Auch wenn uns Berichte anderer Magazine weismachen wollen, die Übertragung durch Servus-TV im deutschsprachigen Raum sei nun deutlich besser als davor mit Eurosport, wir haben diesbezüglich starke Zweifel. Was bei Eurosport definitiv besser war:
Es wurden ab dem ersten Freitagstraining in der Regel alle Trainings live übertragen. Leider allerdings zum Teil auf dem Pay-Kanal Eurosport 2. Die Schweizer Zuschauer und viele Österreicher mit einem Abo hatten damit natürlich kein Problem. Für die meisten (aber nicht alle) Deutschen Fans war der Empfang hingegen gar nicht oder höchstens über Satelliten-Receiver möglich. Was die Kommentatoren betrifft, vermissen immer noch sehr viele Fans das Gespann Lenz Leberkern und Dirk Raudies, welche uns zum Glück immer noch für die Superbike Übertragungen erhalten blieben. Mit Jan Stecker und seinen Kollegen konnte man sich aber trotzdem jedes Mal über eine professionelle Berichterstattung und vielen interessanten Interviews vor Ort freuen. Leider verstarb Ralf Waldmann vor einem Jahr völlig unerwartet und viel zu früh! Er war, seit er dazukam, natürlich das Salz in der Suppe. Ein Original wie es sie im Rennsport heute wohl nie mehr geben wird, mit dem Herz auf der Zunge und einem Leuchten in seinen Augen, was seinesgleichen suchte. Er war mit Leib und Seele dem Rennsport verschrieben und jeder Zuschauer musste das spüren.

Was die Übertragung von Servus TV ab Qatar 2019 betrifft, dürften viele Fans allerdings schwer enttäuscht sein. Bis zum Qualifying kann man sich die Übertragung der Trainings bei Servus lediglich im Live-Stream anschauen, allerdings nur mit englischem Kommentar. Die Kollegen in Deutschland sind dabei außen vor, der Livestream ist nämlich nur in Österreich empfangbar. Unterm Strich für MGP-Fans in Deutschland leider daher, zumindest bezüglich Trainings, noch schlechter als zuvor! Schaut man sich dann noch die Geschichte der Trainings in Losail 2019 genauer an, sieht man die entstandene Problematik erst recht: Aufgrund der extremen Temperaturunterschiede war in Qatar das FP2 (2. von 3 freien Trainings) in der MGP für die direkte Qualifikation in Q2 absolut vorentscheidend. Die 10 schnellsten Fahrer im FP2 vom Freitagabend qualifizierten sich für Q2, während beispielsweise ein Valentino Rossi ausgerechnet im FP2 Pech hatte und nicht unter die ersten 10 kam. Nachdem am Samstag im FP3 die Temperaturen für schnelle Zeiten zu hoch waren, hatte Valentino Rossi zusammen mit einigen anderen in FP 2 „gestrauchelten“ Fahrern, keine Chance mehr auf eine Zeit-Verbesserung. Daher war die Sache gelaufen und Valentino, wie auch Jorge Lorenzo, mussten ins Q1. Die ganze Spannung solcher Vorentscheidungen erleben wir bei wechselhaften Wetterbedingungen an den Rennwochenenden immer wieder. Nachdem es Valentino Rossi auf seiner Yamaha prompt auch im Q1 nicht nach Wunsch lief, musste er weit hinten starten, nicht das erste Mal in Qatar. Wäre Rossi aus der 2. Startreihe losgefahren, man kann sich durchaus vorstellen, dass dann statt Platz 5 im Rennen auch das Podium möglich gewesen wäre.

Valentino Rossi (in der Mitte) und Jorge Lorenzo (Links im Bild) in Losail 2019 auf den ungewohnten Startplätzen 14 und 15. Rechts mit Startnummer 63 Francesco „Pecco“ Bagnaia

