Horst Fügner mit seiner IFA 125 (später MZ) beim Feldbergrennen im Taunusgebirge 1955. Quasi aus dem Nichts kommend hatte der Chemnitzer das 125-er Rennen gewonnen und wurde im selben Jahr mit seinem DDR Renner auf Basis der Vorkriegs DKW RT 125 westdeutscher Vizemeister. Zwei Jahre später sollte der Sachse zusammen mit seinem MZ-Teamkollegen Ernst Degner zum ersten Mal in der WM für Furore sorgen.

Geschrumpfte Minimalausgabe mit spärlicher Beteiligung

Bis auf die drastisch gesunkene Zahl der Hersteller, gegenüber den ersten ab 1949 und Mitte der 1950-er Jahre, fühlte man sich in die Anfangsjahre der Motorrad-Weltmeisterschaft zurückversetzt. Vor allem, weil die Deutschen Werke und Fahrer in den ersten drei Jahren für die Teilnahme nicht zugelassen waren. Dies wohlgemerkt aus rein politischen Gründen, obwohl auch die Sowjetunion, Japan und andere Länder sich schwerster Kriegsverbrechen schuldig machten und Politiker wie Mussolini und der spanische Diktator Franco kaum einen Deut besser waren. Ab 1952 waren die Deutschen Piloten und Werke zugelassen und innert kürzester Zeit dominierte mit NSU ab dem Jahr danach fast nach Belieben in den kleineren beiden Klassen. Nach dem tragischen Unfalltod von Rupert Hollaus in Monza 1954 zogen sich die Neckarsulmer werksseitig aber leider wieder zurück und zwei Jahre später auch DKW aus rein wirtschaftlichen Gründen. BMW war zum Glück auf den bereits vor dem Saisonfinale 1956 in Monza gefällten Entscheid, werksseitig aus der Motorrad-WM auszusteigen, wieder zurückgekommen. Wenigstens mit ihrem amtierenden Vize-Weltmeister Walter Zeller nahmen sie als Einmann-Team weiter teil. Wir vertreten jedenfalls die Ansicht, dass eine echte Weltmeisterschaft erst ab 1952 stattfand, als die beste Nation der letzten Jahre vor dem Zweiten Weltkrieg wieder teilnahmeberechtigt war. Argumente für diese Haltung haben wir in folgendem Artikel aufgeführt, wobei sich natürlich jeder selbst seine Meinung dazu bilden soll:

Unser Artikel über den Startschuss zur ersten Motorrad GP Saison mit deutscher Beteiligung.

Drastischer Schrumpfkurs der Werksbeteiligung sämtlicher Nationen
In Ländern wie Deutschland und England stiegen die Autoverkäufe rasant und die Zeiten, in welchen das Motorrad das Fortbewegungsmittel des armen Mannes war, gehörten zunehmend der Vergangenheit an. Traditionsmarken wie Adler, Benelli, DKW, Excelsior (diese nur vor dem Krieg), Horex, Moto Morini, NSU, Matchless, Velocette und neu nun auch AJS und Norton waren verschwunden und hatten sich aus dem internationalen Motorrad-Strassenrennsport werksseitig mittlerweile zurückgezogen. Die Franzosen waren gar nie richtig mit dabei, zumindest was die Hersteller betrifft, von denen unzählige im Lauf der Jahre, wie auch in den übrigen Ländern, schon bald von der Bildfläche verschwinden sollten. Nun waren aber zum ersten Mal überhaupt keine englischen Hersteller mehr mit dabei. Wie sehr die goldenen 50-er Jahre des Motorrad-Rennsports bereits 1957 der Geschichte angehörten, unterstreicht unsere Zusammenstellung der Werksteams. Es waren so wenig wie noch nie und damals war ein Ende dieser drastischen Schrumpf-Kur von bis dahin mindestens 8 auf inzwischen nur noch 5 leider nicht absehbar. Zu allem Überfluss kam es am 21. April 1957 auch noch zu Stürzen der Publikumsliebling Bill Lomas und Geoff Duke im 350 cm³ Rennen von Imola, womit die beiden (Duke bereits zum zweiten Mal nach dem Vorjahr) den Saisonauftakt verpassen sollten.

