Ausblick auf 1952 und die Favoriten vor Saisonbeginn
Nach dem Rückzug von Benelli aus dem Grand Prix Sport stand Moto-Guzzi in der 250er-Klasse rein aus italienischer Sicht alleine da und der Titel dürfte ihnen deshalb kaum zu nehmen sein. Mit DKW, Horex und NSU durften zwar zum ersten Mal nach 3 Jahren der Verbannung drei deutsche Werke nun samt allen Piloten aus deren Land in der Weltmeisterschaft teilnehmen. Aber niemand rechnete ernsthaft damit, dass von Ihnen Gefahr drohen würde, auch weil deren Budgets für eine Beteiligung an sämtlichen 6 – 8 Runden zu klein waren. Bis auf die 500 cm³ Kategorie waren in den ersten Jahren ab 1949 bei den meisten Grand Prix in der Regel nicht alle Klassen ausgeschrieben. Für die 350er-Klasse wurde erwartet, dass Norton mit Weltmeister Duke wie im Vorjahr dominieren wird. Dieser war auch für die 500er-Rennen favorisiert, aber mit Gilera und MV Agusta, welche auf Leslie Graham setzten, musste ebenfalls gerechnet werden. Der Einstieg von MV in die Achtelliter-Klasse versprach zudem, diese Kategorie ein wenig wiederzubeleben. Im Beiwagen sahen die Experten niemanden dazu in der Lage zu sein, Titelhalter Oliver entgegenzutreten. Nachfolgend unsere Zusammenfassung sämtlicher Endergebnisse der Weltmeisterschaft von 1951.
Schwarzer Saisonauftakt in der Schweiz – der Grand Prix von Bern
Heute nur eine gute Fahrstunde von der Deutschen Grenze bei Basel entfernt, hatten die Fahrer und Teams damals eine deutlich länger dauernde Anreise, was umso mehr auch für die Teilnehmen aus den übrigen Ländern betraf. Bis auf die Kategorie bis 125 cm³ waren in Bremgarten bei Bern sämtliche anderen Klassen am Start. Leider wurde das Rennwochenende durch zwei tödlich verlaufene Unfälle überschattet. Einer war der kurz vor dem Ziel in Führung liegende Seitenwagenpilot Ercule Frigerio mit der Startnummer 16 beim Aufprall an einen Baum. Mit der Eymatt Kurve exakt an dem Ort, an welchem bereits (am 1.7.1948) seine berühmten Landsleute Omobonno Tenni und im Rennwagen Training Achille Varzi (1923 italienischer 350 cm³ Motorradmeister) den Tod fanden. Frigerios Beifahrer Ezio Ricotti überlebte, verlor jedoch durch den Unfall sein Bein. An derselben Stelle starb gleichentags im 500 cm³ Grand Prix auch der erst 25 Jahre junge Engländer Dave Bennet auf seiner Norton das Leben, als er mit seinem Landsmann Bill Doran (AJS) um P2 kämpfte und zu Sturz kam. In einigen Motorsport-Artikeln mit deren Rennbericht waren die beiden tödlichen Unfälle dem Berichterstatter damals nicht einmal eine Zeile wert.
Die wenigen Deutschen Teilnehmer – mit einem Glanzresultat bis 250 cm³
Auf der brandgefährlichen Strecke von Bremgarten grenzte Rennsport mit damals in der Königsklasse bereits deutlich über 200 km/h Spitzengeschwindigkeit an russisches Roulette. Mit zu Saisonbeginn noch mangelnder internationaler Erfahrung und mehrheitlich deutlich unterlegenem Material blieb es dem Privatfahrer Gotthilf Gehring auf seiner Moto-Guzzi vorbehalten, zwei Ränge vor Horex Werksfahrer Hermann Gablenz die historischen ersten WM-Punkte für Deutschland einzufahren. Auf Sieger Fergus Anderson (England, Werks-Moto-Guzzi) betrug deren Rückstand jedoch bereits 2 Runden. Allerdings lag Siegfried „Sissi“ Wünsche auf seiner DKW Werksmaschine auf Rang 4, als sein Motor in Runde 10 offenbar infolge schlechten Benzins leider abstarb. Teamkollege Ewald Kluge hatte es mit einem ähnlichen Defekt bereits in der dritten Runde erwischt. In der Kategorie bis 350 cm³ reichte es für Kurt Knopf (AJS) und Roland Schnell (Horex) nur für die Ränge 12 und 16, mit 2 Runden Rückstand auf Norton Ass Geoff Duke. Werner Mazanec mit P17 auf AJS sei an dieser Stelle auch nicht zu vergessen.
