Pol Espargaró (Red Bull KTM) – hier bei einem seiner zahlreichen Ausflüge ins Kiesbett, passier im ersten freien Training des 1. Misano Wochenendes 2020 (© MotoGP).

MotoGP Jahresrückblick 2020 – die Startnummer 44

Mit Ausnahme seiner ersten Saison und dem 2. und 3. Jahr in der Moto2 trat Pol Espargaró immer mit der Startnummer 44 an. Als der erste Corona-Lockdown kam, gehörte der Katalane zusammen mit seinem Team dank dessen Nationalität zu den großen Profiteuren. In Österreich war man damit früher und auch damals nicht so stark betroffen, wie die lateinischen Länder und vor allem Italien, wo die meisten Teams ihren Sitz haben. Dadurch konnten die KTM Piloten und Testfahrer Dani Pedrosa bereits ab Mai fleißig auf der Strecke üben. Mit Brünn und Spielberg, wo in der verkürzten Jahr wie in Misano gar ein Doppelrennen stattfand, ein unbezahlbarer Vorteil gegenüber sämtlichen anderen Teams. Insbesondere auch, weil die neuen Michelin Reifen komplett anders als die Einheitsreifen des Vorjahres waren.

Unsere Aufnahme der Strecke von Spielberg am GP-Wochenende 2018. Hier konnte KTM und dank seines Wohnsitzes in Andorra auch Pol Espargaró ab Mai 2020 wesentlich früher als die gesamte Konkurrenz ausgiebige Tests mit den neuen Michelin Reifen durchführen. Es waren sogar zur Unterstützung extra Techniker des französischen Einheits-Lieferanten zur Betreuung anwesend.

Pol Espargaró – umstrittener Bad-Boy der MotoGP

Auf keinen MotoGP Piloten der letzten Jahrzehnte trifft dieses Attribut besser zu, als auf den Katalanen aus Granollers, wo er unmittelbar bei der Strecke von Barcelona aufgewachsen ist. Der jüngere Bruder von Aleix Espargaró gilt jedoch in der Szene als wahres Großmaul. Ein Beispiel dafür lieferte er, als er sich trotz vielen selbstverschuldeten Stürzen und WM-Rang zehn trotzig zu Saisonmitte selbst als Titelkandidat bezeichnete. Doch aus den vielen unbestrittenen Vorteilen für ihn und sein vermochte der umstrittenste Fahrer im Paddock viel zu wenig Profit zu ziehen. Nicht nur, dass er sich bei seinen zahlreichen Stürzen im Rennen zu oft selbst aus dem Rennen nahm, hatte er gar beim GP von Österreich seinen Mannschafts-Kollegen Miguel Oliveira dabei mit aus dem Sattel geholt.

Pol Espargaró (Red Bull KTM) – oft genug lag oder kauerte der Spanier neben der Strecke, statt um Punkte kämpfen zu können. Statt wie Binder und Oliveira Siege heimzufahren, wurden es am Ende drei fünfte Plätze (© MotoGP).

Die frühe Trennung von der „KTM Familie“

Ausgerechnet als bereits bei den Winter-Testfahrten klar geworden war, dass KTM nach 3 Jahren endlich einen spürbaren Schritt nach vorne gemacht hatte, unterschrieb Pol Espargaró bei der Konkurrenz. Bei Repsol Honda war im Vorjahr Jorge Lorenzo fürchterlich gescheitert und bereits vor verspätetem Saisonbeginn leuchtete der HRC Führung ein, dass Alex Marquez im Werksteam eine Fehlbesetzung ist. An dessen Stelle wurde auf die Saison 2021 Pol verpflichtet, der womöglich nächstes Jahr sogar einziger Hoffnungsträger im Werksteam sein wird. Dies zumindest für den Fall, dass Marc Marquez noch länger pausieren muss und er durch Stefan Bradl erneut ersetzt wird. Mit drei jungen Fahrern und Danilo Petrucci könnte die Saison für KTM sich jedenfalls sehr ungemütlich entwickeln. Dies auch, weil die Testvorteile für nächstes Jahr Geschichte sind und wohl die Spieße der Konkurrenz wieder gleichlang sein werden.

