Devise mit dosiertem Risiko zu fahren noch (über)lebenswichtig. Es gewann in der 125 cm³ Klasse am Ende auch eine Mondial. Doch es war Lokalmatador Cromie McCandless, der vor Ubbiali, Gianni Leoni und Nello Pagani das Rennen für sich entschied. Für die Marke aus Italien ein totaler Triumph mit den ersten 4 Plätzen. Mit Juan Soler Bultó und José Maria Llobet holten sich zwei Spanier auf Montesa die verbleibenden Ränge 5 und 6, für welche es damals noch WM-Zähler gab.

Nicht alle Stürze verliefen an der TT so glimpflich wie für diesen Fahrer bei einer Aufnahme von 1951. Carlo Ubbiali war sich dessen bewusst und fuhr intelligent und trotzdem schnell. Belohnung dafür war ein zweiter Platz bei seinem ersten Rennen in der 125 cm³ Klasse auf der Isle of Man.
Streckenkarte des über 60 km langen Mountain Course auf der Isle of Man. Das Jahr 1951 sollte als besonders schwarze TT-Saison in Erinnerung bleiben. Auf dem auch Snaefell Circuit genannten Kurs fanden nicht weniger als fünf englische Rennfahrer bei ihren Stürzen den Tod.

Die zweite Saisonhälfte 1951
Ubbiali kam als WM-Leader nach Assen, doch er sollte wieder punktelos aus den Niederlanden abreisen. Diesmal ging der Sieg an Gianni Leoni, den Teamkollegen von Carlo, vor Luigi Zinzani (Morini) und Leslie Graham (MV Agusta). Bei der Dutch TT hatte Carlo Pech und sah die Zielflagge nicht. Nachdem er zu Beginn noch in Führung gelegen hatte, fiel er in der dritten Runde auf Platz 3 zurück und verlor kurz danach durch Sturz seine Chancen auf einen Spitzenrang. Aus diesem Grund konnte Teamkollege Leoni im WM-Zwischenklassement zu ihm aufschließen. Doch nur etwas über einen Monat später sollte Leoni als dritter FB-Mondial Pilot innert nur 3 Monaten auf dem Clady Circuit in Nord-Irland den Tod finden. Das Jahr 1951 war für das Team wie verhext. Bei seinem Heimrennen zum Saisonabschluss in Monza holte sich Ubbiali den Sieg vor seinem neuen Mondial-Teamkollegen Romolo Ferri und Luigi Zanzi (Morini). Es war geschafft, Carlo hatte sich damit den ersten Weltmeisterschafts-Titel gesichert! Cromie McCandless wurde im 125 cm³ GP der Nationen nur Vierter, womit er im WM-Endklassement Platz drei hinter Gianni Leoni als posthum erklärtem Vize-Weltmeister holte.

Gianni Leoni († 15. August 1951) – der 125 cm³ Vizeweltmeister von 1950 (zusammen mit Ubbiali) und 1951 (posthum). Das Rennen auf dem Clady Circuit (nordwestlich von Belfast) von 1951 stand für Italiens Rennsport unter einem schlechten Stern. Mit Sante Geminiani und Gianni Leoni (beide im Training der 250 cm³ Klasse) verloren gleich zwei Rennfahrer aus dem Herkunftsland der Pizza ihr Leben.

Verlängerung bei FB-Mondial für 1952 und wichtigste Erfolge 1951
Carlo Ubbiali verlängerte bei Mondial nach zwei erfolgreichen Jahren mit dem ersten WM-Titel auch für die nächste Saison. Seine Erfolgsbilanz von 1951 konnte sich mehr als sehen lassen, hier die Zusammenfassung der wichtigsten Erfolge in seiner zweiten Mondial-Saison:
– 8. April: Platz 2 hinter Guido Lorenzi beim GP von Spanien (WM-Lauf).
– 25. April: Sieg auf dem Circuito Motociclistico Modena
– 6. Mai: Führung im 125 cm³ Rennen von Ferrara, abgebrochen nach Unfall.
– 6. Juni: Platz 2 hinter McCandless beim Ulster GP (WM-Lauf).
– 22. Juli: Sieg beim nationalen Rennen von Bra zur ital. Meisterschaft.
– 9. September: Sieg beim WM-Finale in Monza, GP der Nationen.
– Italienischer 125 cm³ Meister 1951.
– Weltmeister 125 cm³ 1951.

125 cm³ Fahrer-Weltmeisterschaft 1951

Nachdem damals nur die ersten 6 Fahrer eines Rennens WM-Punkte gewinnen konnten, hier zur Vollständigkeit auch die Piloten, welche bei einem GP auf Rang 7 bis 10 ins Ziel gekommen waren (mit den damals üblichen Ländercodes): Felice Benasedo (I, FB-Mondial), Franco Bertoni (I, MV Agusta), L. Caldecutt (GB, BSA), Wout de Greef (NL, Grefa/Villiers), H. Grindley (IRL, DMW), E. Hardy (GB, Dot), Tonnie Heinemann (NL, Eysink), R. Holton (GB, Pankhurst), Dick Renooy (NL, Eysink), „Setroc“ (E, MV Agusta), Ton van Zutphen (NL, Eysink), W. Wierda (NL, Eysink), Gianfranco Zanzi (CH, FB-Mondial), W. Zylaad (NL, MV Agusta).

125 cm³ Hersteller-Weltmeisterschaft 1951

Weiter siehe Teil 3 der Story über Carlo Ubbiali..