Zu den voluminösen Vollverschalungen, wie sie im Bild 250 cm³ Weltmeister H. P. Müller 1955 auf der NSU Sportmax eingesetzt hatte, gab es in dieser Zeit fast nur kritische Kommentare unter Experten und einer sehr deutlichen Mehrheit der Hersteller. Wer jedoch darauf verzichtete, verschenkte in den schnelleren Passagen rund 10 bis 20 km/h Topspeed.

Rückkehr zum Minimalismus

Mit einem nur noch sechs Runden umfassenden Kalender reagierte man endlich auf die über mehrere Jahre beobachtete Unschönheit, dass zahlreiche Hersteller gar nicht an allen Veranstaltungen teilnahm. Zudem wurde damit auch die längst überfällige Unschönheit abgestellt, dass bis davor viele der Events nur wenige Soloklassen ausgeschrieben hatten. Dies die gute Tat der FIM, aber es gab auch Versäumnisse und einer davon lag in der Beschränkung des Wildwuchses bezüglich Stromlinienverkleidungen. Hierzu war die Meinung fast sämtlicher Experten und Hersteller eindeutig, wie das Beispiel einer Umfrage unter den italienischen Rennabteilungen belegte. Übrigens hatte einer der prominentesten Rennstall-Chefs der damaligen Zeit eine interessante Erklärung, weshalb er gerne auf englische Piloten, statt nur auf Italiener setzte. Als einen der Gründe nannte er deren Fähigkeiten auf Strecken, welche zu den italienischen sehr unterschiedlich und bei häufig sehr anderen klimatischen Bedingungen befahren wurden. Zudem sei in seinen Augen die professionelle Einstellung der britischen Männer ein wesentlicher Pluspunkt, gegenüber seinen Landsleuten, welche sich im Winter lieber entspannen würden, statt gezielt die nächste Saison vorzubereiten.

Unsere Zusammenstellung der offiziell vor Saisonbeginn 1956 genannten Werksteams, wobei im Fall der englischen Hersteller bereits seit dem Vorjahr sich die Teilnahme nur noch auf deren Veranstaltungen (die Tourist Trophy und Ulster GP) beschränkt hatte. Und von BMW konnte man bereits seit Startberechtigung der deutschen Werke und Piloten seit 1952 höchstens von einer halbherzigen Beteiligung sprechen. Statt wieder werksseitig in die Weltmeisterschaft zurückzukehren, plante NSU in Pakistan ein Zweigwerk nebst Neckarsulm zu errichten, wofür die pakistanische Regierung Ende 1956 bereits ihr Einverständnis gab. Acht Jahre später sollte der deutsche Hersteller auf die Produktion von Motorrädern jedoch gänzlich verzichten, nachdem die deutschen Mitte der 50-er Jahre mit rund 350-tausend Einheiten noch weltgrösster Hersteller waren..
Am Salon von Mailand, mit der internationalen Motorrad-Messe von Ende 1955 unterstrichen viele italienischen Hersteller ihre sportlichen Erfolge, wie hier im Bild am Stand von MV Agusta ersichtlich. Übrigens wurde am 28. April 1956 im Produktionswerk von Pontedera (Italien) die einmillionste Vespa gefeiert. Der höchst erfolgreiche Roller-Hersteller sollte Jahrzehnte später Gilera, respektive deren Namens-Rechte übernehmen.

Die Meinungen der Italiener als führende Hersteller-Nation zu den Vollverschalungen
Mit nur einer Ausnahme waren alle für ein Verbot und damit die Abschaffung der voluminösen und aus heutiger Sicht auch unförmigen, riesigen Verschalungen der Rennmotorräder. Conte Domenico Agusta als Chef von MV brachte es auf den Punkt, als er dazu meinte „Alle Formen der Stromlinie an zweirädrigen Fahrzeugen sind gefährlich, weshalb sie verboten gehören„. Auch Commendatore Giuseppe Gilera merkte dazu an „die Verschalungen haben bezüglich Kühlung und Schlechtwetter-Eigenschaften starke Nachteile„. Ähnlich Alfonso Morini stellte dies mit der Aussage klar: „Die Verkleidungen bieten keine wirklichen Vorteile technischer Art, sie sind Seitenwind-empfindlich und höchstens für (Geschwindigkeits-)Rekord-Fahrten zu empfehlen. Eines Tages werden sie verboten„. Bis die Verantwortlichen der FIM dies begriffen, sollte es jedoch noch 2 Jahre dauern. Stattdessen gingen sie mit ihrer Macht lieber drastisch gegen Piloten vor, welche sich bei ihnen unbeliebt gemacht hatten und ausgerechnet Geoff Duke sollte ein tragisches Opfer ihrer diktatorischen Gewalt werden, wie dies nicht nur die Engländer bald irritiert kommentieren sollten.

