Cal Crutchlow (LCR Honda) – den Witzbold mit den oft originellsten Sprüchen werden bald viele vermissen. Der Engländer fährt beim GP von Portugal seinen letzten Grand Prix als Stammpilot und wechselt danach als Testfahrer zu Yamaha, wo er Jorge Lorenzo ablösen wird (© MotoGP).

Die vielen Letzt-Ausgaben beim Saisonfinale in Portugal

Mit Cal Crutchlow verliert die MotoGP eines der letzten Originale, das sich Zeit seiner Rennfahrer-Karriere nie scheute, offen daherzureden. Wenn auch viele seiner markigen Sprüche nicht ernst gemeint waren, sorgte der seit dem 29. Oktober 35-Jährige immer für Kurzweil im Paddock und an den Pressekonferenzen. Der aus Coventry stammende Sohn eines Rennfahrers war sich gewohnt, nie ein Blatt vor den Mund zu nehmen und das war auch gut so. Nicht nur für Journalisten sind die dauernden Allgemeinplätze, welche die meisten Fahrer offenbar mit der Muttermilch aufgesogen haben und unablässig von sich geben, Quell von Langeweile.

Cal Crutchlow vor dem Start von Valencia 2 in der Startaufstellung – Sekunden vor dieser Aufnahme hatte er sich etwas zugeführt, was ihm alles andere als schmeckte (© MotoGP).

Weshalb „the british Buldogg“ besonders fest vermisst werden wird
Auch die Fans können wenig damit anfangen, wenn 90 Prozent der Fahrer beim Interview identische Satzfetzen von sich geben wie „next time we try to improve„. Wir haben noch nie einen Rennfahrer gesehen, der sich nicht von Session zu Session und von Rennen zu Rennen verbessern will. Dann sind uns selbst Fahrer wie der WorldSBK Star Toprak Razgatlioglu noch lieber, auch wenn der junge Türke als „König der Wortkargen“ gilt. Fahrer wie „Krauti“ sind leider zur Rarität geworden und zum Glück bleibt er noch mit einem Bein in der MotoGP, wenn auch nicht mehr als Einsatzfahrer. Bei einem Ausfall eines Yamaha Piloten dürfte die Wahrscheinlichkeit aber hoch sein, ihn wieder einmal auf dem Grid zu sehen.

Cal Crutchlow (LCR Honda) kann oft recht böse dreinblicken, ist aber grundsätzlich definitiv eine gute Seele, wenn auch manchmal mit seiner Offenheit auch aneckend. Laut Yamaha Teamchef Lin Jarvis suchte er aber genau jemanden wie den Briten, um das schwierige Projekt weiterzubringen (© MotoGP).

Abschied, Ruhepause oder Neubeginn?

Andrea Dovizioso zeichnet aus, dass er genauso wie Cal Crutchlow ein sehr offener und auf der Strecke ebenso hartnäckiger und unnachgiebiger Fighter Rennfahrer ist. Es braucht definitiv Mut, so wie Dovi an der Pressekonferenz klar dazu zu stehen, dass er Pressekonferenzen und die dabei viel zu häufig gestellten dummen Fragen von Journalisten hasst. Beim Italiener aus Forlimpopoli (und nicht etwa Forli, wie bei Red Bull Media oft fälschlicherweise behauptet) ist aktuell überhaupt nicht klar, wohin sein Weg führt. Dass er sich diesbezüglich völlig bedeckt hält, ist aber sein absolutes Recht. Die Zukunft allein wird die Wahrheit ans Licht bringen, ob wir Dovi nochmals in der MotoGP sehen werden und sofern ja, auf welchem Bike.

Ducati kehrt Andrea Dovizioso definitiv den Rücken zu – doch ob er zurückkehren wird, liegt wohl nicht nur an ihm. Ohne gutes Angebote eines Topteams wird man den dreifachen Vize-Weltmeister von 2017 bis 2019 im MotoGP Paddock kaum wiedersehen. Und genau daran bestehen berechtigt große Zweifel (© MotoGP).