Der KTM-Skandal beim Grand Prix von Österreich – Pol Espargaró stapft davon, nachdem er kurz davor den fassungslosen Miguel Oliveira (Tech 3 KTM) aus dem Sattel geholt hatte. Der Portugiese gab danach öffentlich bekannt, für ihn sei der Spanier mit Abstand der dümmste Pilot im Fahrerlager. So viel Stunk hatte es in den Jahren davor in der „KTM Familie“ noch nie gegeben (© MotoGP).

Die Saison der Nummer 44 im Zeitraffer

Pol Espargaró war mit den Plätzen 6 und 7 in Jerez durchaus hoffnungsvoll in die Saison gestartet. In Brünn nahm er sich mit bester Ausgangslage auf das Podium jedoch mit einer hirnlosen Aktion selbst aus dem Rennen. Als er in Kurve 1 weit gegangen war und danach auf die Ideallinie zurückzog, war innen vor ihm bereits Ex-Teamollege Johann Zarco auf der Ducati. Es kam zur Kollision, dem Sturz des Spaniers und skandalöser weise wurde daraufhin gar der Franzose mit einem Long-Lap Penalty von der Rennleitung bestraft. Dieser wurde aber trotzdem Dritter. In Österreich wiederholte Pol denselben Fehler wie in Brünn, holte damit aber auch seinen KTM Kollegen Oliveira aus dem Sattel. Natürlich unbestraft, die FIM schützt spanische Fahrer immer, wo es nur geht und räumt ihnen Sonder-Rechte ein.

Pol Espargaró (Red Bull KTM) – wenn Gesichtsausdrücke Bände sprechen. Bei Red Bull Media hatte man 2020 ganz schön Arbeit, die zahlreichen Vergehen des MotoGP Rüpels schönzureden (© MotoGP).

Der verschenkte Sieg und weitere Pleiten und Pannen
Unfreiwillig machte der Katalane im zweiten Rennen von Spielberg danach ausgerechnet Miguel Oliveira das Geschenk des Lebens. In der letzten Kurve attackierte er in üblich hirnloser Weise Jack Miller, um mit der Brechstange noch zu versuchen, vor dem Australier ins Ziel zu kommen. Obwohl meterweit außerhalb der Track-Limits blieb er wie üblich von der Rennleitung unbestraft, aber der Portugiese schlüpfte innen durch und lachte sich danach ins Fäustchen. Im ersten Rennen von Misano wurde Pol nur zehnter und am zweiten Wochenende fuhr er auf P4 durchs Ziel. Doch die FIM schlug mal wieder zu und bestrafte den vor ihm liegenden Quartararo mit einer Zeitstrafe. Als Krönung ihrer Fehlleistungen in der Corona-Saison hatten sie diesem mitten im Podestkampf einen Long-Lap Penalty aufgebrummt. Notabene für dasselbe Vergehen, wie es Espargaró zwei Rennen davor in Spielberg geboten hatte.

Pol Espargaró (Red Bull KTM) vor Joan Mir (Suzuki) in Misano. Nach dem zweiten Rennen an der Adria lag der Suzuki Pilot auf WM-Rang 4, während Pol nur zehnter war (© MotoGP).

Schlechter Start in die zweite Halbzeit
Die Krönung allen Unsinns bot der Katalane ausgerechnet wenige Kilometer von seinem Heimatort Granollers auf dem Circuito de Cataluña. Genervt vom ihn dauernd auf den Geraden wieder überholenden Danilo Petrucci (Ducati) verlor Pol die Nerven und verbremste sich außen liegend nach Start-Ziel. Unmittelbar nach seinem Crash glaubte er gar, der Italiener hätte ihn geschubst, was nachfolgendes Foto und die Zeitlupen-Aufnahmen eindeutig widerlegten. Der Titeltraum war nun endgültig ausgeträumt. Es folgten Platz drei in Le Mans, ein enttäuschender zwölfter Rang in Aragon und auf selber Strecke noch Position 4 im 2. Rennen. Valencia beendete er zweimal nacheinander auf P3 und in Portugal wurde es Rang vier. Die WM beendete er auf Platz 5, nur 10 Punkte vor Markenkollege Oliveira, der nach seinem Sieg in Portimão noch neunter wurde.

