Chaz Davies (GoEleven Ducati Racing) hatte nach guter Superpole eine schlechte zweite Tageshälfte zu verdauen, als er mit seiner Ducati Panigale V4R nach sechs Runden das erste Rennen in Turn 9 mit einem Crash zerstörte. Danach kam es im letzten Rennen aber noch schlimmer für den Waliser.

Toprak zieht mit Rea gleich – aber Redding holt sich den Gesamtsieg

Mit vollmundigen Worten vor dem Rennen liess der Türke verlauten, er wolle in Navarra um den Sieg kämpfen und seine Yamaha funktioniere auf dieser schwierigen Strecke hervorragend. Aber dann kam das Qualifying und die ersten beiden Rennen, wo er sich zweimal in Folge von Scott Redding und Jonathan Rea deutlich geschlagen geben musste. Immerhin schaffte es Toprak Razgatlioglu aber beide male aufs Podium. Bei der nächsten Runde könnte das Wetter eine wichtige Rolle spielen. Bei Regen dürfte der Yamaha Pilot deutlich Federn, sprich Punkte verlieren. Zumindest sagt dies ein Blick in die Statistik, sieht man sich die Rennen aus dem Vorjahr in Frankreich an. Nur neun Punkte fehlten auf dem Circuit de Nevers Magny-Cours beim WM-Leader für das Maximum, weil er mit Reifenproblemen im letzten Lauf nur vierter geworden war. Davor hatte er beide Rennen souverän gewonnen. Toprak hingegen holte nur kümmerliche 18 Punkte bei den drei Rennen auf nasser Strecke, weniger als Redding allein mit seinem Sieg im letzten Lauf.

Scott Redding und seine Verfolger nach dem Start im letzten Rennen von Navarra – der Aruba.it Ducati Pilot wurde am Ende Gesamtsieger und vielleicht gönnte er sich sogar am Abend danach einen guten Schluck. Mitten im Rioja Gebiet haben wir zumindest auf ihn angestossen, er war der Mann des Wochenendes.

BMW nur vierte Kraft
Bis auf die erste Startreihe von Tom Sykes im Qualifying vermochten die Blau-Weissen wie so oft nicht ganz vorne mitzukämpfen. Immerhin war der Mann aus Huddersfield trotzdem sehr stark unterwegs. Für ihn muss dies eine besondere Befriedigung gewesen sein, weil vor dem Navarra Wochenende sein Nachfolger offiziell präsentiert worden war. In sämtlichen drei Rennen liess er dabei dem frisch gebackenen Familienvater Michael van der Mark keine Chance. Mit dem Gesamtsieger auf der mitten im berühmten Rioja Gebiet gelegenen Strecke hat sich BMW als dessen neuen Teamkollegen bestimmt einen dicken Fisch an Land gezogen. Die Frage ist dabei eher, ob dies für Redding wirklich gut ausgehen wird. Diesbezüglich gehen die Meinungen wenig überraschend weit auseinander. Eigentlich ganz zu Recht, weil derzeit ist die deutsche Marke nach wie vor nur vierte Kraft und nur Honda ist derzeit im Vergleich zur Konkurrenz noch schlechter.

Alex Lowes (Kawasaki) vor Michael van der Mark (BMW) – mit Ausnahme von Sykes im zweiten Rennen am Sonntag liess der Engländer die Blau-Weissen auf dem Circuito de Navarra immer hinter sich.

