Im Hintergrund die Tribüne im Infield des Motorland Aragon, aufgenommen am WSBK Event im April 2019.

Die Strecke im spanischen Niemandsland

Motorland Aragon ist eine Motorsport-Rennstrecke in der Provinz Aragonien, nahe der Kleinstadt Alcañiz in Spanien. Seit 2009 ist die Rennstrecke Bestandteil des Rennkalenders der Formel-Renault-3.5. Der Kurs wurde vom Deutschen Bauingenieur Hermann Tilke, dem wohl bekanntesten Rennstrecken-Architekt der Neuzeit, unter Mithilfe des ehemaligen spanischen F1-Rennfahrers Pedro de la Rosa als technischer Berater entworfen. Im Jahr 2010 fand zum ersten Mal der Große Preis von Aragonien im Rahmen der Motorrad-WM auf der Strecke statt. Das Rennen in Aragon rückte damals als Ersatz für den Grand Prix von Ungarn in den Kalender. Dieser sollte ursprünglich auf dem Balatonring stattfinden, der sich jedoch als Luftschloss erwies und gar nie fertiggestellt wurde. Einmal mehr griff die Dorna mit einem neuen Veranstaltungsort daneben und man war froh, auf das Motorland Aragon ausweichen zu können. Seither ist die Strecke ein fixer Bestandteil im WM-Kalender. Nur ein Jahr später kam Aragon auch für die WSBK zum Zug.

Die Haupttribüne vis à vis der Start-Ziel-Geraden ist sehr klein im Vergleich zu anderen Strecken im Kalender von MotoGP und WorldSBK.

Merkmale der Strecke

Die Strecke bietet 10 Links- und 7 Rechtskurven und ist mit 5,077 Kilometer eine der längeren Strecken im GP-Kalender. Die Pistenbreite beträgt 15 Meter und die längste Gerade liegt zwischen Kurve 15 und 16, welche in die Zielkurve 17 übergeht. Die Rennstrecke wurde im Eröffnungsjahr von der IRTA (Vereinigung der GP-Teams der MotoGP) mit dem Preis des besten GP’s des Jahres ausgezeichnet, was davor noch keine andere Rennstrecke im ersten GP-Jahr erhalten hat.

Der letzte Knick der langgezogenen Zielkurve 16 gilt offiziell als Kurve 17, was angesichts des Streckenplans nicht auf Anhieb jedem Betrachter einleuchtet. Daher fehlt diese Nummer auch in unserer Streckenkarte.

Besucherzahlen im Vergleich mit anderen Strecken

Nachfolgend die Besucherzahlen der ersten 6 Events im WSBK-Kalender von 2015 bis 2019, mit dem tiefsten Wert für Aragon, mit nur knapp über zwanzigtausend über das gesamte Wochenende. Selbst die WM-Führung im Jahr 2019 von Alvaro Bautista (Ducati) konnte nicht zu einer ernsthaften Steigerung beitragen.

In der MotoGP sind die Besucherzahlen ähnlich schlecht, wie nachfolgende Grafik zeigt. Die Statistik für 2016 und 2017 zeigt, dass Aragon im Vergleich mit allen anderen europäischen Strecken am schlechtesten dasteht. Jerez liegt zwar nur knapp davor, hatte aber von 1997 bis 2015 nur zweimal weniger als 200 Tausend Besucher zu beklagen. Ab 2016 gab es für den Circuito in Andalusien einen starken Einbruch.

MotoGP Sieger in Aragon – Marquez in Führung

Sehr oft gewann in der Vergangenheit der MotoGP Sieger von Aragon auch die Weltmeisterschaft. Der Spanier Marc Marquez dürfte noch für längere Zeit die Statistik anführen, per Ende 2019 steht er bereits bei 5 Erfolgen auf dem Motorland Aragon.
Moto2 (bis 2010 250 cm³)
Bisher nur gerade einmal gewann in Aragon in der Moto2 der Fahrer, welcher im selben Jahr die WM gewann. Nur 2017 gelang dies Franco Morbidelli, der per 2018 zum Marc VDS MotoGP Team wechselte und dabei Rookie of the Year wurde.
Sieger 125 cm³ und Moto3 in Aragon
Immerhin dreimal gewann der Sieger in Aragon im selben Jahr auch die WM. Bis 2011 wurde noch mit 125 cm³ Zweitaktmotoren gefahren, danach wurden aus Kostengründen die Einzylinder 250 cm³ Viertaktmotoren der Moto3 eingeführt.

