Razgatlioglus Nachfolger im Pata Prometeon Yamaha Werksteam Jonathan Rea in seinem schlimmsten Jahr seit seinem Einstieg in die WorldSBK vor 15 Jahren für Ten Kate Honda. Ob der Nord-Ire auf der Yamaha R1 nochmals an seine gloriose Zeit auf der Kawasaki wird anschließen können, wirkt mittlerweile als leider sehr unwahrscheinlich. Aber immerhin zeichnet sich mittlerweile ein leichter Aufwärtstrend für ihn ab.

BMW Festtag zum Auftakt in England

Während im Vorjahr der aktuell noch amtierende Weltmeister Alvaro Bautista auf seiner Aruba.it Ducati die Vorteile in Beschleunigung und Topspeed gnadenlos ausnützen konnte, um die Konkurrenz nach Belieben zu dominieren, zeichnet sich nach Topraks Wechsel zu BMW eine neue Hackordnung ab. Endlich sieht es nach den zwei eintönigsten Jahren der WorldSBK Geschichte danach aus, als könne nun wieder der Pilot den Unterschied ausmachen. Für den Sport und die wahren Fans der seriennahen WM konnte nichts besseres passieren. Auf einem der schönsten Kurse der Welt war die Marke aus Bayern in den letzten Jahren schon öfters stark in Erscheinung getreten und im Vorjahr hatte Scott Redding im letzten Rennen mit Rang vier das Podium nur um einen Platz verpasst. Der Engländer war es auch, der vor allem am Samstag zu den positivsten Überraschungen gehörte, nach einem enttäuschenden ersten Saison-Drittel mit lediglich 23 Punkten aus 12 Rennen. Am Nachmittag wurde der Vizeweltmeister von 2020 (damals mit Ducati) leider von der Technik seiner BMW M-1000RR im Stich gelassen. Ohne dieses unsägliche Pech wäre der lange auf Podiumskurs weilende Lokalmatador zumindest in den Top fünf gelandet.

Scott Redding vor „Magic“ Michael van der Mark (beide BMW M-1000RR) – der Mann mit der 45 gehörte zu den positivsten Protagonisten am ersten Renntag in Donington Park. Ihm ist es sehr zu wünschen, dass seine Maschine ihn am Sonntag nicht mehr im Stich lässt und er seinen Aufwärtstrend vor heimischem Publikum mit einem Topresultat bestätigen kann.

Unglaublicher Toprak pulverisiert Rundenrekord in der Superpole

Auch wenn der dreifache Polesitter vor 2024 mit Jonathan Rea auf der Yamaha R1 diesmal sogar über vier Zehntel schneller war als im Vorjahr auf der Kawasaki ZX-10RR, ein Blick auf die Resultate dürfte den 6-fachen Rekordweltmeister schockiert haben. Über eine Sekunde Rückstand auf BMW Neuzugang Toprak Razgatlioglu und nur Rang 8 und damit lediglich drittbester Yamaha Pilot, dies ist das ernüchternde Fazit des Samstagmorgens in Donington Park. Dass sein vormaliger Teamkollege Alex Lowes auf der besten Kawasaki aufgrund seiner gestrichenen besten Runde ausnahmsweise sogar hinter Jonathan Rea platziert war, dürfte diesem nicht zum Trost gereichen. Genauso wenig das schlechte Ergebnis von Alvaro Bautista, der hinter dem Australier Remy Gardner auf der ausnahmsweise für einmal langsamsten Yamaha nur elfter wurde. Mehr als eine halbe Sekunde über allen anderen stand hingegen ein weiteres Mal die türkische Sensation Toprak, welcher sowohl die Rekordrunde, wie auch die bisherige Superpole Bestzeit von Rea aus dem Vorjahr förmlich pulverisierte. Mit Scott Redding auf der zweitbesten BMW hinter der neuen Ducati Hoffnung Bulega und Sam Lowes gleich dahinter auf P4, stehen zumindest zwei der vier Briten aus den Top Ten sehr weit vorne in der Startaufstellung.

Unsere Aufnahme von einer der unbestritten schönsten und auch für die Piloten faszinierendsten Strecken im WorldSBK Kalender. Hier wurden 1988 die ersten Läufe der Superbike Weltmeisterschaft ausgetragen. Mehr dazu siehe auf unserer Seite unter History, mit der weltweit wohl ausführlichsten und am reichsten illustrierten Berichterstattung über die früheren Jahrzehnte der WSBK.
Nebst Kawasaki Ass Alex Lowes und Bautista gehörte vor allem Danilo „Petrux“ Petrucci aufgrund seiner ebenfalls gestrichenen Bestzeit zu den Pechvögeln der Superpole. Andernfalls wäre der nach seiner beim Motocross zugezogenen Verletzung immer noch angeschlagene Italiener mit P3 ebenfalls ganz weit vorne gelandet. Die drei müssen am Sonntagmorgen im Tissot Sprint-Race versuchen, mit einer Platzierung in den ersten 9 ihre Startposition und damit Ausgangslage für das dritte Rennen am Sonntag zu verbessern.

