Die letzten Jahre vor dem Neubau
Das Ende der GP-Ära zu Beginn der 70-er Jahre
Die schnellste Rennrunde auf dem Sachsenring fuhr der 15-fache Rekord-Weltmeister Giacomo Agostini aus Italien. Mit seiner 500 cm³ MV Agusta legte „Ago nazionale“ die fliegende Runde mit einer Durchschnitts-Geschwindigkeit von beinahe 180 km/h zurück. Doch nach 1972 war Schluss mit GP-Sport und es wurden nur noch Läufe zur DDR-Meisterschaft ausgetragen. Für die Fans aus dem sogenannten „Ostblock“ ein riesiger Dämpfer. Ihnen blieb seither nur noch die Reise nach Brünn, wollten sie die Idole aus dem Westen fahren sehen. Die Königsklasse bis 500 cm³ war dort jedoch nur von 1972 bis 1977 am Start, sowie vor 1970.
Die GP-Sieger auf dem alten Sachsenring von 1961 bis 1972
DDR-Staatsmeisterschaftsrennen, Rallyes und das Ende vom alten Ring
Ab 1973 tauchte der Sachsenring fast nur noch im Zusammenhang mit Rennen zur DDR-Staatsmeisterschaft und der internationalen Rallye Sachsenring in nationalen Berichterstattungen auf. Die Läufe zur DDR-Meisterschaft und zum Pokal der sozialistischen Länder sowie Touren- und Autorennen mit rein osteuropäischen Teilnehmern zogen nach wie vor zahlreiches Publikum an. Die Zuschauerzahlen lagen laut offiziellen Angaben weiterhin im Bereich zwischen 200’000 und 300’000 Besuchern. Das Sachsenring-Rennen hatte damals bereits Volksfestcharakter. Der Sachsenring wurde nicht wie vergleichbare Naturrennstrecken im Westen komplett umgebaut. Lediglich am Ende der Start- und Zielgeraden, vor der Einfahrt in die Stadt, wurde eine Schikane eingebaut. Das Ende der DDR zum Jahr 1990 mit dem Zusammenbruch und der Wiedervereinigung gab auch dem alten Sachsenring den Todesstoß.
Der Neustart mit permanenter Rundstrecke
Im Jahr 1995 wurde das am Start-Ziel-Bereich der alten Rennstrecke gelegene Verkehrssicherheitszentrum eröffnet. Es war eine Anlage mit zu diesem Zeitpunkt noch nicht permanent verfügbarer Rennstrecke. Doch ab nun bot sich wieder die Möglichkeit, Rennsport vor Ort zu betreiben. Das erste Event 1996 war die internationale Deutsche Motorradmeisterschaft (IDM) und im Autorennsport der ADAC Super Tourenwagen Cup. Zwei Jahre später kehrte der Motorrad Grand Prix auf den Sachsenring zurück. Ab dann schnellten die an anderen Veranstaltungsorten wie Hockenheim und Nürburgring bescheidenen Zuschauerzahlen für deutsche GP’s sofort wieder in die Höhe. Von 2003 bis zum Jahr 2019 gab es nur noch 3 Jahre, in welchen die Zuschauerzahl auf unter 200’000 sank.
Streckencharakteristik des neuen Sachsenrings
Ursprünglich wurde der im Vergleich zu anderen GP-Strecken sehr kurze Rundkurs als untauglich für Weltmeisterschaftsläufe eingestuft. Durch zahlreiche Verbesserungen nach der Neueröffnung gelang es jedoch, den nur 3,671 Kilometer langen Sachsenring im Kalender zu etablieren. Mit 3 Rechts- und 10 Linkskurven ist es eine sehr enge Rennstrecke von 12 Metern Breite. Längste Gerade ist Start-Ziel mit nur gerade 700 Metern Länge. Für die Saison 2001 wurde die Boxenanlage verbessert. Dank der Tatsache, dass der Kurs in Hohenstein-Ernstthal der kürzeste der MotoGP ist, sehen die Zuschauer mehr Rennrunden als überall sonst. In der Königsklasse wird über 30 Runden gefahren, bei der Moto2 sind es 28 und der Moto3 noch deren 27. Der absolute Rundenrekord wird seit 2018 von Marc Marquez gehalten, mit 1:20,270 Minuten und einer Durchschnitts-Geschwindigkeit von 164,6 Km/h. Damit ist der Sachsenring eine der langsamsten Strecken nach Valencia mit nur 161,2 Km/h bei Jorge Lorenzos Rundenrekord von 2016.
