1963: Fortsetzung der Karriere als amtierender Weltmeister
Im Vorjahr war Ernst Degner am Ziel seiner Träume angekommen. Für Suzuki hatte er die neu geschaffene 50 cm³ Weltmeisterschaft in einem an Spannung kaum zu überbietenden Kampf gegen Hans Georg Anscheidt auf Kreidler für sich entscheiden können. Es war die Verwirklichung eines lange gehegten Traums, der nach rund 10 Jahren Rennsport für den DDR-Überläufer in Erfüllung gegangen war. Doch die Saison 1963 sollte noch herausfordernder als im Vorjahr werden. Die Konkurrenz von Honda, Kreidler und auch aus dem eigenen Team war wesentlich stärker geworden. Degner wollte in den beiden kleinsten Klassen angreifen und strebte bei den 125-ern nach einer Verbesserung gegenüber 1962. Dazu ging es natürlich für ihn in der „Schnapsglasklasse“ um die Titelverteidigung.
Die Werksteams der Saison 1963
Die Zahl der werksseitig an der Weltmeisterschaft teilnehmenden Teams und Fahrer für 1963 war rekordverdächtig. Im fünfzehnten Jahr der Motorrad-Weltmeisterschaft schrieben sich nicht weniger als 12 Hersteller mit über 20 Fahrern ein. Der globale Charakter der WM wurde durch den GP von Japan unterstrichen, ein neues Event im Kalender. Es war die logische Folge der Beteiligung japanischer Werke, deren Industrie im Weltmotorradmarkt bereits führend war. Die Anzahl der Veranstaltungen hatte sich gegenüber 1949 mittlerweile verdoppelt. Zudem erhielt die FIM einen Zulassungsantrag von der A.M.A. (American Motorcycle Association). Dieser wurde auf der Frühjahrstagung ratifiziert und der GP der Vereinigten Staaten sollte ab 1964 in die Meisterschaft integriert werden.
Saisonauftakt 1963
Ernst Degner hatte mit Hugh Anderson, Frank Perris und Bert Schneider, sowie den Japanern Ichino, Itoh und Morishito mittlerweile 6 Teamkollegen. Besonders der Neuseeländer Anderson hatte in der zweiten Saisonhälfte 1962 dabei seine Schnelligkeit unter Beweis gestellt. Ihn und natürlich H. G. Anscheidt als 50 cm³ Vizeweltmeister von 1962 musste Degner für diese Saison auf der Rechnung haben. Beim GP von Spanien gewann Anscheidt vor Anderson und dem Spanier Busquets auf Derbi. Ernst blieb wie im Vorjahr in den beiden kleinsten Klassen punktelos. Die Honda Piloten Taveri, Redman und Takahashi machten die Podiumsplätze im 125 cm³ Rennen unter sich aus. Doch schon beim GP von Deutschland sollte die Suzuki Armada zurückschlagen.
Der Triumph beim Grand Prix in der neuen Heimat
Drei Suzukis teilten sich im 50 cm³ Rennen beim GP von Deutschland die Podiumsplätze unter sich auf. Doch Degner sollte auf dem Hockenheim nur als Dritter auf dem Podium stehen. Es gewann der Neuseeländer Hugh Anderson vor Isao Morishita (JAP). Barcelona Sieger Anscheidt (Kreidler) wurde nur auf Platz 4 abgewunken vor den Suzukis von Mitsuo Itoh und Michio Ichino (beide JAP). Im 125-er Rennen kam es zum Triumph von Ernst Degner vor Anderson und dem Ungarn Szabo (MZ). Es sollte der letzte Sieg des DDR-Flüchtlings in dieser Saison bleiben. Immerhin hatte er sich nach wie im Vorjahr missglücktem Saisonauftakt wieder erfolgreich zurückgemeldet.
Bestätigung am GP von Frankreich
Auf dem Straßenkurs des Circuit de Montagne d’Auvergne bei Clermont Ferrand war Degner im Vorjahr nur mäßig erfolgreich. Doch diesmal gelang ihm bei den 50-ern die Bestätigung seines Podiums vom Hockenheimring. Mit Platz 2 hinter H. G. Anscheidt, der sich den zweiten Saisonsieg holte, war es erneut ein Lichtblick für Ernst. Anderson ging diesmal leer aus und Suzuki Teamkollege Michio Ichino komplettierte das Podium in der kleinsten Klasse. Im 125 cm³ GP schlug Anderson zurück und gewann vor den beiden Hondas von Jim Redman und Luigi Taveri. Für Degner blieb mit Rang 6 nur ein WM-Punkt, bevor es auf die Isle of Man an die berüchtigte Tourist Trophy ging.
Gemischte Erfahrungen an der TT 1963
Bei den 50-ern musste Degner bereits den zweiten Nuller in dieser Saison einstecken, während Itoh vor Anderson und Anscheidt diesen GP für sich entscheiden konnte. Für die Titelverteidigung in der Schnapsglasklasse natürlich ein herber Rückschlag, doch wenigstens gelang in der 125 cm³ Klasse das zweite Podium in der 4. WM-Runde. Hugh Anderson gewann den zweiten Grand Prix in Folge und Degner wurde hinter Suzuki-Teamkollege Frank Perris Dritter.
