Die wundersame Wende im Kampf um den WM-Titel
Neues Reglement und klarer Favorit für Imola
Durch die Einführung des Superpole Race auf die Saison 2019 erlebte die Motul WorldSBK so viele Rennen wie nie zuvor. Eigentlich hätten durch die 13 Runden insgesamt 39 WM-Läufe durchgeführt werden sollen. Doch in Assen spielte am Samstag das April-Wetter einen Streich und infolge Schneefall musste auf ein Rennen verzichtet werden. Am Sonntag fanden aus diesem Grund zwei Läufe über die volle Distanz statt und das normalerweise am Morgen durchgeführte Sprint-Rennen wurde dafür geopfert. Nachdem Alvaro Bautista die 11 Läufe vor Imola allesamt gewonnen hatte, galt der Ducati Pilot natürlich auch für Imola als haushoher Favorit. Was in der MotoGP undenkbar und verboten ist, leistete sich Ducati zudem noch kurz vor der 5. WM-Runde. Da der Spanier die Strecke nicht kannte, mietete man für einen zweitägigen Privattest einfach kurz den Autodromo Dino e Enzo Ferrari exklusiv für 2 Tage. Damit konnte auch gleich die neue Ducati perfekt für den schwierigen Kurs von Imola abgestimmt werden.
Rückblick auf die 5. Runde der Motul WorldSBK 2019
Der Freitag begann mit zahlreichen Überraschungen. Nach den ersten beiden freien Trainings führte im Ducati-Land zur Verwunderung vieler Jonathan Rea auf Kawasaki ZX-10RR. Die beiden Werks-Ducatis konnten ihren Trainingsvorsprung auf der Strecke nicht wie erhofft ausspielen. Hinter Rea lag Chaz Davies (Ducati Panigale V4R) mit der zweitbesten Zeit vor einem stark auftrumpfenden Tom Sykes auf seiner noch fast neuen BMW S1000-RR. Für die beiden Deutschen lief es auf dem Autodromo Dino e Enzo Ferrari nicht wie erwünscht. Nach dem sehr guten letzten WorldSBK-Meeting auf dem holländischen Circuit in Assen hatte sich der 25-jährige Markus Reiterberger durchaus mehr erhofft. Am ersten Tag verpasste der Obinger die Top 10 in Imola, genauso wie Sandro Cortese. Der Berkheimer verlor am Freitagmorgen ganze 2 Sekunden auf die Zeit von Johnny Rea und vermochte sich auch im FP2 nicht zu steigern. In der Superpole sollte er es am Samstagmorgen dazu noch in Kurve 2 abfliegen. Immerhin konnte Sandro trotzdem am Nachmittag danach zum 1. Rennen antreten.
Eugene Laverty – der Pechvogel des Imola-Wochenendes
Noch schlimmer erging es Eugene Laverty (Team Goeleven Ducati). Er war im 1. Training in Imola schwer gestürzt und setzte sich damit für den Rest der Pirelli Italian Round außer Gefecht. Laverty hatte nach drei Runden am Ausgang der Acque Minerali einen Highsider, worauf die Session sofort mit der roten Flagge unterbrochen wurde. Er war in der Lage, die Strecke auf eigenen Füßen zu verlassen und wurde umgehend in das Krankenhaus von Imola gebracht. Die niederschmetternde Diagnose lautete Handgelenksbruch der linken und rechten Hand. Der Ire wurde zur weiteren Untersuchung nach Barcelona transportiert, wo er durch den renommierten Spezialisten Dr. Mir behandelt wurde. Bei solchen Verletzungen beträgt die Dauer für die Heilung in der Regel mehrere Wochen. Mit gleich zwei gebrochenen Handgelenken war bereits klar, dass Laverty vor Juli kaum ins Paddock zurückkehren würde.
