Horst Fügner im Jahr 1954 auf seiner IFA (später MZ) 125 cm³ Maschine auf Basis

Der erfolgreichste MZ-Fahrer der ersten Rennsport-Jahre

In der DDR begann der Rennsport ab dem Ende der 1940-er Jahre. Horst Fügner war einer der ersten Fahrer im Arbeiter- und Bauernstaat, der ab 1950 bereits mit dabei war. Mit der IFA war aufgrund der Bemühungen von Ingenieur Walter Kaaden auf Basis der DKW RT 125 schon früh eine vom Serienmotorrad abgeleitete Rennversion aufgebaut worden. Beim Kürzel IFA handelte es sich um den Industrieverband Fahrzeugbau. Dies war ein Zusammenschluss von Unternehmen des Fahrzeugbaus in der DDR. Die kurz nach dem 2. Weltkrieg in einem Verband zusammengeschlossenen Kombinate unterstanden dem Ministerium für allgemeinen Maschinen-, Landmaschinen- und Fahrzeugbau. Einer der Bestandteile davon war das VEB (Volkseigener Betrieb) IFA-Kombinat für Zweiradfahrzeuge mit dem VEB Simson Suhl, VEB Motorradwerk Zschopau und dem VEB MIFA Fahrradwerke Sangerhausen. Aus dem Motorradwerk Zschopau entstand im Lauf des Jahres 1956 die Marke MZ.

Eine Werbung in der US-Amerikanischen Zeitung „American Motorcyclist“ von 1958, mit einer Simson 350 cm³ und dem Hinweis auf MZ-Modelle. Die Zweiradproduktion war schon früh einer der wenigen Exportmärkte, mit welchem man einen der raren Devisenbringer im Westen versuchte an den Mann zu bringen.

Die Person Horst Fügner
Horst Fügner wurde am 11. März 1923 in Chemnitz geboren. Der junge Horst interessierte sich früh für Motorräder und hörte im Radio gespannt Berichte über Rennen der Vorkriegszeit. In der HJ (eine Abart der heutigen Pfadfinderbewegung mit ideologischer Ausrichtung, deren Mitgliedschaft in der Nazi-Zeit als obligatorisch galt) hatte er seine ersten Fahr-Erlebnisse mit einer DKW. Bei Geländefahrten wurden die Jungs für ihren Einsatz in der Armee vorbereitet, wobei Fügner wohl vor allem das Fahren mit der DKW RT3 im Fokus gehabt hatte. Bereits mit 18 Jahren kam er zur Armee und wurde aufgrund seiner Vorausbildung als Kradmelder eingesetzt. Natürlich kam er dadurch auch mit den anderen Motorrädern der Wehrmacht in Berührung. Horst überlebte den Krieg und kam danach für 3 Jahre in Kriegsgefangenschaft.

Eine DKW RT3 der 1930-er Jahre mit 3 PS war das erste motorisierte Zweirad, auf dem der junge Horst kurz vor Kriegsbeginn seine ersten Gehversuche unternahm.

Nach wiedererlangter Freiheit die ersten Renn-Erfahrungen
Als gelernter Maschinenbauer hatte Horst Fügner noch vor dem Krieg eine Ausbildung bei Wanderer in Chemnitz absolviert. Zurück in seiner Heimat kam er früh wieder in Kontakt mit Motorrädern. Nun ging es für Horst darum, seinen Traum vom Rennfahren umzusetzen. Mit seiner Mitgliedschaft im Chemnitzer Motorradclub legte er die Basis dafür, nun musste nur noch eine Rennmaschine her. Hierfür wurde improvisiert und er fand eine DKW RT125, welche er zu einer Rennmaschine aufbaute. Mithilfe von aus allen möglichen Quellen zusammen gesuchten Teilen klappte es bis im Herbst 1950, sich einen eigenen Renner zu basteln. Mit Tipps für Tuning, welche er im Lauf des Jahres ausfindig machte, lief die 125 cm³ DKW gleich zu Beginn ganz anständig.

Zweitakt-Tuning Tipps – aus einem französischen Motorradmagazin von 1950. Mit derartigen Anleitungen frisierte Fügner seine erste DKW RT125 in der ersten Saison selbst.
DKW RT125 – die Basis der ersten Rennmaschine Horst Fügners ab 1950.