GP der Niederlande – die Achterbahn ging weiter
Das Jahr 1963 war für Degner ein ewiges auf und ab, so musste er im 125 cm³ GP von Assen prompt wieder einen Nuller in kauf nehmen. Anderson schaffte den Hattrick mit 3 Siegen in Folge, vor Teamkollege Perris und Taveri (Honda). Die Erlösung für den Mann aus der DDR war diesmal das 50 cm³ Rennen. Mit einem Sieg vor grandioser Zuschauerkulisse konnte Ernst endlich den langersehnten Erfolg in der kleinsten Klasse einfahren. Hugh Anderson und der Japaner Ichino komplettierten das Podium, während Anscheidt beim GP der Niederlande nur Platz 6 blieb. Der Zug in der Weltmeisterschaft war für Degner noch nicht abgefahren. Es zählten damals die besten 5 Resultate von insgesamt 9 Rennen und 4 Runden standen noch aus
GP von Belgien
Bevor die kleinste Klasse für 2 Runden Pause hatte, ging es nach Spa-Francorchamps. Für Degner, der beim 125 cm³ Rennen zum zweiten Mal in Folge leer ausgegangen war, bestätigte sich der wechselhafte Trend seit Saisonbeginn. Sein österreichischer Suzuki-Teamkollege Bert Schneider holte sich diesmal den Sieg vor Anderson und dem Schweizer Taveri auf Honda. Das Rennen der 50-er sollte für Degner diesmal zum Trost werden. Hinter Morishita wurde er Zweiter und ließ dabei Anscheidt und Anderson für ein weiteres Mal hinter sich. Bei den 125-ern war die Sache für Ernst gelaufen, Anderson führt in der WM deutlich mit 36 Punkten vor Taveri (26) , Perris (15) und Degner (13). Bei den 50-ern sah es besser aus, hier lag ebenfalls Anderson mit 29 Zählern vor Anscheidt (27. mit Streichpunkt-Abzug), Morishita (28 ) und Degner (24). Jeder dieser 4 Fahrer hatte noch WM-Chancen, es waren noch 3 Rennen zu fahren.
Ulster GP und Sachsenring Pause
Beim Ulster GP war die kleinste Klasse nicht ausgeschrieben. Das 125-er Rennen wurde von Anderson vor Schneider und Taveri gewonnen. Ernst Degner ging in Dundrod leer aus. Bereits im Vorjahr hatte ihm die Strecke bei Belfast kein Glück gebracht. Am GP von Sachsenring konnte Degner als DDR Flüchtling gar nicht erst antreten. Dass das Rennen der 50 cm³ Klasse dort annulliert wurde, kam ihm daher natürlich gelegen. Es hatten sich nur 7 Fahrer eingeschrieben, weshalb auf eine Durchführung dieses Laufs verzichtet wurde. Die Kategorie bis 125 cm³ war eine Beute von Anderson vor MZ Pilot Shepherd, welcher sein erstes von 2 Podiumsresultaten in dieser Saison für den ehemaligen Arbeitgeber von Ernst holte. Platz 3 ging an Bert Schneider vor Luigi Taveri. Hugh Anderson stand damit vorzeitig als 125-er Weltmeister fest.
Vorentscheidung beim GP von Finnland
Für die Titelverteidigung musste auf der Strecke in Tampere ein Podium her, ansonsten sah es für die letzten 2 Runden schlecht aus. Doch nun schlug die Stunde für H. G. Anscheidt bei den 50-ern, der nach einem Sturz des Neuseeländers die Meisterschaft vor Anderson übernahm, nachdem auch Degner leer ausgegangen war. Anderson gewann den 125 cm³ GP trotz seines Sturzes in der 50 cm³ Klasse. Mit 2 Siegen hätte Ernst immer noch die Chance auf den WM-Titel gehabt. Doch vor den Übersee-Rennen war die Aufgabe nun beinahe unlösbar für ihn geworden. Doch Degner war ein Kämpfer und gab nie auf.
Pause beim GP von Italien
Beim GP der Nationen in Monza trat Suzuki nicht an. Die 50-er waren hier erneut nicht ausgeschrieben und den 125 cm³ Titel hatte Anderson bereits am GP der DDR sichergestellt. So kam Honda zum einzigen dreifachen Triumph in dieser Saison in der 125 cm³ Klasse. Der Engländer Alan Shepherd hatte für dieses Rennen bereits die neue MZ mit Wasserkühlung. Ihm fehlte vor Ort jedoch die Werks-Unterstützung. Chef-Ingenieur Walter Kaaden und seine Mechaniker waren an der Grenze von Österreich nach Italien hängen geblieben. Ohne spezielles Visum hatten die Männer aus der DDR keine Chance zur Einreise in Nato-Staaten, probiert hatten sie es jedoch trotzdem.