Auf den Ersteinsatz der Moto-Guzzi 500 mit quer eingebautem V8 Motor waren alle nach den ersten Gehversuchen im Vorjahr höchst gespannt. 1955 setzten die Italiener diese Maschine nur zweimal im Training ein, bevor diesmal ihre Generalprobe bevorstand.

Eine Hiobsbotschaft vor dem Saisonauftakt mit der TT

Bevor wie in den ersten beiden Jahren der Motorrad-Weltmeisterschaft und auch 1953 die Saison zum ersten Mal wieder mit der Tourist Trophy auf der Isle of Man begann, erreichte eine tragische Nachricht die Motorsport-Welt. Auf dem Circuit de Floreffe in Belgien war am 6. Mai 1956 mit Fergus Kinloch Anderson einer der ganz grossen aus den ersten Nachkriegsjahren durch einen Sturz tödlich verunfallt. Der auf Ende 1954 eigentlich bereits zurückgetretene zweifache Weltmeister bis 350 cm³ (1953 und 54) war danach Rennleiter bei Moto-Guzzi, trat aber nach nur einer Saison wieder zurück, weil man ihm aus seiner Sicht zu wenig Kompetenzen eingeräumt hatte. Im heute fast unglaublichen Alter von bereits 47 war der Schotte wieder offizieller Werksfahrer bei BMW geworden. Er starb ausgerechnet auf dem Kurs, auf welchem er 1938 seinen ersten Sieg eingefahren hatte. Der Continental Circus verlor damit nicht nur einen Fahrer und Freund, sondern auch eine seiner interessantesten Figuren. Mit diesem Unfall endete der belgische Klassiker von Floreffe und es gab keine Fortsetzung mehr.

Fergus Kinloch Anderson – bei seinem ersten Start für BMW kam er bei der Verfolgung von John Surtees auf einem Flecken Schotter ins Schleudern, prallte gegen einen Telegrafenmast und wurde von seiner Maschine geschleudert. Dabei erlitt der Schotte derart schwere Verletzungen, dass er kurze Zeit später im Krankenhaus von Namur verstarb.
Bei 31 Grand Prix-Rennen feierte Fergus Anderson zwölf Siege und stand 24 Mal auf dem Podest. Eine sensationelle Quote, vor allem für einen bei Einführung der Weltmeisterschaft bereits gut 40-jährigen Rennsport-Globetrotter.

Vele dunkle Schatten über dem Auftakt der Grand Prix Saison 1956

Im fünften echten Jahr der Weltmeisterschaft ging es wieder einmal so los, wie es sich die meisten Briten wünschten. Auf der Isle of Man die Saison zu starten hatte allerdings eine Vor- und Nachteile. Leider war im Gegensatz zum Vorjahr die Veranstaltung nicht frei von Tragik, da mit den beiden Engländern David Merridan in der Junior-Kategorie und Peter G. Kirkham (beide BSA) bei den Seniors wie viel zu oft am Ende zwei Todesopfer zu beklagen waren. Favorisiert waren in den beiden kleineren Klassen die Werks-Piloten von MV Agusta, bei den 350-ern und damit der Junior-Kategorie die Mannschaft von Moto-Guzzi, sowie Gilera und MV in der Senior-Königsklasse. Aber Gilera mit seinen Stars, darunter der amtierende Weltmeister Geoff Duke und Reg Armstrong, standen in der Senior-Kategorie gar nicht erst am Start. Es widerstrebt jedem Beobachter mit einem Verständnis für Fairness im Sport noch heute, weshalb der Sieger des Vorjahres und amtierende Weltmeister nicht antreten konnte. Die Einstellung der Funktionäre einer damals bereits vielerorts für ihr Verhalten und ihr Machtgehabe kritisierten Organisation hat sich leider auch über Jahrzehnte nie wirklich gebessert. Die Rede ist von der FIM als oberste Behörde des Motorrad-Rennsport und ihrer immer wieder in der Kritik stehenden Funktionäre, sowie auch diversen Landesverbänden.

