Franco Morbidelli (Petronas Yamaha SRT) beim Grand Prix von Tschechien am 9. August 2020. Der Italiener holte sich Platz 2 und war zum ersten, aber bei weitem nicht letzten Mal in der verkürzten Corona-Saison bester Yamaha Pilot des Wochenendes (© MotoGP).

MotoGP Jahresrückblick 2020 – die Startnummer 21

Obwohl ähnlich in die MotoGP gestartet wie sein Teamkollege seit 2 Jahren, war „Frankie“ seit dessen Einstieg in die MotoGP fast immer deutlich in seinem Schatten gestanden. Wie Fabio Quartararo hatte Morbidelli zwar in der ersten Saison 2018 den „Rookie of the Year“ – Award abgeräumt. Doch in vielen anderen Punkten unterschieden sich deren Karrieren sehr. Das gilt auch für den Werdegang, weil „Morbido“ über die European Superstock Meisterschaft auf 600 cm³ Serienmaschinen in die mittlere Klasse gewechselt hatte und nicht wie Fabio den üblichen Weg durch die Moto3 gegangen war. Dazu ist er sogar bereits Weltmeister geworden, in seinem 5. Anlauf als Moto2 Pilot, bevor er in die MotoGP kam.

Jerez de la Frontera im Mai 2019 von uns vor dem Start am Sonntag festgehalten – Franco Morbidelli (vorne im Bild) auf Startplatz 2 und sein Petronas Yamaha SRT Teamkollege Fabio Quartararo auf der Poleposition. Zwei Fahrer eines Privatteams auf den ersten zwei Positionen der Startaufstellung zwang manch altgedienten Fan zum Umdenken. So etwas hatte es schon sehr, sehr lange nie mehr gegeben.

Vom Schattenmann zum strahlenden Sieger

Der als Sohn eines ehemaligen italienischen Rennfahrers und einer brasilianischen Mutter in Rom geborene Franco war bereits in der Saison 2019 eher ein Schattenmann. Nebst seinem Mentor Valentino Rossi und dem pfeilschnellen Fabio Quartararo nahmen viele Franco oft gar nicht richtig wahr. Dies galt sowohl in seiner Heimat, wie auch international bis zumindest dem GP von Tschechien 2020 weiterhin. Beim 3. Rennen der Corona-Saison begann sich jedoch das Blatt langsam zu wenden. Am 9. August hatte er als Zweiter eine ähnliche Rolle wie der hinter ihm platzierte Johann Zarco. Morbido war der Retter von Yamaha und der Franzose bewahrte Ducati von einer Pleite. Aber dann kam der fürchterliche Crash, in welchen die beiden nach einer Berührung von Frankies Vorderrad mit dem Hinterpneu des Ducati Piloten nur mit Glück ohne schwere Verletzungen davongekommen waren.

Johann Zarco links und rechts am Boden Morbido, unmittelbar nach einem der heftigsten Unfälle der letzten Jahre in der MotoGP. Passiert auf der brandgefährlichen Strecke von Spielberg, die in der Formel-1 als sehr beliebt gilt und in der MotoGP eher als unterirdisch von Fahrern und Fans wahrgenommen wird (© MotoGP).

Glimpflicher Ausgang einer Beinahe-Tragödie vor dem bisher größten Triumph
Glücklicherweise wurde niemand schwer verletzt und die herumfliegenden Trümmerteile verpassten die Köpfe von Rossi und dessen Teamkollegen, wenn auch denkbar knapp. Nach seinem Ausfall im 2. Rennen von Jerez mit Motorschaden, dem verpassten 2. Teil des GP von Österreich und nur Platz 15 im zweiten Rennen von Spielberg lag Morbidelli trotz P2 in Brünn nur noch auf WM-Rang 11. Kein Mensch hatte den Italiener mehr auf der Rechnung für vordere Platzierungen und erst recht nicht als Kandidat für die Top drei der Weltmeisterschaft. Dann kam das Rennen von Misano und der bisher schönste Tag für den Yamaha Piloten in seinem Rennfahrer-Leben. Einen Durchhänger mit nur Platz 9 im zweiten Rennen an der Adriaküste konnte er damit gut verschmerzen. Dies vor allem auch, weil es dafür eine Begründung mit seinem gesundheitlich angeschlagenen Zustand gab, der zum Glück aber nichts mit der Covid-19-Pandemie zu tun hatte.

Der Sieger des ersten Rennwochenendes von Misano – Franco Morbidelli hatte seinen ersten Grand Prix in der Königsklasse für sich entschieden, war aber immer noch der bis dahin am schlechtesten klassierte Yamaha Pilot (© MotoGP).

Die starke zweite Halbzeit

Für Frankie folgte eine starke zweite Halbzeit und trotz nur dem 9. Platz von Misano 2 hatte er sich im WM-Zwischenklassement sogar um zwei Positionen verbessert und lag nun auf P5. Mit Rang 4 auf dem Circuito de Cataluña konnte er diese Platzierung halten, doch in Le Mans kam sein erster selbstverschuldeter Fehler und der Italiener stürzte. In der verrücktesten WM der letzten Jahrzehnte verlor er jedoch nur eine Position an Honda Pilot Takaaki Nakagami. In Aragon folgte am ersten Wochenende ein solider sechster Platz und danach der zweite Saisonsieg. Nach dem letzten Rückschlag in Valencia 1 mit Platz 11 kam der 3. Triumph. Und die Kür folgte in Portimão, wo Morbidelli mit einem weiteren Podium Position 2 im WM-Klassement halten konnte, während selbst Weltmeister Mir hier strauchelte.

