Ernst Degner vor dem Start bei einem nationalen Rennen im benachbarten Ausland von 1960. Auch in dieser Saison war MZ mit ihren Speerspitzen Degner und Chadwick, sowie Fahrern aus der DDR bei Läufen außerhalb der WM wieder sehr erfolgreich.

Die Skandalumwitterte Karriere des Rennfahrers aus der DDR

Mit ihren einfachen Mitteln hatte die Firma MZ (bis 1956 unter dem Namen IFA bekannt) es ab den ersten Versuchen in der Saison 1957 innert nur 2 Jahren mitten in die Weltspitze geschafft. Auch ihre Fahrer Horst Fügner und Ernst Degner, später auch Werner Musiol als Ersatz für den verletzt zurückgetretenen Fügner, waren Stars in der DDR. Selbst im Ausland war man tief beeindruckt von den Leistungen der bescheidenen kleinen Truppe um Ingenieur und Teamchef Walter Kaaden. Nicht nur auf den GP Strecken sorgte die kleine Firma aus Zschopau mit seinen Fahrern für Furore, sondern auch auf heimischen Kursen und im benachbarten Ausland. Horst Fügner und Ernst Degner teilten sich von 1954 bis 1959 die Rennsiege in der 125 cm³ Klasse und oft auch bei den 250-ern unter sich auf. Beim Halle-Saale-Rennen gab es in dieser Zeit bei den 125-ern keinen anderen Sieger als einen der Beiden. Auch bei den Rennen von Sankt Wendel oder Salzburg Liefering fuhren die DDR Asse von MZ oft zum Sieg oder zumindest aufs Podium.

Die Firma CZ kehrte 1960 unter dem Namen Jawa in der 350 cm³ Klasse in die Weltmeisterschaft zurück. Bei nationalen und auch internationalen Rennen trat man in der 125 cm³ Kategorie hingegen immer noch unter dem Namen CZ an.

Die Werksteams der Saison 1960

Mit dem Einstieg des japanischen Herstellers Honda sollte eine neue Ära im Motorrad-Rennsport beginnen. Nach einem Einsatz bei der TT auf der Isle of Man trat Honda nun für die erste volle WM-Saison in Europa an. Rennen in Übersee gab es bis 1960 noch nicht, aber bereits eine Saison später sollte die Premiere mit dem GP von Argentinien in Buenos Aires erfolgen. Und nur zwei Jahre später würde der Grand Prix Zirkus bereits zum ersten Mal in Japan gastieren. Mit Bianchi kam aus Italien anstelle von Ducati neue Konkurrenz, die Italiener traten jedoch nur in der 250 cm³ Klasse an, genauso wie Benelli und Morini.

Nach den ersten Gehversuchen im Vorjahr in der 125 cm³ Klasse an der TT, wagten sich die Japaner 1960 für eine volle Saison zur Teilnahme in den beiden kleineren Klassen.

Der (Wieder-)Einstieg von Jawa
Die Firma CZ hatte nach 1957 jeweils auf eine volle WM-Saison verzichtet. Während dieser Zeit beschränkten sie sich mehrheitlich auf nationale Rennen, sowie denjenigen hinter dem „Eisernen Vorhang“. Unter dem Namen Jawa wagte die Firma aus der Tschechoslowakei in der 350 cm³ Klasse mit Frantisek Stastný einen Neustart in der WM. Dazu trat man auch bei Rennen im In- und Ausland in der 125 cm³ Klasse unter der Marke CZ und bei den 250-ern als Jawa an. Nachfolgend die Liste der Werksteams zum Saisonbeginn 1960.

Mickrige Weltmeisterschafts-Saison
Da der GP von Frankreich in Clermont-Ferrand auf dem Kurs von Charade wie im Vorjahr nur den größeren Klassen vorbehalten war, begann die WM-Saison für MZ erst wieder mit der TT. Dieses Rennen auf der Isle of Man war wie im Vorjahr auf Mitte Juni angesetzt. Die Saison 1960 war von einer Minimierung der Anzahl Rennen geprägt, wie man sie nur aus den Anfangszeiten der Weltmeisterschaft ab 1949 gekannt hatte. Die 250 cm³ WM wurde über 6 Rennen ausgetragen und bei den 125-ern waren es nur gerade fünf Runden. Der Vorteil für MZ aus dem Devisen-armen Arbeiter- und Bauernstaat DDR lag dabei wohl vor allem in den geringeren Reisekosten.

