Marc Marquez (Repsol Honda) und sein fataler Abflug im ersten Saisonrennen in Jerez de la Frontera – weder Top noch Flop, sondern für Fahrer und Team eine veritable Katastrophe. Dies galt insbesondere auch für die Folgen seines zu frühen Comeback-Versuchs (© MotoGP).

Flop Nummer 1: Servus TV ohne Trainings-Übertragung

Unser Hauptwunsch zusammen mit einer Mehrzahl von MotoGP Fans im deutschsprachigen Raum bleibt derselbe wie im Vorjahr: Hoffentlich besinnen sich die Österreicher auf den Unfug, auf die Übertragung der freien Trainings zu verzichten. Viel schlechtere Eigenwerbung als mit dieser Katastrophe kann Red Bull kaum betreiben. Absolut zu Recht wurde der Sprudelkonzern in der Öffentlichkeit schon mehrfach dafür verurteilt, Extremsportler für ihre Werbewirksamkeit in den Tod springen zu lassen. Doch als Sport-Sponsor und Betreiber eines Formel 1 Rennstalls geht es nicht an, Hunderttausende von MotoGP Fans in Deutschland, Österreich und der Schweiz Jahr für Jahr vor den Kopf zu stossen.

Die luxuriöse Hospitality von Red Bull 2019 am Grand Prix von Spanien auf dem Circuito de Jerez – nicht ganz zufällig in Schieflage abgebildet. Mit derartigen Prunkbauten kann man vor Ort wohl beeindrucken, aber das Geld hätte wohl besser für die Übertragung sämtlicher Action live von der Strecke gespart werden sollen.

Unbestritten Top: Suzuki und KTM mit den Besten auf Augenhöhe

Bei KTM streiten sich die Experten teils noch, wie stark deren Höhenflug durch die frühe Aufhebung des Lockdowns in Österreich begünstigt war. Allerdings kann niemand bestreiten, dass die Österreicher in Brünn und Spielberg testeten, während sämtliche anderen Teams noch mitten in deren Corona-Sperrgebiet feststeckten. Dazu kam die Unterstützung von Michelin bei den KTM-Tests, verbunden mit den neuen Reifen, welche sämtliche anderen Teams lange Zeit vor unlösbare Probleme stellten. Nicht aber bei Suzuki, wo auf Anhieb Lösungen für die neuen Pneus aus Frankreich gefunden wurden. Wie stark die Abwesenheit von Marc Marquez zusätzlich begünstigte, dass diese seltsame Saison 2020 in der MotoGP zustande kam, wird man nie wissen. Aber niemand bestreitet, dass Suzuki und KTM mit den Besten auf Augenhöhe waren und dies verspricht für nächste Saison sehr viel Spannung.

Mittendrin, statt nur dabei – Suzukis Weltmeister Joan Mir auf der Verfolgung von Jack Miller (Ducati) und vor Pol Espargaró (KTM), Danilo Petrucci (Ducati) und Alex Rins (Suzuki). Dass neu sogar 5 Herstellern der Kampf um die WM-Krone zugetraut werden darf, ist die vielleicht positivste Erscheinung des von vielen Tiefschlägen gebeutelten Corona-Jahres (© MotoGP).

Flop Nummer 2: Das Virus und seine Unterarten

Wir denken bei den negativen Punkten betreffend Covid-19 und seine Unterarten wie die Variante 501.V2 nicht nur an die kurzfristigen Folgen. Verkürzte und geänderte Kalender sehen wir als eines der kleinsten dadurch entstandenen Probleme. Viel gefährlicher sind auf unserer Sicht langfristige Bedrohungen, was die Finanzierung betrifft und wie es sich beispielsweise bereits in der Supersport WM abzeichnet. Als abschreckendes Beispiel reicht hierfür der Rückzug des niederländischen Benro Racing Teams oder das auf einen Fahrer geschrumpfte Freudenberg KTM Racing Team. Anfangs Saison hatten letztere noch 4 Fahrer gemeldet. Der gesamte Motorsport steht in nächster Zeit vor einer harten Prüfung, weil auch wichtigen Sponsoren das Geld ausgeht.

