Über die Gründe zum Yamaha-Hoch und KTM-Debakel
Es war nicht nur in Losail zu beobachten, sondern auch beim Europa-Auftakt setzte sich der Trend fort: Yamaha befindet sich im absoluten Hoch und KTM erlebt bisher ein absolutes Debakel. Weshalb Yamaha so erfolgreich ist und die Orangen auf der anderen Seite derart straucheln, hat viele Gründe und darauf soll dieser Artikel eingehen. Ein Fakt dazu liegt auf der Hand. Durch den Verlust des Concession-Status und ihren Testvorteil im Vorjahr hat KTM auf einen Schlag im zweiten Corona-Jahr zwei riesige Vorteile aus dem Vorjahr verloren. Damals konnten sie von der frühen Aufhebung des Covid-19-Lockdowns in ihrem Land profitieren und ab Mai bereits intensiv mit den völlig neuartigen Michelin Reifen unterstützt vom Hersteller frei testen. Dies dazu mit unter anderem Spielberg, Brünn und Misano auf Strecken, welche danach im Kalender standen und wo sie nicht ganz zufällig dann prompt ganz vorne mitmischten.
Weshalb Jorge Lorenzo für Yamaha nicht mehr infrage kam
Der frühere Weltklassefahrer hatte im ersten Corona-Jahr mehr als sogenannter „Social Media Playboy“ denn als Trainings-beflissener Sportler seine Auftritte gehabt. Dies allein war für Yamaha soweit gar kein Problem, aber als er auf dem Bike saß, wurde schnell klar, dass er seinen früheren Speed wohl nie mehr erreichen würde. Dabei ist nicht die Rede von seinem desaströsen Jahr bei Honda, sondern den Daten-Aufzeichnungen, welche das Monster Energy Yamaha Team vom im Tessin in der Schweiz lebenden Mallorquiner von früher noch hatte. Er kam als WM-Neunzehnter für Honda zu seiner früheren Marke zurück und schien bereits an Motivationsproblemen zu leiden. Seine früheren Lederkombis schienen ihm bereits nicht mehr zu passen, derart ausser Form geraten wirkte er auch körperlich, wie man sogar an seinem Gesicht gut erkennen konnte.
Den Anforderungen nicht entsprochen
Wie man bei Honda am Beispiel von Stefan Bradl gut sah, kann aus einem Testfahrer blitzschnell ein Einsatzfahrer werden. In dessen Fall wurde dies gar zum sogenannten „Providurium“, weil Marc Marquez sich 2020 zum „Dauerverletzten“ entwickelte. Auch rein grundsätzlich muss ein Fahrer die Pace haben, damit nahe genug an den Rundenzeiten der Werksfahrer zu liegen. Dazu wie am Beispiel von Sylvain Guintoli bei Suzuki ein gutes technisches Gespür, um das Projekt weiterzubringen. Zumindest an ersterem mangelte es bei Lorenzo sichtlich, womit er schlicht den Anforderungen nicht entsprochen hatte. Als Crutchlow bei Honda gehen musste, griff Yamaha zu und das Resultat sehen wir nach 3 Runden. Besser als 3 Siege in drei Rennen geht nicht und die Stamm-Fahrer sind voll des Lobes über „Krauti“, wie ihn viele Deutsche liebevoll nennen.
Der Unterschied zwischen Weltspitze und Hinterbänkler-Team ist oft klein
Nachdem die Gründe für den Yamaha Erfolg klar auf der Hand liegen, wurden eingangs in diesem Bericht bereits einige Gründe für den sportlichen Abstieg von KTM erläutert. Der Grat zwischen Weltspitze und Hinterbänkler-Team ist in der MotoGP oft winzig klein. Am Beispiel von Yamaha sah man im Vorjahr, dass wenn das Vertrauen zur Front fehlt, selbst unbestrittene Spitzenfahrer wie Quartararo und Viñales oft genug hilflos wirkten. Bei Crutchlows Nachfolger im LCR Honda Team Alex Marquez sieht man seit Losail gut, wie schlecht er und sein Teamkollege Nakagami mit solchen Problemen derzeit aussehen. Bei Yamaha ist die Mischung mit Crutchlow als Testfahrer, den beiden Werkspiloten und dem Petronas Yamaha SRT Team mit Morbido und Rossi offensichtlich ideal besetzt. Die beiden Letztgenannten sollte man dazu nicht zu früh abschreiben, sieht man sich einige Resultate von 2020 genau an.
KTM – trotz sogenanntem „Edeltester“ kräftig in der Bredouille
Bei der Verwendung des in der Überschrift genannten Begriffs im Zusammenhang mit Dani Pedrosa mussten wir aus mehreren Gründen oft schmunzeln. Für manche uns persönlich bekannten Spanier gilt der kleinwüchsige Testfahrer von KTM in seinem Heimatland für viele Landsleute eher als Steuerflüchtling, denn als spanischer Edelmann. Abgesehen war seine letzte Saison bei Repsol Honda wenig glorios verlaufen. Davon abgesehen hat niemand eine Postur wie er, am extremsten ist der Unterschied zwischen ihm und Petrux. Danilo Petrucci liebt die Pasta seiner Mama viel zu sehr, als dass er stattdessen wie viele seiner Gegner lieber nach einem Six-Pack streben wollte. Jedenfalls wirkte der sympathische Norditaliener in den ersten 3 Runden nahezu verzweifelt auf der KTM und ihm fehlt der Top-Speed seiner früheren Ducati enorm.
