Valentino Rossi auf der Startaufstellung zum GP von Jerez 2019 – fotografiert von MotoRacers Zippy. Der Altmeister hat es nach wie vor drauf, um Podiumsplätze mitzufahren. Da es für Siege aber seit längerer Zeit nie mehr klappen wollte und die Konstanz fehlt, um vorne mitzufahren, wurde dem Idol der Massen bereits der Rücktritt nahegelegt. Dadurch würde bei Yamaha plötzlich ein Spitzenplatz frei, welchen Andrea Dovizioso bei Petronas Yamaha SRT besetzten könnte, doch Rossi bestreitet energisch.

Zum Glück wurde nachfolgender Artikel nur für den Fall erstellt, hätte Rossi sich wirklich dazu entschieden. Doch an der Presse-Konferenz von Misano dementierte er dies deutlich.

Die logische Entscheidung von Valentino zum Aufhören

Nach einer der längsten Karrieren im Motorrad-Rennsport überhaupt sieht der Sohn des ehemaligen Spitzenfahrers Graziano Rossi keinen Sinn mehr zur Fortsetzung seiner Karriere. Wir verstehen durchaus, weshalb sich Valentino trotz anfänglich anderslautender Aussagen letztlich nun doch zum Rücktritt entschlossen hat. Gerne nennen wir, ohne Anspruch auf Vollständigkeit hiermit einige der wichtigsten Gründe für seinen am Ende logischen Entscheid:

– „Vales“ Stolz, weshalb er sich verständlicherweise am Ende dagegen entschied, in ein B-Team abzusteigen.
– Der Schock von Spielberg, als fremde Bikes nur um Zentimeter entfernt an seinem Kopf vorbeiflogen waren.
– Die Einsicht, im Titelkampf selbst nach dem Ausscheiden von Marc Marquez kaum ernsthaft mithalten zu können.
– Yamahas anhaltende Top-Speed Probleme, unter welchen der Italiener seit x Jahren leidet.
– Immer mehr MotoGP Rookies, die dem Altmeister auf Anhieb im Rennen das Hinterrad zeigen.
– Die durch die Corona-Zwangspause geförderte Einsicht, wie schön das Leben auch ohne Rennsport durchaus sein kann.
– Der Kinderwunsch von ihm selbst und seiner Freundin und Lebenspartnerin, er ist Italiener!
– Körperliche Limitierungen, die auch einen junggebliebenen 41-jährigen irgendwann einholen.

Valentino Rossi nach seinem Podium beim GP von Andalusien im 2. Rennen von Jerez im Interview zu seinem dritten Platz. Trotz definitiv sehr starker Leistung muss man festhalten, dass „Vale“ dabei auch sehr viel Glück hatte. Ohne den technisch bedingten Ausfall seines ehemaligen Schützlings Francesco „Pecco“ Bagnaia (Pramac Ducati) hätte es für die Nummer 46 definitiv nur für Platz 4 gereicht (© MotoGP).

Die Jahre eines der beliebtesten Piloten des Rennsports

Man sollte sich, um die Entscheidung Rossis zu verstehen, einmal die spätere Phase früherer Spitzenfahrer genauer unter die Lupe nehmen. Beginnen wir zuerst dazu mit dem Beispiel von Barry Sheene, passenderweise das größte Idol, welches der Motorrad-Rennsport vor dem Italiener bis dahin gesehen hatte. Der Engländer startete zum ersten Mal in Barcelona zum Saisonfinale 1970 in einem Grand Prix. Es war ein Rennen auf einer abgesperrten öffentlichen Straße, damals gab es den Circuito de Barcelona-Catalunya noch nicht. Mit seiner privaten 125 cm³ Suzuki belegte der gerade erst 20-Jährige im Montjuic Park auf Anhieb Platz 2. Im Jahr darauf fuhr er seine erste GP Saison und trat dabei gleich in den 3 kleinsten Klassen an. Bei den 125-ern wurde er 1971 auf Anhieb Vizeweltmeister. Fünf Jahre später holte Barry für Suzuki den ersten von 2 Titeln in Folge in der Königsklasse.

Barry Sheene auf seiner Suzuki – der Kettenraucher war das erste weltweite Idol im Motorrad-Rennsport. Der Engländer faszinierte mit seiner unbeschwerten Art trotz unzähliger schwerer Stürze und Verletzungen die Massen. Er starb im frühen Alter von 52 Jahren in Australien an Krebs.

Barrys Albtraum begann 1978
Auf die Saison 1978 wechselte ein gewisser Kenny Roberts in die 500 cm³ Klasse und dominierte diese auf Anhieb. Nach einem Vize-Weltmeistertitel hinter Roberts in diesem Jahr wurde Sheene eine Saison später WM-Dritter und 1980 blieb er sieglos und wurde aufgrund einer Verletzung nur noch fünfzehnter. Im Jahr darauf gelang dem Engländer beim GP von Schweden sein letzter 500-er Sieg. In der Saison 1982 zum dritten Mal in Folge auf einer privaten Yamaha reichte es immerhin noch zu 6 Podiums, aber erneut beendete eine Verletzung vorzeitig sein Jahr. Auf einer privaten Suzuki fuhr Barry 1983 in der Regel nur noch hinterher. Als WM-vierzehnter mit einem siebten Platz als bestem Resultat war Sheene nur noch ein Schatten seiner selbst. Nachdem er 1984 noch ein letztes Podium feiern durfte und immerhin zwei Top fünf Resultate, reichte es am Ende doch nur für WM-Rang 6. Der Londoner trat danach vom Rennsport zurück, als er nach 3 Jahren sieglos geblieben war.