Letzte Saison für Gilera, nachdem im Spätherbst des Vorjahres mit Ferrucio Gilera in Buenos Aires völlig überraschend der erst 27-jährige Sohn des Firmenchefs verstorben war. Ken Kavanagh trennte sich von MV beriets in Imola und gab seinen Rücktritt aus dem Rennsport bekannt, da ihm die Italiener offenbar keine Maschine für die TT zusichern wollten. Übrigens fehlt in unserer Abschrift der offiziell genannten Marken MZ, wobei diese gleich zum Auftakt bis 125 cm³ bei ihrem Gastspiel gewaltig für Furore sorgen sollte, danach aus Budgetgründen aber erst wieder beim Finale in Monza auftauchte.
In Westdeutschland begann im nach dem Krieg bis 1990 zweigeteilten Deutschland meist die Saison und diesmal sollte Regen diesen Auftakt mit traditionell internationaler Starbesetzung prägen. Trotzdem kamen rund 100-tausend Zuschauer an die Strecke, was die ungebrochene Begeisterung für den Zweiradrennsport wohl am besten unterstreicht, wobei das Rennen 1957 erstmals als Grand Prix mit WM-Status stattfand.
Nur kurz nach dem westdeutschen Saisonauftakt kam in der DDR das traditionelle Stadtpark-Rennen von Leipzig zur Austragung. In den 1950-er Jahren wurde es auch mit dem Namen „Rund um das Scheibenholz“ bekannt und mit MZ dominierte in der kleinsten Klasse stets eine einheimische Marke, welche in diesem Jahr sogar auch international die Konkurrenz erstmals nachhaltig beeindrucken sollte.

Saisonauftakt in Deutschland mit der Premiere für den Hockenheimring

Für den Veranstalter war es natürlich sehr schade, dass sich 2 Jahre nach NSU, zum Ende des Vorjahres nun auch DKW als eine der konkurrenzfähigsten Marken in den kleineren und mittleren Klassen, leider werksseitig zurückgezogen hatte. Trotzdem sollte zumindest in der kleinsten Kategorie ein Deutscher mit einem Sensations-Resultat überraschen, auch wenn davon in dieser seltsamen Zeit nicht alle restlos begeistert waren. Die im badischen und damit südwestlichen Teil Deutschlands gelegene Strecke kann man vom damaligen Layout her nicht als besonders anspruchsvoll bezeichnen, was damals jedoch nicht unüblich war. Auch in Monza hatte es zu dieser Zeit nur 7 Kurven, wovon deren zwei eher als Linksknick bezeichnet werden konnten. In einer Zeit, in welcher sich die Werke fast ununterbrochen auch gegenseitig mit neuen Geschwindigkeits-Weltrekorden versuchten zu überbieten, ging es im Rennsport besonders fest um Topspeed. Allerdings war dies bei den Strassenkursen wie der TT auf der Isle of Man, Dundrod bei Belfast in Nord-Irland, Spa-Francorchamps in Belgien und der Solitude nahe Stuttgart, noch lange kein Garant für Siege. Und daher waren trotz des Wechsels von der Solitude aus dem Vorjahr auf erstmals Hockenheim für den GP von Deutschland, immerhin noch drei der brandgefährlichen Strassenkurse im Kalender, der seit 1956 auf nur noch sechs Runden reduziert worden war.

Bei Betrachtung der Streckenskizze aus der damaligen Zeit wird einem schnell klar, wie schnell dieser Kurs damals war und infolgedessen natürlich auch brandgefährlich. Mit gut 160 Meilen pro Stunde, respektive bis zu über 260 km/h waren zumindest die Motorräder der Königsklasse mittlerweile alles andere als gemütlich unterwegs, was zumindest die Vierzylinder-Geschosse von Gilera und MV Agusta betraf.

Achtungserfolg in der kleinsten Kategorie zum Saisonauftakt und ein Favoritensieg

Die bestzeit hatte der amtierende Weltmeister Ubbiali (MV) mit einem Schnitt von 170 km/h auf dem 7.7 Kilometer langen Kurs gefahren. Sein Erzrivale Provini hatte auf der FB-Mondial 168.9 geschafft, dahinter Colombo (MV) und Ferri auf der 2-Zylinder Gilera. Dies alles noch im Trockenen, aber am Sonntagmorgen Regnete es, als das Feld der 125-er auf die Strecke geschickt wurde. Mit einem ärgerlichen Problem war Ferri gleich zu Beginn ausgeschaltet, als Wasser in seinen Vergaser geriet. Wie erwartet kam es gleich nach dem Start zu einem erbitterten Kampf zwischen Provini und Ubbiali. Die beiden Kampfhähne wechselten sich laufend in der Führung ab. In der elften von 15 Runden setzte sich der Mondial Pilot leicht von seinem Widersacher auf der MV ab, dessen Mechaniker in der Box wild gestikulierten, er solle sich sputen. Aber die Aufregung war vergeblich, weil ihr Schützling sich kurz vor Schluss doch noch an den Führenden heranpirschte und Provini auf den letzten Metern vor der Ziellinie noch knapp überholen konnte.