Das Programm der TT und rechts davon die damals einzige Form der Live-Übertragung – per Radio, in einer Zeit ohne Live-TV, Steaming und Internet. Leider wurde der Vorjahressieger in der Königsklasse aus selbst heute noch völlig unverständlichen Umständen am Start gehindert und aus Protest dagegen zog sich sein Werksteam von der Veranstaltung komplett zurück. Zudem bereichteten Zeugen von einem Rückgang der Zuschauerzahlen, was die direkte Folge vom Fernbleiben des Idols der meisten von ihnen war. Offiziell wurde Duke übrigens von der englischen ACU gesperrt, aber dies geschah auf Druck der FIM.

Widerliche Gründe verhinderten Dukes Wiederholungssieg aus dem Vorjahr
Grund dafür war ein skandalöser Entscheid der FIM, einer von Rachegelüsten getriebenen obersten Zweiradsport-Kommission, für welche Sportsgeist über Jahrzehnte offensichtlich nur ein Wort war. Durch diese sah sich Duke und damit auch sein Werksteam Gilera mit unerwarteten Widrigkeiten konfrontiert, die ihm letztlich sogar die Titelverteidigung verunmöglichten. Weil er 1956 für die ersten sechs Monate von diesen Schreibtischtätern gesperrt wurde, obwohl er amtierender Weltmeister war, blieb er Zaungast und musste untätig zusehen, wie seine Konkurrenten um Punkte fuhren. Seine Sperre war eine Strafe für die Unterstützung eines Fahrers, der für ein besseres Startgeld für GP-Privatfahrer streikte, die im Jahr zuvor beim Dutch TT den Großteil der Startaufstellung ausmachten. Auch sein Gilera Teamkollege Reg Armstrong wurde mit demselben Bann belegt, da er den Privatpiloten im Vorjahr ebenfalls beistand. Eine wahrhaft widerliche Revanche vor dem Hintergrund, dass der Engländer mit Sportsgeist und Fairness vielen Kollegen beistand, ohne deren Teilnahme vieler seine Resultate im Grunde wertlos gewesen wären. Zudem kamen viele Besucher vor allem in Assen auch an die Strecke, um ihre eigenen Helden anfeuern zu können, die ausschliesslich zu den Privatfahren zählten. Der aus purem Machtgehabe angerichtete Schaden war enorm. Damit wurde gleichzeitig die Titelverteidigung des über Jahre besten Fahrers seiner Zeit so gut wie verunmöglicht. Und auch dessen Werks-Team wurde für etwas „bestraft“, woran sie nicht die geringste Schuld traf. Sogar der Veranstalter der TT verkaufte als Folge davon deutlich weniger Eintrittskarten als im Jahr zuvor, mit Duke.

In einer Zeit ohne Internet und Smartphones damals sehr gefragt, waren die Resultat-Karten, auf welchen die Besucher die Ergebnisse vor Ort jeweils selbst eintrugen. Unser Archiv ist voller solcher von unbekannten Zeitzeugen der frühen Nachkriegsjahre befüllten Zeitzeugnisse aus Ost (CSSR und DDR) und West.
Streckenskizzen des Clypse Course (links, 16.32 km lang) und dem Snaefell Mountain Circuit (knapp über 60 Kilometern lang). Nur die 350-er und 500 cm³ Klasse wurden auf der längeren Strecke ausgetragen und bei beiden waren es durch die 7 Runden unglaubliche 245 km, welche die Piloten zu absolvieren hatten.