Bereits vor Beginnn der Weltmeisterschaft am 13. Juni war Ernst Degner auf MZ an zahlreichen Rennen sehr erfolgreich unterwegs. Nach seinem Sieg im letzten 125 cm³ Grand Prix von Monza 1959 strotzte er selbstverständlich vor Selbstvertrauen.

Die ersten Rennen 1960
Natürlich trat MZ wie in den Jahren davor auch bei vielen nationalen Rennen, sowie im benachbarten Ausland wieder an. So beim Rennen in Sankt Wendel im Saarland, wo Ernst Degner am 8. Mai in der 125 cm³ Klasse den Sieg von Luigi Taveri auf MZ von 1959 auch im Jahr darauf wieder für sein Team wiederholen konnte. Davor war sein Landsmann Dietmar Zimpel in derselben Kategorie bereits das Halle-Saale-Rennen am 24. April für sich entschieden. Werner Musiol (ebenfalls DDR auf MZ) war an selber Stätte bereits zum zweiten Mal in der 250 cm³ Klasse erfolgreich. Beim Rupert Hollaus Gedächtnisrennen in Salzburg-Liefering holte sich Ernst Degner sogar einen Doppelsieg in den beiden kleineren Klassen. Im Vorjahr war er bis 250 cm³ Dritter, während Fügner gewonnen hatte und bei den 125-ern fuhr er hinter diesem auf derselben Position über die Ziellinie.

Eine Aufnahme des MZ Re 250 Zweitakt-Motors, mit dem der geniale Konstrukteur Walter Kaaden ab 1958 im internationalen Rennsport für Furore sorgte.

Erste WM-Runde auf der Isle of Man
An die Tourist Trophy hatte Ernst Degner schon seit seinem ersten Rennen von 1958 in der 125 cm³ Klasse gute Erinnerungen. Damals fuhr er als Neuling gleich auf Anhieb auf Rang 5. Im Jahr darauf war er auf der Isle of Man punktelos geblieben und so blieb es auch 1960. Nach einer Verletzung, die er sich bei einem Sturz im 125 cm³ Training zugezogen hatte, verzichtete Degner auf den Start an beiden Rennen. Punkte gab es für MZ jedoch trotzdem, weil der Neuseeländer John Hempleman und Lokalmatador Bob Anderson bei den 125-ern die Plätze 4 und 5 holten. Während die Marke aus der DDR in der 250 cm³ Klasse keine WM-Zähler verbuchen konnte, gelang dies Honda in der ersten vollen Saison gleich in beiden kleineren Klassen.

Der Neuseeländer Bob Anderson – hier bei einem nationalen Rennen. Bob war 1960 an der Tourist Trophy erfolgreich auf MZ unterwegs und landete in den Punkterängen.

WM-Runde 2 in Assen
Nach dem verpatzten Saisonauftakt auf der Isle of Man brannte Ernst Degner auf eine Revanche beim GP der Niederlande. Während Carlo Ubbiali als Titelverteidiger vom Vorjahr an der Dutch TT bereits sein zweites 125 cm³ Rennen gewann, holte Degner immerhin Platz 5. Zweiter wurde in Assen Ubbialis MV-Teamkollege Gary Hocking, der im Vorjahr noch für MZ Vizeweltmeister geworden war. Rang 3 ging an dessen rhodesischen (heute Simbabwe) Landsmann Jim Redman auf Honda, hinter Alberto Gandossi auf der besten MZ. Der Italiener fuhr eine halb-offizielle Werksmaschine im Team des Italieners Leopoldo Tartarini. In der 250 cm³ Kategorie gewann Ubbiali vor seinen Teamkollegen Hocking und Taveri, während John Hempleman mit Platz 4 erneut bester MZ Fahrer war. Degner schaffte mit Rang 6 immerhin noch den letzten damals dafür zu vergebenden WM-Punkt.

Mit nur 2 Punkten in der 125 cm³ Klasse aus 2 Rennen war Ernst Degner kein guter Start in die Saison gelungen. Bei den 250-ern war es gerade mal ein einziger Zähler und leider sollte die Durststrecke in dieser Kategorie noch andauern.