Saisonfinale in Argentinien und Japan
Mit einem Sieg vor Ernst Degner war Hugh Anderson in Abwesenheit von Anscheidt der Titel kaum mehr zu nehmen. Der Kreidler Pilot war bereits im Training gestürzt und konnte mit einer Verletzung am Schienbein nicht zum Rennen antreten. Platz 3 ging an den Italiener Alberto Pagani (Kreidler), nachdem Suzuki keine japanischen Fahrer nach Argentinien mitgebracht hatte. Beim Saisonfinale in Suzuka war Degner mit seiner Suzuki zweitschnellster. Auf Polesetter Luigi Taveri (Honda) hatte er jedoch volle 3 Sekunden verloren.
Das Finale in Suzuka
Auch H. G. Anscheidt biss trotz noch nicht auskurierter Verletzung auf die Zähne und ging im Rennen nach dem Start sogar in Führung. Degner hatte unsägliches Pech und musste schon kurz nach dem Start mit einem Kerzenschaden zum Wechsel die Box ansteuern. Zwar konnte er danach das Rennen wieder aufnehmen, aber mehr als Platz 7 war für ihn nicht mehr drin. Taveri gewann überlegen vor Anderson und dem Japaner Masuda (beide Suzuki). Anscheidt war ausgeschieden, ein Bruch des Nadellager-Käfigs am Kolbenbolzen bedeutete für ihn das Ende seiner WM-Hoffnungen. Anderson wurde auch 50 cm³ Weltmeister und Degner blieb hinter Anscheidt WM-Rang 3. Ein letztes Podium hinter Suzuki Teamkollege Perris und Jim Redman (Honda) in der 125 cm³ Klasse war für ihn daher nur ein schwacher Trost.
Die Opfer des Motorradrennsports im Jahr 1963
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit hier die uns bekannten Opfer des Motorrad-Rennsports im Jahr 1963. Gegenüber den mindestens 14 Toten (laut unserer Statistik) im Vorjahr war es ein leichter Rückgang. Doch unabhängig davon ist jeder Tote im Rennsport einer zu viel. Auf dem gefährlichen Straßenkurs der Isle of Man verlor mit Raymond Rowe auch in diesem Jahr erneut ein Fahrer sein Leben.
50 cm³ Fahrer-Weltmeisterschaft 1963
Es wurden von den 9 Rennen im Jahr 1963 nur die besten 5 Resultate gewertet, bei den 50-ern gab es in dieser Saison dadurch 4 Streichresultate. Nachfolgend auch die Fahrer, welche bei einem GP auf Rang 7 bis 10 ins Ziel gekommen waren (mit den damals üblichen Ländercodes), mit einem besonders interessanten Namen in Fettschrift (siehe dazu auch in der History auf unserer Seite):
Les Allen (GB, Itom), Juan Bilbao (E, Derbi), Ramiro Blanco (E, Derbi), Peter Eser (D, Honda), Franco Farné (I, Derbi), Jan Huberts (NL, Derbi), Bill Ivy (GB, Sheene Special), Dieter Kramer (D, KDW), Rudi Kunz (D, Kreidler), André Magaz (E, Derbi), Jacky Onda (F, Nougier), Tommy Robb (N.Irl., Honda), Jacques Roca (F, Derbi), André Roth (CH, Tohatsu), Dave Simmonds (GB, Tohatsu), Mike Simmonds (GB, Tohatsu), Naomi Taniguchi (J, Honda), Cees vanDongen (NL, Kreidler), „Zippo“ (E, Derbi).
50 cm³ Hersteller-Wertung 1963
125 cm³ Fahrer-Weltmeisterschaft 1963
Es wurden von den 12 Rennen im Jahr 1963 nur die besten 7 Resultate gewertet, bei den 125-ern gab es in dieser Saison dadurch zwei Streichresultate. Nachfolgend zur Vollständigkeit auch die Fahrer, welche bei einem GP auf Rang 7 bis 10 ins Ziel gekommen waren (mit den damals üblichen Ländercodes):
Rex Avery (GB, EMC), Ralph Bryans (N.Irl., Honda), Peter Eser (D, Honda), Franco Farné (I, Ducati), Roland Föll (D, Honda), Juan Garcia (E, Lube), Sven Olof Gunnarsson (S, Honda), Jan Huberts (NL, Bultaco), Haruo Koshino (J, Suzuki), Jochen Leitert (DDR, MZ), José Medrano (E, Bultaco), P. Mencaglia (I, Honda), Kuniomi Nagamatsu (J, Honda), Seppo Näppi (SF, Honda), N. Ootsuki (J, Honda), Jukka Petäjä (SF, MZ), Walter Scheimann (D, Honda), Dan Shorey (GB, Bultaco), Dave Simmonds (GB, Tohatsu), Yoshikazu Sunako (J, Yamaha), Marcel Toussaint (B, Honda), Topi Vainio (SF, Bultaco), Cees vanDongen (NL, Honda), Francesco Villa (I, FB-Mondial).
125 cm³ Hersteller-Wertung 1963
Weiter geht es in Kürze mit Teil 8 über das Leben von Ernst Degner und seinem Karrierenende..
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