Das Rennen der (ehemals Ultra-) Lightweight Kategorie bis 125 cm³

In Abwesenheit von NSU gab es diesmal keine deutschen Erfolge zu verzeichnen, dafür tauchten eher überraschend plötzlich mehrere Spanier und dazu ein Tscheche (respektive damals Tschechoslovake) in der Rangliste auf. DKW wollte starten und war auch beim Finale des Vorjahres in Monza erfolgreich mit dabei gewesen. Aus unerfindlichen Gründen wurden sie laut Zeitzeugenbericht „nachträglich nicht mehr zugelassen“. Da sogar der amtierende Halbliter-Weltmeister und Vorjahressieger Duke nicht dabei sein durfte, verwundert dies allerdings wenig. Anfänglich hatte noch FB-Mondial Pilot Cecil Sandford an der Spitze gelegen, aber als er ausfiel hatte Ubbialli leichtes Spiel. Drei Spanier bescherten Montesa die ersten WM-Punkte ausserhalb ihres Heimatlandes auf den Rängen 2 bis 4, gefolgt von Dave Chadwick als einzigem Engländern in den Punkten. Auf P6 der Mann von hinter dem eisernen Vorhang in der Person von Václav Parus auf CZ, einer Marke die vor allem auch im Motocross später viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen sollte. Von 21 gestarteten Piloten erreichten nur 9 das Ziel.

Lightweight Doppelsieger bis 125 und 250 cm³ Carlo Ubbiali auf MV Agusta bei Governor’s Bridge, einer der Schlüsselstellen der Tourist Trophy. Damit legte der aus Bergamo stammende Routinier als bereits zweifacher 125-er Weltmeister (1951 und 1955) den Grundstein für seine bis dahin erfolgreichste Saison der Karriere.
In unfreiwilliger Abwesenheit von DKW schlug der Spanier Cama auf Montesa zu und holte mit Rang 2 die ersten Punkte in der Weltmeisterschaft für sich und seinen Hersteller ausserhalb Spaniens.

Rennen zur Lightweight Kategorie bis 250 cm³

Ähnlich wie bei den kleinsten hatte Carlo Ubbiali auch diesmal viel Glück, als mit Teamkollege Luigi Taveri und Sandford gleich zwei der stärksten Rivalen durch Sturz ausschieden. Zudem beklagte der englische NSU Privatfahrer Miller einen Motorschaden und dessen Markenkollege Baltisberger aus Deutschland musste zum Brillenwechseln an die Box, wodurch er viel Zeit verlor, aber trotzdem nach einer starken Aufholjagd noch P3 holte und damit sogar auf dem Podium landete. Dahinter sein Landsmann Horst Kassner (ebenfalls NSU), sowie der Tscheche František Bartoš auf CZ. Ubbialis MV-Werksteamkollege Colombo sicherte sich mit über 2 Minuten Rückstand auf Sieger Ubbiali Platz 2. Von 18 bei strömendem Regen gestarteten Piloten sahen immerhin 15 die karierte Flagge.

Massenstart der 250-er auf dem Clypse Course mit als zweitem von rechts Hans Baltisberger, der mit seiner NSU Sportmax mit 9:21.6 Minuten und einem Schnitt von 110.96 km/h danach die schnellster Runde fuhr. Übrigens starteten die Gespanne auf derselben kürzeren Strecke analog, jedoch mit laufendem Motor, statt mit einem Schiebestart.
Sammy Miller (Leightweight TT) hatte durchaus Podestchancen, bevor ihn ein Motorschaden an seiner NSU Sportmax aus dem Rennen warf. Die Ehre der britischen Teilnehmer (Miller war Ire) rettete Arthur Wheller auf seiner privaten Moto-Guzzi.

Die Junior-Kategorie bis 350 cm³

Bei starkem Wind und nasser Strecke zeigten sich die englischen Werksmaschinen den italienischen von MV mit der 4-Zylinder und Guzzi mit ihrem modernen Einzylinder-Triebwerk genauso unterlegen, wie es auch die Privatfahrer waren. Mit Ken Kavanagh gewann ein Australier nach zahlreichen Anläufen zum ersten Mal an der Tourist Trophy. Surtees fiel infolge Benzinmangels an seiner MV Agusta kurz vor dem Ziel aus und der lange führende Vorjahressieger Lomas sah die Zielflagge ebenfalls nicht. Allerdings sah es danach aus, als hätte Kavanagh die Junior Klasse auch aus eigener Kraft gewonnen. Hans Baltisberger hatte mit seiner mittlerweile auf 305 cm³ aufgebohrten NSU Sportmax unglaubliches Pech, als ihn ein defektes Kabel an der Vorderbremse zur Aufgabe zwang. Cecil Sandford hingegen kam diesmal durch und holte für DKW wenigstens in dieser Kategorie mit Rang 4 einen Achtungserfolg. Im Lauf des Rennens hatte es übrigens aufgehört zu regnen und die Strecke begann abzutrocknen. AJS Pilot Derek Ennett als Zweiter vor dem jungen Hartle (Norton) sollte keine zwei Monate mehr leben, bevor ihn ein tragischer Unfall in Nord-Irland aus dem Lebern riss.

