MotoGP Jahresrückblick 2020 – die Startnummer 20
Bei Fabio Quartararo und seiner Saison sieht man gut, wie verfälscht die Darstellungen in den Medien und einige gute Resultate zu völlig falschen Erwartungen führen können. Der erst 21 Jahre junge Franzose aus Nizza wurde womöglich auch das Opfer seiner eigenen, ins beinahe Unermessliche gestiegenen Erwartungen nach seinem sensationellen Auftakt in Jerez. Doch eine Schwalbe macht noch keinen Sommer und bei genauerer Betrachtung seines bisherigen Werdegangs im Grand Prix Sport dürfte seine Saison 2020 gar nicht so sehr überraschen. Zumindest unter nüchterner Berücksichtigung einiger Tatsachen, wie beispielsweise folgender Statistik mit seinen bisherigen GP-Resultaten.
Die Logik nackter Zahlen siegte über Wunschträume
Im Grunde genommen hatte der junge Mann es nur mit sehr viel Glück in die MotoGP geschafft und dazu sogar noch in ein neues Team mit dem idealen Bike für einen Rookie. Wir haben übrigens bei ihm, wie auch bei allen anderen Fahrern im Saison-Rückblick ganz bewusst die Pole-Positions und schnellsten Rennrunden jeweils nicht aufgeführt. Nach unserer Erfahrung bewerten nämlich gut 90 Prozent sämtlicher Medienschaffenden diese Zahlen, als gäbe es dafür WM-Punkte. Genauso bei Test- und Trainings-Resultaten, die praktisch sämtliche Schreiberlinge bewerten, als lasse sich daraus der künftige Weltmeister ableiten. Genau mit dem dadurch entstehenden Druck kam er zu oft nicht klar. Vereinfacht gesagt siegte hier die Logik von Zahlen bei ihm über Wunschträume.
Die Sache mit dem Erfolgsdruck
Es gibt wohl nur wenige Sportarten, in welchen haushohe Favoriten nicht plötzlich Probleme bekundet hatten, mit dem Erfolgsdruck umzugehen. Und niemand kann in Fabio Quartararo hineinsehen, um abzuschätzen, was in ihm nach seinen zwei Siegen in Jerez vorging. Plötzlich war er vor Maverick Viñales, Vizeweltmeister Andrea Dovizioso, dem angeschlagen Alex Rins und allen anderen der absolute Topfavorit auf den Titel. Was danach passierte, ist bekannt und trotzdem auch im Nachhinein nicht ohne Faszination. Bis am Samstag schien alles nach Wunsch zu laufen und hinter dem erstaunlichen Johann Zarco auf der Vorjahres Ducati GP-19 standen Fabio und Teamkollege „Morbido“ in der ersten Startreihe.
Der erste Rückschlag beim Grand Prix von Tschechien
Fabio hatte einen guten Start erwischt und lag nach der ersten Runde hinter Petronas Yamaha SRT Teamkollege Morbidelli und dem erstaunlichen Aleix Espargaró auf seiner Aprilia auf Platz 3. Einen Umgang später war Quartararo Zweiter und begann seinen Rückstand von knapp 1,5 Sekunden auf Morbido zu verringern. Bis Runde 4 ging dies gut, aber kurz danach konnte der Italiener wieder den alten Abstand herstellen. Plötzlich ging Brad Binder am Franzosen vorbei und ab dann ging es für ihn Schritt für Schritt nach hinten. Bis zum 16. Umlauf hatte ihn erst sein Landsmann Zarco überholt, doch danach fuhren ihm mit Rins und Rossi gleich zwei Fahrer vor. Am Ende wurde es nur Platz 7 hinter Miguel Oliveira auf der zweitbesten KTM. Ohne den selbstverschuldeten Sturz von Pol Espargaró wäre es definitiv nur der 8. Rang geworden.
Vorentscheidung bereits in Spielberg
Im Vorjahr hatte „Quarti“ auf dem bei vielen Fahrern reichlich unbeliebten Kurs in der Steiermark überraschend ein Podium geholt. Dies ausgerechnet auf einer Strecke mit einem der höchsten Vollgas-Anteile im Kalender. Bis auf KTM hatte hier wie in Brünn kein anderer Hersteller Vorteile gegenüber den Yamahas, mit Ausnahme natürlich der pfeilschnellen Ducatis. Wie zuvor in Tschechien, gab es vor dem Rennen erneut keine Anzeichen, dass für Viñales und Quartararo hier etwas schieflaufen könnte. Doch bereits im ersten Rennen hatte der Franzose Bremsprobleme. Nach dem fürchterlichen Crash in Ecke 3 (dies Kurve zu nennen, wäre zu beschönigend), der „Vale“ und Maverick beinahe das Leben kostete, wurde es nach dem Neustart nur Platz 8. Der absolute Tiefpunkt folgte am zweiten Rennwochenende mit Rang 13.