Lauf 1 – Razgatlioglu demütigt die Werks-Ducatis nach Misano erneut

Die erfolgsverwöhnte Truppe von Aruba.it Ducati traute im Lauf des ersten Rennens wohl ihren Augen kaum, als die Rückstände ihrer beiden Werkspiloten auf den führenden Mann auf seiner BMW immer weiter anwuchsen. Nach der Schlappe bei ihrem Heimrennen in Misano von Toprak derart vernichtend dominiert und abgehängt zu werden, hatten sich die erfolgsverwöhnten Italiener wohl kaum im auch noch so übelsten Traum ausmalen können. Im Vorjahr hatte Bautista das Punktemaximum dank seiner Niederlage im Sprintrennen gegen den Türken und zwei indiskutablen Siegen nur knapp verpasst. Aber diesmal wurde der Spanier, obwohl er seinen Teamkollegen Bulega kurz vor Schluss noch abfangen konnte, auch von Kawasaki Hoffnung Alex Lowes deutlich geschlagen. Dieser war mit P9 lediglich zwei Positionen vor Alvaro gestartet und fuhr erneut ein sensationelles Rennen, was man auch von seinem Landsmann Scott Redding bis zu dessen tragischem Ausfall nach 18 von 23 Runden behaupten konnte.

Toprak „El Turco“ Razgatlioglu (BMW M-1000RR) hier im Training vor den beiden Italienern Danilo „Petrux“ Petrucci und Andrea „The Maniac“ Iannone (beide Ducati). Der Mann mit der 54 fuhr am Samstag wie beim dreifachen Triumph in Misano zuvor, im ersten Lauf vom Samstag sein eigenes Rennen.
Die Lieblings-Strecke von Toprak in Donington Park fordert den Piloten mit mehreren sehr engen und aber auch vielen flüssigen Kurven einiges ab. Den Fans und Zuschauern der WorldSBK bietet sie auch zahlreiche spektakuläre Stellen, wie beispielsweise die Melbourne Hairpin, an welcher die Besucher nur wenige Meter vom Geschehen die verschiedenen Linien der Fahrer aus nächster Nähe bewundern können.

Die Tops des ersten Laufs in Donington Park

Nebst Kawasaki Hoffnungsträger Alex Lowes und seinem früheren langjährigen Teamkollegen Jonathan Rea als fünftem auf der Yamaha R1 brillierten nebst Toprak vor allem auch Niccolo Bulega, der sich seinem Ducati Werksteamkollegen Bautista nur knapp geschlagen geben musste, sowie dessen italienischen Landsleute Locatelli mit Rang 6 und dem tapferen „Petrux“ als Siebtem. Den Schaden noch halbwegs in Grenzen halten konnten vor allem Dominique Aegerter als achter von Startplatz 5 ins Rennen gegangen, sowie dahinter Mickey van der Mark und Remy Gardner. Der Australier komplettierte die Top Ten, dürfte aber nach seiner Bestzeit vom freien Training am Samstagmorgen wohl wesentlich höhere Ambitionen gehabt haben. MIt dem siebten Zwischenrang in der Weltmeisterschaft steht er jedoch immer noch gut da und nur Locatelli auf Platz 4 liegt als Yamaha Pilot aktuell noch vor Gardner, obwohl dieser in den ersten Runde mehrfach viel Pech gehabt hatte. Insofern ist vor allem ihm und dem 6-fachen Rekord-Weltmeister Rea eine Steigerung in den nächsten Rennen zuzutrauen.

Unsere Aufnahme aus dem Juli 2019, mit einem beherzten Angriff bei Anfahrt der Melbourne Hairpin von Toprak auf Jonathan Rea, gefolgt von Leon Haslam (alle Kawasaki). Damals zeichnete sich bereits ab, dass der Türke einer der kommenden Männer in der Superbike Weltmeisterschaft werden dürfte, was auch sein damaliger Markenkollege Johnny Rea bei Interviews in dieser Saison mehrfach betont hatte.

