Johann Zarco (Pramac Racing) 2021 als WM-Leader im Interview in Portimão – im Gegensatz zu vielen anderen Figuren in der MotoGP, vor allem auch Kommentatoren und Journalisten, erzählt der sympathische Franzose keine Märchen. Als WM-Dritter gehört er auch zu Saisonbeginn 2023 vor dem dritten Grand Prix des Jahres wieder zu den herausragendsten Figuren. Als er sich 2019 freiwillig von KTM trennte, wurden einige Journalisten danach nicht müde, dies als Rauswurf der Orangen versuchen darzustellen. Aber Lügen haben meist kurze Beine, während Märchen nicht selten nach vielen Wiederholungen von manchen als Wahrheit betrachtet werden.

Die vermeintlich mangelnde Honda-Konkurrenzfähigkeit

Viele kennen einige dieser frei erfundene Geschichten in der MotoGP, zum Beispiel über die vermeintlich nicht konkurrenzfähige Honda. Wie die Ducati in früheren Jahren, ist die Honda RC213V definitiv kein einfach zu fahrendes Rennmotorrad. Aber wenn wie beim Grand Prix von Spanien 2022 in Jerez de la Frontera nicht weniger als drei Hondas in den Top elf ins Ziel fahren, lässt sich das Märchen über die angeblich mangelnde Honda-Konkurrenzfähigkeit nur schwer aufrechterhalten. Trotzdem packen es die meisten Journalisten Jahr für Jahr wieder aus und die Honda Verantwortlichen machen dieses Spiel jederzeit gerne mit. Aber kaum aufgewärmt, landet LCR Honda Neuzugang Alex Rins damit sensationell im FP2 in Austin (Texas) am Freitag auf Rang drei. Trotzdem können wir uns darauf verlassen, wir werden diese frei erfundene Geschichte auch in Zukunft noch oft hören. Übrigens noch dazu ganz am Rande vermerkt: Alex Rins wurde soeben im Sprintrennen von Austin „überraschender“ Zweiter und dies auf der LCR Honda.

Alex Rins (Suzuki EcStar) von uns 2019 auf der Verfolgung von Franco Morbidelli (Petronas SRT Yamaha) in Jerez fotografiert – der schnelle Spanier zeigt auch auf der Honda schon früh in der Saison 2023 was in ihm steckt und fuhr sensationell im zweiten freien Training von Austin (Texas) auf den dritten Platz. Damit ist der als Schnellstarter von seinen Gegnern gefürchtete Spanier automatisch bereits für das Q2 qualifiziert und gild als Sieger von 2019 (vor Valentino Rossi) und Zweitplatzierter im Vorjahr zu den aussichtsreichsten Kandidaten auf den Sieg – trotz angeblich nicht konkurrenzfähiger Honda.

Das GasGas Werksteam – ein frei erfundenes Märchen

Die KTM Werksrenner stammen bekanntlich aus Mattighofen. Trotzdem gibt es seit 2023 ein angebliches GasGas Werksteam, was jedoch lediglich als Mäntelchen für die Fortsetzung des Tech 3 Kundenteams von Hervé Poncharal erfunden wurde. Genau wie das Husqvarna Moto3 Team werden hier bis auf die letzte Schraube identische Motorräder wie von KTM selbst eingesetzt. Der Franzose Johann Zarco war einer der erfolgreichsten Fahrer von Tech 3, als er 2017 als zweifacher Moto2 Weltmeister in die MotoGP einstieg. Auf Anhieb war der schnelle Mann aus Cannes einer, der um vorderste Plätze mitkämpfte, aber dies war noch auf einer Yamaha. Seit dem Wechsel zu KTM ändern auch Tarnnamen für das Team von Poncharal nichts, wenn es um die Konkurrenzfähigkeit geht. Man braucht wenig Phantasie um sich auszumalen, dass auch die Saison 2023 keine Rückkehr zum Erfolg bringen dürfte. Allerdings wäre dies ohne den tragischen Sturz von Hoffnungsträger Pol Espargaró als eigentlicher KTM-Rückkehrer vermutlich wesentlich anders herausgekommen.

