Start mit ganz rechts Ausnahmeerscheinung Toprak Razgatlioglu (BMW M-1000RR), von welchem auf seiner Lieblings-Strecke in England die Konkurrenten nach kurzer Zeit meist nur noch den Auspuff sahen. Im Sprint konnte sich einzig Niccolo Bulega kurz vor dem Türken halten, bevor dieser ernst machte und spielerisch leicht an der Werks-Ducati des Italieners vorbeiging, um ihn danach deutlich abzuhängen.

Sprint mit der Erlösung beim Heimrennen für den besten aller Zeiten

Es dürften eher Felsbrocken statt Steine gewesen sein, welche Yamaha Neuzugang Jonathan Rea und seinem Team von deren Herzen fielen, als der 6-fache Rekordweltmeister auf Rang 3 mit einem Wheelie die Ziellinie nach dem Sprintrennen kreuzte. Für einmal war der nach lediglich zehn Runden eigentlich gigantische Rückstand auf Sieger Razgatlioglu dabei absolut nebensächlich. Im Gegenteil machte diesem zum Trotz sogar die Verkleinerung des Rückstandes vom Nord-Iren auf den zweitplatzierten Bulega und dessen Ducati sogar zusätzlich Mut für den weiteren Verlauf der Saison. Womöglich war das Resultat vom Sonntagmorgen für Rea und sein Team wegweisend und die Basis zur Rettung einer von vielen Skeptikern bereits verloren geglaubten Saison. Für BMW war das Resultat im Tissot Sprintrace nichts weniger als die Bestätigung, dass Ihr Aushängeschild Toprak nach der zweiten Demonstration seiner Überlegenheit in England nun endgültig als Titelfavorit gelten muss. Auf einem Kurs, der schon immer gut zum Motorrad aus Bayern passte, fuhr der Türke erneut sein eigenes Rennen.

Historischer sechster Sieg in Folge für Toprak und auch das erste, zumindest virtuelle Podium, da nur im Tissot Sprint-Race erzielt, für Jonathan Rea auf Yamaha. Zur Freude der zahlreichen heimischen Besucher dazu aucch hervorragende Resultate für Scott Redding und Alex Lowes, der sich erfolgreich gegen Alvaro Bautista zur Wehr setzen konnte.

Tops und Flops im Tissot Sprint-Race

Nebst Jonathan Rea müssen vor allem Sam Lowes trotz Rückfall von P3 nach Kurve 1 auf Rang 8 und der tapfere „Petrux“ als Neunter zu den Top Shots gezählt werden, was den Sonntagmorgen betrifft. Nach seinem schweren Unfall ist Danilo Petrucci so etwas wie der moralische Sieger im Sprint. Alvaro Bautista nach Platz 6 zu den Tops mit aufzuzählen fällt an dieser Stelle etwas schwer, da man sich von ihm selbst aus schlechter Startposition Aufholjagden bis an die Spitze oder zumindest das Podium gewohnt ist. Viel eher gehören nebst Bulega vor allem auch Scott Redding und Alex Lowes zu den Piloten, welche wie bereits am Vortag mit starken Leistungen zu überzeugen vermochten. Auf der anderen Seite enttäuschten ein weiteres Mal die Resultate von Iannone, Aegerter, van der Mark, Rinaldi und Remy Gardner. Nebst den bis auf den Niederländer und den Schweizer wie am Vortag erneut weit unter den Erwartungen liegenden Resultaten, wiegt für sie alle auch der Umstand schwer, wichtige Punkte damit verpasst zu haben. Für die Nummern 60 (von „Magic Michael“ van der Mark) und 77 (von Domi Aegerter) kommt außerdem auch noch eine Rückversetzung ihrer Startpositionen für das Abschlussrennen in Donington Park dazu.

Sam Lowes, hier vor Alvaro Bautista (beide Ducati Panigale V4R), zeigte nach Pech am Samstag am Morgen danach ein gutes Rennen. Der schnelle Mann aus Lincoln und Zwillingsbruder von Kawasaki Ass Alex, ist sich bereits sicher, samt seinem Team auch kommende Saison im WorldSBK Paddock zu verbleiben. Der Pilot mit der Nummer eins hingegen ziert sich seit Monaten, sich zu seiner Zukunft zu bekennen, obwohl er von seinem Team längst ein bestimmt nicht schlechtes Angebot für eine Vertrags-Verlängerung in der Tasche hat. Auf einige Beobachter wirkt es dabei, als genieße er es sogar, damit die Zukunft einiger Konkurrenten und Teams, nicht zuletzt auch seines eigenen, unangenehm zu beeinflussen.
Turn 4 mit dem Namen Old Hairpin wurde in der zweiten Runde dem Kawasaki Neuzugang Axel Bassani auf seiner ZX-10RR zum Verhängnis. Der junge Italiener musste 10 Tage vor seinem fünfundzwanzigsten Geburtstag seine Hoffnungen auf ein gutes Resultat mit einem Sturz beenden. Als 2022 noch bester WSBK Privatfahrer geht Reas Nachfolger im Kawasaki Werksteam derzeit immer noch durch ein Stahlbad.