Die Königsklasse und Seitenwagen beim GP der Schweiz
BMW hatte werksseitig auf den Grand Prix bei Bern verzichtet und stattdessen am ISDT (International Six Days of Trial) teilgenommen. Aus diesem Grund überraschte es wenig, dass nur Horex Privatfahrer Schön in der Klassierung mit immerhin Rang 10 auftauchte. Während Friedel immerhin das Ziel sah, hatte er dabei sogar noch Glück im Unglück, als er davor auf P8 liegend sich trotz Ventilschadens im Zylinderkopf noch zwei Gegnern beugen musste und immerhin die Zielflagge sah. Damit hatte er mehr Glück als seine beiden Landsleute Siegfried Wünsche (DKW) mit Aufgabe in Runde 11 nach starker Fahrt im 350-er Rennen und Hans Baltisberger (AJS), welcher in der 11. Runde aufgeben musste. Bei den Gespannen war es Franz Möhr, der mit Passagier Günter Müller auf einer privaten BMW vor Fritz und Marie Mühlemann (Triumph) auf Rang 8 das Ziel kreuzte. Hermann Böhm und Karl Fuchs auf P11 und Franz Vaasen mit Passagier Walter Viesler (alle Norton) mit Platz 14 rundeten die punktelose Deutsche Bilanz bei den Seitenwagen ab, bevor die zweite Runde auf der Isle of Man auf die WM-Piloten wartete.
WM-Runde 2 mit der Tourist Trophy bei guten Wetterverhältnissen
Am 25. Mai 1952 fand auf dem alten Nürburgring in Deutschland eine der Generalproben für den Grand Prix von Deutschland auf der Solitude statt. Keines der Werksteams und niemand von den Spitzenfahrern leistete sich damals die teure Reise auf die Isle of Man. Damit störten lediglich einige Italiener die britisch und aus Bruderländern wie Australien und Neuseeland stammende Phalanx. Für eine kleine Sensation sorgte dabei in der kleinsten Klasse bis 125 cm³ der Engländer Cecil Sandford, der mit einer von Leslie Graham überlassenen privaten MV Agusta den amtierenden Weltmeister Carlo Ubbiali samt dessen FB-Mondial Teamkollegen zu schlagen vermochte. Die Briten dominierten diesmal klar und in der 350-er Klasse gewann Geoff Duke trotz beinahe zweistündigem Krampf im rechten Fuß. Nach seinem Sieg gab der Lokalmatador mit seinem üblich englischen Humor bloss trocken zu protokoll: „Es war ein ziemlich ereignisloses Rennen“.
Britische Dominanz in sämtlichen Kategorien – aber nur auf dem Papier
Ohne ein Missverständnis mit seiner Anzeigetafel wenigstens der Lightweight-Sieg (bis 250 cm³) an den Italiener Bruno Ruffo gehen müssen. Dieses Pech kostete den in Führung liegenden, bereits dreifachen Weltmeister (1949 und 1951 bis 250 cm³, sowie 1950 bis 125 cm³) in der Schlussrunde jedoch seinen ersten TT-Triumpf. Nur mit viel Glück entschied Reg Armstrong die Senior TT (bis 500 cm³) für sich, nachdem ihm beim passieren der Zielflagge die Kette riss. Wie bereits in Bern überschattete wenig überraschend auch an der TT ein tödlicher Unfall das Wochenende. Norton Privatfahrer Frank W. Fry stürzte im Training auf dem brandgefährlichen Snaefell Course beim Westwood Corner und starb 2 Tage danach an seinen schweren Verletzungen. Der Engländer war damit das 38. tragische Opfer der Tourist Trophy, welchem noch viel zu viele weitere folgen sollten. Im Vorjahr waren es mit John Simister, John Pat O’Driscoll, John Thomas Wenman und Chris Horn sogar vier Piloten gewesen, welche an der TT ihr Leben verloren hatten.
Die Dutch TT in Assen mit Runde 3 der Weltmeisterschaft
Mit Ausnahme der englischen Dominanz durch Nortons Aushängeschild Geoff Duke in der 350 cm³ Klasse und einer überragenden Fahrt von Wiederholungstäter Sandford auf MV Agusta, mischten diesmal wieder die Italiener kräftig mit. In der Königsklasse gelang es Umberto Masetti dabei sogar, Seriensieger Geoff Duke eine empfindliche Niederlage zuzufügen. Lediglich 1.2 Sekunden trennten die beiden Kampfhähne im Ziel und das 250-er Rennen sollte gar noch knapper ausgehen. Dabei schlug Enrico Loprenzetti Landsmann und Moto-Guzzi Werksteamkollege Bruno Ruffo um winzige 0.6 Sekunden. Mit den beiden Engländern Fergus Anderson und Arthur Wheeler folgten zwei weitere Guzzi Piloten auf den nächsten Rennen und nur deren englischer Kollege Bill Webster auf Velocette verhinderte einen 6-fach Sieg für Moto-Guzzi.