Die Ausgangslage in der Ducati Hochburg
Eigentlich schien die Ausgangslage in der Ducati-Hochburg Imola, nur eine halbe Autostunde vom Werk in Borgo Panigale bei Bologna entfernt, so gut wie klar. Sämtliche 11 WM-Läufe wurden davor von Alvaro Bautista auf der MotoGP Replica Panigale V4R der Roten gewonnen. Das Fest für die Ducatisti war angerichtet und man erwartete einen neuen Besucherrekord beim WSBK-Saisonauftakt in Italien, bevor im Juni (nach Runde 6 in Jerez) Misano zum Zug kam. Die Veranstalter beider Events hatten vorsorglich gleich mal für eine drastische Preiserhöhung gesorgt, um aus der Situation kräftig Kapital schlagen zu können. Nachfolgend ein interessanter Preisvergleich von 2019 unter Berücksichtigung von Parkgebühren, soweit diese überhaupt erhoben werden und mit den Preisen für Extras, welche teilweise bei vielen Veranstaltern bereits inkludiert sind.
Werden die Briten beim Meeting in Imola vorgeführt?
So lautete die Überschrift von Red Bull Media Mitarbeiter K.H. am 2. Mai 2019, kurz bevor es in Imola losging. Und im Untertitel legte der vermeintliche Experte und regelmäßige WSBK-Berichterstatter in Diensten von Red Bull gleich noch nach: „Seit sechs Jahren hörten wir in Imola bei der Siegerehrung nur die britische Hymne – 2019 wird es wohl die spanische sein…“. Nun waren wir natürlich besonders gespannt, insbesondere weil Imola seit jeher als sogenannte Fahrerstrecke gilt. Auf allen Kursen der bisherigen Saison vor Imola konnte Bautista von der Mehrleistung seiner Ducati von rund 20-25 PS gegenüber der Konkurrenz profitieren. In der Beschleunigung und beim Topspeed flog der kleine Spanier seinen Gegnern jeweils förmlich davon. Rea und Konsorten hatten nur in den Kurven und Bremszonen die Chance, etwas Boden auf den Ducati-Neuzugang gutzumachen. Dass dies jedoch mit erhöhtem Risiko verbunden ist, liegt dabei auf der Hand. Da in Imola die langen Geraden fehlen, hatte Rea hier womöglich das erste Mal die Chance, um den Sieg mitzukämpfen.
Lauf 1 am Samstag – die Demonstration des Weltmeisters
Auf der Fahrerstrecke von Imola zeigte Jonathan Rea, was ein Pilot durch fahrerische Klasse trotz deutlich unterlegener Motorleistung wettmachen kann. Obwohl zudem die beiden Ducati-Piloten Bautista und Davies vor dem Rennen 2 zusätzliche private Testtage mit der Ducati hatten, war von diesem Vorteil im 1. Rennen nichts zu spüren. Weltmeister Jonathan Rea zog vom Start weg uneinholbar davon und distanzierte den Spanier Alvaro Bautista auf seiner Ducati bis zum Ende des Rennens um beinahe 8 Sekunden. Der hochtalentierte Türke Toprak Razgatlioglu lag als Dritter bei seiner Zielankunft bereits über 19 Sekunden auf Rea zurück. Doch immerhin hatte er sein erstes Podium in dieser Saison geholt, was er auch mit einigen spärlichen Worten im Interview danach kommentierte. Toprak ist definitiv kein Mann großer Worte. Selbst in Türkisch hört man von ihm meist nur einige wenige Sätze zum Geschehen. Im Interview der Paddock Show gab Alvaro nach dem Rennen deutlich zu verstehen, dass im 1. Rennen in Imola für ihn keine Chance bestand, dem Rekord-Weltmeister der WorldSBK zu folgen. Und wir mussten über die rhetorische Frage von K.H. (siehe im vorhergehenden Absatz) und die vorweggenommene Antwort darauf bei der englischen Hymne für den Sieger unvermittelt amüsiert schmunzeln.