Der Zweikampf zwischen Tarquinio Provini (FB-Mondial, vorne im Bild) und Titelverteidiger Carlo Ubbiali auf MV Agusta hielt trotz andeuerndem Regen die Zuschauer im Schach und versprach spannenden Rennsport.

Italienisches Podium mit überraschenden Gästen in den Punkterängen
Mit Ubbialis MV Werksteam-Kollege Roberto Colombo auf Rang 3 und über zwei Minuten hinter seinen beiden Landsleuten, sprachen alle auf dem Podest italienisch. Aber dahinter wurde es interessant und damit hatte zuvor wahrhaft niemand gerechnet. Nicht etwa Luigi Taveri auf der dritten Werks MV Agusta folgte auf Rang 4, sondern der Ostdeutsche Horst Fügner auf seinem MZ-Zweitakter, der den Schweizer zur Überraschung aller noch auf Platz 5 zu verdrängen vermochte. Zwar mit Rundenrückstand, aber dies war trotzdem eine formidable Leistung des Chemnitzers und von seinem Team. Unterstrichen wurde die Sensation noch durch Rang 6 von Ernst Degner mit der zweiten MZ aus Zschopau, noch vor Karl Lottes auf dem DKW Zweitakter. Dessen westdeutscher Landsmann Willy Scheidhauer auf seiner privaten Ducati „Bialbero“ verpasste die Zielflagge genauso wie Sandford (Mondial) und Libanori (MV). Trotz dem grossen Erfolg der kleinen und bescheidenen MZ Truppe aus der DDR, sollten sie aus finanziellen und womöglich auch politischen Gründen bis zum Finale in Monza fernbleiben. Aber ihr Erfolg wurde von der politischen Führung ihres Landes hinter dem eisernen Vorhang mit Wohlwollen aufgenommen und deshalb ein Versprechen für die Zukunft sein.

Horst Fügner (MZ) auf der Fahrt zu seinem überraschenden dritten Platz beim GP von Deutschland auf dem nassen Hockenheimring. Dass unmittelbar nach dem Rücktritt von DKW im Folgejahr ausgerechnet ein aus der DDR kommender Fahrer auf einer ostdeutschen Marke so gut abscheiden würde, konnte nicht erwartet werden. Schon gar nicht, dass mit dem jungen Ernst Degner auf Rang 6 sogar ein zweiter DDR-Pilot in die Punkte fuhr.

Des Weltmeisters zweiter Streich in der Viertelliter-Klasse

Nach drei Doppelsiegen in den ersten drei Runden im Vorjahr waren alle gespannt, ob Ubbiali dieses Paradestück erneut gelingen würde. Aber auch Colombo mit dem neuen Zweizylinder Motor (Ubbiali fuhr noch die konventionelle Einzylinder Maschine) mischte diesmal ganz vorne mit. Mittlerweile hatte der Regen aufgehört. Es sah lange danach aus, als wäre Provini nach seiner knappen Niederlage im 125-Rennen in der Lage, sich diesmal dafür zu revanchieren. Aber in der dreizehnten von zwanzig Runden überdrehte er seine Mondial, deren Motor danach seinen Geist aufgab. Auch Colombo bekam im zweitletzten Umgang Probleme mit stotternder Maschine und verlor dadurch den Anschluss, womit Ubbiali ungefährdet den Saisonauftakt wie im Vorjahr mit einem Doppelsieg krönte. Sandford schaffte es nach dem Ausfall von Provini mit der zweiten Mondial aufs Podium, dahinter Lorenzetti auf seiner in die Jahre gekommenen privaten Guzzi und erst dahinter der erneut glücklose Taveri auf der zweitbesten Werks-MV. Mit Hallmeier auf Platz 6 schaffte es selbst diesmal noch eine NSU Sportmax in die Punkte, die Kassner mit demselben Production-Racer dahinter nur um einen Rang verpasste. Dahinter Hartle auf entweder einer REG oder privaten MV, hierzu gibt es unterschiedliche Quellen. Übrigens waren für einmal die besten 250-er schneller als diejenigen in der Kategorie bis 350 cm³.

Carlo Ubbiali (MV Agusta) in der zweiten Runde vor dem später ausgefallenen Tarquinio Provini und Cecil Sandford (beide FB-Mondial).