Der erste absolute Tiefpunkt in Fabios MotoGP Karriere
Mit Misano kam die letzte Strecke zum Zug, auf welcher andere Teams wie KTM und Aprilia durch ihre vorherigen Tests gewaltige Vorteile ausspielen konnten. Bei ihnen war die Reifenwahl im vornherein klar und die Fahrer konnten sich von Beginn an auf ihre Performance konzentrieren. Dazu hatten aufgrund der speziellen Eigenschaften des neuen Asphalts noch diverse Italiener davon profitiert, dass sie vor dem GP-Doppelwochenende ausgiebig hier mit Superbikes getestet hatten. Sie kannten jede Unebenheit, von denen es definitiv auf dem welligen Kurs einige zuviel hatte. Einmal mehr funktionierte bis zum Qualifying für Fabio aber alles nach Wunsch und er hatte sich mit Startplatz 3 eine hervorragende Ausgangslage geschaffen. Nach 11 Minuten und 31 Sekunden war die Sache für „Quarti“ am Sonntagnachmittag gelaufen und er landete auf dem Hosenboden.
Ein zusätzliches Grundübel des schnellen Franzosen
Nebst Erfahrung für solche Situationen auf WM-Niveau fehlte es Quartararo auch an Routine, was die Bewältigung der neuen Reifen-Problematik betraf. Daran scheiterten jedoch auch Routiniers wie Dovi und Altmeister Rossi, sowie Maverick auf demselben Fabrikat wie der schnelle Franzose. Nach dem kurzen Zwischenhoch mit seinem Sieg auf dem Circuito de Cataluña kam noch ein zusätzliches Grundübel von Fabio ans Licht. Nämlich die Tatsache, dass er alles andere als ein begnadeter Regenfahrer ist, was sich im Lauf seiner weiteren Karriere aber durchaus noch ändern kann. Doch ausgerechnet bei seinem Heimrennen regnete es und während Rossi bereits in der ersten Runde gestürzt war, wurde der Lokalmatador förmlich zu Kanonenfutter für seine Gegner. Trotz seiner Poleposition lag er nach 6 Runden nur noch auf P11 und wurde am Ende neunter.
Ironie des Schicksals – der Qualifyier Award ging an..
Es gab einen 2-er BMW der M-Reihe des bayerischen Herstellers dafür, den Quartararo jedoch seinem Vater schenken sollte. Für Menschen mit seinem Einkommen, die sich auch einen Maserati oder Ferrari leisten können, war dieser „frisierte Kleinwagen“ wohl eher eine zusätzliche Klatsche. Ein Fahrzeug, das in der Regel Vorstadt-Bengel mit umgedrehter Schirmmütze als Statussymbol leasen, das ist nichts für einen Superstar der Königsklasse. Aber hier sind wir bereits wieder beim Beginn unseres Artikels über die Saison 2020 von Fabio angelangt und haben gelernt: Für „Best Laps“ und Polepositions gibt es keine WM-Punkte. Dies lernte auch der junge Mann aus Nizza in der Corona-Saison auf schmerzhafte Weise.
Die Aussichten für Fabio Quartararo für 2021
Im Winter sollte er unbedingt so gut wie möglich auch auf nasser Strecke genug üben. Vor allem, wenn man bedenkt, dass in China und den Niederlanden so gut wie jedes zweite Rennen bisher bei Regen stattfand. Zumindest seit die Statistiken dazu geführt werden und auch in Australien, Frankreich, Portugal und Tschechien wurde seither jedes Dritte Event bei feuchten Verhältnissen ausgetragen. Während bei seinem nächstjährigen Monster Energy Yamaha Teamkollegen Maverick Viñales grundsätzliche Zweifel an seiner Konstanz bestehen, muss dies für Fabio nicht ebenfalls gelten. Mit seinen Fans wünschen wir uns für ihn, dass er 2021 nicht zu früh als WM-Leader unter Druck gerät und seine Yamaha wunschgemäß funktioniert. Wie vor der Saison 2020 glauben wir in diesem Fall immer noch, dass er das Zeug für eine ganz starke Saison 2021 hat.
Provisorischer kombinierter MotoGP & WSBK Kalender 2021
In Kursivschrift haben wir die Events aufgeführt, an deren Durchführung wir starke Zweifel anmelden. Fehlend ist aktuell die noch völlig offene, von der Dorna angedachte 13. WorldSBK Runde, sowie Phillip Island. Als Termin kommt dafür nur das Wochenende vor oder nach dem Rennen auf dem Mandalika Circuit in Indonesien infrage. Für Phillip Island und die WSBK ist dort der Vertrag noch nicht unterzeichnet. In Rotschrift stehen die MotoGP Renntermine, welche mit einem WorldSBK Wochenende kollidieren, was zeitlich jedoch nur beim GP von San Marino eine Überschneidung bedeutet. Aufgrund der Zeitumstellung in Japan und Indonesien ist dies hingegen unkritisch.
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