Woher die oft gähnende Langeweile bei Interviews kommt
Michael Schuhmacher war zweifelsohne ein Ausnahme-Sportler und für viele Fans und Experten der beste Formel-1 Fahrer aller Zeiten. Daran können frühere oder spätere Ausnahme-Erscheinungen nichts ändern, ein Lewis Hamilton auf seinem seit Jahren völlig überlegenen Mercedes schon gar nicht. Im Automobilsport macht leider beim Erfolg oft das Fahrzeug bis zu 90 Prozent aus, wenn es um Sieg oder Niederlage geht. Ganz im Gegensatz zum Motorrad-Rennsport. Zu Beginn seiner Karriere hatte der Kerpener ein ernsthaftes Problem. Hierbei ging es weniger um sein meist unterlegenes Auto, sondern vielmehr sein Image in der Öffentlichkeit. Am Extremsten zeigte sich dies beim Rennen in Imola, welches „Schumi“ am Sonntag, dem 1. Mai 1994. Das Motorsport-Idol Ayrton Senna da Silva hatte keine Stunde davor seinen letzten Atemzug getan, als der junge Schuhmacher auf dem Podium seinen Sieg freudestrahlend feierte. Der Moment ging als „die Schande von Imola“ in die Motorsportgeschichte ein.
Die Folgen des Skandals – der beginnende Einheitsbrei
Der Vorfall von Imola sollte nicht der letzte bleiben, durch welchen der ehrgeizige Deutsche zwischendurch immer wieder in die Kritik der Öffentlich geraten sollte. Doch insbesondere, weil sich Schuhmacher teils vor laufendem Mikrofon nicht immer besonders geschickt verhalten hatte, bekam er irgendwann eine „Anstandsdame“ zur Seite gestellt. Es war der Beginn einer im Motorsport durchaus umstrittenen Entwicklung, die mit der Zeit für einen wahren Einheitsbrei sorgen sollten. Heutzutage werden wir wahrhaft überflutet von schönfärberischen Berichten über die sogenannte „KTM-Familie“ und ähnlichen Erscheinungen der Werbe-Strategen. Wie bröckelnd solche Idyllen sein können, sah man im Vorjahr, als sich Johann Zarco zum Weggang entschied. Als danach der Franzose von der Red Bull Medienmacht bei jeder sich bietenden Gelegenheit von G. Fiesinger und Konsorten durch den Dreck gezogen wurde. Oder nach dem KTM internen Crash in Spielberg, als das „Familien-Mitglied“ Miguel Oliveira danach nicht ganz zu Unrecht über den Stur- und Hitzkopf Pol Espargaró herzog.
Einige wenige Glücksfälle und deren darauf basierende Popularität
Ähnlich wie ein Roger Federer im Tennissport ist Valentino Rossi auf zwei Rädern eine Ausnahme-Erscheinung. Genauso wie vor ihm Barry Sheene in den 1970-er Jahren ist der Italiener immer wieder zu Späßen aufgelegt und wirkt mit seiner lockeren und offenen Art so erfrischend, wie man es sich nur wünschen kann. Auch Fahrer wie Cal Crutchlow bilden eine wohltuende Ausnahme vom Einheitsbrei, den man viel zu oft in Interviews von den meisten Piloten hört. Der Engländer macht aus seinem Herzen in der Regel keine Mördergrube und sorgt damit gerne mal für den ein- oder anderen Lacher. Auch ein Scott Redding ist für die WorldSBK genau der erhoffte Farbtupfer, der dieser Serie extrem guttut, seit er von der MotoGP via BSB in die seriennahe WM wechselte. Auch der Ducati-Neuzugang und aktuelle WM-Zweite nimmt in der Regel bei Interviews kein Blatt vor den Mund und spricht die Themen offen an.
Der Rossi-Effekt in der MotoGP
Kürzlich stellte ein wohl geistig schwer angeschlagener Schreiberling in seinem Artikel rhetorisch die Frage, weshalb Valentino Rossi überhaupt noch seine Karriere verlängere. Da hat der gute Mann wohl noch nie eine Pressekonferenz der MotoGP am Donnerstag verfolgt, da er womöglich in dieser Zeit vielleicht lieber sein tägliches Wurschtbrot in der Alpenrepublik Österreich verspeiste. Falls es noch nicht bis dorthin gedrungen sein sollte, sei an dieser Stelle nochmals dazu erklärt: Valentino Rossi ist aktuell quasi die MotoGP, ein gutes Stück weit das Rückgrat der aktuellen Popularität der Prototypen WM. Zu Zeiten eines Carl Fogarty hatte die WorldSBK oft mehr Zuschauer als die MotoGP. Rossi ist heute so etwas wie der Magnet, welcher einen Großteil der Zuschauer nicht nur in Italien auf die Tribünen zieht.
Die Schattenseiten des Rossi-Effekts
Wir sind heute bereits gespannt was passiert, wenn der Altmeister als aktiver Rennfahrer zurücktreten wird. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Ticketpreise in Italien danach immer noch im Vergleich zum Ausland mit Abstand am höchsten sein werden. In der MotoGP Pressekonferenz tun uns oft genug die anderen Fahrer, wenn meist bis zu 90 Prozent der Fragenden sich nur an Valentino richten. Im Gegensatz dazu andere Piloten teils ohne nur eine einzige Frage beantwortet zu haben, danach wieder von dannen ziehen. Auch ein Marc Marquez kann wohl von den Schattenseiten des Rossi-Effekts mehrere Liedchen singen. Ob auf dem Sachsenring ein „Büüühhh..“ oder in Losail (Katar) ein sehr lautes „Buuuhhh..“ ertönt, sobald der mehrfache Weltmeister auf dem Grid jeweils vorgestellt wird, der Effekt ist jeweils derselbe. In Italien sahen wir Fans mit eigenen Augen die Stelle des Asphalts küssen, auf welcher der Spanier im Rennen ausgerutscht war (siehe nachfolgender Clip mit seinem Sturz von 2018). Einige anderen Auswüchse wollen wir an dieser Stelle gar nicht erst erwähnen.
Über das „ich“ und oft fragwürdige „wir“ im Motorsport
Das Problem mit den Anstandsdamen für Rennsportler und vorgefertigten Standardsprüchen, welche den meisten Fahrern zu Beginn ihrer Karrieren eingetrichtert werden, liegt auf der Hand. Oft tönt es haargenau gleich und viel zu häufig wirkt es für manchen grotesk, wie sich viele Piloten bei Interviews heute äußern. Bei genauem Hinhören bekommt man nämlich meist den Eindruck, das ganze Team saß dem Piloten mit auf seinem Bike. Ein „ich habe einen Fehler gemacht“ tönt dann oft geradezu wohltuend. Mancher Schreiberling nimmt es danach zwar bisweilen etwas gar „Wiesingerisch“, sprich schert sich um die Wahrheit den Teufel und übersetzt, so wie es für ihn oder seinen Geldgeber besser passt. Bei jemanden, den man in einem besseren Licht darstellen will, kann aus dem „ich“ dann schnell mal wieder ein „wir“ werden. Damit sind wir wieder bei zurück bei Valentino Rossi. Vom Altmeister kennen wir keine Ausreden und Beschönigungen, nach seinem Sturz in Barcelona bewies er erneut Charakter und betonte klar, dass es einzig und allein sein Fehler war. Der Mann braucht definitiv keine Anstandsdame, er ist in jeder Beziehung ein Ausnahmetalent.
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