Max Neukirchner im Jahr 2009 auf der Alstare Suzuki – der schnelle Sachse war im Vorjahr WM-Fünfter geworden und auf dem Weg einer der ganz großen der Szene zu werden. Die Saison begann stark für den Deutschen, doch dann kam für ihn in Monza die absolute Katastrophe (© WorldSBK).

Ein Interview mit Max Neukirchner zu seiner WSBK-Karriere

Als wir uns intensiv mit der Geschichte der WorldSBK seit ihrer ersten Saison beschäftigten, war uns früh klar, dass wir einige der wichtigsten Fahrer zu ihrer Karriere befragen wollten. So entstand beispielsweise das Interview mit Gregorio Lavilla, siehe dazu auf dieser Seite unter „Interviews+TV“. Der heute bei der Vermarktungsfirma Dorna für die Geschicke der Superbike Weltmeisterschaft zuständige Spanier gab dabei Ausblicke preis, die hochinteressant sind. Ein Mann durfte dazu auf keinen Fall fehlen. Er stammt aus Sachsen und ist der Sohn eines früheren Rennfahrers. Ähnlich also wie der Angelsachse Carl Fogarty, doch bei Max Neukirchner war einiges anders als beim mehrfachen Weltmeister, was auch für seine Karriere in der WorldSBK galt.

Max Neukirchner auf der MR Racing Ducati Panigale 1199 R – in seiner letzten Saison als Stammfahrer in der WorldSBK zeigte er nach konstanter erster Hälfte eine steigende Tendenz, bis eine Verletzung nicht zum ersten Mal für eine unfreiwillige Pause sorgte (© WorldSBK).

Ein Unterschied zu Foggy – der sehr erfolgreiche Vater

Während der Engländer sich als Jugendlicher an der Strecke über seinen Vater als Hobby-Fahrer und dessen aus seiner Sicht mangelnden Kampfgeist ärgerte, kannte der Sachse dieses Problem nicht. Im Gegensatz zum weniger erfolgreichen George Fogarty (bestes Resultat des Engländers war ein 2. Platz 1977 an der Jubilee TT) war Lothar Neukirchner mehrfacher DDR-Staatsmeister in der 250 cm³ Klasse geworden. Nach einem 3. Rang 1984 schaffte er ab 1987 drei Titel in Folge und 1990 dazu noch einen Vize-Meistertitel. Mit solchen Genen ausgestattet und der Unterstützung seines Vaters führte der Weg von Max über nationale Meisterschaften und die WorldSSP 600 in die Superbike WM. Im Klaffi Honda Team gelang Neukirchner hier bereits im 4. Rennen der Saison in Phillip Island der erste Podestplatz. Mehr zu seinen Jahren in der WorldSBK siehe in unserer reich illustrierten History über die früheren Jahre der seriennahen Weltmeisterschaft.

Als Sachsenring Sieger in der 250 cm³ Zweizylinder Klasse von 1989 fuhr Lothar Neukirchner einen Schnitt von über 160 km/h. Dritter wurde damals ein Tscheche namens Hanika, womöglich handelte es sich dabei um einen Verwandten des späteren Moto3 Piloten Karel Hanika.
Der alte Sachsenring hat mit dem heutigen nur noch Start-Ziel und die letzte Kurve, genannt Queckenberg gemeinsam. Es war ein brandgefährlicher Straßenkurs und bei Fahrern und Zuschauern trotzdem eine der beliebtesten Strecken über Jahrzehnte, selbst im Grand Prix Rennsport.

Das Interview mit dem besten Deutschen der WSBK-Geschichte

Als Fahrer für eines der besten Teams, zum Beispiel auf einem Ducati Werks-Bike, nehmen wir an, dass die Geschichte anders aussehen würde und Du ab etwa 2006 mindestens einen Vize-Titel erreicht hättest. Stimmst Du uns dabei zu?
Max Neukirchner: „Pech im Sport – Glück in der Liebe, so war’s nun mal in meiner WSBK Karriere. Ich habe Rennen gewonnen und mehrere Podestplätze eingefahren aber ich habe es leider nicht geschafft, Weltmeister oder Vize zu werden. Es ist schon schade – und was wäre wenn? War das die Frage?„. Die Redaktion: Einverstanden, es ist schade und als Deutscher war es bestimmt nicht leichter, besonders weil Motorsport hier nie die Anerkennung und Unterstützung geniesst, wie in südlichen Ländern oder England!

Max Neukirchner vor „Nitro Nori“ Haga – auf der Suzuki des Alstare Corona Teams holte der Sachse 2007 eine schnellste Runde im Rennen als Ersatzfahrer und wurde danach zum Stammpiloten, nachdem er zuvor für Suzuki Deutschland angetreten war (© WorldSBK).