Das erste Rennen
Das erste Rennen für Fügner fand am 1. Oktober 1950 auf der Strecke in Dessau statt, einer der ersten Rennstrecken in Deutschland. Der in Sachsen-Anhalt gelegene Straßenkurs war eine temporäre Strecke, die 1938 zum ersten Mal für ein Rennen genutzt wurde, bevor ab 1956 bereits wieder Schluss damit war. Etwa 70 Kilometer nördlich von Leipzig für den Chemnitzer eine mehrstündige Anfahrt, die sich jedoch lohnen sollte. Als Kurs wurde der Dessauer Abschnitt der Autobahn A9 vorgesehen. Die Premiere für Horst verlief nach Wunsch und gleich beim ersten Rennen gelang ihm der zweite Platz. Mit etwas mehr Glück wäre womöglich bereits der erste Sieg drin gelegen, aber Fügner war alles andere als unzufrieden.

Die Dessauer Strecke im Jahr 1950, als Horst Fügner sein erstes Rennen hier fuhr. Das Autobahnteilstück war bereits von der Konzeption her als Rekordstrecke geplant und wurde von 1938 bis 1956 als Rennstrecke genutzt. Zwischen 1939 und 1949 gab es eine kriegsbedingte Pause, bevor es nochmals für 7 Jahre weiter ging.

Das folgenreiche Leipziger Rennen
Fügners nächster Auftritt folgte beim Leipziger Stadtparkrennen im Jahr darauf. Am 20. Mai 1951 beeindruckte Horst dabei einen anwesenden leitenden Mitarbeiter der IFA-Werke Zschopau (später MZ). Horst fiel bei dem Rennen zwar aus, doch offenbar war seine Leistung trotzdem recht ansprechend. Kurz danach wurde er von der IFA verpflichtet, um für die Firma bei künftigen Einsätzen anzutreten. Fügner war somit ab nun eine Art Werksfahrer für die später als MZ bekannte Marke aus Zschopau, welche noch für Jahrzehnte auf den Rennstrecken von sich reden machen sollte. Der Zschopauer Versuchsleiter Kurt Kämpf hatte damit den Grundstein für Fügners IFA-Karriere nach dem Rennen in Leipzig gelegt. Ab nun gehörte Horst zum Zschopauer Team, bei welchem Walter Kaaden kurze Zeit später eine Rennabteilung aufbauen würde. Der Chemnitzer wurde Mitarbeiter in Zschopau, als Versuchsschlosser und Rennfahrer. Dieser Ort sollte für lange Zeit so etwas wie eine zweite Heimat für ihn werden.

Die Karte des damaligen Leipziger Stadtpark-Rennens der frühen 50-er Jahre, an welchem noch zahlreiche IFA Fahrer teilnehmen und erfolgreich sein sollten.

Konkurrenz im eigenen Land und aus dem Westen
Ein gewisser Ernst Degner (siehe unsere ausführliche 10-Teilige Story über ihn unter „History“) war auch seit 1950 fest entschlossen, sich auf den Rennstrecken in der DDR zu beweisen. Nebst dem bereits in Vorkriegs-Zeiten bekannten ehemaligen DKW-Werksfahrer Bernhard Petruschke war auch Degner ein Fahrer, der früh von sich reden machte. Die beiden traten auf einer sogenannten ZPH 125 an. Dabei handelte es sich um einen auf Basis der DKW RT125 aufgebauten Racer, genauso wie bei IFA seit 1949 und Fügner ab Herbst 1950. Dieses auf privater Basis entwickelte Bike wurde von einem begabten Techniker namens Daniel Zimmermann mithilfe seines Freundes und Mechanikers Henkel aufgebaut. Die Anfangsbuchstaben von Konstrukteur, Fahrer und Mechaniker bildeten daher auch den Namen des Renners, der meist deutlich schneller ging, als der vom VEB IFA aufgebaute Ableger der DKW RT125. Die wesentliche Modifikation des ZPH-Motors bestand im von Zimmermann erdachten und in der DDR gar patentierten Plattendrehschieber.

Bernhard Petruschke – als ehemaliger DKW-Vertragsfahrer sorgte er auf der ZPH auch nach dem 2. Weltkrieg für Furore auf deutschen Rennstrecken.

