Gregorio Lavilla vor der Saison 2002 als Werksfahrer für Corona Alstare Suzuki. Heute der wichtigste Mann bei der Dorna für die WorldSBK, war der Spanier selbst ein sehr erfolgreicher Pilot und nach Troy Bayliss der zweite Ausländer, welcher (im Jahr 2005) sogar die BSB gewann (© WorldSBK).

Unser Interview mit dem ehemaligen Spitzenrennfahrer

Ähnlich wie bei seinem Vorgänger Victor Palomo hätte Gregorio Lavilla wohl genauso gut Filmschauspieler oder vielleicht Hotelmanager werden können. Aber genauso wie sein bekannter Landsmann reizte ihn die Geschwindigkeit. Man muss dazu wissen, dass Spanien zu seiner Zeit als aktiver Rennfahrer noch nicht wie heute des „Eldorado des Motorrad-Rennsports“ war. Ganz im Gegenteil musste der Mann, welcher heute als Sporting Director der Dorna für die WorldSBK amtet, anfänglich durch die harte Schule des Privatfahrer-Daseins.

Victor Palomo – der „spanische Alain Delon“ des Motorrad-Rennsports war in den mittleren 1970-er Jahren einer der allerbesten auf den „Big-Bikes“ der Formel 750. Zuerst war er Wasserski-Weltmeister im Slalom und 1976 in der Formel 750 Champion (mehr zu seiner Zeit siehe unter History „Formel 750 + 200 Meilen“).

Der schnelle Aufstieg von Lavilla in der WorldSBK

Der in L’Hospitalet de l’Infant im südwestlichsten Zipfel von Katalonien aufgewachsene Gregorio Lavilla fuhr seine erste WorldSBK Saison im Jahr 1998. Er fuhr mitten in der Blütezeit von Fahrern wie Carl Fogarty, Troy Corser, Aaron Slight, Colin Edwards und ab der Saison 2000 natürlich auch Troy Bayliss. Wie sein Landsmann Pere Riba, heute Crew-Chief von Johnny Rea, hatte er bereits in den beiden Jahren davor bei Wildcard-Einsätzen sein Talent gezeigt. Bestes Resultat war dabei Rang 7 bei seinem Heimrennen in Albacete im 1. Lauf.

Gregorio Lavilla auf Ducati in der Saison 1997 – der Spanier vermochte bereits als Wildcard-Pilot zu überzeugen, worauf er im Jahr danach seine erste Saison als Stammfahrer absolvierte. Mehr über seine aktive Zeit siehe in unserer ständig wachsenden History (© WorldSBK).

Einstieg als Stammpilot und die vielen Stationen der weiteren Karriere
Für das private De Cecco Team auf einer Ducati 916 ging es 1998 in die erste volle Saison. Nur eine zu hohe Zahl von Ausfällen konnte ein besseres Ergebnis als WM-Rang 12 verhindern. Mit zwei Podestplätzen in Albacete und Kyalami hatte er jedoch bereits Fahrer wie Colin Edwards, Aaron Slight, Akira Yanagawa, Nori Haga und Weltmeister Scott Russell geschlagen. Er wurde im Jahr darauf Kawasaki-Werksfahrer und wechselte nach drei Jahren im vom Deutschen Harald Eckl geführten Team zu Suzuki.

Gregorio Lavilla 2002 als Werksfahrer auf der Corona Alstare Suzuki. Zwei Jahre danach verpflichtete ihn die Firma aus Hamamatsu als MotoGP Testfahrer (© WorldSBK).

Die schwierigen Jahre als einziger Suzuki-Werksfahrer
Als Einzelkämpfer holte er zahlreiche Achtungserfolge und WM-Rang 5. Nach einer Saison als MotoGP Testfahrer für Suzuki gewann er auf den vielen für ihn neuen Strecken gleich auf Anhieb den Titel in der Britischen Superbike Meisterschaft (BSB) 2005 auf Ducati. Lavilla fuhr bis 2009 weiter Rennen, bevor er seine Karriere als aktiver Fahrer beendete. Nicht wenige waren in der goldenen Zeit der WorldSBK der 1990-er Jahre und anfangs 2000 der Überzeugung, der Katalane hätte mit besserem Material die WM deutlich weiter vorne abgeschlossen. Wir gehörten damals auch dazu. Vor allem, weil der Aufwand von Honda und Ducati im Vergleich zu Kawasaki und Suzuki in dieser Zeit geradezu gigantisch war. Umso mehr sind die Leistungen von ihm und anderen starken Fahrern, die in diesen Jahren keinen WM- oder Vizetitel holten, entsprechend hoch zu bewerten.