Der strauchelnde Altmeister

Zum Glück für die meisten MotoGP Fans auf diesem Planeten wechselt der bekannteste Fahrer, den es je gab nur das Team. Im Yamaha-Werksteam wird Fabio Quartararo seinen Platz übernehmen und Valentino Rossi tritt nächste Saison für Petronas Yamaha SRT an. Das Team aus Malaysia konnte sich die Hände reiben, den populärsten Motorradfahrer aller Zeiten in seinen Diensten zu wissen. Was sportlich daraus wird, ist jedoch die Frage, die wohl die meisten seiner Fans und aller Betrachter beschäftigt. Bei dem vielen Auf- und Ab von Yamaha und seinen Piloten ist von aussen unmöglich abzuschätzen, wie hoch der Anteil seines Bikes an seinem Misserfolg war. Hoffen wir, dass „Vale46“ nochmals einige Gelegenheiten zum Strahlen erhält, auch wenn es mit dem 10: Titel wohl nichts mehr wird.

Valentino Rossi (Monster Energy Yamaha) und sein Blick zurück – das Idol der mit riesigem Abstand meisten Fans der MotoGP weltweit erlebte die schwierigste Saison seit er in der Königsklasse antritt. Die WM-Ränge 7 und 6 in den beiden Ducati Jahren 2011 und 2012 waren im Vergleich zur Corona-Saison 2020 ein Riesenerfolg für den Altmeister (© MotoGP).

KTM ohne Pol und der Abschied aus der Drittklassigkeit

Während der Fehler, Alex Marquez direkt in das Honda Werksteam zu holen, auf nächste Saison korrigiert wird, übernimmt Bad-Boy Pol Espargaró seinen Platz bei Repsol Honda. Schade dabei nur, dass Cal Crutchlow das Bauernopfer dabei war. Ohne ihn war KTM lange undenkbar, doch die Österreicher fanden den Weg aus der Drittklassigkeit. Lassen wir dabei bitte die abgegriffenen Sprüche von der „KTM-Familie“ lieber links liegen und lassen Pol in Ruhe zu Honda gehen. Gerade erst starb wieder ein „Red Bull Athlet“ bei der Ausübung seiner redlichen Bemühungen, die Firma und deren Besitzer noch reicher zu machen.

Pol Espargaró (Red Bull KTM) – sein Wechsel zu Repsol Honda ist der spektakulärste auf nächstes Jahr, weil er laut eigener Aussage dabei zum Held oder Versager werden kann. Vieles hängt dabei auch von Marc Marquez ab und ob er in alter Stärke wieder zurückkehren wird. An ihm zerbrach bisher jeder seiner Teamkollegen, doch ob er noch der Alte ist, muss er nächste Saison erst beweisen (© MotoGP).

Spannende Ausgangslage für KTM und Tech 3
Für KTM ist die Verbindung mit dem Sprudelkonzern offenbar Fluch und Segen zugleich. Nach dem angekündigten Ausstieg von Red Bull bei Tech 3 wurde es bedrohlich still, wer der neue Sponsor des Teams von Hervé Poncharal sein wird. Nach dem Abschied aus der Drittklassigkeit wird es spannend sein, zu beobachten wie sich Danilo Petrucci an der Seite von Iker Lecuona im B-Team der Österreicher macht. Brad Binder und Miguel Oliveira im A-Team müssen erst noch Konstanz beweisen, aber die guten Ansätze waren in der Corona-Saison definitiv erkennbar.

Brad Binder und Pol Espargaró (Red Bull KTM) – beim GP von Portugal zum letzten Mal als Teamkollegen unterwegs. Im letzten Jahr bei KTM stahlen dem Katalanen seine Markenkollegen Binder und Oliveira mit ihren Siegen in Brünn und Spielberg definitiv die Show. Sollte Marc Marquez wieder zu seiner alten Form zurückfinden, kommt Pol beim Wechsel zu Repsol Honda vom Regen in die Traufe (© MotoGP).