Der unerwartete Sieg in der 3. WM-Runde
Die Erwartungen nach dem schwachen Saisonauftakt waren mehr als gedämpft. Während in der 250 cm³ Klasse die bescheidenen Resultate der übermächtigen Konkurrenz von MV und Honda zuzuschreiben war, hätte man sich insbesondere bei den 125-ern doch mehr erhofft. Aber beim GP von Belgien in Spa-Francorchamps sollte sich das Blatt wenden. Nachdem MZ beim 250 cm³ GP diesmal leer ausgegangen war, wurde die kleinere Klasse diesmal zum Quell der Freude. Die MZ lief auf dem Schnellen Kurs wie eine Rakete und Degner gewann vor Hempleman und Ubbiali. Dessen MV-Teamkollege Bruno Spaggiari blieb nur der undankbare vierte Platz vor Gary Hocking (ebenfalls MV). Mike Hailwood auf Ducati blieb bei diesem Rennen nur Rang 6 mit dem letzten WM-Zähler. Bei den 250-ern gelang dem Japaner Kenjiro Tanaka das erste Podium für Honda. Danach sollte der Rhodesier (heutige Republik Simbabwe in Südafrika) Jim Redman mit einem dritten und zweiten Platz in den letzten beiden Runden für die japanische Marke nachlegen.

Jim Redman (links) und Alberto Pagani – der Südafrikaner und der Italiener waren zwei neue Gesichter in der 250 cm³ WM 1960. Besonders Redman sollte schon bald von sich reden machen.

GP’s von Deutschland
Diesmal fand der Westdeutsche Grand Prix weder in Hockenheim noch auf dem Nürburgring statt. Auf der Solitude bei Stuttgart hatte die kleine Truppe aus der DDR den Vorteil der wesentlich kürzeren Anreise. Umso bedauernswerter, war dort die kleinere Klasse jedoch nicht ausgeschrieben. Es gab offenbar nur deshalb kein 125 cm³ Rennen, weil man damit den Sieg eines ostdeutschen Fahrers oder einer ostdeutschen Maschine versuchte zu vermeiden. Solche Funktionäre würde man sich heute noch ins Pfefferland wünschen. Im 250 cm³ Grand Prix war es Dickie Dale, der die Kohlen für MV aus dem Feuer holte. Rang 4 blieb das einzige Punkte-Resultat des Engländers bei den 250-ern in diesem Jahr. Hocking gewann vor Ubbiali (beide MV) und dem Japaner Kenjirō Tanaka auf Honda.

Die neue Konkurrenz aus Japan für MZ – hier eine 2-Zylinder 125 cm³ Honda von 1960.

Zweitletzte Runde in Nord-Irland
Beim Ulster GP gelang in der kleineren Klasse die Bestätigung des Topresultats von Spa. Hinter den MV Piloten Ubbiali und Hocking stand Ernst Degner mit Rang 3 das zweite Mal in dieser Saison bei den 125-ern auf dem Podium. Der Neuseeländer Hempleman rundete mit Rang 6 das gute Resultat für MZ ab. Bei den 250-ern machten MV und Honda das Podium erneut unter sich aus, während Morini und die ostdeutsche Marke punktelos blieben. Die 250 cm³ Vizeweltmeister-Titel von Fügner und Hocking in den Jahren 1958 und 1959 zu verteidigen, blieb für MZ diesmal ein Wunschtraum. Den Titel würden die MV Agusta Teamkollegen Ubbiali und Hocking beim Finale in Monza unter sich ausmachen. In der 125 cm³ Klasse hatte der Italiener seine Titelverteidigung hingegen nach dem Ulster GP bereits auf sicher.

Wie im Vorjahr war Carlo Ubbiali auf MV der große Dominator in den kleineren Klassen. Der Italiener schaffte erneut das Double und holte sich auch 1960 beide Weltmeister-Titel.

WM-Finale in Monza – versöhnlicher Abschluss
Nachdem Ernst Degner bei der Dutch TT in Assen erst einen kümmerlichen WM-Punkt erzielt hatte, sollte der Italien-GP für die Mannschaft aus Zschopau zum versöhnlichen Abschluss der Saison werden. Hinter Ubbiali (MV) und Redman (Honda) stand Degner für MZ zum ersten Mal in dieser Saison in der größeren Klasse auf dem Podium. Es war der dritte Podestplatz für Ernst nach den beiden Erfolgen in Dundrod und Monza im Vorjahr. Ein wahrhaft versöhnlicher Abschluss der Saison, nach zahlreichen Höhen und Tiefen in diesem Jahr. Ubbiali hatte sich mit seinem Titel das erneute Double gesichert. Seinem Teamkollegen Hocking blieb wie im Vorjahr, als er noch für MZ fuhr, nur der Vize-Weltmeistertitel. Besonders erlösend für Degner war beim GP der Nationen, dass er im 125 cm³ Rennen ebenfalls Platz 3 holte und sich damit noch auf den 3. WM-Rang hieven konnte. Bei den 250-ern war er im Schlussklassement der Weltmeisterschaft achter geworden.