Gregorio Lavilla zuoberst auf dem Siegerpodest in der BSB 2007 und den Mann links im Bild erkennen wohl nicht nur die eingefleischten Fans der WorldSBK. Richtig, auch der 6-fache Rekordweltmeister Jonathan Rea musste sich dem Spanier damals geschlagen geben (© Bennetts BritishSuperBikes).
  • Als Fahrer für eines der besten Teams, zum Beispiel auf einem Ducati Werks-Bike, nehmen wir an, dass die Geschichte anders aussehen würde und Sie ab 1998 mindestens einen Vize-Titel erreicht hätten. Stimmen Sie uns dabei zu?
    „Nun, als ich mit dem Rennen aufhörte, dachte ich viel darüber nach, was während meiner Karriere passiert ist und welche Entscheidungen / Optionen ich damals getroffen habe. Seitdem haben sich viele Dinge geändert. Nicht nur die Bikes, sondern auch andere Komponenten von Aufhängungen über Reifen, Bremsen und vieles mehr. Ich könnte jetzt viele Dinge sagen, aber ich denke, es ist fair zu betonen: Was ich gelernt und gelebt habe, hilft mir jetzt in bestimmten Aspekten meiner Entscheidungsfindung. In meiner derzeitigen Rolle und meiner Pflicht, in der Hoffnung das anzugehen, was damals nicht möglich war.“
Gregorio Lavilla heute – Manager der Firma Dorna und umsichtiger Planer für die Geschicke der seriennahen Weltmeisterschaft, welche seit Übernahme der Vermarktungsrechte durch seinen Arbeitgeber wieder deutlich an Bedeutung gewann (© WorldSBK).
  • Es gibt ein „gestohlenes“ Podium in Misano Race 1 von 2001 in Ihrer Karriere, wie wir behaupten. Weil Sie eine Strafe bekommen haben, aber wir konnten nicht sehen, weshalb und wir sind sicher, dass es kein Frühstart von Ihrer Seite war. Was denken Sie, es war vor 20 Jahren, aber heute können so seltsame Strafen nicht mehr passieren?
    „Nun hast Du mich“ (ab hier in der persönlicheren Form, da dieses Interview in Englisch geführt wurde) „erwischt, ich erinnere mich nicht mehr, ganz ehrlich. Ich weiß, dass ich im zweiten Rennen ein Podium absolviert habe, aber Du sagst, die Ergebnisse zeigen im ersten Rennen den 4. Platz. Ich werde unsere Zeitnehmer fragen, ob sie sich erinnern.
Das Podium in Misano nach dem zweiten Rennen im Jahr 2001 mit von links dem zweiten Ben Bostrom, Sieger Troy Bayliss (beide Ducati) und dem dritten Gregorio Lavilla (Kawasaki). Doch Letzterer fuhr auch auf Position 3 bereits im ersten Rennen übers Ziel und wir sahen selbst in der Aufzeichnung keinen Fehlstart, trotzdem erhielt er eine Zeitstrafe und wurde später nur auf P4 gewertet. Das Rennen ist in der WorldSBK Archivsammlung enthalten und jeder mit einem (preisgünstigen) Account kann es sich unter worldsbk.com ansehen (© WorldSBK).
  • Welches war Deine Lieblingsstrecke und weshalb?
    „Ich hatte immer ein tolles Gefühl für schnell fließende Strecken wie Phillip Island oder Donington Park, auch wenn ich umgekehrt mein erstes trockenes Podium in Kyalami bekam, ein Ort, den ich auch mochte.“
Zu Besuch in Donington Park am WorldSBK Sonntag anfangs Juli 2019 an einer der schönsten Rennstrecken weltweit. Am Tag bevor wir diese Aufnahme machten, hatte sich im Regen Jonathan Rea die WM-Führung erobert. Noch erfolgreicher in England als hier war Gregorio Lavilla in der WorldSBK 2003 in Silverstone mit einem zweiten Platz gewesen.
  • Welche Rennstrecke (während Ihrer Rennkarriere) würden Sie heute nicht fahren?