HRC Honda und die Qual der Wahl
Mittlerweile mehren sich die Gerüchte, der weltgrößte Hersteller wolle mit einem neuen Modell nachlegen. Dabei liegt die Qual der Wahl für Teamchef Leon Camier und seine Leute eher in der Fahrerfrage. Der Entscheid für eine noch bessere Maschine als es die CBR-1000RR-R SP Fireblade bereits ist, wird jedenfalls in Japan gefällt und muss reichlich überlegt werden. Derzeit stehen aber auch die beiden Fahrer auf dem Prüfstand und einer davon wird immer öfter als Rückkehrer in die britische Superbike Meisterschaft (BSB) genannt. Leon Haslam ist der älteste Pilot im Paddock und als Entwicklungshelfer für HRC sehr wertvoll. Diese Saison fehlte es bei ihm jedoch oft an den Resultaten im Rennen. Sein Teamkollege Alvaro Bautista hingegen wird immer wieder mit Ducati in Verbindung gebracht, aber er stürzte auch für die Roten für deren Geschmack definitiv zu oft. Vor allem, als es um das Kopf-an-Kopf-Rennen mit Rea um den Titel im Jahr 2019 ging, zeigte der kleine Spanier unerwartete Schwächen. Insofern wäre auch eine Verpflichtung von Andrea Locatelli durch Honda keine Überraschung. Vielleicht sogar an der Seite des enttäuschten Tom Sykes. Dies sind die in der WM am weitesten vorne liegenden Fahrer ohne Vertrag für 2021.

Andrea Locatelli vor Pata Yamaha with BRIXX Teamkollege Toprak Razgatlioglu – der Italiener ist nach harzigem Start in seine WSBK Rookie-Saison seit Assen immer für ein Podium gut. In der WM liegt er vor Ducati Werksfahrer Rinaldi bereits auf Rang 5 und gilt mittlerweile als möglicher künftiger Champion.

Nur wenige Zuschauer in Navarra – die Horrorpreise zeigten Wirkung

Wir hatten im Vorfeld darauf hingewiesen, dass der Veranstalter mit horrenden Preisen für die Tribünenplätze mehr als das Dreifache an Eintritt verlangte, als im Vergleich vor zwei Jahren Jerez de la Frontera. Weil die Tickets über 150 EUR kosteten, war die Haupttribüne so gut wie leer und die spärlichen Besucher begnügten sich mit Stehplatzkarten für etwas mehr als ein Drittel. Im zweiten Corona-Jahr griffen die Organisatoren mit ihrer verfehlten Strategie deshalb völlig daneben und erhielten die Quittung für ihre Dreistigkeit. Für Besucher aus vielen Ländern Mitteleuropas wird es für Spanien aufgrund der Pandemie sowieso ab nun schwieriger. Ab kommender Woche stehen beispielsweise Länder wie Deutschland und Österreich auf der Risikoliste Spaniens. Damit dürfte voraussichtlich vielen Fans der Verzicht auf einen Rennbesuch erst recht leicht fallen.

Tom Sykes (BMW) vor dem Start auf dem Circuito de Navarra – man beachte im Hintergrund rechts auch die beinahe völlig leere Haupttribüne. Die Regie der TV-Übertragung versuchte dies mit gezielten Ausschnitten zu kaschieren, aber Fotografien lügen nicht, sofern sie nicht gefälscht wurden und diese ist echt und unretouchiert.

Die Statistik der Qualifyings im Jahr 2021 – Johnny Rea überragt alle

Nebst dem amtierenden Weltmeister sticht vor allem Scott Redding heraus. Während Rea definitiv den Titel des Mister Superpole von Tom Sykes übernahm, ist der Engländer mit im Schnitt Startplatz 3 nach 7 Runden der zweitbeste aller WorldSBK Helden. Der Ducati Pilot ist der einzige ausser dem Nord-Iren, der somit zumindest statistisch immer in der ersten Reihe stand, auch wenn er dies in Donington Park mit Startplatz 6 verpasst hatte. Drittbester ist nicht etwa Toprak, sondern mit Alex Lowes der zweite Kawasaki Werksfahrer, knapp vor Razgatlioglu und Tom Sykes. Letzterer ist zwar immer noch Pole-Rekordhalter vor WSBK Urgestein Troy Corser, aber sein früherer Kawasaki Teamkollege kommt ihm mit Riesenschritten immer näher. Vor gut drei Jahren war der Rekordweltmeister nur sechster in der ewigen Bestenliste hinter Sykes, Troy Corser, Troy Bayliss, Carl Fogarty, Doug Polen und Neil Hodgson gewesen. Doch seither tat sich viel und er konnte seine Zahl von damals gut verdoppeln und liegt bereits auf Position 2 mit insgesamt bis Navarra 34 Polepositions. Nur noch Sykes und Corser liegen vor dem Kawasaki Ass und wenn er so weitermacht, wird er Sykes noch einholen.