Pol vor Petrux in Barcelona – dem dummen Crash folgte im Kiesbett kurz danach eine noch dümmere Aktion des Lokalmatadors, als er Steine in Richtung des längst enteilten Italieners. Dabei traf er mit seiner sinnlos idiotischen und dazu unberechtigten Aktion beinahe noch einen Streckenposten. Natürlich blieb Espargaró auch dafür ungestraft (© MotoGP).

Die GP-Karriere von Pol Espargaró im Rückblick

Mit 5 Jahren in der 125 cm³ Weltmeisterschaft dauerte es im Vergleich zu vielen anderen Fahrern lange, bis sich Pol für die Moto2 zu qualifizieren vermochte. Nach seinem Rookie Jahr ging bei FTR ging es aber dort schnell aufwärts und im dritten Jahr holte er seinen bisher einzigen WM-Titel. In der MotoGP war er auf Anhieb gut mit dabei, aber in 6 Jahren nur ein Podestplatz ist kein Ruhmesblatt. Wäre er nicht Spanier, hätte er sich wohl nicht in der Königsklasse halten können, dies gilt jedoch auch für weitere MotoGP Kollegen inklusive seinen Bruder Aleix.

Ausblick auf die Saison 2021 für die Nummer 44

Sollte Marc Marquez fit zu seinem Team zurückkehren drohen seinem neuen Teamkollegen harte Zeiten. Aber ob dies der Fall sein wird, steht derzeit noch in den Sternen. Auf jeden Fall dürfte Pol mit der Honda schnell sein und bezüglich der Performance der RC213V des Jahrgangs kaum auf Ausreden wie diejenigen von Ersatzfahrer Stefan Bradl in diesem Jahr zurückgreifen. Mitentscheidend für seinen Erfolg dürfte bei Pol Espargaró sein, ob er oft genug sitzenbleibt. Wie die Geschichte seines nächstjährigen Repsol Honda Kollegen zeigt, kann dies durchaus auch mal ins Auge gehen. Alles andere als die WM in den ersten fünf abzuschneiden, dürfte jedenfalls auch der Katalane als Scheitern bezeichnen. Am Ehrgeiz fehlt es ihm definitiv nicht, aber hoffentlich übertreibt er es damit nicht wieder zu häufig.

Pol in der KTM Box in Spielberg – bei Repsol Honda erwartet ihn in vielerlei Hinsicht eine komplett andere Welt. Wie viel er dem nahe Barcelona domizilierte Team bringt, wird die Saison 2021 zeigen (© MotoGP).

Die Fahrerwertung der MotoGP 2020

Provisorischer kombinierter MotoGP & WSBK Kalender 2021

In Kursivschrift haben wir die Events aufgeführt, an deren Durchführung wir starke Zweifel anmelden. Fehlend ist aktuell die noch völlig offene, von der Dorna angedachte 13. WorldSBK Runde, sowie Phillip Island. Als Termin kommt dafür nur das Wochenende vor oder nach dem Rennen auf dem Mandalika Circuit in Indonesien infrage. Für Phillip Island und die WSBK ist dort der Vertrag noch nicht unterzeichnet. In Rotschrift stehen die MotoGP Renntermine, welche mit einem WorldSBK Wochenende kollidieren, was zeitlich jedoch nur beim GP von San Marino eine Überschneidung bedeutet. Aufgrund der Zeitumstellung in Japan und Indonesien ist dies hingegen unkritisch.

Ersatzstrecken für die MotoGP sind Portimao (Portugal), der neue Mandalika Racetrack in Lombok (Indonesien) abhängig von der Fertigstellung und Homologation, sowie der Igora Drive Circuit in St. Petersburg (Russland). Letzterer wird jedoch höchstens von Juni bis August infrage kommen, weil in den restlichen Monaten die Temperaturen nahe der finnischen Grenze viel zu tief für Motorrad-Rennen sind.