Grand Prix von Deutschland bis 350 cm³

Auf der immer trockener werdenden Strecke kam es zu einer dramatischen Entscheidung um den Sieg. Erneut einsetzender Regen erschwerte die Aufgabe für die Piloten auf dieser Hochgeschwindigkeits-Strecke enorm. Es gab eine ganze Menge an Stürzen, die aber glücklicherweise allesamt glimpflich verliefen. Betroffen war davon unter anderen Bob Mc Intyre auf seiner 4-Zylinder Gilera, als Neuzugang in deren Werksteam, bei seinem ersten WM-Lauf. Bis dahin hatte der Schotte lange wie der sicherer Sieger ausgesehen. Auch sein Teamkollege Liberati war ausgerutscht, konnte aber seine Maschine schnell wieder aufrichten und das Rennen wieder fortsetzten und dies letztlich sogar bravourös. Dasselbe galt für den Deutschen Hallmeier, der sich sensationell in Szene setzte und auf der angejahrten und aufgebohrten NSU Sportmax, einem Production Racer mit ursprünglich 250 cm³, deren seit 2 Jahren ungebrochene Konkurrenzfähigkeit unter Beweis stellte und hinter Norton Spezialist Hartle das Podium komplettierte. Masetti auf P4 vor Montanari, Thomson, Tostevin und den drei Lokalmatadoren Kläger, Hoppe und Kauert waren allesamt bereits eine Runde zurück, als die Zielflagge fiel.

Das sogenannte „Clinomobil“ sollte viele Jahre später mit Dottore Claudio Costa einen Nachahmer finden, der damit für eine Erstversorgung für Unfallopfer an den Rennstrecken sorgen sollte und damit für lange Zeit im Grand Prix Sport so gut wie unverzichtbar blieb. Der Einsatz bei der Premiere in Hockenheim ward zum Glück nicht für tragische Fälle benötigt, trotz Regen wurden keine schweren Verletzungen gemeldet.
Lokalmatador Helmut Hallmeier mit seiner auf 305 cm³ aufgebohrten NSU Sportmax wandelte damit auf den Spuren des im Vorjahr tödlich verunfallten Hans Baltisberger. Nach Rang 6 und damit einem WM-Punkt schaffte der schnelle junge Mann es zur Freude des Publikums diesmal sogar aufs Podium.

Die Königsklasse ohne ihren Superstar

Titelverteidiger John Surtees hatte mit 3 Siegen und trotz danach 3 Ausfällen dank einer Suspendierung und unglaublichem Pech von Geoff Duke im Vorjahr die 500 cm³ Weltmeisterschaft für MV Agusta geholt. Statt nun wieder angreifen zu können, hatte sich der sechsfache Champion (2 Titel bis 350 und deren 4 bis 500 cm³) Duke jedoch beim „Conchiglia d’Oro“ (Shell Gold Cup) in Imola verletzt und musste passen. Er war seit Jahren der Publikumsmagnet und Superstar der Königsklasse und sowohl die TT, wie auch das Event in Assen hatten im Vorjahr sehr unter seiner Suspendierung gelitten, weil wesentlich weniger Fans den Weg zu den Rennen auf sich nahmen. Die Schuld daran trugen Funktionäre, was im ersten Teil zu unserem Bericht über die Saison 1956 ausführlich erläutert wurde. Jedenfalls war auch nun wieder die Saison für Geoff Duke gelaufen, als zum ersten Rennen der Saison gestartet wurde. Die Schulterverletzung von seinem Imola-Crash verlangte laut seinen Ärzten noch eine Pause von fast zwei Monaten, worauf der schnelle Mann von der Isle of Man erst bei Saisonmitte wieder auf die Rennstrecken zurückkehren sollte.

Start zum 500 cm³ Grand Prix von Deutschland mit links vorne der später zweitplatzierte Mc Intyre (Gilera) und rechts vorne BMW Werkspilot Walter Zeller mit der Nummer 21.

Das Pech des Titelverteidigers beim Auftaktrennen
Auch John Surtees war nicht vom Glück beseelt, als das Rennen von Hockenheim über die Bühne ging. Die Verhältnisse waren ähnlich wie bei den 350-ern auch in der Königsklasse bis 500 cm³ recht gut und deshalb war mit einer Verbesserung des Rundenrekords von Duke aus dem Jahr 1955 (mit einem Schnitt von 199.3 km/h!) zu rechnen. Aufgrund von einigen Sanierungsarbeiten präsentierte sich der Kurs in einem deutlich besseren Zustand als zwei Jahre davor. Und es war nicht Surtees, sondern der Gilera Werksteam-Pilot Liberati, welcher den Rekord brach. Nach dem Start lagen zunächst die 3 MV Agusta Werksfahrer, angeführt von Surtees in Führung, aber aus der ersten Runde lag bereits die Guzzi von Dale und die Gilera von Mac Intyre direkt dahinter. Dieser war es auch, der wenig später das Kommando übernahm, gefolgt von seinem Teamkollegen Liberati. Dahinter folgte Surtees vor Dale mit der V8 Moto-Guzzi und Zeller, der sich Masetti (MV) geschnappt hatte. Am Ende sollten nur 13 von 28 gestarteten das Ziel erreichen.