Alessandro (genannt Sandro) Cortese von uns im Parc Fermé von Donington Park am 6. Juli 2019 nach dem ersten WorldSBK Rennen festgehalten.

Abstoßende Begleiterscheinungen der Pandemie
Während Red Bull Media Chefredaktor Günther Schiechfinger (Name von der Redaktion geändert) im Frühling noch behauptete, die Pandemie werde mit einem wirksamen Impfstoff aus England ab Oktober 2020 Geschichte sein, wissen wir heute: Der skrupellose Lügner gierte damals mit seinen Schlagzeilen nur auf einige Klicks mehr auf deren News Seite. Auch allen Schönrednern und Idealisten, die bezüglich menschlichem Zusammenhalt pathetische Floskeln von sich gaben wurde im ersten Lockdown bereits der Mund gehörig gestopft. Wir mussten zusehen wie fast alle Mitmenschen mit Hamsterkäufen sich als rücksichtslose Egoisten erwiesen. Dazu wie gutbetuchte Notfälle aus Krisengebieten in Spitäler anderer damals noch weniger stark betroffene Länder geflogen wurden. Der Öffentlichkeit wurde dies als Akt der Menschlichkeit verkauft, während in Ländern wie Frankreich ältere Erkrankte teils gar nicht mehr behandelt wurden.

Seltsame Besucher, die nichts mit dem Rennbetrieb zu tun hatten auf der Startaufstellung beim Saisonauftakt in Jerez, siehe die rot eingerahmten Subjekte. Soviel zum angeblichen „Closed Door Protocol“ der Dorna, dank dem teils wichtige Sponsorenvertreter und sogar einige Betreuer von Fahrern keinen Zugang erhielten. Hierzu soll sich jeder selbst sein Urteil bilden. Die zum Thema kolportierten Ausreden diverser Quelle wirkten jedenfalls wenig überzeugend (© MotoGP).

Top Nummer 2: Die Blutauffrischung in der MotoGP

Auch wenn viele bedauerlich finden, dass Cal Crutchlow die sogenannte Königsklasse des Motorrad-Rennsports verlassen muss, dies hat auch seine Vorteile. Weil nebst dem Engländer auch Tito Rabat einem Rookie Platz machen muss, gibt es Zuwachs. Die damit verbundene Blutauffrischung in der MotoGP dürfte definitiv viele positiven Aspekte bringen. Mit zwei neuen Italienern und einem Spanier haben wir dabei gleich auch den einzig negativen Punkt. Kein Engländer, kein Amerikaner, schon gar kein Deutscher, Österreicher oder Schweizer, die Serie ist bezüglich Fahrer-Nationalitäten sehr einseitig aufgestellt. Insofern kann man nur hoffen, dass auch diesbezüglich in naher Zukunft noch etwas passiert.

Luca Marini – als Dreikäsehoch und dessen Halbbruder bei Valentino Rossis ersten Titeln oft im Bild und nun selbst in die MotoGP aufgestiegen. Den Italiener muss man nächste Saison mit auf der Rechnung haben, wenn es um Überraschungen geht (© MotoGP).

Flop Nummer 3: Der Red Bull Ring

Die beiden Monster Energy Teamkollegen Valentino Rossi und Maverick Viñales mussten in Spielberg beinahe ihr Leben lassen. Als ihnen die Wracks der Bikes von den aneinander geratenen Johann Zarco und Franco Morbidelli um wenige Zentimeter an deren Köpfen vorbeiflogen, stockte sämtlichen Betrachtern der Atem. Wieso die weit über 300 km/h Geschosse der MotoGP heute noch auf Strecken antreten, auf welchen mit bis 70 bis 80 Prozent Vollgas gefahren wird, versteht kein vernünftiger Mensch. Ausgerechnet fand auf dieser Strecke in der verkürzten Corona-Saison zudem auch noch ein Doppelrennen statt. Mancher Fahrer wie Cal Crutchlow ist froh, wenn er dort nie mehr antreten muss. In unserer History der Superbike WM steht viel über die Rennen seit deren Beginn ab dem Jahr 1988. Insgesamt 10 Mal war der damals unter dem Namen Österreich-Ring bekannte Kurs in den ersten 12 Jahren dort im Kalender und schon damals gab es zu viele Unfälle.