Bei Regen anzutreten und dazu noch starkem Wind, war an der TT gewiss höchst unangenehm und dazu erst recht gefährlich. BSA-Privatfahrer Peter G. Kirkham überlebte es bei der Junior-Kategorie nicht.
Links Ken Kavanagh auf der Moto-Guzzi aus Melbourne (Australien), der zum ersten Mal in seiner Karriere ein Rennen an der TT gewann und einer der stärksten Fahrer der 1950-er Jahre war, die nie Weltmeister wurden. Daneben Cecil Sandford auf der Dreizylinder-Zweitakt DKW, der 1952 für MV Agusta in deren Werksteam den 125 cm³ WM-Titel holte. Der in Blockley, Gloucestershire geborene Engländer kam als Verstärkung auf die Saison 1956 ins DKW-Werksteam.

Die Senior-Kategorie – Königsklasse ohne Teilnahme des Königs

Es fiel uns schwer, sachlich über diesen von Unsportlichkeit der schlimmsten Sorte überschatteten Lauf rein sachlich zu berichten. Ohne Vorjahressieger Geoff Duke als amtierender Weltmeister hatten einige sich viel zu wichtig nehmende Funktionäre ihm, seinem Gilera Werksteam und den Fans einen Schaden angerichtet, der unermesslich gross war. Viele blieben der Tourist Trophy aus dem Grund fern, weil sie den besten seiner Zeit dabei nicht um den Sieg kämpfen sehen konnten. Trotz starker Leistung des 500 cm³ Siegers und zahlreicher weiterer Piloten erlauben wir uns ausnahmsweise deshalb, auf Details zum Verlauf des Rennen an dieser Stelle zu verzichten. Dies aus Respekt vor Geoff Duke als schnellstem Mann der ersten Nachkriegsjahre, dem machtbesessene Schreibtischtäter die Teilnahme aus niederträchtigen Gründen verweigerten. Stattdessen erwähnen wir lieber die Premiere eines technischen Wunderwerks. Nach zahlreichen Tests und zwei Teilnahmen an Trainings im Vorjahr, hatte Moto-Guzzi ihren V8-Renner nun rennbereit und auf die Isle of Man mit im Gepäck.

Schnittzeichnung des vielleicht spektakulärsten Rennmotors der Motorrad Grand Prix Geschichte von Moto-Guzzi, ihrem quer eingebauten V8 Aggregat. Vom amtierenden 350-er Weltmeister Bill Lomas an der TT eingesetzt und in der Senior-Klasse mit Rang 5 zwei Weltmeisterschafts-Punkte damit eingefahren.
Unsere Zusammenfassung mit dem wichtigen Hinweis auf die Verhinderung des Titelverteidigers infolge fast unglaublicher Machtspiele von sich aufspielenden Funktionären, die sportlich die Weltmeisterschaft der Königsklasse damit zur Wertlosigkeit degradierten. Nicht nur Geoff Duke wurde für sein sportlich korrektes Verhalten damit bestraft, sondern auch sein Team, die zahlenden Zuschauer und der Veranstalter, welcher mangels des damaligen Superstars mit deutlichem Rückgang der Besucherzahlen weniger einnahmen.
Walter Zeller auf BMW holte einen beeindruckenden vierten Rang in der Senior Klasse bis 500 cm³, als nach dem tragischen Tod von Anderson einzig verbliebener Werksfahrer von BMW.
Geoff Duke als Zaungast an der TT und in der Funktion eines Teamchefs, als er in bester Laune die Velocette 350 seines Piloten Jackie Wood präsentierte. Als absoluter Gentleman hatte er im Vorjahr die Anliegen der Privatfahrer bei deren Streik in Assen unterstützt, weshalb ihn die FIM als Zeichen ihrer Machtdemonstration nun zur Untätigkeit verdammte. Damit fügten sie gleichzeitig dem Sport, sowie dem Gilera-Werksteam den bis dato vielleicht grössten Schaden der Renngeschichte zu. Weitere Untaten von machtgierigen Funktionären sollten leider noch folgen..

