Das erste echte Motorrad Grand Prix Jahr der Geschichte
Heute ist den meisten Fans des Zweiradsports gar nicht mehr bewusst, wie hoch die Zuschauerzahlen bei Zweiradveranstaltungen im Straßenrennsport in den goldenen 1950-er Jahren waren. Kurz nach dem fast sechs Jahre dauernden Zweiten Weltkrieg entschloss sich die FIM als oberste Motorsportbehörde für die Durchführung einer neu eingeführten Weltmeisterschaft, welche diesen Titel eigentlich gar nicht verdient hatte. Der Hauptgrund dafür war die Tatsache, dass die erfolgreichste Nation der letzten Vorkriegsjahre aus recht fragwürdigen Gründen von der Teilnahme ausgeschlossen war. Auch heute noch bekleckern sich die Verantwortlichen der FIM alles andere als mit Ruhm, wenn es um den Motorrad-Rennsport geht, egal ob bei der WorldSBK oder bei der Straßenweltmeisterschaft. Vieles aus den früheren Jahrzehnten einer eigentlich gloriosen Rennserie und die Geschichte deren Helden droht mittlerweile vergessen zu gehen. Wir haben unser riesiges Archiv deshalb auf den Kopf gestellt, um in einer mehrteiligen und sehr reichhaltig illustrierten Serie über das erste echte Jahr des Motorrad Grand Prix Sports zu berichten.
Frappante Unterschiede zu heute – und doch viele Parallelen
Zu den wichtigsten Unterschieden gegenüber der heutigen Zeit zählt nebst einem sehr unterschiedlichen Reglement vor allem die komplett andere Welt, was die Fahrer und deren Verhältnis untereinander, sowie ihr Verständnis von der Technik betrifft. Während im Profirennsport die Piloten früher noch selbst an ihren Maschinen Hand anlegen mussten, hat sich spätestens seit dem einundzwanzigsten Jahrhundert diesen Aspekt betreffend alles komplett verändert. Auch die Rivalität zwischen den Fahrern ist sehr viel giftiger gegenüber noch vor einigen Jahrzehnten. Stürze gehören heute zur Selbstverständlichkeit im GP Sport, während dies in den goldenen 1950-er Jahren nicht selten den Tod bedeutete. Insofern ist das vielleicht positivste an der Entwicklung die gestiegene Sicherheit, was Rennstrecken, Kleidung und Material betrifft. Trotzdem gibt es immer noch zu viele schwere oder gar tödliche Unfälle zu beklagen. Dies liegt in der Risikobereitschaft begründet, welche es im Spitzenrennsport schon immer gab und die rein schon aus Gründen der Leidenschaft der besten Protagonisten des Zweiradsports auch nicht wegzudenken ist.
Die vierte WM-Saison – endlich mit deutscher Beteiligung!
Nach drei Jahren Zwangspause im Grand Prix Zweiradsport brannten die deutschen Piloten und Werke natürlich darauf, wieder in der Weltmeisterschaft mitzumischen. Trotz in den frühen Nachkriegsjahren noch höchst bescheidenen Mitteln brannten sie darauf, ihre Konkurrenzfähigkeit ab 1952 endlich wieder unter Beweis stellen zu können. Viele von ihnen gehörten vor dem Krieg zur absoluten Weltspitze und deshalb waren alle Fans weltweit gespannt darauf, wie sich die Fahrer aus Deutschland gegen die starke Gegnerschaft aus den anderen Ländern schlagen würden. Von Ewald Kluge, H. P. Müller, Schorsch Meier, Rudi Felgenheier und Hein Thorn-Prikker, um nur einige der populärsten Piloten dieser Zeit zu nennen, war definitiv einiges zu erwarten und sie sollten Ihre Anhänger bereits in ihrer Premieren-Saison nicht enttäuschen. Auch Werke wie BMW, DKW, Horex und NSU sollten sofort beweisen, dass sie sich nicht zu verstecken brauchten. Mit insgesamt 10 deutschen Piloten und im Fall von NSU mit Roberto Colombo einem Werksfahrer aus Italien starteten die vier Hersteller ins Abenteuer GP Sport. Und die erhofften ersten Achtungserfolge sollten nicht lange auf sich warten, bevor man wenig später sogar noch eine Schippe drauflegen würde.
