Die 50-er Jahre waren von zahlreichen Straßenrennen auf improvisierten Kursen geprägt, egal ob in der DDR oder im westlichen Ausland. Von den unzähligen Strecken verschwanden die meisten nach kurzer Zeit von der Bildfläche. In der DDR überlebte auch der alte Sachsenring nicht, nur das Schleizer Dreieck hatte eine Tradition bis in die Zeit nach der Wende.

1955: Das Jahr nach den ersten internationalen Erfolgen

Nach den ersten Jahren ab 1951 bei IFA kann man bei Horst Fügner was die Saison 1954 betrifft, von einem klaren Durchbruch reden. Der Chemnitzer hatte in diesem Jahr auch zum ersten Mal wirklich konkurrenzfähiges Material zur Verfügung. Die innerhalb nur weniger Monate unter größtem Zeitdruck auf die Saison 1953 entstandene erste Eigenkonstruktion des „VEB Motorradwerks Zschopau“ (VEB = Volkseigener Betrieb, IFA = Industrie-Verband Fahrzeugbau) war im zweiten Jahr wesentlich zuverlässiger geworden. Dazu hatte sich Fügner ganz eindeutig auch fahrerisch entwickelt. Der im März 1923 geborene Horst gehörte mit knapp über 30 Jahren zusammen mit Siggi Haas noch zu den zwei Jungspunden. Die anderen beiden Teamkollegen Krumpholz und Petruschke waren bereits „alte Hasen“ und vor dem Krieg schon Rennen gefahren, mittlerweile mit Jahrgang 1912 und 1910 schon über 40-jährig geworden. Horst Fügner hingegen stand erst am Anfang einer hoffnungsvollen Karriere und sah der Saison 1955 nach seinen ersten internationalen Erfolgen im Jahr davor durchaus hoffnungsvoll entgegen.

Westdeutsche Meisterschaft 1954 – Fügner (IFA) in der 125 cm³ Klasse mit 11 Punkten auf Rang 4. Dazu Siege beim Feldbergrennen, Halle-Saale und ein Top Ten Resultat beim GP von Deutschland. Die Ausbeute im ersten internationalen Jahr konnte sich für Horst Fügner und IFA mehr als sehen lassen. Wenn man bedenkt, dass NSU 1954 mit den beiden führenden Hass und Müller sogar die Weltmeisterschaft in diesem Jahr dominiert hatte, eine hervorragende Leistung. Die französische Zeitschrift MotoRevue beobachtete aufmerksam, was in Deutschland auf den Rennstrecken vor sich ging und berichtete regelmäßig darüber. In der linken Spalte das Endklassement der Deutschen Meisterschaft 1954.

Saisonbeginn 1955 – dem Jahr der Bestätigung
Am 29. Mai fand auf dem Nürburgring die frühe Bestätigung der guten Resultate aus dem Vorjahr für Horst Fügner statt. Er gewann das 125 cm³ Rennen zur westdeutschen Motorrad-Meisterschaft und legte damit den Grundstein für seine bisher erfolgreichste Saison. An selber Stätte fand am 26. Juni 1955 auch der GP von Deutschland seine Austragung. An diesem Tag war auf dem Nürburgring laut Zeitzeugen die Hölle los. Angeblich sollen zwischen 400- und 500-tausend Zuschauern an der Eifel anwesend gewesen sein, um die Zweiradhelden vor Ort zu bewundern. Auch wenn es diesmal nicht Füngers Verdienst war, für IFA hatte dieses Rennen historischen Charakter. Die beiden Oldies Bernhard Petruschke mit Platz 5 und Erhard Krumpholz mit Rang 6 sorgten für die ersten WM-Punkte des kleinen Teams aus der DDR. Gegen die starke Konkurrenz von MV Agusta und FB-Mondial eine sensationelle Leistung.

Mitte der 1950-er Jahre hatten die meisten Rennmotorräder optisch eine gewisse Ähnlichkeit mit Blauwalen. Die sehr voluminösen Vollverschalungen brachten jedoch einen Geschwindigkeitsvorteil, auch wenn die Aerodynamik damals noch gewöhnungsbedürftig für das Auge war.