    „Uff, es ist keine einfache Antwort, die Situation war in der Vergangenheit in vielerlei Hinsicht sehr unterschiedlich, und Du solltest diese Analyse zu diesem Zeitpunkt mit den damaligen Umständen durchführen. Heute kann ich zumindest sagen, dass fast alle Strecken anständige Standards haben, wenn sie Anträge auf Genehmigung eines Rennens stellen.“
Zu Besuch in Phillip Island 2020 machten wir am 1. März kurz vor dem Superpole Race diese Aufnahme mit dem Meer im Hintergrund dieser atemberaubenden Strecke, rund 2 Fahrtstunden südlich von Melbourne in Australien.
  • Wer war der stärkste Fahrer, mit dem Du in Deiner Karriere gekämpft hattest?
    „Als ich WorldSBK in einem privaten Team startete und danach mit Kawasaki und Suzuki gab es viele Variablen wie die 1000 cm³ V2-Twins gegen die 750-er 4-Zylinder. Oder den Wettkampf Michelin gegen Dunlop gegen Pirelli Werksreifen gegen Private. Auch Werksmaschinen gegen Private und so weiter. Also, bevor Du eine Werksmaschine hattest, war es zumindest umso schwerer, ganz vorne mitzuhalten. Die meisten Fahrer hatten große Herausforderungen vor sich. Ehrlich gesagt, jetzt wo Du mich fragst, es war eine Freude, mit Leuten wie Kocinski, Fogarty, Slight, Edwards, Bayliss, Yanagawa, Chili, Corser, Goddard, Hodgson, Whitham, Haga, Bostrom und all diesen Cracks zu kämpfen. Und es tut mir leid, wenn ich jemanden vergessen habe, aber viel Respekt für das Erwähnte und das Vermisste.“
US-Boy Ben Bostrom (links) und der Australier Anthony Gobert – 1999 im Vance & Hines Ducati Team in der AMA am Start. Die beiden teilten sich beim Heimrennen in Laguna Seca in diesem Jahr als Wildcard-Piloten die Siege unter sich auf. Ein Jahr später stieg Bostrom in die WorldSBK ein (© Vance & Hines Ducati).
  • Wer war nebst Jonathan Rea (und Dir) Deiner Meinung nach der stärkste Fahrer auf Kawasaki?
    „Nun, dazu fallen mir (Scott) Russell und (Anthony) Gobert ein. Aber als ich bei Kawasaki war, erinnere ich mich auch, dass mein Teamkollege Akira Yanagawa immer sehr schnell war.“
Akira Yanagawa (Kawasaki) im Jahr 1998 – im Jahr danach erhielt er in Gregorio Lavilla einen starken Teamkollegen. Mehr über seine aktive Zeit siehe in unserer ständig wachsenden History (© WorldSBK).
  • Wie viel besser sind die Reifen heute im Vergleich zu vor 20 Jahren?
    „Die Leistung der Gummis hat sich stark verändert. Der Hauptunterschied zwischen heute und zu dieser Zeit war die Verfügbarkeit. Wenn Du werkseitigen Support hattest, bekamst Du wohl meist die besten Reifen Deiner Marke (die Redaktion: Damals gab es noch keine Einheitsreifen wie heute in WorldSBK und MotoGP). „Oft kam es aber auch vor, dass nur geringe Mengen verfügbar waren. Nicht immer hatte Dein Ausrüster sie in ausreichender Zahl an der Strecke.“
Gregorio Lavilla (Kawasaki ZX-7 RR) auf dem Programmheft des Rennens auf dem Hockenheimring 1999.
  • Hattest du Freunde im Fahrerlager unter den Fahrern und wenn ja, welche Piloten waren dies?
    „Ich bin alleine zu Rennen gefahren, deshalb habe ich immer gerne mit anderen Teammitgliedern interagiert und deren Erfahrungen angehört. Es gibt immer gute Geschichten von Fahrern oder Mitgliedern der Fahrerlagerfamilie.“
Pierfranceso „Frankie“ Chili im Gespräch mit Carl Fogarty – auch wenn Foggy später zu Protokoll geben sollte, er hätte alle seine Gegner gehasst, das gibt es auch in Familien. Es ging in dieser gloriosen Zeit der WorldSBK definitiv familiärer zu als heute in der als mittlerweile sehr steril geltenden MotoGP. Mit teils über 150 Tausend Zuschauern brauchte sich die WSBK damals zudem auch nicht hinter der seriennahen WM zu verstecken, welche oft weniger Besucher an die Strecken lockte (© WorldSBK).
