Ausgangslage vor den letzten 3 Grand Prix Wochenenden
Der Werksrennstall von Norton war bereits beim Grand Prix von Deutschland auf der Solitude durch den‘ Ausfall von zwei Piloten stark geschwächt. Der amtierende Weltmeister Geoff Duke lag immer noch im Krankenhaus in Schotten, wobei sein Zustand sich soweit gebessert hatte, daß sogar auf eine Rückkehr auf Ende August gehofft wurde. Aber daraus wurde nichts und er sollte bis zum Saisonende fehlen. Als Ersatz für den ebenfalls verletzten Ray Amm hatte man Syd Lawton für die Solitude Veranstaltung in die Norton-Mannschaft eingegliedert, der sich hervorragend schlug. Für das 500-er Rennen komplettierte er das Podium hinter Armstrong und Kavanagh und in der Klasse bis 350 cm³ wurde er vierter. Nebst Duke fehlte für den Rest der Saison ausch Moto-Guzzis Viertelliter Ass Bruno Ruffo. Für den auf dem 26.5 km langen Clady Circuit ausgetragenen Ulster Grand Prix sollten mit nur einer Ausnahme nun wieder die englischsprachigen Fahrer das Podest in sämtlichen Klassen unter sich aufteilen.
Ulster Grand Prix 1952 – Runde 6 der Weltmeisterschaft
Es sollte das letzte Mal sein, dass der Grand Prix Zirkus auf dieser bei vielen Piloten unbeliebten Strecke veranstaltet wurde. Insgesamt verunglückten auf dem Clady Circuit 7 Rennfahrer tödlich. Das schwerste Unglück hatte sich am 15. August 1951 zugetragen, als die italienischen Moto-Guzzi-Werksfahrer Sante Geminiani und Gianni Leoni bei einem Zusammenprall verunfallt und Teamkollege Enrico Lorenzetti war nur mit viel Glück nicht darin verwickelt. Geminiani wurde etwa 40 Meter durch die Luft geschleudert und war auf der Stelle tot. Leoni stand einen Moment nach dem Unfall wieder auf, brach dann aber bewusstlos zusammen und verstarb noch am selben Tag in einem Krankenhaus in Belfast. Ein Jahr später sollte es weniger dramatisch zugehen, wobei das Rennen der Achtelliterklasse wie bereits 1950 zu einer Farce wurde. Damals sahen ganze 2 Piloten die Zielflagge und zwei Jahre später waren es derer drei. Ubbialli (FB-Mondial) stürzte auf P3 liegend genauso wie Williams auf der MV, der sich dabei seinen Lenker brach und deshalb nicht weiterfahren konnte. Mc Candless und nebst ihm zwei weitere Mondial Piloten sahen die Zielflagge aufgrund von technischen Defekten nicht, damit verblieben nur noch die drei auf dem Podest.
Die mittleren Klassen bis 250 cm³ und 350 cm³
Beim 250-er Rennen war mit 25 Teilnehmern die Chance höher, dass im Gegensatz zum Achtelliter-Lauf zumindest bis zum sechsten Rang WM-Punkte vergeben werden konnten. Mit Anderson, Lorenzetti, Graham und Wood standen nur 4 Werksfahrer am Start. Fergus Anderson ging früh in Führung und hätte wohl gewonnen, wäre ihm nicht ein Schlepphebel an seiner Moto-Guzzi gebrochen. Am Ende musste sich Enrico Lorenzetti mit Maurice Cann trotzdem einem Privatpiloten beugen und Les Graham komplettierte auf der schnellsten Velocette das Podium. Für Cann war es der sechste Sieg beim Ulster Grand Prix in der 250-er Klasse nach 1947 in Folge. Ganze 48 Piloten starteten zum Rennen in der 350 cm³ Kategorie, bei welchem sich Sonne und Regen um die Herrschaft stritten. Arthur Wheeler musste seine Velocette nach 6 Runden mit defekter Vorderbremse abstellen und Syd Lawton (Norton) musste aufgrund von technischen Problemen aufgeben. Coleman und Brett mussten zum Auftanken an die Box und damit war der Weg frei für Ken Kavanagh, der vor Norton-Kollege Reg Armstrong und den beiden AJS von Rod Coleman und Jack Brett im ZIel eintraf. Für den Australier Kavanagh war es der erste GP Sieg seiner Karriere, dem bis 1956 noch weitere vier folgen sollten.
