
Unser Interview mit dem ehemaligen Spitzenrennfahrer
Ähnlich wie bei seinem Vorgänger Victor Palomo hätte Gregorio Lavilla wohl genauso gut Filmschauspieler oder vielleicht Hotelmanager werden können. Aber genauso wie sein bekannter Landsmann reizte ihn die Geschwindigkeit. Man muss dazu wissen, dass Spanien zu seiner Zeit als aktiver Rennfahrer noch nicht wie heute des „Eldorado des Motorrad-Rennsports“ war. Ganz im Gegenteil musste der Mann, welcher heute als Sporting Director der Dorna für die WorldSBK amtet, anfänglich durch die harte Schule des Privatfahrer-Daseins.

Der schnelle Aufstieg von Lavilla in der WorldSBK
Der in L’Hospitalet de l’Infant im südwestlichsten Zipfel von Katalonien aufgewachsene Gregorio Lavilla fuhr seine erste WorldSBK Saison im Jahr 1998. Er fuhr mitten in der Blütezeit von Fahrern wie Carl Fogarty, Troy Corser, Aaron Slight, Colin Edwards und ab der Saison 2000 natürlich auch Troy Bayliss. Wie sein Landsmann Pere Riba, heute Crew-Chief von Johnny Rea, hatte er bereits in den beiden Jahren davor bei Wildcard-Einsätzen sein Talent gezeigt. Bestes Resultat war dabei Rang 7 bei seinem Heimrennen in Albacete im 1. Lauf.

Einstieg als Stammpilot und die vielen Stationen der weiteren Karriere
Für das private De Cecco Team auf einer Ducati 916 ging es 1998 in die erste volle Saison. Nur eine zu hohe Zahl von Ausfällen konnte ein besseres Ergebnis als WM-Rang 12 verhindern. Mit zwei Podestplätzen in Albacete und Kyalami hatte er jedoch bereits Fahrer wie Colin Edwards, Aaron Slight, Akira Yanagawa, Nori Haga und Weltmeister Scott Russell geschlagen. Er wurde im Jahr darauf Kawasaki-Werksfahrer und wechselte nach drei Jahren im vom Deutschen Harald Eckl geführten Team zu Suzuki.

Die schwierigen Jahre als einziger Suzuki-Werksfahrer
Als Einzelkämpfer holte er zahlreiche Achtungserfolge und WM-Rang 5. Nach einer Saison als MotoGP Testfahrer für Suzuki gewann er auf den vielen für ihn neuen Strecken gleich auf Anhieb den Titel in der Britischen Superbike Meisterschaft (BSB) 2005 auf Ducati. Lavilla fuhr bis 2009 weiter Rennen, bevor er seine Karriere als aktiver Fahrer beendete. Nicht wenige waren in der goldenen Zeit der WorldSBK der 1990-er Jahre und anfangs 2000 der Überzeugung, der Katalane hätte mit besserem Material die WM deutlich weiter vorne abgeschlossen. Wir gehörten damals auch dazu. Vor allem, weil der Aufwand von Honda und Ducati im Vergleich zu Kawasaki und Suzuki in dieser Zeit geradezu gigantisch war. Umso mehr sind die Leistungen von ihm und anderen starken Fahrern, die in diesen Jahren keinen WM- oder Vizetitel holten, entsprechend hoch zu bewerten.

- Als Fahrer für eines der besten Teams, zum Beispiel auf einem Ducati Werks-Bike, nehmen wir an, dass die Geschichte anders aussehen würde und Sie ab 1998 mindestens einen Vize-Titel erreicht hätten. Stimmen Sie uns dabei zu?
„Nun, als ich mit dem Rennen aufhörte, dachte ich viel darüber nach, was während meiner Karriere passiert ist und welche Entscheidungen / Optionen ich damals getroffen habe. Seitdem haben sich viele Dinge geändert. Nicht nur die Bikes, sondern auch andere Komponenten von Aufhängungen über Reifen, Bremsen und vieles mehr. Ich könnte jetzt viele Dinge sagen, aber ich denke, es ist fair zu betonen: Was ich gelernt und gelebt habe, hilft mir jetzt in bestimmten Aspekten meiner Entscheidungsfindung. In meiner derzeitigen Rolle und meiner Pflicht, in der Hoffnung das anzugehen, was damals nicht möglich war.“

- Es gibt ein „gestohlenes“ Podium in Misano Race 1 von 2001 in Ihrer Karriere, wie wir behaupten. Weil Sie eine Strafe bekommen haben, aber wir konnten nicht sehen, weshalb und wir sind sicher, dass es kein Frühstart von Ihrer Seite war. Was denken Sie, es war vor 20 Jahren, aber heute können so seltsame Strafen nicht mehr passieren?
„Nun hast Du mich“ (ab hier in der persönlicheren Form, da dieses Interview in Englisch geführt wurde) „erwischt, ich erinnere mich nicht mehr, ganz ehrlich. Ich weiß, dass ich im zweiten Rennen ein Podium absolviert habe, aber Du sagst, die Ergebnisse zeigen im ersten Rennen den 4. Platz. Ich werde unsere Zeitnehmer fragen, ob sie sich erinnern.„

- Welches war Deine Lieblingsstrecke und weshalb?
„Ich hatte immer ein tolles Gefühl für schnell fließende Strecken wie Phillip Island oder Donington Park, auch wenn ich umgekehrt mein erstes trockenes Podium in Kyalami bekam, ein Ort, den ich auch mochte.“