Konkurrenzrennen im Nachbarland sorgte für viele Absenzen
Wie bereits an der TT konnte sich auch in den Niederlanden in den Klassierungslisten kein deutscher Fahrer in die Klassierungslisten eintragen, bevor es ins benachbarte Belgien zur vierten WM-Runde ging. Allerdings fand in gut 300 km Entfernung am selben Wochenende das damals sehr beliebte Eilenriede-Rennen im Stadtpark von Hannover statt, an welchem sich wie im Vorjahr die gesammte Elite des Landes einfand. Zudem war auch kein Werksteam aus Deutschland in die Ardennen angereist, sondern sie alle konzentrierten sich vorerst allesamt auf die deutsche Meisterschaft. Alles sah danach aus, als würden (womöglich mit Ausnahme von BMW) alle erst bei der Premiere zum ersten Heim-GP bei Stuttgart einsteigen.
Großer Preis von Belgien in Spa-Francorchamps
Auf der malerischen, aber brandgefährlichen Strecke in den Ardennen wurden nebst der Seitenwagen-Kategorie nur die beiden größten Klassen bis 350 und 500 cm³ ausgetragen. Zum zweiten Mal nach Assen gab es glücklicherweise auch hier keine tödlichen Unfälle zu beklagen. Dafür starben auf anderen Kursen einige Piloten, unter anderem beim Training zum Feldbergrennen der erst 22-jährige Deutsche Horst-Wilhelm Herrmann am 14. Juni 1952 auf seiner 500 cm³ Norton bei einem Sturz über die sogenannte Sprungschanze. Nur einen Monat später forderte der Schottenring ein Todesopfer, als am 11. Juli in der Winkler Kurve im Training der bekannte Niederländer Leonardus „Lous“ van Rijswijk ebenfalls auf einer 500 cm³ Norton zu Sturz kam und gegen eine Brücke prallte. Knappe zwei Wochen davor war er in der 350 cm³ Klasse noch elfter geworden und belegte in der Halbliter-Kategorie als hier ebenfalls bester Niederländer Platz 13.
Großer Preis von Belgien in Spa-Francorchamps
In Spa gewann zum dritten Mal in Folge Geoff Duke bei den 350-ern auf seiner Norton, während er sich in der Königsklasse vor Markenkollege Ray Amm platzierte, aber erneut gegen Umberto Masetti knapp den kürzeren zog. Der Engländer Tommy Wood kehrte zum GP-Rennsport zurück, nachdem er beim FIM-Frühjahrskongress seine verkürzte Lizenzsperre abgesessen hatte. Nach dem Grand Prix von Italien im Vorjahr hatte er von der C.S.I. (Internationale Sportkommission) eine einjährige Sperre aufgrund Befolgens einer Box-Regie erhalten, weil er zu offensichtlich abbremste, damit sein Teamkollege Lorenzetti an ihm vorbeikam. Diese Sperre wurde kurz vor der Veranstaltung in Spa jedoch vorzeitig aufgehoben und Tommy schaffte es nach seiner Zwangspause im 350-er Rennen immerhin in die Top Ten.
Nach der ersten Saisonhälfte – vor dem ersten GP von Deutschland
Während in der Viertelliterklasse zwischen Fergus Anderson und Enrico Lorenzetti (beide Moto Guzzi) mit je 20 Punkten im Zwischenklassement gleichstand herrschte, war bei den 350-ern die Titelverteidigung für Nortons Ass Geoff Duke drei Runden vor Schluss bereits gesichert. In der Kategorie bis 125 cm³ war nach erst 2 von 6 Läufen trotz zwei Siegen von WM-Leader Cecil Sandford (MV Agusta) hingegen nach zwei zweiten Plätzen des amtierenden Weltmeisters Franco Ubbiali (FB-Mondial) noch völlig offen. Für Gilera sah es in der Königsklasse nach zwei Siegen von Umberto Masetti nach einer Wachablösung aus. Leslie Graham auf MV Agusta und Jack Brett (AJS) lagen genauso wie Titelverteidiger Duke bereits deutlich zurück. Während das Rennen in Albi (Frankreich) am 13. Juli 1952 neu nicht mehr zur Weltmeisterschaft zählte, waren alle gespannt auf den ersten zur WM zählenden Motorrad Grand Prix von Deutschland auf der Solitude nahe bei Stuttgart. Bisher konnten die deutschen Fahrer und Werke noch nicht glänzen, aber dies konnte sich durchaus noch ändern.
Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© MotoGP).
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