Die Rochaden – Ducati sorgt für viel Abwechslung

Ob Dovi nun freiwillig ging, oder er schlicht in der Corona-Situation bei seinen Gehaltsvorstellungen zu hoch gegriffen hatte, werden wir nie wissen. Auf Petrux wurde jedenfalls früh in der Saison verzichtet, was die Planung des Ducati Managements für 2021 betrifft. Jack Miller im Werksteam wurde früh bestätigt und dies kann jeder nachvollziehen. Ob jedoch Pecco Bagnaia an seiner Seite die richtige Wahl ist, muss der junge ehemalige Rossi-Schützling erst noch beweisen. Wir hätten Johann Zarco als logischen Werksfahrer gesehen.

Jack Miller (Pramac Ducat) – dass der Australier für das Werksteam die richtige Wahl ist, bezweifelt kaum jemand, der bei wachem Verstand ist. Ohne seinen Sturz in Jerez 2 und die unverschuldeten Ausfälle in Misano 2, Le Mans (technische Probleme) und Aragon 2 (Abschuss durch Brad Binder) hätte das Original aus Down Under im Titelkampf eine Rolle spielen können (© MotoGP).

Die Zukunft entscheidet über richtig und falsch
Ob unsere Einschätzung bezüglich Zarco richtig war, kann er auch bei Pramac Ducati beweisen. Durch die Rochaden sorgen die Roten jedenfalls für viel Abwechslung. Mit Jorge Martin, Luca Marini und Enea Bastianini holen sie gleich drei Moto2 Fahrer in die MotoGP. Nur die Zukunft kann über richtig und falsch entscheiden. Bei der Pressekonferenz vor dem Portugal GP, an welcher die Teamchefs zum Saisonrückblick ihre Einschätzung abgaben, waren einige interessanten Aussagen dazu zu hören. Yamaha Teamchef Lin Jarvis betonte ausdrücklich, dass vieles oft wie ein Glücksspiel sei und sich erst im Lauf einer Saison zeige, welche Entscheidungen richtig oder falsch waren. Dies gelte sowohl bei der Fahrerwahl, wie auch für technische Aspekte. Wir warten gerne ab und hoffen, die Saison sieht 2021 wieder mehr Runden als dieses Jahr!

Joan Mir (Suzuki) – die Gunst der Stunde genützt und in einer von vielen Abwechslungen und Überraschungen geprägten Saison fast immer im richtigen Moment zur Stelle. Beim GP von Portugal hat er im Abschlussrennen dieses Jahres aus der zweitletzten Reihe jedoch denkbar schlechte Karten (© MotoGP).

Startreihenfolge für das Saisonfinale in Portimão

Im unteren Block die Platzierung aus dem Q1 und die Abstände auf die Bestzeit des ersten Qualifyings. In der mit R betitelten Spalte ist die Startreihe aufgeführt.
Johann Zarco (Esponsorama Ducati) – der französische Teufelskerl stürzte im Q2 und schaffte es danach ohne danach in die Box zu fahren und sein Bike zu wechseln noch vor seinem letztjährigen Teamkollegen Pol Espargaró (KTM) auf Platz 7. Dem Mann aus Cannes ist beim Finalrennen schlicht jedes Resultat zuzutrauen (© MotoGP).

Zeitplan und TV-Angebot Grand Prix von Portugal

Leider überträgt Servus TV zum Ärger der MotoGP Fans auch in der Corona-Saison weiterhin nur ein Sparprogramm. Der zu Red Bull Media gehörenden Sender steigt erst am Samstagmittag mit der TV-Live-Übertragung ein. Der Verzicht auf rund zwei Drittel der Action im Fernsehen ist diese Saison insbesondere aufgrund der Pandemie mit das größte Ärgernis, was die MotoGP Saison betrifft. Prompt verpassen die TV Zuschauer dadurch erneut den kompletten Freitag und Samstagmorgen und somit die engen Vorentscheidungen um den direkten Einzugs ins Q2. Am Freitag wurden die Sessions übrigens verlängert, da die Strecke für fast alle Fahrer und Teams Neuland bedeutet.

MotoGP Kalender 2020