Spezielle Herausforderungen für IFA
Die größte Herausforderung für IFA war in dieser Zeit die Leistungssuche bei den eingesetzten Einzylinder Zweitakt-Motoren und dazu die Materialqualität verschiedener Komponenten, sowie die Aerodynamik. Durch die steigende Verbreitung der seit 1953 immer häufiger eingesetzten Hilfsmittel für bessere Wind Schlüpfrigkeit sah man sich auch diesbezüglich in der DDR mit ganz besonderen Hindernissen konfrontiert. Aluminium war im Arbeiter- und Bauernstaat nur schwer zu bekommen und mit Stahlblech traten schnell Probleme mit dem Fahrzeuggewicht auf. Der geniale Ingenieur Walter Kaaden fand jedoch laufend neue Wege, mehr Leistung aus dem 125 cm³ IFA Motor zu kitzeln. Er sollte Methoden finden, die sämtliche ausländischen Konkurrenten noch für Jahre beeindrucken und vor fast unlösbare Probleme bei der Nachahmung stellen sollten. Bei Problemen mit der Materialbeschaffung nutzte die kleine Truppe die Gelegenheit internationaler Kontakte im Rennsport. In dieser Zeit half man sich noch gegenseitig, was heute absolut unvorstellbar wäre.

Walter Kaaden bei einer FIM-Ehrung 1965 – der geniale Konstrukteur der IFA (später MZ) war das Hirn hinter den ansonst undenkbaren Erfolgen seiner Fahrer wie Fügner, Degner und Co.

Der starke Motorsport-Sommer Horst Fügners
Der Sommer 1955 dürfte dem Mann aus Chemnitz wohl Zeit seines Lebens in Erinnerung geblieben sein. Die Serie, welche er ab dem 3. Juli hinlegte, beeindruckt noch heute. Den Auftakt machte Horst mit seinem Sieg beim Halle-Saale Rennen, womit er seinen Erfolg aus dem Vorjahr bestätigte. Nur eine Woche später triumphierte er auf dem Schottenring mit der 125 cm³ IFA. Der zwischen Fulda und Gießen gelegene Straßenkurs war einer der ältesten Kurse Deutschlands und hatte eine Länge von 16,08 Kilometer. Zwei Jahre davor hatte hier sogar noch der GP von Deutschland stattgefunden. Fügners Sieges-Serie war damit aber noch nicht zu Ende. Auf dem Schleizer Dreieck folgte am 17. Juli der 3. Erfolg innert 3 Wochen. Den erfolgreichen Sommer rundete Horst mit drei zweiten Plätzen auf der Solitude, dem Norisring und auf dem Sachsenring ab.

Solitude Rennen 1955 – nach einem 8. Rang beim WM-Lauf im Vorjahr sicherte sich Horst Fügner diesmal einen hervorragenden zweiten Platz. Der GP von Deutschland fand in dieser Saison auf der Nürburgring-Norschleife statt.

Erste Meister-Ehren
Beim Eilenriedrennen bei Hannover belegte Fügner auf seiner 125 cm³ IFA hinter den beiden neuen DKW’s von August Hobl und Karl Hofmann den zweiten Platz. Es war das Finalrennen der westdeutschen Motorrad-Meisterschaft. Dadurch reichte es für Fügner zum Vizemeister-Titel hinter Karl Lottes (MV Agusta). Dazu kam er 1955 zu seinem ersten Titel als DDR-Meister der 125-er Klasse. In Folge davon wurde ihm den Titel „Meister des Sports“ verliehen und er erhielt bei der Ehrung einen Händedruck des DDR-Staatschefs Walter Ulbricht. Eine aus heutiger Sicht eher fragwürdige Ehre, doch damals war dies im Arbeiter- und Bauernstaat eine der fraglos höchsten Auszeichnungen, die Horst Fügner damit zuteil wurde. Zweifellos mit das Wichtigste aus Sicht seines Teams war der Vize-Titel der westdeutschen Meisterschaft. Unter Anbetracht der wesentlich stärkeren Konkurrenz als im eigenen Land eine mehr als respektable Leistung von Fahrer und hinter ihm stehender Mannschaft.

Das Konterfei des gut 30 Jahre jungen Horst Fügner auf seiner Autogrammkarte.

Weiter geht es in Kürze mit Teil 4 und der Story über Horst Fügner..