Quantität vs. Qualität

Ob ab den Qualifyings gleich 6 (in Worten sechs) Kommentatoren inklusive Experten notwendig sind, fragten sich mit uns bei der Übertragung aus Losail vermutlich zahlreiche Servus-TV Zuschauer. Mit Urgestein Gustl Auinger, Alex Hofmann und HRC-Testfahrer Stefan Bradl sind offenbar meist drei Experten vor Ort. Dazu zwei Moderatorinnen (wieso braucht es überhaupt zwei, nur für Quali und Rennen?), sowie dann noch den eigentlichen Kommentator Christian Brugger. Angeblich war die TV-Quote mit knapp über 400 Tausend Zusehern in Deutschland (oder war es im ganzen deutschsprachigen Raum, inkl. Schweiz und Österreich?) bereits zu Beginn sehr gut. Am Sachsenring im Jahr 2011 waren allerdings alleine mehr als 230’133 Zuschauer vor Ort, an einem einzigen Rennen! In diesem Vergleich wirkt die nach dem 1. Rennen in Losail/Qatar gemeldete Zahl hingegen äußerst bescheiden. Auch wenn man wahrnimmt, dass in der (besonders bezüglich Einwohnerzahlen) winzigen Schweiz eine Sendung wie das Sportpanorama (Sonntagabend ab 18:15 Uhr ausgestrahlt) gerne mal über 300 Tausend Zuschauer vor den Fernseher lockt. Wenn man bedenkt, dass vor Ort in den Jahren 2016 und 2017 jeweils über 2,6 Millionen Zuschauer die Rennen sahen, wirken all diese Zahlen sowieso extrem bescheiden. In den Jahren 2018 und 2019 liegen wir bestimmt kaum tiefer. Das Rennen in Losail/Qatar drückt übrigens den Besucherschnitt vor Ort jedes Jahr auf einen tieferen Wert. Würde statt in Losail beispielsweise in Budapest oder Donington gefahren und darüber hinaus auch die Rennen in Motegi und Phillip Island durch solche Orte mit hoher Zuschauer-Erwartung ersetzt, die Marke von 3 Millionen Besuchern insgesamt wäre bestimmt bald geknackt.

Besucherzahlen 2016 und 2017 MGP

Nebst Losail, Motegi und Phillip Island fällt insbesondere Aragon, Austin und Jerez ab

Experten als Co-Kommentatoren

Zu diesem Thema könnte man womöglich ein Buch füllen, aber konzentrieren wir uns einfach mal auf die Herren bei Servus-TV:
August „Gustl“ Auinger ist ein Urgestein im Motorradrennsport und sein Buch über seine unglaubliche Rennfahrerkarriere liegt natürlich auch in unserer Bibliothek. Wir können es jedem Fan nur wärmstens empfehlen, die Erzählungen sind ohne Übertreibungen gehalten und trotzdem bekommt man beim Lesen oft eine Gänsehaut. Wie der Rennsport und wie beschwerlich das Leben damals für Privatfahrer war, kann man sich heute nur noch mit Hilfe solcher Zeitdokumente vorstellen. Ob er als Fahrer der 70er und 80er Jahre viel zum völlig veränderten Rennsport von heute beitragen kann, sollen die Zuschauer selbst beurteilen. Als Nachwuchs-Betreuer im Red Bull Rookies Cup kennt er jedenfalls viele kommenden Stars persönlich und seine Fach-Kompetenz lässt sich soweit nicht in Frage stellen.
Alex Hofmann ist als Moto-GP Fahrer noch vielen Zuschauern und Fans in Erinnerung. Als Fahrer damals viel zu oft mit unterlegenem Material unterwegs, konnte er trotzdem einige Akzente setzen. Jemand der es trotz wenig konkurrenzfähigem Motorrad in der höchsten Kategorie des Motorrad-Rennsports mehrmals in die Top 5 der Startaufstellung schaffte, verdient den Respekt aller. Als Co-Kommentator im deutschsprachigen Raum ist er mittlerweile kaum wegzudenken. Um sich für Interviews auf der Startlinie manchmal durchzuboxen, hat er glücklicherweise auch noch eine ausreichend robuste Statur. Sein Hauptvorteil, die immer noch zahlreichen Kontakte im Paddock, was für seinen Job extrem hilfreich ist.
Stefan Bradl als Bayer, wie er im Buche steht, ist ein absoluter Sympatico. Ihm hört man jederzeit gerne zu und sieht über jeden Versprecher gerne hinweg. Seit 2018 als HRC-Testfahrer mit einigen Einsätzen in der MotoGP während der Saison, ist er mit einem Bein noch mittendrin im Geschehen. Gerade dies ist aber im Gegensatz zu Alex für ihn natürlich auch ein nicht zu unterschätzendes Handicap. Leider darf er keine Details verraten, was die Technik betrifft und dies ist unter diesen Umständen auch absolut verständlich. Allerdings schmälert dies leider seinen Wert als Experte bei den Servus-Übertragungen.

Warten wir ab, wie es weitergeht, allerdings dürfte die Enttäuschung vieler Deutschen Fans anhalten. Solange Servus TV erst für das Qualifying richtig live geht, könnten sie es sich allerdings ersparen, mit einem sechsköpfigen Team anzureisen. Eine Live-Übertragung ab FP1 in Deutsch, würde selbst mit Studio-Kommentar, definitiv mehr Sinn machen. Zusammen mit den drei Experten würde Christian Brugger die Kommentierung bestimmt auch ohne 2 Moderatorinnen sehr gut hinbekommen. Eurosport hat dies mit Jan Stecker in den vergangenen auch prima hingekriegt.