Bereits vor dem 2. Weltkrieg fanden in Deutschland zahlreiche Motorradrennen statt, hier eine Fotografie vom Solitude Rennen bei Stuttgart von 1937. Die Fahne rechts im Bild wehte damals auch bei Rennsportveranstaltungen in Österreich. Im Zweiradsport war der Nationalsozialismus jedoch weniger prominent vertreten als Automobilrennen, bei welchen Bernd Rosemeyer als Ikone der Nationalsozialisten unter Beschlag genommen wurde. Dieser verstarb viel zu früh bei einem Unfall anlässlich eines Rekordversuchs auf der Autobahn. In den 30er Jahren begann Rosemeyer übrigens seine Karriere zuerst als Motorrad-Rennfahrer für NSU und DKW.

Hans Baltisberger – schneller Schwabe der 50-er Jahre

Der Sohn eines Arztes wurde am 10. September 1922 in Betzingen bei Reutlingen geboren. Nachdem der gelernte Schriftsetzer und Buchdrucker 1947 sein erstes Motorradrennen als Zuschauer besucht hatte, packte ihn der Virus. Seine ersten Versuche unternahm er danach mit 25 Jahren auf einer 250 cm³ Victoria. Im Jahr darauf startete der Schwabe seine erste Saison als sogenannter Ausweisfahrer, in welcher er auf einer 1937er 500-cm³ Norton fünf Rennen gewann. Beim großen Bergpreis am Freiburger Schauinsland, der ab 1949 alle zwei Jahre ausgetragen wurde, bestritt Baltisberger seinen ersten Lauf als Lizenzfahrer.

Hans Baltisberger am 4. August 1951 am Schauinsland-Rennen in der sogenannten „Holzschlägermatte“ auf seiner AJS.

Steiler Aufstieg in den 50er Jahren

Nach dem Sieg beim Feldbergrennen im Mai 1951 in der 350 cm³ Klasse mit seiner AJS „Boy Racer“ war die Karriere von Hans richtig lanciert. Die beim Oberreifenberg im Taunusgebirge gezeigte Aufholjagd, nachdem seine Maschine zuerst nicht ansprang und er zuerst dem ganzen Feld hinterher hetzte, war höchst eindrücklich. Als er am Ende das Rennen sogar gewann, dürfte Hans damit auch die letzten Skeptiker von seinen Fahrkünsten überzeugt haben. Den Titel des Deutschen Meisters in der 350er Klasse verfehlte er in diesem Jahr nur aufgrund einer Kollision auf der Solitude mit seinem Kontrahenten Rudi Knees, kurz vor dem Ziel. Er erhielt für die Saison 1952 einen Werksvertrag bei BMW, um an der Seite von Schorsch Meier und Walter Zeller auch in der Weltmeisterschaft anzutreten. Seinen ersten WM-Punkt sicherte sich Baltisberger mit einem 6. Rang auf der Solitude bei Stuttgart. Dazu kamen zwei dritte Ränge in München-Riem und beim Hamburger Stadtparkrennen für die Deutsche Meisterschaft. Hans holte sich 1952 Siege beim Preis des Saarlandes in Sankt Wendel, sowie dem Eifelrennen auf der Nürburgring Nordschleife. Die Meisterschaft beendete er in der Halbliter-Klasse auf Rang 6 und 1953 wurde er vierter.
Berufung ins NSU-Werksteam für die Saison 1954
Danach erhielt er einen Werksvertrag bei NSU, wo er mit dem Österreicher Rupert Hollaus, Werner Haas und Hermann Paul Müller das Werksteam bildete. Die vier gewannen 1954 fast alles, was es zu gewinnen gab. Hans Baltisberger wurde WM-Fünfter bis 250 cm³, Haas Weltmeister und Hollaus Vizeweltmeister, verunglückte jedoch im Training zum letzten WM-Lauf in Monza leider tödlich. In der 125er Klasse wurde der Österreich der erste posthume Weltmeister in der Motorrad-Weltmeisterschaft. Baltisberger beendete die WM auf Rang 6. Der tödliche Unfall von Hollaus trug dazu bei, dass sich NSU zum Saisonende 1954 aus der WM zurückzog.

Start zum 2. Motorradstraßenrennen auf der Autobahn Salzburg-Liefering 1955 in der Klasse bis 250 cm³ vorne Links Hans Baltisberger (Nr. 19), daneben Helmut Hallmeier (44) und Kurt Knopf (101), alle auf NSU Sportmax.

Podium in Monza 1955 und auf der Isle of Man 1956
Ohne Werks-Unterstützung trat Hans auch im Folgejahr mit der Sportmax 250 cm³ in der WM an und beendete die Saison als WM-Zehnter. Mit Platz 2 beim GP der Nationen in Monza holte er sich das beste Resultat 1955. Im selben Jahr wurde er dazu mit seiner privaten NSU Deutscher Meister vor H. P. Müller. Er gewann das Eifelrennen, auf der Solitude und das Eilenried-Rennen in Hannover. Auch im Jahr darauf holte er sich mit Platz 3 beim Lightweight-TT Rennen der 250er Klasse ein WM-Podium und wurde beim WM-Lauf zum GP von Deutschland auf der Solitude Vierter.

Start zum 4. Motorradstraßenrennen auf der Autobahn Salzburg-Liefering 1955 in der Klasse bis 350 cm³ von Links: Leonhard Fassl (Nr. 88, AJS), Leopold Zöchling (39, Norton), Kurt Knopf (38, AJS), Herbert Roch (78, AJS), Siegfried Wünsche (69, DKW) und Hans Baltisberger (56, NSU).

Tragödie in Brünn

Beim nicht zur WM zählenden Grand Prix der Tschechoslowakei auf dem Masaryk Ring bei Brünn von 1956 herrschten widrige Bedingungen auf dem gefährlichen damaligen Straßenkurs. Hans Baltisberger lag in der vorletzten Runde in Führung, als er bei rutschigen Verhältnissen in einem Waldstück zu Sturz kam und sich dabei tödlich verletzte. Posthum wurde er zum zweiten Mal als Deutscher Meister bis 250 cm³ ausgezeichnet. Am 1. September wurde der sympathische Schwabe auf dem Friedhof Betzingen unter Anteilnahme tausender Menschen beerdigt. Auch seine ehemaligen Teammitglieder Hermann Paul Müller und Werner Haas begleiteten den Trauerzug. Keine zwei Monate später fand Haas bei einem Flugzeugabsturz als Privatpilot selbst den Tod, siehe den Bericht „Deutsche GP-Piloten Teil 1“ auf dieser Seite.

Das Plakat zur Ausstellung, welche die Stadt Reutlingen zu Ehren des Betzingers im Jahr 2016 intiierte.