Konkurrenz aus dem Westen
Natürlich gab es auch starke Konkurrenz aus dem Westen, allen voran die Fahrer, welche auf DKW und für NSU ab 1952 wieder in der Weltmeisterschaft antraten. Nebst Werner Haas und Hans Baltisberger (siehe für die Geschichte der beiden im eigenen Kapitel unter „History“) war vor allem auch H. P. Müller einer davon. In der kurzen Zeit, in welcher sich die Neckarsulmer Firma NSU werksseitig in der WM engagierte, kam es von 1953 bis 1955 zu fünf Weltmeistertiteln in der 250 cm³ und 350 cm³ Klasse. Der letzte davon gelang Hermann Paul (H. P.) Müller auf einer NSU „Rennmax“ mit einem 250-er WM-Titel. Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch die Tatsache, dass Piloten aus Deutschland erst ab 1952 wieder in der Motorrad-WM startberechtigt waren. In dieser Zeit war natürlich für IFA und ZPH nur in der kleinsten Klasse etwas zu holen. Die Mannschaft aus Zschopau hatte bereits ab 1949 wieder Rennsport auf Basis der Serien-DKW RT125 betrieben. Doch in den ersten Jahren machte man sich keine Illusionen, damit international etwas gewinnen zu können.

Hermann Paul (H. P.) Müller war als mehrfacher deutscher Motorrad-Meister einer der bedeutendsten Stars der Vorkriegs- und 1950-er Jahre. Im August 1956 stellte er zudem insgesamt 3 Geschwindigkeits-Weltrekorde von 50 cm³ bis 125 cm³ für NSU auf dem Bonneville Salzsee auf. In den Jahren 1950 und 1952 gewann Müller das 125 cm³ Rennen auf dem Sachsenring.

Die ersten zwei Jahre mit IFA
Aufgrund der Tatsache, dass die ZPH mit Petruschke und Degner meist schneller als Fügner mit der IFA war, blieben die Erfolge von Horst in den ersten Jahren durchaus überschaubar. Doch immer wieder gelangen ihm Achtungserfolge, womit er und sein Team unter den gegebenen Umständen letztlich nicht unzufrieden sein durften. Die Siege bei Rennen wie Halle-Saale gingen in den ersten Jahren (1950 bis 1952) abwechslungsweise an Erhard Krumpholz (DKW, ab Herbst IFA) und Bernhard Petruschke (ZPH). Letzterer gewann im Jahr 1952 sogar den damals noch nicht zur WM zählenden GP der Tschechoslowakei in Brünn.

Bernhard Petruschke auf einer Aufnahme von der Zeit vor dem 2. Weltkrieg. Für IFA holte er 1953 und 1954 den Titel des 125 cm³ DDR Meisters, im ersten Jahr war er dabei allerdings noch auf der umbenannten ZPH unterwegs.

Der dominierende Mann bis 125 cm³ zu Beginn der 50-er Jahre in der DDR
Im Jahr 1950 hatte der in Kleinmachnow östlich von Potsdam geborene Petruschke auch das Stralsunder Bäder-Rennen bei den 125-ern für sich entschieden. Dies, obwohl er im Training noch ziemlich schwer gestürzt war und mit bandagiertem Knie fürs Rennen angetreten war. Horst Fügner hingegen gelang es immer wieder, sich gut in Szene zu setzen, aber den ganz großen Durchbruch schaffte er in den ersten beiden Jahren noch nicht. Immerhin konnte er mit einem 3. Platz hinter den westdeutschen Stars H. P. Müller und Karl Lottes (Mondial) auf dem Sachsenring auf der 125 cm³ IFA aufhorchen lassen.

Rund um das Scheibenholz Rennen 1951 – trotz Ausfall wurde Horst Fügner bei dieser Veranstaltung im Stadtpark von Leipzig als Talent entdeckt und von der IFA unter Vertrag genommen.

Integration von ZPH in die IFA
In Brünn hatte Petruschke das 125 cm³ Rennen von 1962 bereits mit einer IFA gewonnen, zumindest war seine ZPH auf diesen Namen umgetauft worden. Nachdem er sogar im Nachbarland unter anderem auf der Solitude mit starken Leistungen auf der ZPH beeindruckt hatte, griff die Partei durch. Dem für Fahrzeugindustrie und folglich für den Motorsport verantwortlichen Ministerium war schon länger ein Dorn im Auge, dass ein privates Team die Lorbeeren holte. Auf der anderen Seite die Produkte der volkseigenen Industrie damit regelmäßig in den Schatten stellte.

Bernhard Petruschke auf der IFA 125 cm³ am Scheibenholz Rennen 1953. Eigentlich fuhr er auch damals noch die ZPH, welche mitten in der Saison 1952 auf den Namen des Zschopauer Fabrikats umgetauft wurde.

