Gregorio Lavilla (Ducati) als Pilot in der WorldSBK in der Saison 1997 – heute ist der Spanier für Rechte-Inhaber Dorna als Verantwortlicher für die seriennahe Weltmeisterschaft zuständig. Nach einem mehr als fragwürdigen Entscheid seines Chefs Carmelo Ezpeleta und von FIM Präsident Jorge Viegas drohen ihm und seinem Arbeitgeber die Hersteller davonzulaufen. Bezüglich einer mit den Herstellern bereits vereinbarten Einführung eines Minimalgewichts entschieden diese beiden, ihr Vetorecht wahrzunehmen und diese Vereinbarung aufzuheben. Dies ist skandalös und erinnert an die späteren 1960-er Jahre, als die FIM die japanischen Hersteller mit einer tiefgreifenden Reglementsänderung der Motorrad-Weltmeisterschaft konfrontierte, worauf sich Honda und Suzuki sofort zurückzogen.

Anpassung der Drehzahl-Limits in der WorldSBK – zu spät?

Ab Einführung der neuen MotoGP Replica Panigale V4R von Ducati veränderte sich die Superbike WM wie seit Einführung 1988 noch nie in deren langjährigen Geschichte. Zum ersten Mal hatte ein Hersteller das geltende Reglement in einer Form ausgenutzt, welche so nie vorgesehen war. Die Idee war seit Gründung in Anlehnung der höchst populären AMA Superbike Serie aus den USA schon immer dieselbe und absolut konträr zum vorgehen von Ducati kurz vor der Covid-19 Pandemie. Man wollte getunte Serienmaschinen verschiedener Hersteller gegeneinander antreten lassen und die Käufer solcher Bikes sollten sich mit den Produkten identifizieren, um sie sich beim nächsten Händler selbst erstehen zu können. In den 1970-er Jahren fuhren viele US-Stars in der AMA, um wenige Jahre später in Europa durchzustarten. Namen wie Eddie Lawson, Wayne Rainey und Freddie Spencer sind vielen Fans heute noch ein Begriff und sie hatten danach jahrelang die Motorrad-Weltmeisterschaft dominiert.

Eddie Lawson (Kawasaki) vor Freddie Spencer (Honda) kämpften vor ihrem Wechsel in den Grand Prix Sport auf den AMA-Superbikes für Furore gesorgt. Man sieht bereits auf den ersten Blick, dass es sich dabei um getunte Serienmaschinen handelte, die heutigen Naked Bikes entsprachen, weil die japanischen Hersteller damals höchstens Lenkerverschalungen wie bei der Suzuki GS1000-S kannten. Mehr dazu in unserer reich illustrierten History.

Nach dem FIM- und Dorna-Skandal ein womöglich zu später Reparationsversuch
Es lag auf der Hand, dass sich die Konkurrenten von Ducati vom eigenmächtigen vorgehen der Herren Ezpeleta und Viegas vor den Kopf gestossen fühlen mussten. Man darf davon ausgehen, dass nach der Verweigerung einer Einführung eines Minimalgewichts vor allem Kawasaki offen mit einem Rückzug aus der WorldSBK drohte. Die Japaner mussten sich bereits kurz vor Saisonbeginn 2021 kräftig verschaukelt gefühlt haben, als die FIM in fragwürdiger Auslegung der Regulatorien deren brandneuen ZX-1000RR eine deutlich höhere Maximaldrehzahl als dem Vorgängermodell verweigerte. Sämtliche Tests waren zu diesem Zeitpunkt bereits mit höherer Drehzahl als dem Vormodell absolviert. Die dabei gesammelten Daten waren damit auf einen Schlag unbrauchbar geworden. Rea stürzte in dieser Saison so oft wie nie zuvor, weil er dadurch zu oft über das Limit gehen musste. Er verlor den Titel an Yamaha Ass Toprak. Aber seit Alvaro Bautista nach seiner anfänglichen Dominanz von 2019 auf die Saison 2022 wieder zu Ducati zurückgekehrt ist, haben er und die übrigen Gegner endgültig nichts mehr zu lachen. Dass man nun in einer Nacht und Nebel Aktion seitens FIM tut, was bereits 2019 notwendig gewesen wäre, könnte jedoch bereits zu spät sein.

Podium vom 2. Lauf in Phillip Island (Australien) von 2023 mit von links Michael Ruben Rinaldi (P2), Sieger Alvaro Bautista (beide Ducati) und Andrea Locatelli (Yamaha, P3) mit fast 10 Sekunden Rückstand auf den erstplatzierten. Vier Fahrer aus den Top 5 waren auf einer Ducati Panigale V4R unterwegs und selbst die Werksfahrer der Konkurrenz standen gegen sie mehrheitlich auf verlorenem Posten.