Das Geschenk vom Weltmeister an uns und seine Fans
Bester Yamaha Fahrer, war wie zuletzt in Assen der Niederländer Michael van der Mark auf Platz 4, vor dem Engländer Leon Haslam auf Kawasaki, als Teamkollege von Rea. Hinter Haslam auf Platz 6 konnte der dieses Jahr für GRT Yamaha antretende Lokalmatador Marco Melandri nach längerer Durststrecke endlich wieder einen soliden Top Ten Rang herausfahren. Zu Jahresbeginn hatte Alex Lowes (Pata Yamaha) noch stark aufgetrumpft. Nach Platz 7 im 1. Rennen in Imola, hinter Markenkollege Melandri und als nur drittbester Yamaha Pilot, dürfte er mit dem Ergebnis erst Recht nicht wirklich zufrieden gewesen sein. All dies wurde jedoch überstrahlt von einem absolut überragenden Jonathan Rea, der im 12. WM-Rennen der Saison endlich seinen lange erhofften ersten Laufsieg eingefahren hatte. Eine derart lange Durststrecke hatte der Rekordweltmeister seit Jahren nicht mehr zu erdulden. Mit seinem auch für sein Team erlösenden Sieg hatte der bescheidene Nord-Ire sich und seinen Fans das größte Geschenk in der noch jungen Saison gemacht, dem noch viele weiteren folgen sollten. Und uns übergab Johnny Rea direkt nach der Paddock Show ein besonderes Präsent, siehe nachfolgendes Foto.
BMW: Pech für Tom Sykes in Lauf 1 – Reiti in den Top Ten
Lange Zeit sah es für Tom Sykes und BMW nach dem ersten Podium seit der Rückkehr der Blau-Weißen als WSBK-Werksteam aus. Nur ein kleines Teil, laut Auskunft von Tom ein Elektrik-Stecke, dürfte dieses Top-Resultat verhindert haben. Jedenfalls musste Sykes nach 9 Runden aufgeben, exakt 18 Minuten nach dem Start zum Rennen fuhr der Engländer enttäuscht an die Box. Nach bescheidenem FP1 und 2 hatte sich sein Teamkollege Markus Reiterberger in der Superpole auf Platz 7 gesteigert. Im ersten Lauf rettete er mit dem sauberen 10. Rang immerhin ein weiteres Top-Ten Ergebnis, nach seinen zwei 6. Plätzen in Runde 4 in Assen.
Davies und Cortese – Ausfall und Crash
Nachdem Chaz Davies bereits in der ersten Runde bei Aque Minerali mit einem technischen Problem zu kämpfen hatte, war kurz danach ganz Schluss für den Polesetter. Die Ducati Panigale V4R wollte nicht mehr und der Waliser musste enttäuscht aufgeben. Alessandro Delbianco (Honda) übertrieb es im Rennen gleich zweimal und musste zuerst in Kurve 12 (dem Linksknick ausgangs Aque Minerali) weit gehen, später auch noch in der Curva Tosa. Der Italiener wurde letzter der klassierten Fahrer, holte sich mit Rang 15 aber noch einen WM-Punkt.
Der Crash von Sandro
Noch schlechter lief es für Sandro Cortese, der seine Yamaha 5 Runden vor Schluss in Kurve 12 wegwarf. Bis in Runde 7 hatte sich der „Italo-Schwabe“ bereits auf Rang 9 vorgearbeitet, bevor er zwei Runden später nur noch an 13. Position übers Ziel fuhr. Bevor er abflog lag Cortese auf Rang 12. Seit dem 1. Lauf in Aragon mit Platz 7 kämpfte der Berkheimer viel zu oft mit Problemen und konnte seither nur noch zwei Top Ten Resultate einfahren.
Ergebnis 1. Rennen in Runde 5 – Imola
Superpole Race am Sonntag – Rea erneut unschlagbar
Trockenes Superpole Race
Trotz Regenprognose für Imola konnte das Sprintrennen am Sonntagmorgen um 11 Uhr bei trockener Strecke gestartet und zu Ende gefahren werden. Chaz Davies (GBR, Ducati) ging nach dem Start in Führung, aber bereits in der Curva Tosa ging Jonathan Rea (siehe vorheriges Bild) innen vorbei, wurde allerdings zu weit herausgetragen. Chaz konterte auf der Innenspur und ging nochmals in Front, wurde allerdings in der Zielschikane prompt wieder vom Nord-Iren abgefangen und überholt. Bei dieser Gelegenheit wischte auch sein spanischer Teamkollege Alvaro Bautista an ihm vorbei.