Wenig spannende Weltmeisterschafts-Runde 2 in Assen

Ohne den von einem fanatischen Publikum im Vorjahr noch frenetisch angefeuerten Titelverteidiger Geoff Duke stand diese Veranstaltung unter keinem guten Stern. Dies vor allem auch, weil dieser hier 1955 den Lauf bis 500 cm³ überlegen gewann und bei den 350-ern ganz im Stil eines Gentlemans den streikenden Privatfahrern unterstützend beistand, die mit den kärglichen Startgeldern meist nicht einmal die Anfahrt in die Niederlande begleichen konnten. Ohne all die auf eigene Kosten anwesenden Piloten wären die Siege der Stars im Prinzip wertlos gewesen und Duke war dies als Sportsmann durch und durch bestens bewusst. Machtbesessene Funktionäre hingegen sahen ihn ihm nur einen Aufmüpfigen, den sie nun mit ihrem Vorgehen an der Verteidigung seines bereits sechsten Weltmeistertitels hinderten. Bei nur sechs Läufen in der Saison 1956 verlor ein Fahrer nur schon bei zweimaligem (in seinem Fall unfreiwilligen) Ausbleiben so gut wie jede Chance auf den Titel. Gilera verzichtete aus Protest für die Sperre ihres Aushängeschilds auf die Anreise, womit auch der 500-er Vizeweltmeister Reg Armstrong davon betroffen war. Deshalb verwunderte es wenig, dass durch das Fehlen des Lieblings der Massen in der Person von Geoff Duke, höchstens an die 90-tausend Zuschauer an den Circuit van Drenthe kamen.

Streckenskizze des Circuit van Drenthe der damaligen Zeit. Gegenüber dem Vorjahr kamen nur noch knapp über die Hälfte der Besucher, von welchen die meisten damals Superstar Geoff Duke zugejubelt hatten. Die Schuld daran trugen die Funktionäre der Veranstalter und FIM mit ihrer Geld- und Machtgier.
Ohne Publikumsmagnet Geoff Duke nützten die schönsten Werbeplakate nichts. Gegenüber 1955 waren nur noch etwa 56 Prozent angereist, was einer Ohrfeige für die Suspendierung von Duke gleichkam, der damals seinen Kollegen der Katagorie bis 350 cm³ beistand, als diese aufgrund der viel zu tiefen Startgebühren mit einem Streik auf ihren Unmut aufmerksam machten.

Der zweite Streich von Ubbiali bis 125 cm³

Der Italiener hatte davor bereits das 250-er Rennen für sich entscheiden können und auch nun setzte er sich vom Start weg hinter dem in Führung liegenden Teamkollege Taveri vom Rest des Feldes ab. Durch einen Sturz des davor an der Spitze liegenden Schweizers in Runde 4 erbte Ubbiali P1, die er bis ins Ziel nicht mehr abgeben sollte. Auch Libanori auf der dritten Werks MV Agusta und Provini (Mondial) kamen wenig später infolge ihrer Ausrutscher nicht mehr weit. Damit war der Weg frei für August „Gustl“ Hobl auf der schnellsten DKW, womit er das erste Podium in der kleinsten Kategorie für das deutsche Werk sicherte, als er den dritten Platz holte. Taveri hatte nach seinem Crash das Rennen mit leichtem Rückstand auf den Leader fortsetzen können und war danach noch Zweiter geworden. Der Engländer Cecil Sandford musste sich mit Rang 4 vor der zweitbesten DKW von Karl Hofmann begnügen, dahinter František Bartoš mit nach der TT einem weiteren Punkt für CZ. Die Spanier schafften es diesmal nicht in die ersten sechs, weil diesmal DKW auf ihren wesentlich schnelleren Zweitaktern wieder mittun durfte. An der TT waren sie davor infolge angeblich zeitlich zu später Nennung noch nicht zugelassen worden. Etwas verwunderlich und vor allem ärgerlich für sie, hatte DKW doch bereits beim Saisonfinale im Herbst 1955 in Monza ihre Schlagfertigkeit unter Beweis gestellt gehabt.