Das Rennen zur Königsklasse – der letzte sollte der erste sein
Ohne das verletzt ausfallende Norton Ass Geoff Duke waren alle gespannt, wer und welcher Hersteller sich den Sieg der 500-er holen würde. Ganze 37 Piloten begaben sich nach der Sirene 4 Minuten davor an den Start und auch hier sollte es wieder zahlreiche Ausfälle zu beklagen geben. Kurioserweise sollte es aber nicht einer von ihnen sein, der gewinnen würde, sondern mit einigen Sekunden Verspätung traf auch noch Cromie McCandless auf seiner Gilera ein und sorgte am Schluss für die Sensation des Tages. Nach zwei Runden lag er noch auf P21 und einen Umgang später tauchte er bereits auf Position 13 auf. Als Norton Werksfahrer Armstrong noch mit einem bequemen Vorsprung führte, kämpften Jack Brett (AJS) und Giuseppe Colnago dahinter um P2, bis letzterer mit Problemen stoppen musste um die Zündkerzen an seiner Gilera zu wechseln. Wie bei Brown schlug danach auch bei Armstrong der Defektteufel zu und er fiel mit gerissener Kette aus. Am Ende wurde das anfängliche Schlusslicht als Sieger abgewunken und das Publikum durfte einen Lokalmatador zuoberst auf dem Podium feiern. Der einheimische Cromie McCandless gewann damit seinen ersten GP 500. Milani war verletzt und Piero Taruffi hatte McCandless seine Maschine anvertraut, welcher sich dafür mit seinem Heimsieg bedankte. Mit dem jungen John Surtees auf Norton holte sich ein Fahrer Punkte, der später nicht nur im Zweiradsport noch viel von sich Reden machen sollte.
Die Tragödie am Grenzlandring
Auf der im Ausland oft auch als Wegbergring bekannten Strecke in der Nähe von Mönchengladbach, wurde auf einem Ovalkurs aus Beton ab 1948 Auto- und Motorradrennen ausgetragen. Die auf der mit leicht überhöhten Kurven ausgetragene Veranstaltung wurde vor mehreren Hunderttausend Zuschauern ausgetragen. Ab 1950 wurden die Rennen auch international ausgeschrieben und am 31. August 1952 kam es beim Autorennen zur Katastrophe, welche das Ende für dieses beliebte Event bedeutete. Als ein Berliner namens Niedermayr kurz vor Ende des Formel-2 Rennens ausgangs der Roermonder Kurve von der Strecke abkam, kam es zur Katastrophe. Mit rund 200 km/h wurde sein Veritas Zweisitzer dabei zum tödlichen Geschoss, welches zahlreiche ungeschützt an der Strecke sitzenden Zuschauer traf. Mindestens 13 Todesopfer und 42 Verletzte war die traurige Bilanz dieser letzten Veranstaltung auf dem davor so beliebten Grenzlandring.
Das zur Nebensache gewordene Ergebnis des DM-Rennens
Bei den Motorrädern fiel hier die Entscheidung für die deutsche Meisterschaft in fast allen Kategorien. In der Achtelliterklasse kam es dabei zu einem aufsehenerregenden Sieg von NSU Neuzugang Werner Haas, welcher seinen Triumpf auch in der 250 cm³ Kategorie wiederholen konnte. Dabei schlug er Spitzenfahrer wie H.P. Müller und Karl Lottes (beide auf FB-Mondial) und lieferte nach seinem Überraschungserfolg auf der Solitude ein weiteres Beispiel seiner Schnelligkeit ab. Otto Daiker aus Stuttgart auf NSU wurde danach Deutscher Meister bis 125 cm³ und Hein Thorn-Prikker (Moto-Guzzi) sicherte sich den Titel bis 250 cm³. Bei NSU entschied man sich dazu, auch in Monza an einem weiteren Lauf zur Weltmeisterschaft mit ihrem neuen Aushängeschild Werner Haas anzutreten und sie sollten dies nicht bereuen.
GP der Nationen in Monza – die Rückkehr des Sensationsmanns
Wer den Exploit von Werner Haas und NSU auf der Solitude für eine Eintagsfliege gehalten hatte sollte spätestens im königlichen Park von Monza eines besseren belehrt werden. Für den Achtelliter GP hatte Carlo Ubbiali als amtierender Weltmeister den Titelkampf gegen MV Aushängeschild Cecil Sandford nach dem Ulster Grand Prix bereits verloren. Kurz vor dem Start bekam Altmeister H.P. Müller mit seiner FB-Mondial Probleme infolge Magnetschadens der Zündung und die Reporter aus seinem Land empörten sich in ihrem Bericht darüber, dass ihm trotz italienischer Maschine dabei niemand zuhilfe kam. Damals war es eigentlich noch ganz normal und völlig üblich, dass sich die Konkurrenten untereinander bei Problemen gegenseitig halfen. Etwas, dass sich im völlig kommerziell dominierten Rennsport ab dem dritten Jahrtausend später kaum mehr jemand vorstellen kann.