Es gibt ein „unvollendetes“ Ducati Jahr, im Team von Lucio Pedercini 2006, in Deiner Karriere. Wieso ging es damals mitten in der Saison auseinander, lag es  an mangelnder Konkurrenzfähigkeit mit der privaten Ducati?
Neukirchner: „2005 bin ich noch bei Klaffi Honda unterwegs gewesen und ich war in meiner ersten WSBK Saison schon sehr erfolgreich (Rookie of the Year mit einem 3. Platz in Phillip Island). Leider hatte sich Honda auf die Saison 2006 für einen anderen Fahrer (Alex Barros) entschieden und für mich gab es keinen Platz mehr in der WSBK.  Dank Lucio Pedercini habe ich doch noch einen Platz auf seiner privaten Ducati bekommen. Leider gab es zahlreiche, technische Ausfälle, wodurch ich auch sehr schwer gestürzt bin und mir schwere Verletzungen zugezogen hatte“.

Max weiter zur Trennung von Pedercini: „Ich habe dann Mitte 2006 den Deal mit Pedercini beendet, weil ich keinen Sinn mehr gesehen habe, diese Saison unter diesen Umständen zu Ende zu fahren.  Letztendlich habe ich für den Rest der Saison einen Platz bei Suzuki Alstare bekommen, wo ich die abschließenden  Rennen auf einer privaten Suzuki zu Ende fahren konnte. Das alles hatte ich Mario Rubatto und Bert Poensgen“ (die Redaktion: Poensgen war damals Suzuki Chef Deutschland) „zu verdanken, die sich für mich großartig eingesetzt hatten und es geschafft haben, das ich die Saison 2006 zu Ende fahren konnte„.

Lange nicht für jeden WorldSBK Fahrer gab es eine Sonderedition seines Modells. Suzuki lancierte jedoch mit seiner Unterstützung die GSX-R1000 „Power Max“.

Welches war Deine Lieblingsstrecke und weshalb?
Neukirchner: „Phillip Island, weil ich schnelle und langgezogene Kurven sehr mag und ich finde dazu auch, die Menschen in Australien sind sehr freundlich und nett„.

WorldSSP Fahrer Patrick Hobelsberger (Honda) vor Federico Fuligni (MV Agusta) von uns im Honda Corner (Kurve 4) in Phillip Island beim Saisonauftakt in Australien fotografiert. Hier fuhr Max Neukirchner in seiner ersten WorldSBK Saison zum ersten Mal in seiner Karriere auf Anhieb aufs Podium.

Welche Rennstrecke (während Deiner Rennkarriere) würdest Du heute eher ablehnen (z.B. Imola aufgrund fehlender Rettungsgasse)?
Max: „Imola ist zwar gefährlich, aber ich würde die Strecke nicht ablehnen, weil ich sie trotzdem mag. Es gibt keine Rennstrecke, welche ich ablehnen würde„.

Jonathan Rea und auch die Zuschauer lieben Imola – doch wie unsere Aufnahme vom Sonntag bei der Curva Tosa beweist, gab die Preisverdoppelung von 2019 gegenüber dem Vorjahr diesem Event wohl den Rest. Beim letzten WSBK Event sahen wir an mehreren Stellen solche Bilder.

Wer war der stärkste Fahrer, mit dem Du in Deiner Karriere gekämpft hattest?
Neukirchner: „In der WSBK Troy Bayliss und Noriyuki Haga. In der Moto2 Marc Marquez und in der IDM Xavi Fores und Markus Reiterberger„.

Troy Bayliss von uns 2020 beim WSBK-Saisonauftakt in Phillip Island als Co-Kommentator fotografiert. Ohne seine MotoGP-Jahre hätte der Australier vermutlich mehr als 3 Titel geholt.

Wer war nebst Corser, Biaggi (und Dir) Deiner Meinung nach der schnellste (WSBK-) Fahrer auf Suzuki?
Max: „Keine Ahnung, eventuell Leon Haslam? Ich denke, es gab keine sogenannt schnelleren„.

Wie viel stärker sind Reifen heute im Vergleich zu vor 10 – 15 Jahren?
Neukirchner: „Früher hatten wir Holzreifen im Vergleich zu heute. Aber im Ernst, nun haben die Reifen mehr Grip und sind auch viel konstanter„.

Hattest du Freunde im Fahrerlager unter den Fahrern und wenn ja, welche Piloten waren dies?
Max: „Ich selbst hatte zwar jede Menge, nennen wir es ruhig Freunde im Fahrerlager gehabt. Darunter Leon Haslam, Leon Camier, Troy Corser, Johnny Rea, Xavier Fores, aber wir haben uns immer nur im Fahrerlager getroffen. Persönlich habe ich nur einen besten Freund, welchen ich schon seit der ersten Klasse aus meiner Schulzeit kenne und mit ihm treffe ich mich auch gelegentlich (jeder von uns hat Familie und Arbeit und ist zeitlich stark eingebunden). Außerdem habe ich privat nur einen kleinen, engen und ehrlichen Freundeskreis. Die einzigen Rennfahrer, mit welchen ich noch in beruflichen Kontakt bin sind Marvin Fritz und Jan Bühn sowie Jan Mohr, die ich auch menschlich sehr schätze„.