Hier führte Bob Mc Intyre vor Liberati (beide Gilera), Titelverteidiger John Surtees (MV Agusta), Dickie Dale (Moto-Guzzi V8), Umberto Masetti (MV) und Walter Zeller (BMW). Wenig später war das Rennen für den amtierenden Weltmeister vorzeitig zu Ende und auch sein Teamkolleg Masetti sollte die Zielflagge nicht sehen.

Prominente Ausfälle und eine sensationelle Aufholjagd
Mc Intyre war mit Motorproblemen auf Position 6 zurückgefallene und musste einen Boxenhalt einlegen, der ihn auf P12 zurückwarf und letztlich vermutlich den Sieg kostete. Seine Gilera lief nur noch auf 3 von 4 Zylindern, was die Mechaniker jedoch in Windeseile beheben konnten. In Runde 12 war das Rennen für John Surtees vorbei, weil der Hinterreifen an seiner MV den Geist aufgab und der Engländer nur mit Glück einen Sturz verhindern konnte. Inzwischen bewies der Schotte Mc Intyre bei seiner Aufholjagd, dass er mit seiner wieder einwandfrei funktionierenden Vierzylinder Gilera deutlich schneller unterwegs sein konnte, als Dickie Dale auf der kapriziösen V8 Moto-Guzzi. Zwischenzeitlich fiel Guzzi Neuzugang Keith Campbell auf einer konventionellen Maschine aus (Dale war als einziger auf der V8 unterwegs). Mc Intyre hingegen fuhr wie entfesselt und lag nach einer neuen Rekordrunde mit einem Schnitt von 208.5 km/h mittlerweile bereits etwas über 20 Sekunden hinter Liberati auf P2. In der letzten Runde war er am Italiener dran und nun setzte zu allem überfluss nochmals Regen ein. Nur weil er sich in einer Kurve verbremste, konnte Liberati mit einem hauchdünnen Vorsprung von 3 Zehnteln die zielflagge als erster kreuzen. Dahinter hatte Zeller mit seinem Zweizylinder Boxer sich sogar die V8 Guzzi mit Dale geschnappt und fuhr unter dem Jubel des Publikums als Dritter durchs Ziel. Den letzten Punkt holte sich MV Neuzugang Shepherd vor den privaten BMW’s von Hiller, Riedelbauch, Hagenlocher und Huber.

Unsere Zusammenfassung beruht auf einer Vielzahl verschiedener Quellen, wovon einige definitiv falsch sein müssen, was die Kategorie bis 350 cm³ betrifft. Nach allein diesbezüglich sehr langer Recherche sind wir uns aber sicher, dass vorliegende Fassung korrekt ist (die offizielle MotoGP Seite ist diesbezüglich leider, wie so oft leer).
Die spektakuläre Moto-Guzzi mit quer eingebautem V8-Motor hielt unter Dickie Dale zwar durch und kam auf Platz 4, aber dass BMW mit ihrem Zweizylinder Boxer mit Einspritzung schneller war, wurmte die Gäste aus Italien natürlich gewaltig. Die bereits dritte Saison dieses technischen Wunderwerks sollte prompt auch die letzte sein, obwohl die Italiener damit bei einheimischen Rennen 1957 erstmals siegreich waren.

50 Jahre Tourist Trophy mit der zweiten WM-Runde

In einer Saison mit laut unserer recht umfangreichen (aber trotzdem wohl nicht kompletten) Statistik noch verhältnismässig wenigen Todesopfern, gegenüber dem Schnitt der ersten Jahrzehnte, hätte es die TT bei ihrem Jubiläum verdient, diesmal keine Toten beklagen zu müssen. Im Vorjahr hatte es (an der TT, nicht aber beim Manx GP auf derselben Strecke) effektiv keinen einzigen tödlichen Unfall an der Tourist Trophy gegeben, dafür lief es 1956 in Brünn mit gleich zwei Verlusten (darunter mit der NSU Musketier Hans Baltisberger einem sehr prominenten Opfer) umso schlimmer. Diesmal erwischte es leider auch an der Tourist Trophy wieder einen Piloten, der den brandgefährlichen Strassenkurs nicht überlebte. Die FIM als oberste Sportbehörde sollte dabei noch Jahrzehnte lang zuschauen, bevor erst in den 1970-er Jahren einige Stars sich öffentlich dagegen wehrten, hier um Weltmeisterschafts-Punkte zu kämpfen. Bis dahin ging es hier Jahr für Jahr weiter und die schnellsten Piloten der Geschichte riskierten sowohl auf der Isle of Man, wie auch auf fast allen anderen Strecken Rennen für Rennen Kopf und Kragen. Von Sicherheit konnte damals sowieso kaum die Rede sein, vergleicht man die Ausrüstung mit derjenigen von 6 bis 7 Jahrzenten danach, als sogar Airbags in die Renn-Kombis eingebaut wurden.