Pol Espargaró als KTM Werkspilot vor dem Start in Valencia 2018 – ob er diese Saison für GasGas nochmals im Sattel sitzen wird, kann bezweifelt werden. Dies eine der frühesten Tragiken des MotoGP Jahres 2023, nach seinem Sturz in einen Reifenstapel. Siehe dazu auch unseren Artikel „Unschöne Nebengeräusche“ auf dieser Seite.

Die vielen Grand Prix der Phantasie

Die Dorna ist eine der fleissigsten Märchenerzählerinnen, wie die Geschichte der letzten Jahre zeigt. So stand in der Vergangenheit beispielsweise in deren Saisonplanung ein GP von Ungarn auf dem nur auf dem Reissbrett existierenden Balatonring. In der Saison 2022 kursierte im Paddock die Nachricht, es werde keinen Grand Prix von Finnland auf dem KymiRing geben. Aber die Dorna Verantwortlichen gaben damals postwendend zu Protokoll, sie rechnen fix mit dessen Durchführung im Juli. Nicht unerwartet kam es jedoch wenige Wochen später anders und der Rechteinhaber von MotoGP und WorldSBK musste sich im Nachhinein quasi selbst der Lüge bezichtigen und die Absage dieser WM-Runde bestätigen. Wer nun meint, die Leute um Dorna Zampano Carlo Ezpeleta hätten daraus gelernt, hat sich getäuscht. Auch für die Saison 2023 gibt es mit den Events in Kasachstan und Indien erneut zwei Wackelkandidaten. Dies gilt offenbar insbesondere für die auf dem Buddh International Circuit geplante Runde 14, weil dort wie damals in Finnland die Strecke noch gar nicht homologiert ist.

Der Kalender von 2023 mit erneut fragwürdiger Planung, insbesondere was den Grand Prix von Indien betrifft. Es wäre nach dem Vorjahr und der kurzfristigen Absage des GP von Finnland mehr als peinlich für FIM und Dorna, sollte es auch diese Saison wieder zu einer Panne kommen. Ein Insider aus dem Paddock verriet uns bereits vor Jahren, es gehe in der MotoGP primär um das Geschäft und nicht den Sport. Leider gilt dies offenbar auch für die verlorengegangene Runde in Tschechien und es kommen immer exotischere Austragungsorte zum Zug.

Die Wichtigkeit einer guten Startposition

Wer die WorldSBK in den Jahren bis 2018 verfolgte, konnte oft beobachten, wie der Sieger des ersten Laufs oft nur wenige Runden benötigte, um von Startplatz 9 an die Spitze zu gelangen. Kawasaki Ass Jonathan Rea galt wie Hondas MotoGP Speerspitze Marc Marquez in dieser Disziplin als wahrer Meister. Ab dem Jahr 2019 verschwand diese seltsame Regel in der Superbike Weltmeisterschaft und stattdessen kam es ab dann zu einem dritten Rennen, welches als Sprint über 10 Runden am Sonntagmorgen in der Regel um 11 Uhr abgehalten wird. Für die MotoGP kopierte man dieses Format und nur die Distanz wurde dabei auf 12 Runden verlängert. Seither geistert das Märchen der Wichtigkeit einer guten Startposition noch öfter durch Paddock und Pressekonferenzen. Aber offensichtlich gibt es immer wieder Piloten, welche auch aus schlechter Startposition Spitzenresultate herausfahren können. Als wahre Spezialisten dafür galten in den letzten Jahren insbesondere auch die beiden Suzuki Werksfahrer Alex Rins und Joan Mir, beide neu bei Honda. Im auf die Saison 2023 neu eingeführten Tissot-Sprintrace gibt es zudem nun ab dem zweiten Grand Prix des Jahres bereits einen neuen König in dieser Disziplin.

Brad Binder (Red Bull KTM) nach seinem Überraschungssieg in Brünn im Jahr 2020 – der Südafrikaner gilt als einer der gnadenlosesten Piloten, wenn es um Überholvorgänge geht. Beim Grand Prix von Argentinien stellte er dies mit seinem Sieg von Startplatz 15 kommend im Sprintrennen eindrücklich unter Beweis. Seither ist es für seine Konkurrenten besonders schwierig geworden, schlechte Resultate im Rennen mit hinterer Startposition erklären zu wollen.

Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© MotoGP).