Franco Morbidelli (Petronas Yamaha SRT) vor Dovi, Jack Miller und Alex Marquez – sie alle hatte der Underdog am Ende in der WM hinter sich gelassen (© MotoGP).

Die erfrischende Offenheit des Italieners beeindruckt

Ein englischer Journalist stellte dem Italiener nach seinem Sieg in Aragon die Frage, ob er weiterhin für sich selbst fahre oder nun bald eine Stallregie von Yamaha zu erwarten sei. Dazu die Frage, ob ab nun nicht besser seine Teamkollegen Viñales und Quartararo für ihn fahren sollten. Als Erstes gab der Rossi-Schützling dazu ein erfrischendes Lachen von sich. Danach machte er sich primär darüber lustig, dass er vor dem Rennen noch ein Niemand für die meisten Journalisten war und nun nach seinem Sieg plötzlich der Superheld. Dazu fügte er an, jeder sollte sich auf seine eigenen Stärken konzentrieren. Sich ganz offen über Medienleute und deren Top oder Flop-Mentalität lustig zu machen hat definitiv das Format eines Valentino Rossi und zeugt von Charakter.

„Frankie“ Morbidelli – ein wortgewandter und perfekt englisch sprechender Sportler, der sich immer etwas überlegt, bevor er den Mund aufmacht. Gerade seit Cal Crutchlow seinen Platz als Stammpilot in der MotoGP verlor, nebst dem Original Jack Miller eine wahre Wohltat im Paddock (© MotoGP).

Was kann man von Morbidelli für 2021 erwarten?

Hierzu muss man berücksichtigen, dass der Mann freiwillig bereits ist, eine weitere Saison auf der „A-Spec“ Yamaha des Jahrgangs 2019 weiter zu bestreiten. Fast jeder andere Fahrer in seiner Situation hätte nach seinem Erfolg Top-Material gefordert. Doch nur er und wenige Eingeweihte wissen wirklich, auf welchem Stand dieses Bike ist. Interessanterweise hatte nämlich auch er in Jerez einen dem „Yamaha Ventil-Drama“ zugeschriebenen Motorschaden. Aber wie auch immer, die Chancen für ein hervorragendes Abschneiden stehen für den Römer definitiv sehr gut. Bis auf Le Mans und aus besonderen Gründen Spielberg war Morbido zudem auf jeder Strecke mindestens bei jeweils einem Rennen gut unterwegs. Uns würde deshalb nicht einmal verwundern, würde er nächste Saison sich gegenüber 2020 noch um eine Platzierung in der WM steigern.

Morbido mit seinen zwei Teamkollegen Michael van der Mark (links) und Hafizh Syahrin in Malaysia vor einem Jahr beim 6 Stunden Rennen. Die „8 Stunden von Sepang“ als WM-Lauf der FIM EWC Langstreckenweltmeisterschaft dauerten nämlich keine 6 Stunden (© FIM EWC).

Endstand der Fahrerwertung der MotoGP 2020

Abzüglich der in der Herstellerwertung gestrichenen Punkte hätte Yamaha diese Wertung klar gewonnen. Für ihr Vergehen aufgrund des rund um deren Ventil-Problematik entstandenen Handelns wurde die Marke jedoch bestraft. Trotzdem hatte Yamaha mit 7 Grand Prix Siegen als Marke die meisten Erfolge verbucht. Morbidelli und Quartararo schafften als die einzigen beiden Fahrer 3 Siege, während Weltmeister Joan Mir auf Suzuki nur gerade einmal zu gewinnen vermochte. Mit den Erkenntnissen aus dem abgelaufenen Jahr und einigen Korrekturen für nächste Saison sollte der japanische Hersteller und seine Piloten für 2021 nicht unterschätzt werden.

Die GP-Karriere von Morbido im Rückblick

Als Moto2 Weltmeister wurde auch er nicht geboren, aber der Italiener schaffte in seiner 5. Saison in der mittleren Klasse, was trotz bestem Material dem Schweizer Tom Lüthi bisher verwehrt blieb. Vor allem aber war er mit diesem im selben Jahr in die MotoGP aufgestiegen und auf der Vorjahres-Werkshonda RC213V von Weltmeister Marc Marquez im selben Team gestartet. Während Morbidelli Rookie of the Year wurde und damit als bester Aufsteiger der MotoGP Saison 2018 einen Vertrag bei Petronas Yamaha SRT erhielt, holte der Eidgenosse keinen einzigen WM-Punkt. Beim malaysischen Team stand Morbido dann zunächst im Schatten von Fabio Quartararo, was sich im Jahr danach jedoch drastisch ändern sollte.

Provisorischer kombinierter MotoGP & WSBK Kalender 2021

In Kursivschrift haben wir die Events aufgeführt, an deren Durchführung wir starke Zweifel anmelden. Fehlend ist aktuell die noch völlig offene, von der Dorna angedachte 13. WorldSBK Runde, sowie Phillip Island. Als Termin kommt dafür nur das Wochenende vor oder nach dem Rennen auf dem Mandalika Circuit in Indonesien infrage. Für Phillip Island und die WSBK ist dort der Vertrag noch nicht unterzeichnet. In Rotschrift stehen die MotoGP Renntermine, welche mit einem WorldSBK Wochenende kollidieren, was zeitlich jedoch nur beim GP von San Marino eine Überschneidung bedeutet. Aufgrund der Zeitumstellung in Japan und Indonesien ist dies hingegen unkritisch.

Ersatzstrecken für die MotoGP sind Portimao (Portugal), der neue Mandalika Racetrack in Lombok (Indonesien) abhängig von der Fertigstellung und Homologation, sowie der Igora Drive Circuit in St. Petersburg (Russland).