Die Ausgangslage vor der Saison 1952
Als Ausgleich für das Fehlen des GP von Frankreich in diesem Jahr fand der Große Preis von Deutschland seinen Platz im Kalender. Dieser war mit nur 8 Runden sehr überschaubar und in den beiden kleineren Klassen 125 cm³ und 250 cm³ waren es gar nur 6, während die 350-er Kategorie immerhin sieben Rennen bot. Nur die Königsklasse bis 500 cm³ wurde an allen acht Stationen ausgetragen und wie bereits seit 1949 fanden noch bis 1960 blieb dies so, bis im Jahr darauf mit dem GP von Argentinien in Buenos Aires das erste Event in Übersee zum Zug kam. Die Fahrer aus Deutschland waren in ihrer ersten WM Saison natürlich noch die klaren Außenseiter gegen eine bereits etablierte Konkurrenz. Der amtierende Doppel-Weltmeister (bis 350 und 500 cm³) Geoffrey „Geoff“ Duke blieb gegenüber dem Ruf der Italiener taub und fuhr weiter für seine englische Heimmarke Norton. Die 500 MV Agusta wurde auf einen Kettenendantrieb umgebaut, statt wie zuvor einer Kardanwelle. Das Velocette-Werk war das erste große Werk, das sich aus dem Grand Prix zurückzog, aber Leslie Graham sollte von ihnen weiterhin Unterstützung in der 250er-Klasse erhalten. FB-Mondial Werksfahrer Carlo Ubbiali als 125 cm³ Weltmeister des Vorjahres galt nach dem tragischen Unfalltod seines ehemaligen Teamkollegen Gianni Leoni (der am 15.08.1951 beim Training zum Ulster GP zusammen mit Sante Geminiani tödlich gestürzt war) der Mann, welchen es in der Saison 1952 zu schlagen galt. Bei den 250-ern war mit Titelverteidiger Bruno Ruffo auf Moto-Guzzi ebenfalls ein Italiener haushoher Favorit.
Unzählige Hersteller im Kampf um Ruhm und Ehre
Trotz des Rückzugs von Velocette war die Zahl der Werksteams für 1952 mehr als sehenswert. Dies war vor allem der deutschen Beteiligung zu verdanken, nachdem nicht weniger als 4 Werke gleich im ersten Jahr der Teilnahmeberechtigung sich für eine Teilnahme entschieden. Insgesamt 13 Werke nahmen damit an der Weltmeisterschaft teil. Mit Beginn Mitte Mai in Bremgarten bei Bern (Schweiz) ging es im Monat danach zur berüchtigten TT (Tourist Trophy auf der Isle of Man), um Ende Juni in Assen (Niederlande) zur dritten Runde anzutreten. Mit Spa-Francorchamps in Belgien und der WM-Premiere auf der Solitude bei Stuttgart ging es im Juli ohne längere Pause weiter. Mitte August folgte der Ulster GP bei Belfast in Irland und im September Monza in Italien, bevor anfangs Oktober in Katalonien das Saisonfinale im Montjuich Park von Barcelona anstand. Dort waren allerdings nur noch die Kategorien bis 125 cm³ und 500 cm³, sowie die Seitenwagen am Start. Im Prinzip fand dabei nur das Rennen in königlichen Park von Monza auf einer permanenten Rennstrecke statt. Alle anderen Veranstaltungen wurden auf abgesperrten öffentlichen Straßen ausgetragen, wobei aus Assen und Spa später permanente Kurse wurden.
Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© MotoGP).
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