  • Was war deine beste Saison deiner Karriere, war es mit dem englischen Titel 2005 oder welche?
    „Ich habe besondere Erinnerungen an jeden von ihnen, aber wenn ich eine auswählen müsste, wäre es 1998, meine erste Saison in der SBK mit einem privaten Team mit 2 Mechanikern, die mit den oben genannten Leuten in den ersten Reihen und auf dem Podium stehen, das war großartig.“ (Anmerkung der Redaktion: Wir hätten die unglaubliche Leistung mit dem BSB-Titel im Jahr 2005 erwartet, aber so kann man sich täuschen!).
Wie in seinem ersten Jahr in der BSB 2005 hatte Gregorio Lavilla in seiner ersten WorldSBK Saison 1998 fast sämtliche Strecken innert kürzester Zeit neu zu lernen. Als Privatfahrer eines kleinen Teams war dies eine Mammutaufgabe für den schnellen Spanier (© WorldSBK).
  • Der A1-Ring (heute Red Bull Ring) ist nichts für WorldSBK mit etwa 80 Prozent Vollgas, haben wir damit recht?
    „Ich bin dort gefahren und auch wenn es eine schnelle Strecke ist, die ich genossen habe, war Monza schneller und hat auch viel Spaß gemacht. Ich würde sagen, jeder würde sich freuen, dorthin zurückzukehren.“ (die Redaktion: Erstaunlich, wie unterschiedlich die Wahrnehmung eines Cal Crutchlow 20 Jahre später gegenüber einem Fahrer ist, zu dessen aktiven Zeiten Sie Sicherheitsvorkehrungen im Vergleich zu heute lächerlich waren).
Spielberg heute – die moderne Boxenanlage gab es zu A1-Ring Zeiten noch gar nicht, genauso wie den „verrosteten Ochsen“ (wie einer unserer Leser das seltsame Gebilde kürzlich nannte). Unter den Fahrern in der MotoGP ist die Strecke mit dem eigentlich völlig veralteten Layout jedoch sehr umstritten.
  • Wer war der beste Fahrer(außer Dir), der nie einen Titel gewonnen hat?
    „Haga und Chili“
„Nitro Nori“ Haga – einer der absoluten Publikumslieblinge der „goldenen Jahre der WorldSBK“. Der Japaner hatte wie Lavilla und „Frankie“ Chili jedoch nicht immer das beste Material zur Verfügung und für einen WM-Titel reichte es trotz maximalem Einsatz nie (© WorldSBK).
  • Was war das beste Motorrad Deiner Karriere, das Du gefahren bist und in welchem Jahr?
    „1998 waren Kocinski und Checa im Movistar Pons-Team verletzt, und ich hatte die Chance, am Freitag mit einer Honda NSR 500 auf dem Sachsenring zu fahren (der in 1998 war viel anders). Und am Sonntag hatte ich großen Spaß und anständige Rundenzeiten.“ (die Redaktion: Ein 11. Platz auf so einer giftigen Zweitakt-Rakete auf einer völlig neuen Strecke, Chapeau!).
Gut 3 Jahrzehnte vor dem Rennen von Gregorio Lavilla auf dem Sachsenring – in Zeiten der DDR bestimmten die selbstgebauten „Tribünen“ das Bild an der Strecke. Mehr über die Fahrer aus Ostdeutschland wie „Petrus“, Ernst Degner und Horst Fügner siehe die ausführlichen Berichte auf dieser Seite unter „History“.

Der provisorische Kalender der WorldSBK Saison 2021

In Donington Park sind als einzige europäische Station keine WM-Läufe der WSSP geplant, dafür immerhin eine Runde des Yamaha R3 BluCru Cups. Im Gegensatz zu der Erstfassung des nächstens noch zu überarbeitenden Provisoriums für die MotoGP wirkt die Planung der Motul WorldSBK für 2021 wesentlich plausibler. Trotzdem sind auch hier aufgrund der Corona-Pandemie noch diverse Änderungen denkbar.