Sachsenring Zuschauerstatistik
In Kursivschrift die Zahlen für Regenrennen und in Fettschrift ist der Besucherrekord, im Vergleich zu den anderen GP-Strecken von 2010 bis 2019. Der Sachsenring ist eine der wenigen Strecken mit konstant über 200-Tausend Zuschauern. Sämtliche Zahlen sind jeweils über alle 3 Tage am GP-Wochenende kumuliert gerechnet. Von den etablierten Strecken ist der Sachsenring die Strecke mit dem derzeit höchsten Zuschauerschnitt im Vergleich.
Die GP-Sieger auf dem neuen Sachsenring
Seit er in der MotoGP antritt, gewann der Spanier Marc Marquez auf Repsol Honda jedes der 7 seither ausgetragenen Rennen. Publikumsliebling Valentino Rossi (einmal auf Honda und dreimal mit Yamaha) und der Ende 2018 zurückgetretene Dani Pedrosa (Repsol Honda) teilen sich Platz 2 mit je 4 Siegen. Alle 3 genannten Fahrer gewannen auch bereits in tieferen Klassen auf dem Sachsenring, bevor sie in die MotoGP aufstiegen.
Die Magie des Sachsenrings
Selbstverständlich hat der Sachsenring gegenüber einigen anderen Rennstrecken einige Nachteile. Da wäre die Begehbarkeit rund um die Strecke, welche leider nicht gegeben ist. Und teilweise herrscht an einigen Stellen wie rund um das Omega ein ziemliches Gedränge. Es kann auch sein, dass man keinen Platz findet, um sich als Käufer eines Stehplatz-Tickets irgendwo kurz hinzusetzen. Aber wer schon einmal einen GP in Hohenstein-Ernstthal besucht hat und ein echter Rennsport-Fan ist, weiß um die Magie dieser Strecke. Zudem fühlt er sich im Vergleich zu den meisten anderen Strecken bezüglich Verpflegungsmöglichkeiten wie im Schlaraffenland. Diese Vielfalt sahen wir noch weltweit an keiner anderen Strecke. Selbst in Pausen ist es manchenorts dank der Vielzahl an Ständen kein Problem, sich kurz etwas zu holen.
Die Freundlichkeit der Bevölkerung
Als wir am Rennsonntag 2017 wie unzählige anderen Besucher nach dem MotoGP Rennen, damals auch noch für ein sogenanntes „Rahmenrennen“ blieben, waren wir echt erstaunt. In Italien oder Spanien beginnt die endlose „Abmarsch-Karawane“ meist bereits mitten im letzten Rennen, was meist sogar der Lauf der Königsklasse ist. Nicht so auf dem Sachsenring, wo vor allem viele Menschen aus der Region noch lange bis nach den Rennen bleiben. Das ist der viel beschworene Volksfest-Charakter. Etwas, das die wenigsten Rennsport-Events heute noch bieten können. Dazu die Offenheit und Freundlichkeit eines Großteils der Bevölkerung, sowohl am Ring wie auch in ganz Sachsen. Der Autor dieses Artikels spricht sehr gut italienisch und war schon unzählige Male im Land mit der Form eines Stiefels. Aber die den Italienern zugeschriebene Gastfreundlichkeit wird von den Sachsen meiner Ansicht nach noch in den Schatten gestellt. Und wenn wir auf der KTM Superduke GT dann am frühen Sonntagabend 2017 durch das Städtchen Hohenstein-Ernstthal wegfährt und einem die Bevölkerung vor den Häusern stehend zuwinkt, dann weiß man ganz bestimmt: Wir kommen wieder!
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