Der fehlende Mann bei KTM – es sind gleich deren zwei
Auf der einen Seite sehen die Orangen mit den beiden Werksfahrern Oliveira und Binder nun schmerzhaft, wie sehr ihnen Pol Espargaró als Entwicklungsfahrer fehlt. Die beiden aktuellen, unbestritten schnellen Fahrer haben offensichtlich viel zu wenig Erfahrung in der MotoGP, um das Team technisch voranzubringen. Wie wenig Petrux von Dani Pedrosas Entwicklungsarbeit profitiert hatten wir bereits erläutert. Dass dazu Lecuona eine Fehlbesetzung ist, war schon früh klargeworden. Mit zwei Moto2 Podestplätzen ihn in die Königsklasse zu befördern, basierte auf reinem Wunschdenken, ihn ihm den nächsten Quartararo entdeckt zu haben.
Passt hier das alte Sprichwort vielleicht?
Damit sind wir beim zweiten Problem von KTM. Einem ehemaligen Motocross-Fahrer, der seit seinem fürchterlichen Unfall im Rollstuhl sitzt. Pit Beirer scheint auch nach Jahren als Sportchef bei KTM von der MotoGP zu wenig zu verstehen. Kürzlich soll er in einem Interview behauptet haben, die Saison beginne in Jerez. Viele Beobachter meinen dazu bereits, dass hierzu das alte Sprichwort womöglich angebracht ist „der Fisch stinkt vom Kopf“. Ob daran etwas ist, soll jeder Betrachter für sich selbst entscheiden. Wir befürchten, dass hier etwas dran ist, weil Jerez in Kürze ist bereits Runde vier. Wohl auch deshalb droht nun wieder der Absturz der Orangen in die Drittklassigkeit.
Der WM-Stand in allen Klassen vor der 4. Runde in Jerez de la Frontera
Das Jerez Wochenende wird mit Spannung erwartet
Was die Wetterprognose betrifft, dürfte vor allem Fabio Quartararo aufatmen. Zwischendurch drohte noch vor wenigen Tagen für das ganze Wochenende Regen. Aber aktuell besteht diese Gefahr laut aktueller Vorhersage nur noch für am Freitag und dazu höchstens mit einer Wahrscheinlichkeit von derzeit 30 Prozent, vor allem um die Mittagszeit. Weil der Franzose als alles andere als ein Spezialist für nasse Verhältnisse gilt, gehört er bei trockenen Verhältnissen als Doppelsieger im Vorjahr automatisch zu den Favoriten. Die Strecke hat eine Besonderheit, welche die früheren Schwächen von Yamaha gut kaschierte, nämlich eine im Vergleich zu Losail (1068 m) und Portugal (969 m) mit 607 Metern vergleichsweise sehr kurze Start-Ziel-Gerade. Dies nimmt gleichzeitig den Ducati Fahrern einen wesentlichen Vorteil, welchen sie bei den ersten 3 Rennen noch auszuspielen vermochten. Von der Papierform müssten die Favoriten Marquez, Quartararo, Viñales und Rossi heissen, dazu sollte man noch Bagnaia, Rins, Miller und Zarco nicht ausser Acht lassen. Die Erwähnung des Altmeisters bezieht sich auf sein Vorjahres-Resultat, um dies am Rand noch klarzustellen. Aber womöglich kommt wie so oft in letzter Zeit sowieso alles anders, als zuvor von vielen Experten prophezeit.
Keine Ausreden mehr – diesmal gilt es ernst
Für Marc Marquez gelten ab sofort auch keine Ausreden mehr und seine Fans wollen sich nicht bei jedem Resultat mit schönfärberischen Formulierungen einen 7. Platz wie in Portugal versuchen gut zureden. Die klare Regel für alle Fahrer lautet: Ist ein Fahrer fit und wird fürs Rennen zugelassen, dann wird er an seinen Resultaten gemessen. In wenigen Monaten und Jahren später interessiert keinen Menschen bei Betrachtung der Statistiken mehr, in welchem Zustand jeder einzelne Pilot auf seiner Maschine saß. Insofern interessiert auch der Umstand nicht, ob sich einer mit Tischfußball und ein anderer womöglich mit Motocross-Training vorbereitete. Jorge Martin wird als einziger bisher ernsthaft verletzter Fahrer der Königsklasse von Tito Rabat ersetzt. Dieser hat durchaus Chancen, auf der ihm aus dem Vorjahr bestens vertrauten Ducati (auch wenn er das ältere Modell damals fuhr) auf WM-Punkte.
Zeitplan und TV-Programm Grand Prix von Jerez
Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© MotoGP).
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