Leon Haslam, in England in Anspielung auf seinen berühmten Vater oft „Pocket Rocket“ genannt. Seine Anfänge in der WorldSBK bei Renegade Ducati gehen bis in das Jahr 2003 zurück. In diesen 18 Jahren bis heute fuhr er jedoch nicht immer in der WSBK, ist nun aber wieder im zweiten Jahr für HRC Honda mit dabei. Von 2000 bis 2002 war er Grand Prix Pilot (© WorldSBK).

Was war deine beste Saison deiner Karriere, war es das Jahr 2008 mit WM-Rang 5 oder wäre das Jahr danach ohne die schwere Verletzung noch besser geworden (bis Valencia lief es ja damals super)?
Neukirchner: „Ja, ich glaube schon, dass ich unter anderen Umständen eine noch erfolgreichere Karriere hingelegt hätte, wenn nicht immer so viel Pech im Zusammenhang mit den Stürzen gewesen wären. Über 80 % meiner Stürze waren technische Probleme oder jemand hat mich abgeschossen. 2007 und 2008 waren für mich beruflich meine schönsten Jahre in der WSBK WM. Meinen letzten Sieg mit Yamaha Yart bei der 8 Stunden EWC WM am Slovakiaring 2018 war abschließend auch noch mal ein ganz besonderes Erlebnis„.

Max Neukirchner auf der Suzuki – er schaffte, was Fahrern wie Bradl, Cortese und davor sogar Toni Mang in der Königsklasse verwehrt blieb, nämlich Siege in der Topkategorie einer Weltmeisterschaft (© WorldSBK).

Der Red Bull Ring ist nichts für WorldSBK, da mit etwa 80 Prozent Vollgas, haben wir damit recht?
Max: „Nein, ich würde es spannend und interessant finden, wenn trotzdem ein Lauf auf dem Red Bull Ring ausgetragen würde“.

Der Vollgas-Kurs im königlichen Park von Monza ist aus Sicherheitsgründen nicht mehr im Kalender. Hier im Bild Max Neukirchner, der nach dem Start zum 1. Rennen 2009 als erster in die Schikane einbiegt. Sekundenbruchteile später wird ausgerechnet er vom Bike und gestürzten Fahrer am Boden links von ihm getroffen. Nach 2006 in Misano der zweite sehr schwere und dazu unverschuldete Unfall des Deutschen (© WorldSBK).

Wer war der beste Fahrer Deiner aktiven Jahre (außer Dir), der nie einen Titel gewonnen hat?
Neukirchner: „Noriyuki Haga und Aaron Slight“.

Was war das beste Motorrad Deiner Karriere, das Du gefahren bist und in welchem Jahr?
Max: „2008 meine Werks Suzuki GSX-R1000 (der Sound war wie bei einer Turbine). 2014 Ducati in der IDM (3C Carbon). Seit 2015 bin ich definitiv Yamaha-verliebt, weil es außerdem noch das beste Motorrad für einen Hobby Fahrer ist“.

Aaron Slight (links, Neuseeland, auf Castrol Honda) und Piergiorgio Bontempi (Kawasaki) in der WorldSBK 1998, als er den Titel nur um 5,5 Punkte an Foggy verlor. Slight gewann von 1992 bis 1998 insgesamt 13 Rennen, bestritt 229 WM-Läufe und war zweimal Vizeweltmeister (© WorldSBK).

Wärst Du (quasi per Zeitreise) gerne in einer andere Zeit oder Serie gefahren und wenn ja, gegen welche Gegner?
Neukirchner: „Oh ja, ich hätte gerne die Zeit mitgemacht, welche Ralf Waldmann und Dirk Raudies erleben konnten. Damals hatte der Rennsport in Deutschland noch einen deutlich höheren Stellenwert, war für Zuschauer noch hautnah erlebbar und man konnte auch einfacher Partner und Sponsoren zur Unterstützung gewinnen“.

Das Podium nach dem 125 cm³ Grand Prix von Assen 1995 mit von links Peter Öttl (P2, Aprilia), Sieger Dirk Raudies (Honda) und dem drittplatzierten Honda Piloten Akira Saito (© MotoGP).
Als Beispiel für das von Max angesprochene Thema Sponsoring eine Aufnahme von Helmut Bradl, dem Vater von MotoGP Testfahrer Stefan. Sein größter Erfolg war 1991 die 250 cm³ Vizeweltmeisterschaft, aber an Sponsoren fehlte es ihm definitiv nicht.