Mann- und Know-how Transfer
Unter der Regie des Ost-Berliner Ministers für den Schwermaschinenbau, Fritz Selbmann wurde die ZPH in die IFA nach Zschopau integriert. Mit Siegen auch im Ausland war diese aus privater Initiative entstandene Maschine oft unschlagbar. Bernhard Petruschke hatte damit beispielsweise auch in Budapest am 1. Juli 1951 gewonnen und wurde nun ebenfalls zur IFA transferiert. Man baute dabei auf seine Erfahrung mit der Maschine und als Pilot. Konstrukteur Daniel Zimmermann wurde mit der Entwicklung und Konstruktion von Rennbootmotoren betraut. Im Januar 1953 wurde die Leitung der IFA-Rennabteilung an Ingenieur Walter Kaaden übergeben. Dies war die eigentliche Geburtsstunde der später unter dem Namen MZ zu Weltruhm gelangten Rennmaschine.

Streckenkarte der Solitude westlich von Stuttgart aus den frühen 1950-er Jahren. Aus der Zeit von vor dem 2. Weltkrieg wurden im Rennprogramm von 1951 immer noch zahlreiche Fahrer aus Ostdeutschland mit einem Rundenrekord aufgeführt. So zum Beispiel bei den 250-ern A. Geiß aus Zschopau (Deutscher Meister 1933) und Ewald Kluge aus Zschopau, der 3-fache Deutsche Meister von 1936 bis 1938. Letzterer lebte nach dem Krieg in Ingolstadt und gewann auch am 18. August 1950 auf DKW wieder auf der Solitude Strecke.

Die Neukonstruktion einer 125 cm³ IFA
Horst Fügner war Teil einer kleinen verschworenen Truppe, bei deren Alltagsgeschäft laut späterer Aussagen des beliebten Rennfahrers auch der Spaß nicht zu kurz kam. Nachdem Walter Kaaden im Winter dazugestoßen war, erhielt seine Abteilung den Auftrag zum Bau von 10 Rennmaschinen. Im „Volkseigenen Betrieb“ (VEB) IFA war dies eine durchaus sportliche Aufgabe, weil die Männer der neu gegründeten Rennabteilung auch in die Produktion der Serienmaschinen eingebunden waren. Doch sie schafften es zumindest teilweise und auf die Saison 1953 entstand die erste wirklich selbst konstruierte Maschine. Es war auch nicht einfach eine Kopie der ZPH, sondern eine mit quadratischem Bohrungs- und Hub-Verhältnis von 54 x 54 mm echte Neuentwicklung. Die Leistung soll damals rund 12,5 PS bei 8’000 U/Min betragen haben. Allerdings wurden zunächst nur 3 Maschinen fertig, weshalb zunächst von Petruschke noch seine auf IFA umbenannte ZPH eingesetzt wurde.

Horst Fügner auf der ersten 125 cm³ IFA-Eigenkonstruktion in der Saison 1953.

Harter Beginn und die ersten größeren Erfolge 1953
Walter Kaaden galt als Zschopauer Urgestein und seine Verpflichtung sollte noch bald zeigen, dass seine Wahl für IFA goldrichtig sein sollte. Sein Vater war Direktions-Chauffeur bei DKW (später Auto Union) und Walter wuchs mit den Rennfahrer-Familien der Vorkriegszeit auf. Anfänglich kämpfte man in Zschopau noch mit Kinderkrankheiten der neuen 125-er, während Petruschke mit der bewährten ZPH-Basis zu Saisonbeginn fleißig Punkte für die DDR Meisterschaft sammeln konnte. Dadurch konnte er sich am Ende auch dank seiner Konstanz den Titel des 125 cm³ Meisters der DDR sichern. Als Titelhalter löste Bernhard damit IFA Fahrer Erhart Krumpholz ab, der 1950 und 1952 den Meistertitel innehatte. Für Horst Fügner hingegen und die „echte“ IFA kam die große Stunde ausgerechnet auf dem Sachsenring. Vor Petruschke siegte Horst vor heimischem Publikum am 23. August 1953 und erfüllte sich damit einen langgehegten Traum. In Wikipedia wird dieser Sieg Petruschke angedichtet, doch es gibt sogar ein Siegerfoto mit Fügner zuoberst auf dem Podium, was das Gegenteil beweist.

Horst Fügner, 3. von links als Mitglied einer starken IFA-Truppe beim Gruppenfoto nach einem erfolgreichen Rennwochenende der frühen 50-er Jahre. Ganz links im Bild Siggi Haase und daneben Ingenieur Walter Kaaden, der geniale Kopf hinter den bald noch wesentlich größeren Erfolgen.

Weiter geht es in Kürze mit Teil 2 und der Story über Horst Fügner..