Marc Marquez (Repsol Honda) – beim Saisonauftakt in Jerez genau dies getan, was nach seiner eigenen Aussage im Vorfeld ein absolutes „no-go“ in der verkürzten Corona-Saison war, nämlich zu viel riskiert. Damit geriet der amtierende Weltmeister gleich zu Beginn unter Druck und beging den größten Fehler seiner Karriere (© MotoGP).

MotoGP Jahresrückblick 2020 – die imaginäre Nummer 1

Im Vorjahr hatte der junge Mann aus Katalonien die MotoGP Weltmeisterschaft dominiert, wie in seiner Karriere noch nie. Mit jeweils an die 30 Stürze pro Saison galt er schon beinahe als unverwundbar und seine „Saves“ wurden im Zweirad-Rennsport im Lauf der Jahre legendär. Dann kam die Saison 2020. Durch die Corona-Pandemie wurde der Kalender wie eine Handorgel zusammengedrückt und ein Notprogramm mit insgesamt 5 Doppelrennen gestrickt. Dadurch war klar, dass die Fahrer sich keine Fehler erlauben durften, welche mit gravierenden Verletzungen endeten. Genau diese Ansicht gab auch der 6-fache Weltmeister vor Saisonbeginn in Jerez de la Frontera zu Protokoll.

Marc Marquez (Repsol Honda) nach seinem Ausritt in Kurve 3 beim 1. Rennen der Saison, als er wieder durchs Kies zurück auf die Piste steuerte, um von weit hinten eine Aufholjagd zu starten. (© MotoGP).

Der verpasste Save und die fatalen Folgen

Ausgerechnet in der Kurve, welche für seinen Vorgänger Mick Doohan bei Repsol Honda dessen Karriere 1999 beendete, fand die Aufholjagd im 1. Rennen der Saison für Marc Marquez ein jähes Ende. Vermutlich war es das Vorderrad seines Bikes, welches ihn beim Sturz noch am rechten Oberarm traf, welcher dadurch in Brüche ging. Natürlich sind Motorrad-Rennfahrer zähe Burschen und der Spanier wollte sich vermutlich unsterblich machen. Jedenfalls saß er 4 Tage nach erfolgreicher OP statt in der Reha bereits auf seinem Bike. Dies notabene gegen den Rat seiner Ärzte, wie Aufnahmen mit der Aussage von Dr. Mir aus Barcelona dazu belegen (siehe auf dieser Seite unter „MotoGP“ – „Marquez-Histerie“).

Der Marquez-Abflug in Kurve 3, vier Runden vor Schluss – diese Aufnahme wurde teils eins zu eins von anderen Portalen übernommen. Dies stört uns überhaupt nicht, wichtig daran ist aus unserer Sicht lediglich die hohe Aussagekraft (© MotoGP).

Die Schuldfrage gibt es nicht
Seit dem gescheiterten Versuch seiner Rückkehr zum 2. Rennen in Jerez ist die Frage nach seinem Zustand ein Dauerbrenner. Spekulationen darüber und idiotische Berichte über die vermeintliche Schuldfrage vermögen Bücher zu füllen. Doch die Verantwortung lag allein beim Fahrer selbst und höchstens dazu noch den Rennärzten, welche ihn für „Rennfit“ erklärt hatten. Diese stehen seither in einem reichlich dubiosen Licht da, besonders weil nun Langzeitschäden drohen. Eigentliche Schuldfrage gibt es jedoch keine, weil jeder Sportler für sein eingegangenes Risiko prinzipiell selbst und allein verantwortlich ist. Es bleibt einzig die Frage offen, ob und in welcher Form die Repsol Honda Hoffnung in der Saison 2021 auf sein Bike zurückkehrt.

Der Moment der Aufgabe am 25. Juli 2020 – Marc Marquez an der Repsol Honda Box, als er den Versuch, sich für das 2. Rennen von Jerez zu qualifizieren enttäuscht aufgab. Seither kehrte er nie mehr auf seine RC213V zurück und kaum jemand interessierte sich während der Saison für sein Schicksal. Ganz anders, als die Motoren nach dem GP von Portugal ausgingen. Seither kursieren die wildesten Gerüchte und Spekulationen über seine Zukunft und seinen Zusatand (© MotoGP).