Das Rennen der Achtelliterklasse mit einem Überraschungssieger
Vermutlich infolge schlechter Vergaser-Einstellung hatten die NSU-Piloten aus Deutschland nach schlechtem Start ihre Probleme und konnten nicht in den Kamp um das Podest eingreifen. Über Nacht waren die Maschinen unter Verschluss genommen worden und die Temperaturen hatten sich deutlich verändert, was die ausländischen Teams natürlich stark benachteiligte. Lokalmatador Emilio Mendogni errang nach spannendem Kampf seinen ersten Sieg vor Ubbiali und sicherte damit auch den ersten historischen Triumpf für Morini. Mit 20 Jahren und 124 Tagen wurde er der bis dahin jüngste Gewinner eines Grand Prix. MV Agusta Ass Cecil Sandford schied als neuer 125 cm³ Weltmeister von 1952 mit technischen Problemen aus. Hubert Luttenberger konnte NSU Teamkollege Haas in einem engen Kampf um den letzten WM-Punkt knapp hinter sich lassen.
Titelentscheidung in der 250-er Klasse und ein überragender Haas
Während NSU mit Haas und Luttenberger eine empfindliche Niederlage in der kleinsten Kategorie einstecken musste, revanchierte sich das Werk aus Neckarsulm mit ihrem Fahrer Haas in der 250-er Klasse bestens. Im über 20 Runden ausgetragenen Grand Prix der Viertelliterklasse kam es durch ihn zu einem historisch knappen Resultat, als er nur um Sekundenbruchteile hinter Guzzi Werksfahrer Lorenzetti die Ziellinie kreuzte. Der Lokalmatador sicherte sich vor dem Deutschen damit seinen ersten und einzigen WM-Titel der noch viele weitere Jahre dauernden, erfolgreichen Karriere. Teamkollege und Kontrahent Fergus Anderson beendete den 250 cm³ Grand Prix auf Rang 3 und wurde Vizeweltmeister. Beeindruckt waren die Berichterstatter aus Deutschland zutiefst davon, dass die Italiener sogar jubelten, als Werner Haas zwischenzeitlich die Führung übernahm. Dies die positive Seite gegenüber den für sie schwer zu verstehenden Beobachtungen in der 125-er Klasse. Dass der NSU Werksfahrer Schaltprobleme hatte, erwähnten sie im Bericht deshalb auch nur am Rande. Der Zweitplatzierte selbst gab sich schwäbisch bescheiden im Interview nach dem Rennen und gab zu Protokoll, er habe ein weiteres Mal sehr viel von seinen schnellen Gegnern lernen können.
Italiener in den größeren Kategorien klar geschlagen
Bei der Dominanz von Ray Amm auf seiner Norton vor den AJS Piloten Coleman, Sherry und Brett, sowie Goffin auf einer weiteren Norton, hätte niemand vom bevorstehenden Ende der englischen Dominanz was die Hersteller betraf, geahnt. Roland Schnell auf seiner perfekt vorbereiteten Eigenbau Horex machte seinem Namen mit Rang 6 dahinter alle Ehre. Die Siegesserie in der 350-er Klasse riss nach dem letzten Rennen des Jahres danach noch nicht ab, aber mit Moto-Guzzi sollte ein mehr als ebenbürtiger Gegner bereits in den Startlöchern stehen und den Einzylindern aus England ab der kommenden Saison die Hölle heiss machen. In der Königsklasse war die Ablösung bereits soweit und Reginald Armstrong musste sich mit seiner Norton auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke von der italienischen Armada förmlich degradiert fühlen. Hinter drei Gilera und zwei MV Agusta Piloten blieb dem Iren in Abwesenheit des immer noch verletzten Teamkollegen Geoff Duke mit Rang 6 vor dem Engländer Brett (AJS) auf der besten Norton nur ein mickriger WM-Punkt. Sieger Les Graham aus England holte sich seinen sechsten Grand Prix Erfolg auf der MV und schaffte zudem das Kunststück, in sämtlichen 4 Soloklassen Punkte zu holen, Jahrzente später etwas fast unglaubliches. Die Lokalmatadoren Masetti und Pagani (beide Gilera) wurden wie alle anderen ihrer vielen teilnehmenden Landsleute empfindlich geschlagen. Der Titelkampf bei den 500-ern sollte wie bei den Seitenwagen erst im Finalrennen in Spanien entschieden werden, während Geoff Duke bei den 350-ern bereits nach Runde vier in Belgien die Weltmeisterschaft nicht mehr zu nehmen war.
