Schuldenfreies deutsches Team fliegt 2020 aus der Moto2
Die Nachricht kam wie ein Schlag in die Magengrube für viele Fans und ehemalige Fahrer des Kiefer Racing Teams, wie beispielsweise Stefan Bradl. Vor dem Rennen zur Moto2 in Brünn wurde von Jochen Kiefer bestätigt, dass ihm der Rauswurf aus der GP Szene per 2020 offiziell angekündigt wurde. Nach dem tragischen und völlig unerwarteten Herztod seines Bruders Stefan, der bis Herbst 2017 als Teamchef fungierte, versuchte Jochen mit viel Herzblut und Engagement die Fortsetzung des WM-Engagements zu sichern. Schulden hat er nach eigenen Angaben nirgends, trotzdem scheint es beschlossene Sache zu sein, dass man das Deutsche Team nicht mehr im Paddock will. Angeblich haben andere im Paddock bei Kiefer Racing Schulden, namentlich der ehemalige Kiefer Pilot Dominique Aegerter, der 2018 noch bei Kiefer auf KTM fuhr.
Falsche oder teils ungeschickte Entscheidungen
Es kann nicht mit Bestimmtheit gesagt werden, ob dies das Kiefer Racing Team gerettet hätte, aber wir wissen von einem Angebot an Jochen Kiefer. Nicht nur arbeitstechnische Unterstützung, sondern auch ein finanzielles Engagement war angedacht, aber vorsichtshalber noch nicht versprochen. Nach der Enttäuschung mit der zwielichtigen Wiener Investmentfigur, welche zuerst das Team mit angeblicher Finanzierung aus Russland übernehmen wollte, war das Angebot noch ohne Details an Jochen Kiefer herangetragen worden. Er meldete sich allerdings gar nicht erst zurück und verpasste womöglich dadurch eine deutliche Entlastung für sich und sein Team. Dazu kommt, dass er den absolut unerfahrenen Nachwuchsfahrer Lukas Tulovic aus Deutschland verpflichtete, von dem nicht viel erwartet werden konnte. Mit Domi Aegerter hatte Kiefer im Vorjahr einen Fahrer mit grossem Bekanntheitsgrad und einer sehr breiten Fan Base. Die Werbe-Wirksamkeit eines jungen und beinahe unbekannten Deutschen ist nahe null, dadurch fiel es auch immens schwer, finanzkräftige Sponsoren zu gewinnen. Weshalb der vermeintliche Hauptsponsor noch vor Saisonbeginn wieder ausstieg, bleibt schleierhaft. Grundsätzlich ist es für ein deutsches Team immer schwer, genügend Sponsorengelder für ein langfristiges Engagement zu finden. Die (rein finanziell gesehen) goldenen Zeiten von Tabakwerbung und Alkoholika auf den Verschalungen von Rennmotorrädern sind vorbei. Kürzlich erzählte uns ein Insider vom Engagement im Rennsport in früheren Jahren, auch der viel zu früh verstorbene Ralf „Waldi“ Waldmann gehörte zu den unterstützten Fahrern. Doch selbst ein Top-Sponsor wie Red Bull verspricht heute keine sorglosen Zeiten mehr, man denke nur an die dauernden herben Rückschläge, welche KTM und Tech 3 einstecken müssen.
Quo vadis – wie weiter für Kiefer Racing?
Sofern der Kampf mit stumpfen Waffen gegen den Entscheid aus den Reihen IRTA und Dorna verloren geht, wovon auszugehen ist: Wie geht es mit Kiefer Racing weiter?
Laut Jochen Kiefer wird man nicht von der Bildfläche verschwinden, sondern sich wie bisher im Nachwuchsbereich engagieren. Eine Rückkehr in den MotoGP Haifisch-Teich ist, realistisch gesehen, so gut wie ausgeschlossen. Wir hätten einen Vorschlag für ein Engagement, was mit deutlich bescheidenerem finanziellen Aufwand realisierbar ist: Ein Einstieg in die WSSP, am besten gleich mit Lukas Tulovic in der WSSP 600 antreten, wo die Trauben in erreichbarer Höhe hängen dürften. Wenn Lukas das Potenzial hat, von dem Jochen Kiefer nach wie vor überzeugt sein dürfte, sind auf Anhieb Top Ten Resultate eine realistische Zielsetzung. Dazu noch mit einem oder zwei Nachwuchsfahrern in der WSSP 300 anzutreten, mit einem unbestritten guten Team wie Kiefer Racing, im Prinzip müsste das fast gutgehen! Und vielleicht trifft man in der WSSP oder WSBK gleich den alten Bekannten Aegerter wieder, ob er für nächstes Jahr noch in der Moto2 einen Platz findet, darf zumindest bezweifelt werden. Mit 3 Podien bei den 8 Stunden von Suzuka empfiehlt er sich ohne Frage sogar für die WSBK. Die zahlreichen Fans von Domi und dem Kiefer Team könnten sich jedenfalls freuen, die Ticketpreise für WSBK sind wesentlich moderater und die Rennen in der Regel mindestens so spannend (in der Königsklasse WSBK derzeit unbestritten noch spektakulärer) wie in der MotoGP und Moto2. Dazu kommen noch Schmankerl wie die Paddock Show und viel mehr Nähe für die Zuschauer, in der WSSP und WSBK ist definitiv alles wesentlich „familiärer“.
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