- Welche Rennstrecke (während Ihrer Rennkarriere) würden Sie heute nicht fahren?
„Uff, es ist keine einfache Antwort, die Situation war in der Vergangenheit in vielerlei Hinsicht sehr unterschiedlich, und Du solltest diese Analyse zu diesem Zeitpunkt mit den damaligen Umständen durchführen. Heute kann ich zumindest sagen, dass fast alle Strecken anständige Standards haben, wenn sie Anträge auf Genehmigung eines Rennens stellen.“

- Wer war der stärkste Fahrer, mit dem Du in Deiner Karriere gekämpft hattest?
„Als ich WorldSBK in einem privaten Team startete und danach mit Kawasaki und Suzuki gab es viele Variablen wie die 1000 cm³ V2-Twins gegen die 750-er 4-Zylinder. Oder den Wettkampf Michelin gegen Dunlop gegen Pirelli Werksreifen gegen Private. Auch Werksmaschinen gegen Private und so weiter. Also, bevor Du eine Werksmaschine hattest, war es zumindest umso schwerer, ganz vorne mitzuhalten. Die meisten Fahrer hatten große Herausforderungen vor sich. Ehrlich gesagt, jetzt wo Du mich fragst, es war eine Freude, mit Leuten wie Kocinski, Fogarty, Slight, Edwards, Bayliss, Yanagawa, Chili, Corser, Goddard, Hodgson, Whitham, Haga, Bostrom und all diesen Cracks zu kämpfen. Und es tut mir leid, wenn ich jemanden vergessen habe, aber viel Respekt für das Erwähnte und das Vermisste.“

- Wer war nebst Jonathan Rea (und Dir) Deiner Meinung nach der stärkste Fahrer auf Kawasaki?
„Nun, dazu fallen mir (Scott) Russell und (Anthony) Gobert ein. Aber als ich bei Kawasaki war, erinnere ich mich auch, dass mein Teamkollege Akira Yanagawa immer sehr schnell war.“

- Wie viel besser sind die Reifen heute im Vergleich zu vor 20 Jahren?
„Die Leistung der Gummis hat sich stark verändert. Der Hauptunterschied zwischen heute und zu dieser Zeit war die Verfügbarkeit. Wenn Du werkseitigen Support hattest, bekamst Du wohl meist die besten Reifen Deiner Marke (die Redaktion: Damals gab es noch keine Einheitsreifen wie heute in WorldSBK und MotoGP). „Oft kam es aber auch vor, dass nur geringe Mengen verfügbar waren. Nicht immer hatte Dein Ausrüster sie in ausreichender Zahl an der Strecke.“

- Hattest du Freunde im Fahrerlager unter den Fahrern und wenn ja, welche Piloten waren dies?
„Ich bin alleine zu Rennen gefahren, deshalb habe ich immer gerne mit anderen Teammitgliedern interagiert und deren Erfahrungen angehört. Es gibt immer gute Geschichten von Fahrern oder Mitgliedern der Fahrerlagerfamilie.“

- Was war deine beste Saison deiner Karriere, war es mit dem englischen Titel 2005 oder welche?
„Ich habe besondere Erinnerungen an jeden von ihnen, aber wenn ich eine auswählen müsste, wäre es 1998, meine erste Saison in der SBK mit einem privaten Team mit 2 Mechanikern, die mit den oben genannten Leuten in den ersten Reihen und auf dem Podium stehen, das war großartig.“ (Anmerkung der Redaktion: Wir hätten die unglaubliche Leistung mit dem BSB-Titel im Jahr 2005 erwartet, aber so kann man sich täuschen!).

- Der A1-Ring (heute Red Bull Ring) ist nichts für WorldSBK mit etwa 80 Prozent Vollgas, haben wir damit recht?
„Ich bin dort gefahren und auch wenn es eine schnelle Strecke ist, die ich genossen habe, war Monza schneller und hat auch viel Spaß gemacht. Ich würde sagen, jeder würde sich freuen, dorthin zurückzukehren.“ (die Redaktion: Erstaunlich, wie unterschiedlich die Wahrnehmung eines Cal Crutchlow 20 Jahre später gegenüber einem Fahrer ist, zu dessen aktiven Zeiten Sie Sicherheitsvorkehrungen im Vergleich zu heute lächerlich waren).

- Wer war der beste Fahrer(außer Dir), der nie einen Titel gewonnen hat?
„Haga und Chili“

- Was war das beste Motorrad Deiner Karriere, das Du gefahren bist und in welchem Jahr?
„1998 waren Kocinski und Checa im Movistar Pons-Team verletzt, und ich hatte die Chance, am Freitag mit einer Honda NSR 500 auf dem Sachsenring zu fahren (der in 1998 war viel anders). Und am Sonntag hatte ich großen Spaß und anständige Rundenzeiten.“ (die Redaktion: Ein 11. Platz auf so einer giftigen Zweitakt-Rakete auf einer völlig neuen Strecke, Chapeau!).

Der provisorische Kalender der WorldSBK Saison 2021
In Donington Park sind als einzige europäische Station keine WM-Läufe der WSSP geplant, dafür immerhin eine Runde des Yamaha R3 BluCru Cups. Im Gegensatz zu der Erstfassung des nächstens noch zu überarbeitenden Provisoriums für die MotoGP wirkt die Planung der Motul WorldSBK für 2021 wesentlich plausibler. Trotzdem sind auch hier aufgrund der Corona-Pandemie noch diverse Änderungen denkbar.

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