Streckenskizze des TT Clypse und Snaefell Mountain Course auf der Isle of Man aus den 1950-er Jahren. Dem Mekka des Zweiradsports über viele Jahrzehnte und zugleich der Heimat des ersten Superstars der Nachkriegsjahre – Geoff Duke.

Das Rennen der Ultra-Lightweight Klasse bis 125 cm³

Wie üblich fanden am Mittwoch der TT-Woche auf dem wesentlich kürzeren Clypse Course die Rennen der beiden kleineren Kategorien, sowie die der Seitenwagen abgehalten. Im Gegensatz zur Junior (bis 350 cm³) und Senior-Klasse der 500-er, welche jeweils auf dem über 60 km langen Snaefell Mountain Circuit gestaffelt gestartet gegeneinander antraten, wurden die kleineren auch gemeinsam auf die Strecke geschickt. Nach der ersten Runde führte Taveri vor Miller, aber wenig später ging Provini an den beiden vorbei und übernahm die Spitze. Seine Mondial war offensichtlich die schnellste aller Maschinen im Feld. Der amtierende Weltmeister ubbiali hingegen konnte nicht an seine beeindruckenden Leistungen vom Hockenheimring anknküpfen. Während Provini eine Bestzeit nach der andern hinlegte, hatte der Titelverteidiger selbst gegen MV Werksteam-Kollege Taveri anfänglich keine Chance. Womöglich schaffte er es auch nur per Teamorder vorbei und wurde letztlich vor dem Schweizer trotzdem noch Zweiter. Dahinter Miller, Sandford und Colombo auf dem letzten Punkterang. Die tschechoslowakische Delegation mit  František Bartoš auf deren CZ auf P7, verpasste nach ihrer beeindruckenden Premiere im Vorjahr, diesmal die Punktreränge nur um eine Position. Trotzdem hatte ihr Spitzenfahrer damit zahlreiche private MV Agusta und FB-Mondial hinter sich gelassen. Übrigens war Gilera mit ihrem Aushängeschild Ferri gar nicht erst angetreten und sollte zum Saisonende eine Bombe platzen lassen.

Tarquinio Provini (FB-Mondial) in Hochform – der Italiener war nach seiner knappen Niederlage im GP von Deutschland in der kleinesten Klasse gegen Ubbiali und dem Ausfall im 250 cm³ Rennen natürlich geladen. Mit über einer halben Minute Vorsprung auf den amtierenden Weltmeister und Vorjahressieger gewann der schnelle Mann aus Roveleto die Cadeo (südöstlich von Piacenza) zum ersten Mal an der Tourist Trophy die Ultralightweight-Klasse.

Die Lightweight Klasse der 250-er

Eigentlich war das Rennen der 250-er das erste des Tages, aber wir belassen es bei der Berichterstattung lieber in der gängigen Reihenfolge, wie sie Jahrzehnte später zum Standard werden sollte. Die 10 Runden auf dem „kleinen“ Clypse Course bedeuteten immerhin eine Strecke von 175 Kilometern, welche die Fahrer dabei zu absolvieren hatten. Bei kühlem, aber zumindest trockenen Verhältnissen ging es per Massenstart auf Isle of Man los. Gleich vom Start weg ging Sandford an die Spitze, mit Sammy Miller (beide Mondial) in seinem Windschatten. Weit abgeschlagen Provini mit der wie bei den 125-ern auch hier definitiv schnellsten Mondial. Der Italiener war mit seinem roten Alfa Giulietta Sprint Sportwagen erst kurz vor dem Start zugefahren und war nur schlecht weggekommen. als das Startsignal kam. Als er die Verfolgung der Spitze aufnahm, lagen Ubbiali, Taveri und Colombo auf ihren Werks MV hinter den beiden führenden Markenkollegen von Provini. Dieser riskierte alles und fuhr in Runde 4 eine neue Bestzeit, bevor ihn das Pech ereilte und er mit defekter Maschine stehenblieb. Sandford profitierte vom Sturzpech seines Mannschaftskollegen und gewann sicher vor Taveri, Colombo und Bartoš mit der erstaunlich schnellen CZ. Ubbiali hingegen sah wie sein Erzrivale Provini die Zielflagge ebenfalls nicht.