WM-Finale beim Grand Prix von Spanien in Barcelona
Von den Soloklassen waren nur die kleinste und die grösste Kategorie ausgeschrieben, wovon für die Gastgeber damals besonders die 125-er sehr wichtig waren. Hauptgrund dafür waren zwei Piloten des Landes und mit Montesa ein einheimischer Hersteller. Mit Rang 8 schlug sich der Katalane Jose-Maria Llobet damit sogar recht achtbar und Landsmann Ramon Soley auf MV holte mit P11 einen weiteren Achtungserfolg. Gewonnen hatte in der Achtelliterklasse vor Multitalent Les Graham und Cecil Sandford (beide MV Agusta) Monza Sieger Emilio Mendogni auf der äusserst schlagkräftigen Moto Morini. Mit Platz 5 hinter Romolo Ferri (Moto Morini) holte sich der deutsche Haudegen Hermann Paul Müller auf seiner privaten FB-Mondial seine ersten WM-Punkte im Alter von bereits 42 Jahren seine ersen WM-Punkte der Karriere. Für H. P., wie ihn seine Landsleute nannten, sollte dies noch lange nicht das Ende seiner ungleublichen Karriere bedeuten. Auch Urgestein Ewald Kluge auf DKW konnte sich als neunter klassieren, aber dafür gab es damals leider noch keine Punkte.
Die Titelentscheidung in der Königsklasse
Auch der zweite Sieg in Folge konnte Les Graham als erstem 500 cm³ Weltmeister von 1949 (damals auf AJS) und MV den Titel nicht sichern. Gilera Ass Masetti hätte dabei nicht besser als fünfter werden dürfen, damit der Engländer für die Marke des Grafen Agusta den ersten Titel in der Königsklasse hätte sichern können. Aber die Zeit des Hubschrauber-Herstellers sollte noch kommen. Somit ging der Titel nach 1950 zum zweiten Mal an den Italiener und dessen Arbeitgeber Gilera. Trotzdem muss man auch heute noch vor der Leistung des Vizeweltmeisters Leslie Graham auf seiner MV den Hut ziehen. Mit zwei Siegen in der Königsklasse, je zwei Podestplätzen bei den 125-ern und in der Viertelliter-Kategorie, sowie einem Punkt beim Grand Prix von Belgien bis 350 cm³ hätte er einen Kombinations-Weltmeistertitel verdient. Bei den Skirennen gibt es diese Wertung auch Jahrzehnte später immer noch, aber im Zweiradsport sollte es nach Les Grahams Ausnahmeleistung 50 Jahre später gar keine Teilnahmen in mehreren Kategorien mehr geben.
Fazit der ersten echten Motorrad-Weltmeisterschaft
Obwohl die Erwartungen in Deutschland davor sehr gering waren, hatten die Werke und Piloten auf Anhieb dafür gesorgt, dass britisch-italienische Phalanx in der Motorrad-Weltmeisterschaft in ihren Grundfesten erschüttert wurde. Sogleich nachdem sie wieder im Grand Prix Sport zugelassen waren, stellten die Deutschen ihre Stärken trotz bescheidenen Mitteln unter Beweis. Dies galt aber nicht nur für die Motorrad-Weltmeisterschaft, sondern passierte auch zeitgleich im Automobil-Rennsport. Dort sorgte Mercedes mit ihrem Jahrhundert-Sportwagen 300 SL sogleich für Aufruhr und dies sollte nur der Anfang sein. Innert kürzester Zeit bereiteten sie der ausländischen Konkurrenz mit ihren „Silberpfeilen“ heftiges Kopfzerbrechen und Traditionsmarken wie Ferrari, Maserati, Alfa Romeo, Lancia, Jaguar, Aston Martin und wie sie alle hiessen, gewaltig die Show stehlen. Und bei den Motorrädern sollte 1952 erst der Anfang sein, bevor einige Piloten und Werke aus Deutschland noch kräftig eins drauflegten.
Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© MotoGP).
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