Donington Park Finale – Bautista stürzt bereits vor dem Start

Nach dem in der Regel von 4 spanischen Amazonen dominierten Yamaha R7 Markencup, der von Dorna und FIM mit viel Tam-Tam als WorldWCR Frauen-Weltmeisterschaft inszeniert wird, kam erneut die klare Königsklasse der seriennahen Weltmeisterschaft zum Zug. Um es nicht falsch zu verstehen, womöglich liegt das eher geringe Zuschauerinteresse an den Damen-Rennen hauptsächlich an der viel zu geringen Zahl an Meisterschaftsläufen, weil lediglich über 6 Runden ausgetragen und damit exakt die Hälfte der für viele Geschmäcker durchaus zu geringen Zahl an WSBK Events. Aber nun zu der Kategorie, für welche die Mehrheit der Besucher die Anreise zur wunderschönen Strecke auf sich nahm. Vielleicht hofften vor dem Finale die Verantwortlichen der italienischen Sektindustrie als Hauptsponsor in Donington heimlich gar auf einen anderen Sieger als den überzeugten Muslim Razgatlioglu. Dieser verdrückt sich in aller Regel vor der traditionellen Sektdusche auf dem Podium zu ihrem Leidwesen stets fluchtartig, um nicht mit ihrem vom Teufel Alkohol verseuchten Produkt in Berührung zu kommen. Für seinen Titelkonkurrenten Bautista begann der Sonntagnachmittag mit höchst unangenehmem Stress, als er in der Sighting-Lap auf seiner Ducati in Turn 12 ausrutschte und dabei seine Panigale V4R beschädigte.

Alvaro Bautista (Ducati Panigale V4R) vor Yamaha Neuzugang Jonathan Rea auf der R1 im für viele noch ungewohnten Blau. In Donington war der Mann mit der 65 erstmals nicht nur bester Yamaha Pilot, sondern besiegte damit auch den spanischen Erzrivalen und zweifachen Weltmeister im Sprint-Race empfindlich.

Das dritte Rennen von Donington und 15. der Saison

Während Bautista in der Startaufstellung hoffen musste, dass sein Team rechtzeitig den von ihm unnötig angerichteten Schaden richten kann, gab sich Konkurrent Rea im Interview bescheiden. Sein klares Ziel sei nicht etwa das Podest, sondern an die Leistung mit Rang 5 über die volle Distanz am Vortag anzuknüpfen. Razgatlioglu musste diesbezüglich nicht mehr befragt werden, seine klare Zielsetzung gab er bereits viel früher bekannt und diese lautete, den Dreifach-Sieg von Misano in England zu wiederholen. Während der Türke sein Vorhaben vom Start her an der Spitze begann in die Tat umzusetzen, tat sich der amtierende Weltmeister nach eigentlich gutem Beginn anfänglich unerwartet schwer. Nach wenigen Kurven von P5 auf P7 durchgereicht, musste sich Bautista sogar gegen Ducati Privatpilot Petrucci wehren, um nicht sogar auf Position 8 zurückzufallen. Rea wurde früh von Pata Prometeon Yamaha Werksteam-Kollegen Locatelli eingeholt und lag damit auf P6, während hinter Leader Toprak und seinem Verfolger Bulega die beiden Lokalmatadoren Alex Lowes und Scott Redding um das Podium kämpften.

Eine Aufnahme vom Innenbereich einer der schönsten Rennstrecken weltweit. Die Verhältnisse in Donington Park waren wie gemacht für ein tolles Wochenende, einzig die Dominanz des WM-Leaders nahm diesmal, wie in Italien einige Wochen davor, die Spannung bezüglich der Entscheidung um den Sieg.

Toprak mit dem zweiten Hattrick der Saison – Bautista scheitert erneut

Bei Halbzeit war wie von seiner Konkurrenz befürchtet bereits klar, dass den Türken höchstens ein Sturz oder technischer Defekt am zweiten dreifachen Triumph des Jahre hindern könnte. Ganz anders hinter ihm der aufgrund seiner Materialvorteile dominierende Mann der beiden Vorjahre. Erst in der zwölften von 23 Runden schaffte es der kleine Spanier, nach Rea auch Locatelli zu überholen und damit auf P5 vorzustoßen. Rund 11 Sekunden betrug zu diesem Zeitpunkt sein Rückstand auf den Leader mit seiner BMW M-1000RR bereits, was seinen Marktwert für kommende Saison kaum steigern dürfte, auch weil Teamkollege Bulega auf Position 2 lag. Bautista blieb chancenlos und auf Rang 5 stecken, womit er ein weiteres Mal empfindlich geschlagen wurde und das Podest außerhalb seiner Reichweite lag. Hinter ihm und „Petrux“ kämpfte Rea erbittert mit Locatelli um Rang 7, wobei der Italiener am Schluss die Nase vorne behielt. Bulega wurde hinter Razgatlioglu sicherer Zweiter, während Alex Lowes sein nächstes Podium holte und Redding auf der zweitbesten BMW den hervorragenden vierten Rang einfuhr. Zusammen mit dem alles überragenden Toprak und Petrucci als bestem Privatpiloten auf P6 wird er bestimmt freudig nach Tschechien weiterreisen.