Cecil Sandford (Nr. 4, FB-Mondial) bei seinem Höllenritt auf dem Clypse Course, auf welchem er sämtliche Gegner um weit über eineinhalb Minuten distanzierte. Ganze fünf Jahre nach seinem ersten Sieg auf MV Agusta in der Ultra-Lightweight Klasse, liess er diesmal in der Viertelliter-Kategorie sämtliche Gegner weit hinter sich.
Sein Sturz bei Governor’s Bridge kostete Sammy Miller (FB-Mondial) vermutlich den Sieg in der Junior-Kategorie. Der Ire wurde zur Legende und später sogar zum MBE (Member of the British Empire) ernannt. Heute gibt es sogar ein nach ihm benanntes Museum bei New Milton, südwestlich von Southampton, dessen Besuch wir jedem nur wärmstens empfehlen können. Miller war nicht nur erfolgreicher Strassenrennfahrer, sondern auch im Trial-Sport ein wahrer Könner. Bei den 125-ern hatte er immerhin Rang 4 geholt und trotz seinem Missgeschick wurde er in der Lightweight Kategorie am Ende noch Fünfter.

Das Junior-Rennen bis 350 cm³

Am Morgen lag noch dichter Nebel über der Insel, aber bald klarte es auf und auch von Snaefell, mit etwa 700 Meter über Meer der höchste Punkt der Strecke, wurde klare Sicht gemeldet. Damit war der Start frei, welcher im Abstand von jeweils 10 Sekunden von Fahrer zu Fahrer erfolgte, womit es im Gegensatz zu allen anderen Grand Prix Läufen ein Rennen gegen die Uhr war. Zum fünfzigsten Jubiläum gab es wie so oft laufende Durchsagen per Lautsprecher, damit die Zuschauer überhaupt halbewegs den Überblick über das Geschehen behalten konnten. Ganze 77 Fahrer wurden auf die Strecke geschickt, während Lomas und Duke aufgrund ihrer Verletzungen passen mussten und ein Mann mit defekter Brille am Start gehindert wurde. Erst als neunundsiebzigster fuhr Bob Mc Intyre los, während Geoff Duke zusammen mit seinem Freund Reg Armstrong das Geschehen von der Strecke aus beobachtete. Der Superstar signalisierte seinem Gilera Werksteamkollegen sogar dessen Position bei der Vorbeifahrt, der gleich im ersten Umgang schon eine neue Bestzeit aufstellte.

Bob Mc Intyre mit seiner Gilera am Start zu einem der Rennen seines Lebens auf der Isle auf Man, womit er in die Geschichte eingehen sollte. Der Schotte war jeden Cent wert, welchen ihm die italienische Firma in diesem Jahr bezahlte und wofür er auf diesem brandgefährlichen Kurs 1957 sein Leben riskierte.

Technische Probleme und Stürze veränderten die Reihenfolge
Als amtierender Weltmeister lag MV Ass Surtees hinter Dale (Moto-Guzzi) und Hartle (Norton) nur auf P4, als der Spitzenreiter mit Problemen an seinem nur noch auf 3 Zylinder laufenden Reihen-Vierzylinder kämpfte. Nach einem Kerzenwechsel des bishrigen Leaders übernahm Dale die Führung, während Mc Intyre seine Fahrt nach seinem kleinen Service auf Position 3 wieder aufnahm. Dale ging wenig später (in Runde 3) zum Auftanken an die Box und musste die verschalung an seiner Guzzi entfernen, da die Kommissare einen Riss darin entdeckt hatten. Damit war der Weg für Mc Intyre frei und der Schotte fuhr einem sicheren Sieg entgeten, während Dale auf einem Ölfleck ausrutschte und kurz danach deshalb auch Dale an derselben Stelle abflog und beide zum Glück unverletzt ausfielen. Dadurch erbte Campbell (Guzzi) Rang 2 vor Bob Brown (Gilera) und John Surtees (MV Agusta). Etwa ein Drittel der Gestarteten fiel mit unterschiedlichen Ursachen aus. Darunter Motor- oder Magnetschaden, Ketten-Defekt und nicht selten auch noch Fussrastenbruch.

Bob Brown (Gilera) holte nach dem Vorjahres-Sieg seines australischen Landsmanns Ken Kavanagh (Moto-Guzzi) in den beiden Rennen der grössten Klassen je einen dritten Platz. Bei den 350-ern war mit Keith Campbell auf Guzzi sogar noch ein Mann aus Down Under vor ihm Zweiter geworden.