Der Weltmeister von 1952 bis 125 cm³ (auf MV Agusta) Cecil Sandford bewies mit zwei vierten Rängen bei den 350-ern und einem bis 125 cm³ seit anbeginn der Saison bis Assen, wie wertvoll er für DKW war.

MV zum Zweiten im 250-er Grand Prix von Assen

Wie im Vorfeld erwartet, setzten sich der Italiener und sein Schweizer MV-Werksteam Kollege Taveri gleich nach dem Start deutlich von ihren Gegnern ab. Dahinter folgten anfänglich Provini (FB-Mondial) und die beiden Tschechen (damals Tschechoslowaken) Bartoš und Kostir auf ihren CZ, gefolgt von Colombo (MV) und Lorenzetti. Danach holte Provini auf, überholte Ubbiali und pirschte sich an den führenden Schweizer heran. Doch sein Landsmann hinter ihm gab sich noch nicht geschlagen und holte wieder auf den FB-Mondial Werksfahrer auf, um sich wenig später wieder P2 zu holen. Danach schnappte sich der Italiener auch noch seinen Teamkollegen und fuhr dabei eine neue schnellste Runde, die nur wenig langsamer war als im Vorjahr der Rekord von Dickie Dale bei den 350-ern. Ubbiali gewann vor Taveri und Provini musste seine Mondial kurz vor Schluss mit technischen Problemen abstellen. Nur Lorenzetti auf der Moto-Guzzi konnte danach einen dreifachen MV Triumpfh mit Colombo hinter sich noch verhindern. Horst Kassner auf der NSU Sportmax bewies vor CZ Werksfahrer Jiří Koštir die immer noch hohe Konkurrenzfähigkeit des aus Neckarsulm stammenden Production Racers. Dahinter verpassten mit Lo Simmons und  Kees Koster zwei weitere NSU Privatfahrer aus dem Gastgeberland die Punkteränge nur knapp. Für MV Agusta und Carlo Ubbiali als Doppelsieger der TT konnte es in den kleineren beiden Klassen kaum besser laufen sein und natürlich wollten sie darauf aufbauen. Aber am Ende schlug dies natürlich auf die Spannung, besonders weil mit Duke als Titelverteidiger in der Königsklasse das Salz in der Suppe fehlte.

Bereits zum zweiten Mal in Folge nach der TT war gegen Carlo Ubbiali auf seiner MV Agusta kein Kraut gewachsen, als der Titelverteidiger bis 125 cm³ auch in den Niederlanden mit einer kontrollierten Fahrt die aktuelle Überlegenheit seines Herstellers in den kleineren beiden Klassen unterstrich.

Demonstration der Stärke des amtierenden 350 cm³ Weltmeisters

Nach seinem Nuller durch das Pech an der Tourist Trophy war Bill Lomas entsprechend motiviert, um diesmal die Kräfteverhältnisse in der zweithöchsten Klasse wieder klarzustellen. Aber zuerst waren wie so oft die DKW Zweitakter am schnellsten angesprungen und die beiden Werks-Piloten Sandford und Hobl lagen nach dem Start an der Spitze. Dahinter Masetti und nach fürchterlichen Problemen beim Losfahren Lomas anfänglich erst auf P29. Wenig später schnappte sich aber Surtees auf der 4-Zylinder MV den Deutschen und machte sich auf die Jagd nach dem führenden Landsmann. Mit Lomas rechnete zuerst gar niemand mehr, aber der Vorjahres-Zweite überholte Gegner um Gegner. Vor dem stauenden Publikum fing Bill nacheinander auch noch Hobl, Sandford und Surtees ein. Der entfesselt fahrende Lomas setzte sich an der Spitze deutlich ab und Hobl überholte noch Sandford, um hinter Surtees am Ende dritter zu werden. Dahinter beendeten Kavanagh und sein Guzzi-Teamkollege Dale das spannendste Rennen in Assen noch in den Punkterängen, was deren Werksteam-Kollege Duilio Agostini mit P7 verwehrt blieb. Nach dem fünften Platz in der kleinsten Klasse bis 125 cm³ schaffte es Karl Hofmann immerhin noch auf Rang 8 bei den 350-ern.