WSBK Sieger in Aragon bis 2019

Chaz Davies, der WSBK Rekordhalter an Aragon Siegen, vor dem 1. Rennen der WSBK am 6. April 2019. Die Temperaturen lagen nur knapp über 10 Grad Celsius

Chaz Davies vor Rea
Eine der wenigen Statistiken, welche der bis 2018 4-fache WSBK Weltmeister Jonathan Rea (noch) nicht anführt, sondern der Waliser Chaz Davies, welcher auf bisher 7 Siege kam. Bis zum Jahr 2019 wurden auf dem Motorland Aragon insgesamt 9 Runden der WSBK WM ausgetragen. In dieser Saison fehlte es der Maschine von Rea und sämtlichen anderen Mitstreitern auf den langen Geraden an Aragon gegenüber Alvaro Bautista mit seiner Ducati MotoGP Replica an rund 20-30 PS Motorleistung. Dadurch wurde den ersten 4 WM-Runden der WSBK 2019 sämtliche Spannung genommen, was auch die 3. Runde in Aragon betraf. Erst ab der Fahrerstrecke von Imola begann sich das Blatt zugunsten von Jonathan Rea zu wenden, insbesondere als danach Bautista unter Druck stehend zahlreiche Fehler beging und mehrfach aus eigener Schuld stürzte.

Ob der Sieg im SP-Race über nur 10 Runden als Sieg in der Statistik vollwertig mitgezählt werden soll, liegt im Auge jedes Einzelnen. Bei den Fahrern, Fans und Statistikern ist die Einführung des Sprintrennens zumindest umstritten.

WSSP Sieger Aragon bis 2019

Vorteile der Strecke vom Motorland Aragon

Etwa eineinhalb Stunden von der Küste entfernt im Landesinneren gelegen, liegt die Rennstrecke in einer landschaftlich schönen Gegend. Für Rennen der WSBK ist ein Besuch jederzeit empfehlenswert, mit den wie überall in Spanien sehr kostengünstigen Paddock Tickets erhält man Zutritt auf das Flachdach des Hauptgebäudes über der Boxenanlage. Die Preise für den Stehplatzbereich und Tribünenplätze sind im Vergleich zu anderen Stecken in Europa sehr günstig, was insbesondere für MotoGP gilt.

Blick vom Infield der Strecke in Richtung der nahen Kleinstadt Alcaniz.

Nachteile Motorland Aragon

In der nahegelegenen Kleinstadt Alcaniz gibt es eine überschaubare (sprich viel zu geringe) Anzahl an Übernachtungsmöglichkeiten. Selbst für WSBK Events ist es jeweils schwer, in vernünftiger Nähe überhaupt etwas zu finden, von MotoGP schon gar nicht zu reden. Bei den Temperaturen Anfangs April für WSBK, wie sie im Frühling 2019 herrschten, kann dies jedoch nicht empfohlen werden. Damals war es tagsüber kaum über 10 Grad Celsius und auf den Tribünen hielten es die Zuschauer selten lange aus. Sämtliche größeren Ortschaften oder Städte liegen mindestens eine bis zwei Fahrstunden entfernt. Für eine Großveranstaltung wie die MotoGP fehlen außerdem gut ausgebaute Zu- und Abfahrtsstraßen, was jeweils zu erheblichen Stauzeiten bei An- und Abreise führt. Für Besucher mangelt es an vielem, unter anderem an Naturtribünen, wie man sie beispielsweise beim Circuito de Jerez oder Catalunya findet. Zudem sind die meisten Bereiche der Strecke nicht begehbar und man kann nicht rund um den Circuit, wie bei vielen anderen GP-Strecken. Insofern ist nicht leicht zu verstehen, wieso MotoGP und WSBK trotz der bescheidenen Besucherzahlen in Aragon jedes Jahr hier zu Gast sind.

Blick auf den Besucher nicht einsehbaren Bereich mit Kurve 10 im Vordergrund.