Kenny Roberts senior (Yamaha) als Sieger des 200 Meilen Rennens von Daytona – der US-Amerikaner wurde für Barry Sheene zum Albtraum. Nachdem er über den großen Teich kam und in der Weltmeisterschaft antrat, schnappte er sich dreimal in Folge den Titel in der 500 cm³ WM.

Das ruhmlose Ende der Karriere von Freddie Spencer

Der am 20. Dezember 1961 in Shreveport, Louisiana geborene US-Amerikaner fuhr bereits als Dreikäsehoch Motorräder. Als frisch gebackener Weltmeister der 500 cm³ Klasse im Jahr 1983 merkte der erst 22-jährige „Fast“ Freddie Spencer in einem Interview an, er sei „an old Man in Racing“. Diese Anspielung des jungen Honda Piloten war durchaus ernst gemeint. Mit bereits 18 Jahren im Rennsport war der Junge Mann effektiv bereits ein alter Hase in seinem Geschäft. Es sollten damals noch zwei weitere erfolgreiche Jahre auf den US-Boy warten. Als Krönung seiner Karriere gewann er 1985 den 250-er WM-Titel, sowie denjenigen in der Königsklasse. Doch darauf folgte eine katastrophale Saison für den Doppelweltmeister mit keinem einzigen WM-Punkt auf der 500 cm³ Rothmans Honda, auf welcher er im Vorjahr noch den Titel gewonnen hatte.

Zwei AMA Superbike Idole, die auch in der Motorrad-Weltmeisterschaft danach für Furore sorgten – Eddie Lawson (Kawasaki) vor Freddie Spencer (Honda).

Der komplette sportliche Absturz des ehemaligen Champions
Es folgten drei weitere glanzlose Jahre, mit einem einzigen Top 5 Resultat. Die WM-Ränge 20, 16 und 37 sprechen dafür Bände. Ein wahrhaft ruhmlose Ende der Karriere eines ehemaligen Top Stars der Zweiradszene, bevor er zurücktrat. Heute befleckt der ehemalige Rennfahrer aus Sicht vieler MotoGP Fans seinen Ruf dazu noch als FIM-Steward mit oft kaum nachvollziehbaren Entscheiden. Gutes Beispiel dafür ist die Bestrafung von Johann Zarco (Ducati) beim GP von Brünn. Nachdem dieser auf der Ideallinie fahrend in Kurve 1 von Bad Boy Pol Espargaró (KTM) gerammt wurde (und nicht etwa umgekehrt), brummten ihm Spencer und Co einen Long Lap Penalty auf.

Saisonauftakt in Losail (Katar) 2019 mit von rechts Francesco Bagnaia (Pramac Ducati), Valentino Rossi (Monster Energy Yamaha) und Jorge Lorenzo (Repsol Honda) in der Startaufstellung.

Valentino Rossi – das größte Idol in der Geschichte des Motorrad-Rennsports

Nicht zuletzt ihre schwachen letzten Jahre stellten den Ruhm eines Barry Sheene oder Freddie Spencer im Nachhinein unnötig in den Schatten. Für den neunfachen Weltmeister Valentino Rossi (mit alleine 7 Titeln in der Königsklasse) und seine Fans ist so ein Schicksal undenkbar. Trotzdem wird die MotoGP ohne ihn nie mehr sein, was sie seit seiner Teilnahme ist. Auch wenn sein Rücktritt schmerzt, als Teamchef in der Moto3 und Moto2 wird das Idol der Massen der MotoGP noch länger erhalten bleiben. Doch seinen Kopf weiter zu riskieren und dabei nun den Status als Mitglied eines Werksteams zu verlieren, das mag sich der Mann aus Tavullia nicht antun. Dass Yamaha im Frühsommer an seiner Stelle Fabio Quartararo ins Werksteam beförderte, hatte für die Rossi Fans bereits eine alarmierende Wirkung. Ob mit oder ohne Corona-Pause, wir müssen lernen zu akzeptieren, dass der Italiener nun ein neues Kapitel in seinem Leben aufschlagen will. Und wir drücken die Daumen, dass er dies bei bester Gesundheit erleben kann und seinen Entscheid nie bereuen mag!

MotoGP Sepang im Jahr 2007 mit MotoRacers Zippy im Vordergrund – die Farbe Gelb dominierte vor 13 Jahren auch in Asien bereits. Interessanterweise dominieren selbst in Spanien trotz allen Pedrosas, Marquez, Lorenzos und Konsorten seit Jahrzehnten die Farben des Italieners und sind mit Abstand die meistgesehenen an den Strecken. Kein Rennfahrer, egal ob auf 2 oder 4 Rädern, konnte in seiner Karriere auch nur ansatzweise derart viele Motorsportfans für sich begeistern wie Valentino Rossi.

Die Karriere des beliebtesten Fahrers aller Zeiten

Stand bis vor Misano 2020 – beim ersten Rennen von Jerez sah Valentino die Zielflagge nicht. Der Motorschaden an seiner Yamaha gab dem 9-fachen Weltmeister zu denken, war aber nicht der Hauptgrund für seinen Verzicht auf die Fortsetzung seiner langen Karriere.

Der kombinierte Kalender der MotoGP und WorldSBK

In wenigen Tagen geht es für die MotoGP mit dem Doppelrennen von Misano weiter, nur rund 15 Minuten vom Wohnort Valentino Rossis entfernt.