Der aktuelle WM-Stand in der WorldSBK

Weil Jonathan Rea achtmal siegreich war und Toprak erst sechsmal gewann, führen wir den amtierenden Weltmeister in unserer Übersicht als Leader. Klar sind vier seiner acht Siege bei Rea im Superpole Race erzielt worden, aber in der offiziellen Statistik sind es ganze und keine halben Triumphe. Durch die Einführung der Sprintrennen wurden jedoch die über 10 Runden dauernden Läufe bezüglich der Wertung nur mit reduzierter Punktzahl versehen. Deshalb ist es für den Vergleich der heutigen Leistungen der Piloten mit vor 2019 auch echt schwierig geworden. Im Prinzip müsste man in den Statistiken sogar differenzieren, aber bei Jonathan Rea ist dies zum Glück völlig egal. Der Nord-Ire pulverisierte bereits fast sämtliche Rekorde und an der Zahl seiner Titel und Siege wird er womöglich nie übertroffen werden. Wir gehen in Kürze detailliert darauf ein, wie seine Chancen zur Titelverteidigung stehen, in einem Halbjahres-Fazit der WSBK. Trotz technischer Benachteiligung seines Teams (siehe dazu den nächsten Absatz) stehen die Chancen dafür nach wie vor ausgezeichnet.

Die Team- und Herstellerwertung der WorldSBK

Dass Kawasaki in der Konstrukteurswertung trotz neuem Modell ihrer ZX-10RR auf Platz 3 zurückgefallen ist, wirkt auf den ersten Blick überraschend. Dazu muss man jedoch wissen, dass durch einen skandalösen Entscheid der FIM kurz vor Saisonbeginn deren neues Modell förmlich kastriert wurde. Die Schreibtischtäter der obersten Motorsport-Behörde unternehmen wirklich alles, um der japanischen Firma Stöcke zwischen die Beine zu werfen. Während BMW mit deren neuer M-1000RR eine wesentlich höhere Maximaldrehzahl erlaubt wurde, bremsten die Herren der FIM die Grünen mit einem haarsträubend tiefen Wert bereits vor dem ersten Rennen schmerzhaft ein. Um mit der Konkurrenz mithalten zu können, muss Weltmeister Jonathan Rea deshalb oft übers Limit gehen, wodurch Stürze drohen. Die Folge davon sah man in Donington Park und Most, als er völlig untypisch für ihn bereits dreimal im Rennen einen Crash hinnehmen musste. Nur weil Rinaldi selten überzeugt und Locatelli erst ab Assen der Knopf aufging, liegen Pata Yamaha und Aruba Ducati noch knapp hinter dem besten Team der letzten 6 Jahre.

Wie es weitergeht im provisorischen Kalender

Laut Plan kommt zwei Wochen nach der Navarra Premiere der Circuit de Nevers Magny-Cours als nächste Station und weitere 14 Tage später beginnt ein sogenannter Dreierblock. Genau wie im ersten Jahr der WSBK 1988, als mit nur je einer Woche Abstand Runde 5 in Sugo gefahren wurde (am 28.8), es nach Le Mans weiterging und 7 Tage danach in Estoril gefahren wurde. Damals natürlich noch am Sonntag beide Rennen und Punkte gab es weniger als heute und dazu kein Superpole Race. Vierzylinder-Motoren waren auf 750 cm³ limitiert und es wurden nur 9 Runden ausgetragen. Mehr dazu siehe in unserer reichhaltig illustrierten History. Diese Saison sind es erst zum zweiten Mal Barcelona mit dem Circuito de Cataluña, Jerez und Portimão. Was danach kommt, ist jedoch noch fragwürdig, weil an Rennen in Argentinien und Indonesien bereits bei Veröffentlichung des ersten Kalenders viele absolut zu Recht zweifelten. Es wird dabei entweder mit Ersatzrunden auf anderen Strecken oder einer Kürzung des Kalenders zu rechnen sein. Zumindest in der MotoGP wurden bereits nacheinander die Events in Australien, Japan, Thailand und Malaysia abgesagt.

Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© WorldSBK).