Jonathan Rea unschlagbar und Chaz Davies bezwingt Bautista
Davies kämpfte sich allerdings wieder nach vorne und bezwang seinen Teamkollegen zum ersten Mal in dieser Saison letztlich deutlich. Der Waliser distanzierte Bautista ihn bis ins Ziel um beinahe 5 Sekunden. „Magic“ Michael van der Mark aus Holland war erneut bester Yamaha-Fahrer, diesmal direkt vor seinem Pata Yamaha Teamkollegen Alex Lowes. Der Engländer kreuzte die Ziellinie lediglich 0,3 Sekunden vor seinem Landsmann Leon Haslam auf Kawasaki. Haslams Markenkollege Toprak Razgatlioglu (Turkish Puccetti Racing) als 7. und der Spanier Jordi Torres (Pedercini Racing Kawasaki) auf 9 sorgten für ein hervorragendes Ergebnis für die Grünen. Vier Kawasakis unter den ersten 9 sah man in diesem Jahr selten.
Ergebnis Superpole Race Imola
Sandro Cortese – hartes Wochenende in Imola
Für den „Italo-Schwaben“ Cortese verlief das Wochenende in der Emilia Romagna weitestgehend enttäuschend. Sturz im Qualifying und im ersten Rennen, sowie nur Platz 13 im Superpole Rennen am Sonntagmorgen. Dies bedeutete für den Berkheimer Null Punkte aus Imola. Im WM-Zwischenklassement wurde Sandro vom Türken Toprak Razgatlioglu dadurch um einen Punkt überholt und lag hiermit nur noch auf Rang 9. Auch Reiti verpasste im Superpole Race die Punkteränge. Für die beiden Deutschen war die 5. Runde in Imola wahrlich kein Quell der Freude.
WM-Zwischenstand nach Runde 5
Nachdem vor dem letzten Rennen am Sonntagnachmittag starker Regen eingesetzt hatte, gab es noch längere Diskussionen über einen Start unter den Fahrern und Funktionären. Vor allem die beiden Kawasaki Piloten Rea und Haslam wären gerne gefahren. Ersterer war im verregneten Warm Up am Sonntagmorgen 1.348 Sekunden schneller gewesen als Teamkollege Leon Haslam auf Position zwei. Bis auf Alessandro Delbianco und Michael van der Mark als Viertem mit 1.852 Sekunden Rückstand auf Rea lagen sämtliche anderen Fahrer mehr als 2 Sekunden hinter dem Rekordweltmeister! Aber Rea und Haslam wurden überstimmt und es kam zur Absage des 2. Rennens vom Sonntag. Doch es sollten später mit den ersten Läufen in Misano und Donington noch zwei Regenrennen kommen. Bei beiden ließ Johnny Rea seinen Gegnern keine Chance und gewann überlegen. Imola bedeutete den Beginn der Wende im WM-Kampf. Von den ursprünglich 53 Punkten Vorsprung Bautistas auf Rea hatte der amtierende Weltmeister seinen Rückstand nun um 10 Punkte reduziert.
Keine Neuauflage im Folgejahr
Leider wurde das Rennen von Imola für 2020 aufgrund der Corona Pandemie abgesagt. Unzählige Zweckoptimisten gehen mittlerweile von einer Wiederaufnahme des Rennbetriebs im Juli 2020 aus. Obwohl die Dorna klar zu verstehen gab, dass hierzu noch zahlreiche Hürden zu nehmen sind. Wir drücken natürlich die Daumen, doch allzu blauäugig sollte man es vielleicht besser nicht sehen. Die aktuelle Beschränkung der Reisefreiheit durch die meisten Regierungen lässt derzeit nur wenig Hoffnung zu, dass sich in absehbarer Zeit etwas bessert. Erst recht das fragwürdige Verhalten von Großteilen der Bevölkerung gibt zur Sorge Anlass, ob sich wirklich so schnell alles zum Guten wenden kann. Warten wir uns ab und freuen uns lieber erst, wenn die Fortsetzung des Rennbetriebs auch wirklich definitiv gesichert ist!