Die Panigale V4R – kein Vergleich mit der Pleite der Petronas FP1

Bereits 2001 wurde mit einem rein für die Rennstrecke entwickelten Motorrad ein ähnlicher Ansatz verfolgt. Ursprünglich wurde das Motorrad der malaysischen Ölfirma Petronas 2001 gemeinsam mit Sauber-Petronas als MotoGP-Prototyp mit 989 cm³ entwickelt. Der Geldgeber Petronas entschied aber noch während der Entwicklung, die Maschine stattdessen in der Superbike-Weltmeisterschaft einzusetzen. Damit war die Produktion von „Serienmaschinen“ verbunden. Aufgrund des Reglements der FIM wurde eine Stückzahl von 150 Exemplaren einer homologisierten Straßenversion vorgeschrieben, damit auf diesem Weg eine Kleinserie die Zulassung zur Rennserie erhielt. Der Hubraum für den Dreizylinder-Motor wurde dafür auf 899,5 cm³ reduziert, aber die nach Teamchef Carl Fogarty benannte „Foggy-Petronas“ war zu wenig konkurrenzfähig. Trotz Topfahrern wie Troy Corser und damals bescheidenem Engagement der japanischen Hersteller waren ein vierter Rang 2003 und Platz 3 in der Konstrukteurs-WM das höchste der Gefühle. Die Panigale V4R hingegen stammt direkt dem MotoGP Prototypen von Ducati ab und dank der von FIM zugestandenen Höchstdrehzahl von bis vor kurzem 16100 U/Min war gegen sie kaum ein Kraut gewachsen. Ob sich dies mit lächerlichen 250 Umdrehungen weniger ändern wird, ist mehr als fraglich.

WorldSBK 2003 Debut von Foggy Petronas mit links im Bild Teamchef Carl Fogarty – trotz gigantischem Aufwand blieben die Erfolge eher bescheiden. Für Topfahrer Troy Corser blieben es verlorene 3 Jahre, ohne welche er vermutlich mehr als seine beiden Titel von 1996 (auf Ducati) und 2005 (für Suzuki) geholt hätte.

Drohte der Ausstieg von Kawasaki nach dem skandalösen Entscheid von FIM und Dorna?

Sportlich gesehen waren die ersten Runden für viele Beobachter wie ein schlechter Witz. Der kleine Spanier fuhr wie in einer anderen Kategorie und flog in Topspeed und Beschleunigung seinen Gegnern auch dieses Jahr wieder förmlich davon. Vor der vierten Runde dieser Saison zogen die FIM-Verantwortlichen deshalb zum ersten Mal die Notbremse und reduzierten die zulässige Maximaldrehzahl der Ducati Panigale V4R um bescheidene 250 U/Min. Gleichzeitig bekam die Kawasaki die längst überfällige Erhöhung um denselben Wert, womit man wenigstens nun auf dem Level der Yamaha R1 liegt. Es gilt als gesichert, dass dies eine Art Notbremse ist, um den Rückzug japanischer Hersteller damit versuchen zu verhindern. Ob dies zu spät ist, wird die Zukunft zeigen. Die japanischen Werke fühlen sich absolut zu Recht von der obersten Motorsportbehörde verschaukelt und es droht deren Ausstieg. Siehe auch der für alle Beobachter überraschende Abgang von Suzuki aus der MotoGP auf Ende 2022, der die Motorsportwelt schockierte. Nachfolgend die neuen Zahlen zu den spontan beschlossenen neuen Höchstdrehzahlen, welche bereits für Barcelona gelten.

Als Jonathan Rea auf Kawasaki vor allem dank seiner Fahrkunst dominierte, gab es sogar auf einen Schlag eine Reduktion um 500 U/Min, obwohl die Kawasaki motorisch der Konkurrenz alles andere als deutlich überlegen war. Im Gegenteil hatte sogar die damalige Ducati Panigale V2 auf zahlreichen Kursen einen deutlichen Drehmoment-Vorteil aufgrund ihre Hubraumplus um 200 cm³ gegenüber den Konkurrenten mit 1000 cm³ Vierzylindermaschinen und ganz sicher kein Leistungsmanko oder Problem mit dem Topspeed.
Gruppenbild vor der Promenade von Barcelona mit von links Eric Granado (PETRONAS MIE Racing HONDA Team), Toprak Razgatlioglu (Pata Yamaha Prometeon WorldSBK), Xavi Vierge (Team HRC), Jonathan Rea (Kawasaki Racing Team WorldSBK) und Danilo Petrucci (Barni Spark Racing Team). Nachdem WM-Leader Alvaro Bautista soeben die Vertragsverlängerung mit Ducati bekanntgab, ist vorläufig noch offen, ob die Herren im Bild in naher Zukunft viel zu lachen haben. Aus Expertensicht ist eine Reduktion um nur 250 U/Min für die Panigale V4R eher wie ein Tropfen auf den heißen Stein.

Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© WorldSBK).