Die verwaiste Nummer 1 auf dem Bike

Seit Casey Stoner in der Saison 2012 fuhr kein Fahrer in der MotoGP mehr als amtierender Weltmeister die Nummer 1 auf seinem Bike spazieren. Weder Valentino Rossi mit seiner 46, die weltweit unzählige KFZ-Kennzeichen ziert, noch Jorge Lorenzo oder Marquez wollten hingegen auf ihre gewohnte 99 und 93 verzichten, nachdem sie den Titel erobert hatten. Vermutlich weil es so Merchandising-technisch leichter handhabbar ist, oder weshalb auch immer, in vielen Ländern würde es jedoch kein Mensch verstehen. Allen voran darunter die USA, wo die „Number one Plate“ für jeden Rennfahrer seit jeher das erstrebenswerteste Ziel seiner Leidenschaft ist. Unbestritten war jedoch Marquez 2020 vor Saisonbeginn haushoher Favorit Nummer eins, weshalb wir ihn auch nicht zuletzt, sondern als ersten in unserer Artikelserie aufführen wollten.

Casey Stoner war 2012 nicht nur der letzte MotoGP Weltmeister mit der Nummer 1 auf dem Bike, er war zudem auch der letzte Repsol Honda Pilot mit dieser Zahl auf seinem Bike (© MotoGP).

Die Aussichten für die Saison 2021

Wie eingangs erwähnt, hängt vieles von medizinischen Kriterien ab und natürlich, in welcher mentalen und physischen Form sich Marquez bis im Frühling 2021 befindet. Zu der Frage nach seiner Form würde sich auch noch diejenige nach seiner künftigen Risikobereitschaft gesellen, welche oft genug bei über 100 Prozent lag. Ehemalige Rennfahrer wie Mick Doohan bestätigten bereits öffentlich, dass sie nicht damit rechnen, dass der Katalane bei seiner Rückkehr wieder ganz der „Alte“ sein könne. Dazu kommt die Tatsache, dass der 6-fache MotoGP Champion noch nie so lange darauf verzichten musste, seine Reflexe auf 2 Rädern zu trainieren. Der von einigen Kommentatoren für Marquez gerne gebrauchte Begriff Überflieger könnte nach seiner Rückkehr jedenfalls eine bildhafte Bedeutung erhalten, sollte er mit demselben Ehrgeiz wie zuvor zur Sache gehen wollen. Zumindest verbal gab er dies seinen Fans gegenüber schon mehrfach zum Ausdruck. Lassen wir uns überraschen!

Andrea Dovizioso bei seinem Interview nach dem ersten Rennen der Saison in Jerez de la Frontera. Der Italiener ist für 2021 frei jeglicher Verpflichtungen und wäre wohl die optimale Lösung für HRC, sollte Marquez weiterhin als Langzeitverletzter pausieren. Mit den im Schnitt nur 2,45 Punkten in den 11 Rennen von Stefan Bradl gilt dieser kaum als weiterhin tragbarer Ersatz für einen längeren Zeitraum (© MotoGP).

Provisorischer kombinierter Kalender 2021

In Kursivschrift haben wir die Events aufgeführt, an deren Durchführung wir starke Zweifel anmelden. Fehlend ist aktuell die noch völlig offene, von der Dorna angedachte 13. WorldSBK Runde, sowie Phillip Island. Als Termin kommt dafür nur das Wochenende vor oder nach dem Rennen auf dem Mandalika Circuit in Indonesien infrage. Für Phillip Island und die WSBK ist dort der Vertrag noch nicht unterzeichnet. In Rotschrift stehen die MotoGP Renntermine, welche mit einem WorldSBK Wochenende kollidieren, was zeitlich jedoch nur beim GP von San Marino eine Überschneidung bedeutet. Aufgrund der Zeitumstellung in Japan und Indonesien ist dies hingegen unkritisch.

Ersatzstrecken für die MotoGP sind Portimao (Portugal), der neue Mandalika Racetrack in Lombok (Indonesien) abhängig von der Fertigstellung und Homologation, sowie der Igora Drive Circuit in St. Petersburg (Russland).