Die Königsklasse über ihre fast irrsinnige Distanz

Was die Verantwortlichen Funktionäre der FIM und die Mitarbeiter des Veranstalters für Getränke zu sich genommen hatten, als sie das Rennen der Senior Kategorie auf neu 8 (statt im Vorjahr noch 7) Runden festlegten, ist nicht überliefert. Wir tippen auf sehr viel Hochprozentiges und darauf, dass noch nie einer von ihnen sein Leben auf einer Rennmaschine mit über 260 km/h Spitzengeschwindigkeit bewegt hatte. Anders kann man kaum auf derart unsinnige Ideen kommen, sofern man noch ganz bei trost ist. Auf jeden Fall gehören beinahe 500 Kilometer eher in die Kategorie Langstrecken, als zu Sprint-Rennen. Und für den anfänglich auf P3 gelegenen Walter Zeller brachte nach Rang 4 im Vorjahr die TT diesmal kein Glück. Der Deutsche fiel auf seiner semi-Werks BMW mit technischem Defekt bereits vorzeitig aus. Mc Intyre überzeugte nach seinem Sieg bis 350 cm³ in der Junior Kategorie auch bei den Seniors der Königs-Klasse und fuhr nebenbei noch einen historischen neuen Rundenrekord von erstmals über 100 meilen pro Stunde. Vorjahressieger Surtees wurde auf seiner MV mit über 2 Minuten Rückstand diesmal Zweiter. Zum ersten Mal seit drei Jahren waren die Top Ten der beiden grössten Kategorien wieder einmal rein britisch und australisch besetzt, was 1957 sogar für sämtliche klassierten Piloten der Junior und Senior Klasse galt.

Bob Mc Intyre (Nr. 78, Gilera) auf der Verfolgung von John Surtees (Nr. 64, MV Agusta).

Der Schatten über dem Senior Rennen der Tourist Trophy
Leider gab es diesmal wieder ein Todesopfer zu beklagen. Im Vorjahr war zwar die TT, nicht aber der auf derselben Strecke ausgetragene Manx GP, von tödlichen Unfällen verschont geblieben. Damals hatte der erst 25-jährige Maurice William „Mog“ Saluz am Freitagmorgen, dem 31. August 1956, beim Training auf dem Isle of Man T.T.-Kurs hinter Sulby Bridge sein Leben durch einen fatalen Sturz verlor. Diesmal war es Charles F. „Charlie“ Salt im Alter von bereits 43 Jahren, der das Senior Rennen nicht überleben sollte. Der am 17. Dezember 1913 in Heanor (Derbyshire) geborene Engländer war ein Routinier und Vollblut-Pilot. Nach dem Krieg hatte er ab 1946 damit begonnen, Rennen zu fahren und war dabei so erfolgreich, dass BSA ihn von 1950 bis 1956 als Testfahrer verpflichtet hatte. Wäre die Senior TT nicht zum ersten Mal seit ihres Bestehens, aufgrund des 50-Jahr Jubiläums über acht Runden ausgetragen worden, hätte er das Rennen überlebt. In der letzten Runde begann bei Gorse Lea seine Maschine zu schleudern, vermutlich aufgrund eines blockierten Getriebes. Salz prallte gegen eine niedrige Steinmauer und einen Betonmast. Dabei wurde er durch die Luft geschleudert und kam zwischen einer Buche und der Mauer eingeklemmt zu Boden. Ein wenig später aus Ballacraine herbeigeeilter Arzt fand ihn bewusstlos und mit verschiedenen Rückenverletzungen vor, wonach er sogar nochmals zu Bewusstsein kam und fragte, was passiert war. Danach wurde mit einem Krankenwagen in das Nobles Hospital in Douglas gebracht, wo ihm Sauerstoff und Blut verabreicht wurden. Trotzdem verstarb er um 15.30 Uhr. Charlies Frau und sein sechsjähriger Sohn waren zu dieser Zeit in Douglas und fungierten als seine Boxencrew.

Charles F. „Charlie“ Salt – gestorben am 7. Juni 1957 auf der Isle of Man als bereits 55. Opfer des Snaefell Mountain Circuits, beim 50. Jubiläum der Tourist Trophy (© Alan Salt & WikiTree).
In unserer Zusammenfassung der beiden grösseren Klassen sieht man, das Charlie Salt auf BSA beim TT Auftakt in der Junior Kategorie noch den 31. Rang auf BSA geholt hatte, bevor er kurz danach die Senior Kategorie nicht überlebte.
Gilera Neuzugang Bob Mc Intyre aus Schottland erwies sich für die italienische Firma als Glücksgriff. Damals konnte er noch nicht wissen, dass nicht nur sein Arbeitgeber, sondern noch weitere italienischen Hersteller schon bald ihren überraschenden Rücktritt bekannt geben sollten.

Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© MotoGP).