Der Deutsche Karl Hofmann (DKW) vor TT Sieger Ken Kavanagh (Australien, Moto-Guzzi) und dem 2-fachen Weltmeister und italienischen Routinier Umberto Masetti mit der 4-Zylinder MV Agusta lieferten sich über das ganze Rennen einen harten Kampf um die Punkte in Assen.

Wenig Spannung in der Königsklasse

Natürlich war allen klar, dass es diesmal nicht so spannend werden dürfte wie an der 350-er Dutch TT mit der sensationellen Aufholjagd von Lomas. Dies war alles andere als ein Wunder, infolge der Abwesenheit von Vorjahressieger Duke und aufgrund dessen absolut ungerechtfertigten Sperre auch seines gesamten Gilera-Werksteams und der anderen Kollegen wie Armstrong, Colnago, Liberati und Pierre Monneret. Am Schlussresultat konnte man deshalb leicht ablesen, was für ein Klassenunterschied zwischen den einzigen zwei klassierten Werksfahrern und der Meute von Privatpiloten bestand. Moto-Guzzi mit der für Lomas bereitgestellen, spektakulären V8 hatte nach dem Training aufgegeben, dieses heikle Gefährt weiter einzusetzen. Topfavorit Surtees kam gefolgt von BMW Pilot Zeller am besten vom Start weg. Bill Lomas hingegen stürzte auf der konventionellen Guzzi früh und gab danach auf. Kurios war der Ausfallgrund von MV Werksfahrer Masetti, der seinen Tankdeckel verlor, was ihn zu Sturz brachte, wobei er auch Kavanagh (Moto-Guzzi) touchierte und diesen damit ebenfalls zur Aufgabe zwang. an der Spitze baute Surtees inzwischen seinen Vorsrpung auf Zeller aus. Die beiden hatten schon weit vor dem Ende einen riesigen Vorsprung auf sämtliche folgenden Privatfahrer, womit letztlich nur die ersten zwei in derselben Runde blieben. Trotz riesigem Starterfeld fühlten sich viele Beobachter an den 125-er GP von Ulster 1952 erinnert, bei welchem nur drei Piloten überhaupt ins Ziel kamen.

Unsere Zusammenfassung der Resultate einer mehrheitlich spannungslosen Dutch TT von 1956, die durch das unfreiwillige Fernbleiben des besten Piloten der bisherigen Jahre einer noch jungen WM vor allem bei den 500-ern von sportlich höchst geringem Wert war. Aber auch die kleineren Klassen verloren durch die Dominanz von MV bis 250 cm³ und Moto-Guzzi in der zweithöchsten Kategorie nach dem werksseitigen Rückzug zahlreicher Hersteller wie AJS, Norton, NSU und Moto-Morini stark an Brisanz.
Nach seinem starken vierten Platz an der TT verblüffte der Deutsche Walter Zeller auf der Zweizylinder-Boxer BMW in seinem Nachbarland mit Rang zwei und damit seinem zweiten Podium nach demselben Rang beim Heimrennen auf der Nürburgring Nordschleife im Vorjahr für die Marke aus Bayern.
Ohne den suspendierten Titelverteidiger und amtierenden Weltmeister Geoff Duke (Gilera) war John Surtees (MV Agusta) in den ersten Rennen der Saison 1956 fast unschlagbar. Damit war auch die Tür zu seinem ersten Titel in der Königsklasse natürlich weit offen und aus sportlicher Sicht war dies natürlich katastrophal. Für die nächste Runde in Belgien wurde endlich die Rückkehr von Gilera erwartet.
Altmeister Hermann Paul „HaPe“ Müller war nach seinem Titel bis 250 cm³ im Jahr 1955 zurückgetreten und fuhr in Salt Lake City für NSU einige viel beachtete Weltrekorde. Nun war sein Nachfolger gesucht und nach Assen hatte sein langjähriger Konkurrent bei den 125-ern, Carlo Ubbiali die besten Chancen, sich und MV Agusta gleich beide Titel zu holen.

Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© MotoGP).