Gary Hocking (links im Bild mit John Surtees) – der Rhodesier war in den Klassen 250 cm³ (hinter Ubbiali) und 350 cm³ (hinter Surtees) Vizeweltmeister geworden. Das nächste Jahr würde seine Saison werden, in welcher er sich vor allem auf die beiden größten Kategorien konzentrieren sollte. Leider konnte der sympathische Südafrikaner seinen zweifachen Triumph danach nicht lange genießen. Hocking verunfallte bei einem Autorennen in der Nähe von Durban am 21. Dezember 1962 mit seinem Lotus tödlich.

Weitere Siege an nationalen Rennen 1960

Beim Sachsenring GP holte sich Ernst Degner nach 1958 seinen zweiten Sieg in der 125 cm³ Klasse. Sein neuseeländischer MZ-Teamkollege John Hempleman siegte im Lauf der 250-er und gewann mit einer privaten Norton dazu auch das 500 cm³ Rennen. Beim ebenfalls noch nicht zur Weltmeisterschaft zählenden GP der Tschechoslowakei auf dem Masaryk-Ring bei Brünn gelang Degner der vierte Sieg in Folge bei den 125-ern. Trotzdem die kleine Mannschaft aus der DDR die Vorjahreserfolge nicht mehr ganz zu erreichen vermochte, war es trotzdem eine hervorragende Saison. John Hempleman war immerhin WM-Fünfter in der 125 cm³ Klasse geworden. Nachdem die Konkurrenz gegenüber 1959 deutlich stärker geworden war, durfte die Mannschaft aus Zschopau durchaus stolz auf die erbrachten Leistungen sein.

Degner mit Dickie Dale auf dem Sozius – auch in dieser Zeit kamen die Fahrer nicht immer auf der eigenen Maschine bis ins Ziel.

Die Opfer des Motorradrennsports im Jahr 1960

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit hier die uns bekannten Opfer des Motorrad-Rennsports im Jahr 1960. Gegenüber den mindestens sechs Toten (laut unserer Statistik) im Vorjahr blieb die Zahl soweit stabil. Trotzdem ist jeder Tote im Rennsport einer zu viel. Auf dem gefährlichen Straßenkurs auf der Isle of Man verlor auch 1960 erneut ein Fahrer sein Leben.

125 cm³ Fahrer-Weltmeisterschaft 1960

Es wurden von den fünf Rennen im Jahr 1960 nur die besten 3 Resultate gewertet, bei den 125-ern gab es in dieser Saison 3 Streichresultate. Hier zur Vollständigkeit auch die Fahrer, welche bei einem GP auf Rang 7 bis 10 ins Ziel gekommen waren (mit den damals üblichen Ländercodes):
Rex Avery (GB, EMC), Bob Brown (AUS, Ducati), Gerard Carter (IRL, Honda), Franco Farné (I, Ducati), S. Fukuda (J, Honda), Moto Kitano (J, Honda), Hans Lenheer (NL, Ducati), Werner Musiol (DDR, MZ), Noel Orr (N.Irl., Honda), Alberto Pagani (I, MV Agusta), Tom Phillis (J, Honda), Yukio Satoh (J, Honda), Sadao Shimazaki (J, Honda), Jaap Stoltenkamp (NL, NSU), Teisuke Tanaka (J, Honda).

125 cm³ Hersteller-Wertung 1960

250 cm³ Fahrer-Weltmeisterschaft 1960

Es wurden von den 6 Rennen im Jahr 1960 nur die besten 4 Resultate gewertet, bei den 250-ern gab es in dieser Saison dadurch nur 1 Streichresultat. Hier zur Vollständigkeit auch die Fahrer, welche bei einem GP auf Rang 7 bis 10 ins Ziel gekommen waren (mit den damals üblichen Ländercodes):
Heiner Butz (D, NSU), Phil Carter (GB, NSU), John Dixon (GB, Adler), Alan Dugdale (GB, NSU), Jan Huberts (NL, Honda), Horst Kassner (D, NSU), Siegfried Lohmann (D, Adler), Jack Murgatroyd (GB, NSU), Raphaël Orinel (F, NSU), Mike O’Rourke (GB, Ariel), Noel Orr (N.Irl., NSU), Osvaldo Perfetti (I, Bianchi), Frantisek Stastný (CS, CZ), Rudi Thalhammer (A, NSU), Pierrot Vervroegen (B, MotoBi).

250 cm³ Hersteller-Wertung 1960

Weiter geht es in Kürze mit Teil 5 über das Leben von Ernst Degner und seiner alles verändernden 4. GP-Saison..