Giancarlo Falappa (auch „der Löwe von Jesi genannt“, links im Bild) mit Raymond Roche (dem Superbike Weltmeister von 1990) und Marco Lucchinelli 1994 im WorldSBK Paddock. Der furchtlose Italiener mit den hellen Haaren hätte auf dem heutigen Red Bull Ring 1990 beinahe sein Leben verloren, kehrte jedoch in der nächsten Saison wieder zurück und war 2 Jahre später auf exakt dieser Strecke gar Doppelsieger in der WorldSBK. Mehr über die Geschichte früherer Jahre siehe in unserer ständig wachsenden History (© WorldSBK).

Top Nummer 3 – die herrliche Ruhe der Geisterrennen

Um es mal aus Team- und Fahrersicht zu schildern, war jedoch nur hinter vorgehaltener Hand erzählt wird, brachte das sogenannte „Closed Door Protocol“ durchaus auch seine Vorteile. Auch wenn es keines der Paddock-Mitglieder vor laufender Kamera oder dem Mikrofon zu sagen getraut, die herrliche Ruhe der Geisterrennen hatte definitiv viel für sich. Mit Ausnahme von Jerez sah man später keine Selfie- und Schnappschuss-Jäger mehr in der Startaufstellung. Wir selbst waren oft genug genervt, auch wenn es beispielsweise nur darum ging, kurz eine Cola oder ein Sandwich im Gedränge zu ergattern. Übrigens sind die Jambon-Emmental genannten Dinger in Le Mans den italienischen Panini geschmacklich deutlich überlegen, um es an dieser Stelle noch zu erwähnen. Jedenfalls gehen den meisten wohl oft nur schon beim Zusehen am TV die unzähligen Wichtigtuer auch auf der Startaufstellung gehörig auf den Keks. Aus der Perspektive von Teams und Fahrer ein wahrer Segen!

Blick von der Haupttribüne des Grand Prix von Katar anfangs März 2019 von uns in Losail aufgenommen. Hier war es im Vergleich zu den meisten anderen Rennen in diesem Jahr noch beinahe paradiesisch, während damals in Misano insgesamt 9500 (in Worten Neuneinhalbtausend) Personen Zutritt im Paddock-Bereich hatten (wenn auch nicht ganz überall). Trotzdem reden wir hier von einem Geldwert von bestimmt 8 bis 10 Millionen Euro, welche hier vom Veranstalter alleine für diese „VIP-Zutritte“ eingenommen wurden. Dazu kamen noch die Einnahmen der Ticketpreise für „Normalbesucher“, welche dort zusammen mit Mugello und Brünn im Jahr 2019 mit am höchsten waren.

Provisorischer Kalender der MotoGP 2021

In Kursivschrift haben wir die Events aufgeführt, an deren Durchführung wir starke Zweifel anmelden. Ersatzstrecken für die MotoGP sind Portimao (Portugal), der neue Mandalika Racetrack in Lombok (Indonesien) abhängig von der Fertigstellung und Homologation, sowie der Igora Drive Circuit in St. Petersburg (Russland). Bei letzterem Kurs ist eine Durchführung nur von Juni bis August möglich. Da im Juli in dieser Region die wenigen vorhandenen Hotels meist restlos ausgebucht sind, könnte dort eine Terminfindung zum Problem werden.

Am Losail GP 2019 kurz vor dem MotoGP Rennen von uns festgehalten: Der einzige Verpflegungsstand für Besucher ohne Paddock-Zutrittsberechtigung.