Nach einem, wenn auch nur virtuellen Podium am Sonntagmorgen, musste Jonathan Rea wieder hartes Brot essen, als er seine Zielsetzung mit den Top 5 im Finalrennen deutlich verpasste und ein weiteres Mal nur der zweitbeste Pilot für Yamaha war. Andrea Iannone hatte aufgrund von Problemen im rechten Arm vorzeitig sein Rennen aufgeben müssen, womöglich plagte den italienischen Privatpiloten ein „Arm-Pump“ Handicap.

Tops und Flops im dritten Rennen von England

Nebst den ersten sechs dürften vor allem Dominique Aegerter und Axel Bassani mit ihrem Top Ten Ergebnis zufrieden oder zumindest nach hartem Wochenende erleichtert sein. Ähnlich die beiden HRC Honda Werkspiloten Lecuona und Vierge, welche es wenigstens in die Punkteränge geschafft hatten. Michael van der Mark und Remy Gardner hingegen werden ähnlich wie Andrea Locatelli und Garrett Gerloff , sowie alle punktelosen Fahrer definitiv nicht von einem guten Wochenende sprechen können. Dies gilt genauso für den früh in Kurve 8 gestürzten MIE Honda Privatpiloten Adam Norrodin, dessen Teamkollege Mackenzie nach einer Kollision mit ihm im ersten Lauf für den Sonntag sogar zurückziehen musste. Weniger gut lief es diesmal auch für Sam Lowes, der am Morgen noch überzeugen hatte. Besorgt darf man nach dem Wochenende in Donington aber vor allem über Lokalmatador Bradley Ray sein. Der ehemalige BSB-Spitzenfahrer konnte selbst beim Heimrennen in seiner zweiten Saison nicht an seine erfolgreichen Läufe an diesem schönen Ort anschließen. Um seine Zukunft in der WorldSBK zu sichern müssten dringend Erfolge her, was genauso für Yamaha Markenkollege Philipp Oettl gilt. Dieses Problem dürfte Juweliers-Sohn Tito Rabat aus Barcelona nicht haben. Kawasaki Puccetti Racing ist im Paddock dafür bekannt, von ihren Piloten stattliche Summen für deren Einsätze einzuziehen und diesbezüglich kann wohl kaum jemand mit dem Katalanen mithalten.

Unsere Zusammenfassung der bisherigen Resultate mit in Hellblau eingefärbt dem bisher einzigen Regen-Rennen der Saison und einem Leader, der sich seit Misano immer deutlicher von seinen Verfolgern absetzt.

Fazit nach 5 von 12 Runden in der WorldSBK

Nach dem von Ducati dominierten Saisonauftakt auf dem schnellen Kurs in Phillip Island (Australien) war die Befürchtung vieler neutraler Fans groß, er Einheitsbrei der vergangenen beiden Jahre mit einem nach Belieben gewinnenden Bautista würde sich fortsetzen. Toprak konnte sich damals mehrfach die Seele aus dem Leib fahren, um trotzdem auf der Yamaha in Beschleunigung und Topspeed vom Spanier gnadenlos stehengelassen zu werden, um damit Niederlage an Niederlage zu reihen. Für den Türken war die BMW M-1000RR nach nur wenigen Tests im Februar dieser Saison noch viel zu neu, um das Letzte aus ihren Möglichkeiten zu holen und die Ducati Werkspiloten ernsthaft zu bedrängen. Aber bereits ab dem in der katalonischen Metropole ausgetragenen Europa-Auftakt begann sich das Blatt zu wenden. Während durch das nur etwa 3 bis 4 Kilogramm leichte Zusatzgewicht auf seiner Ducati Panigale V4R der Spanier infolge des neu eingeführten Gewichtslimits einen Teil seiner drastischen Vorteile einbüßte und sich mit der Balance seines Motorrads schwer tat, steigerte sich Razgatlioglu von Runde zu Runde. Ab dem für Ducati so wichtigen Heimrennen in Misano war der Turnaround geschafft und Toprak zerstörte mit seiner unglaublich spektakulären Fahrweise die Konkurrenz aus Borgo Panigale mit deren Aushängeschildern förmlich. Derzeit scheinen nur Stürze oder technische Probleme die Nummer 54 einbremsen zu können, für welchen in Most (Tschechien) nach nur einer Woche bereits eine nächste seiner Lieblings-Strecken folgt.

Danilo Petrucci vor Michael van der Mark – der tapfere Italiener wird mit guten Erinnerungen nach Tschechien weiterreisen, hatte er doch in Most im Vorjahr das beste Resultat seiner Rookie-Saison eingefahren und stand in beiden Rennen über die volle Distanz auf dem Podium.
Eine frühere Aufnahme aus den Anfangsjahren des Autodrom Most, mit dem Wahrzeichen der nahe liegenden Kleinstadt im Hintergrund. In Kürze werden wir ausführlich auf dieses interessante Event auf unserer Seite eingehen, um später auch von unseren Eindrücken vor Ort und dem WorldSBK Event zu berichten.

Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© WorldSBK).