Die Flops des ersten Rennens der England-Runde

Beim Überraschungsmann der ersten Runde hingegen, sieht die Sache nach P11 wesentlich weniger erfreulich aus, hatte Andrea Iannone die ersten Zehn doch um etwas über 1.7 Sekunden verfehlt. Bis auf den in Kurve 4 nach etwas über 9 Minuten ins Kiesbett ausgerittenen Sam Lowes war nur noch Michael Ruben Rinaldi auf einer Ducati schlechter als „The Maniac“ im ersten Lauf. Als Drittletzter erlebte auch Philipp Oettl einen enttäuschenden Auftakt in Donington. Es wirkt, als hätte der Deutsche, seit er den Platz bei GoEleven Ducati für Iannone hatte frei machen müssen, auf der GMT94 Yamaha chancenlos auf vordere Plätze, wie sie damals für ihn noch völlig normal waren. Kawasaki Neuzugang Axel Bassani konnte mit P12 nach schwierigem Saisonauftakt hingegen noch halbwegs zufrieden sein, während Garrett Gerloff mit Rang 14 nach starken Leistungen am Freitag definitiv enttäuscht sein muss. Nach der Ankündigung seines Teams, aus der WSBK zum Saisonende auszusteigen, steht der texanische Sonnyboy unter starkem Druck, um seinen Verbleib in der Superbike Weltmeisterschaft zu sichern. Die Bonovo Action Truppe war es mit Äußerungen ihres Teamchefs beim Eintreffen in Donington, welche für gehörige Verwirrung in den Medien sorgte. Offenbar scheint nur die Trennung von BMW Tatsache zu werden und es gibt hoffentlich nun doch noch eine Möglichkeit, als Partner eines anderen Herstellers im Paddock zu verbleiben.

Bei seinem Heimrennen auf dem Kurs, in dessen unmittelbarer Nähe sein Zwillingsbruder Sam wohnt, wuchs Alex Lowes erneut über sich hinaus und bescherte Kawasaki das bereits fünfte Podium der Saison, worunter auch zwei Siege in Australien waren. Dabei auch noch sämtliche Ducati Piloten geschlagen zu haben, unterstreicht die herausragende Leistung des schnellen Mannes aus Lincoln.
Das für die Gegner von Toprak vernichtende Resultat vom ersten Tag des Donington Wochenendes, mit einem insbesondere für Rekordweltmeister Johnny Rea versöhnlichen Ergebnis. Für einmal mit Rang fünf sogar bester Yamaha Pilot gewesen zu sein, sollte der WSBK Ikone aus Nord-Irland hoffentlich den lange ersehnten Auftrieb geben und die Basis für eine erfolgreiche Fortsetzung bilden.

Dramatisches Ende für Marcel Schrötter in Lauf 1 der WSSP

Nach seinem schlechten Ergebnis am Vortag in der Superpole und dem enttäuschenden sechzehnten Startplatz, kämpfte der Deutsche sich im Rennverlauf nur mühselig etwas nach vorne. Die wie üblich zusammen mit Yamaha Pilot Stefano Manzi bereits früh davongezogenen Ducatis vom späteren Sieger Adrian Huertas, Yari Montella und Jorge Navarro waren schon weit enteilt, als Schrötter es mittlerweile bis auf P11 geschafft hatte, als ihm Federico Caricasulo unfair innen vorstach und Marcel förmlich von der Strecke katapultierte. Selbstverständlich erhielt der Italiener dafür eine Bestrafung von 5 Positionen nach hinten in der Startaufstellung und auch im Rennen, womit er die Punkte verpasste. Schrötter aber nützt all dies nichts, er verlor wertvolle Punkte auf die vor ihm liegenden und damit womöglich endgültig seine Chance auf den Kampf um den Titel von 2024. Allerdings gelang es den Zuständigen für das technische Reglement nicht, für ein ausgeglichenes Feld zu sorgen und damit steht er auf seiner MV genauso wie die Yamaha Piloten gegen die meist haushoch überlegenen Ducati Panigale V2 Maschinen und deren Piloten auf verlorenem Posten. Ähnlich wie in der WorldSBK in den letzten Jahren, scheint es Dorna und FIM sehr am Herzen zu liegen, dass Ducati stets einen Vorsprung auf die Konkurrenz hat, so die überwiegend vorherrschende Meinung dazu im Paddock.

Stefano Manzi (Pata Yamaha Ten Kate Racing) holte sich mit Rang 2 hinter Huertas (Ducati) wichtige Punkte und ist auf seiner Yamaha R6 damit wohl der einzige, der die von der FIM wie auch in der WSBK bevorteilten Ducati im Kampf um die Weltmeisterschaft noch ernsthaft gefährden kann. Der Italiener tritt für das erfolgreichste Team der letzten Jahre in der Supersport Weltmeisterschaft an, kämpft jedoch gegen die drehmomentstarke V2 Ducati mit mehr als doppelt so viel Hubraum meist mit stumpfen Waffen.
Das Ergebnis des immer mehr zum Ducati Cup werdenden Wettbewerbs der WorldSSP, bei welchem nebst den bis 2022 nur schwer schlagbaren Yamaha R6 Maschinen auch Honda, Kawasaki, Triumph und MV Agusta meist völlig chancenlos, zumindest bei trockenen Verhältnissen, im Kampf um den Sieg wirken.

Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© WorldSBK).