Nach dem 1. Rennen von Misano am 22. Juni 2019 von uns auf dem Weg zur Siegesfeier fotografiert: Jonathan Rea, unbestrittener Regenkönig der WorldSBK und auch im trockenen oft genug eine Klasse für sich.

Ein Rück- und Ausblick zur Nr. 1 – Johnny Rea

Selten begann eine Saison für den mittlerweile 6-fachen Rekordweltmeister so schlecht wie im Corona-Jahr 2020. In der Saison 2011 auf Honda war das mieseste Resultat ein 12. Platz und nur in der Supersport-WM 2008 auf demselben Fabrikat startete er ohne Punkte in Losail in eine neue Saison. Für die Australier, welche ihn aufgrund seines Zweitwohnsitzes im Bundesstaat Victoria und seiner aus deren Land stammenden Frau als einen der ihrigen sehen, war der Saisonauftakt 2020 eine riesige Enttäuschung. Schuld daran trug in erster Linie ausgerechnet sein ehemaliger Teamkollege Tom Sykes, als er Rea im 1. Lauf am 29. Februar ins Gras abdrängte. Wohl nur aufgrund seiner Motocross-Vergangenheit konnte der Nord-Ire einen Sturz verhindern und setzte das Rennen danach wieder fort. Bei seiner Aufholjagd rutschte er jedoch beim Überholen aus und blieb dadurch punktelos.

An der Paddock Show in Phillip Island nach dem 1. Rennen von uns fotografiert, von links Polesetter Sykes (P9, BMW), Scott Redding (P3, Ducati), Alex Lowes (P2, Kawasaki), Toprak Razgatlioglu (Sieger, Yamaha), Loris Baz (P7 und bester Privatfahrer, Yamaha) und der in Lauf 1 gestürzte Jonathan Rea. Wie bei ihm üblich, giftelte er nicht rum und nahm die Schuld an seinem Crash auf sich allein. Doch am Abend hörten wir in manchem Lagerfeuer-Gespräch unter australischen Fans trotzdem, dass Sykes für sie ein A… sei.

Die Antwort auf der Strecke kam im Superpole Race

Wie bei ihm üblich, gab Rea seine Antwort auf der Strecke, als im Superpole Race am nächsten Morgen die Ampeln ausgingen. Im Sprintrennen zum sogenannten Superpole Race besiegte er Toprak Razgatlioglu und den Rest des Feldes. Sykes wurde nur sechster und sollte am Nachmittag noch mehr enttäuschen. Interessant für uns war im Frühling 2020 insbesondere, wie falsch die meisten (allesamt von zu Hause) berichtenden Schreiberlinge von Beginn an beim Saisonauftakt lagen. Vor dem ersten Rennen hätte man meinen können, Sykes und Baz stehen praktisch als Sieger fest, hätte man deren Interpretation von Tests und Trainings Glauben geschenkt. Bautista und Lowes hingegen wurden von den meisten schon abgeschrieben. Dabei hatten die beiden alles richtig gemacht und in erster Linie auf eine gute Renn-Abstimmung hingearbeitet. Alex Lowes reiste am Ende als WM-Leader aus Phillip Island ab, das sagte schon alles.

Der Start beim Saisonauftakt in Australien von uns vor Ort festgehalten, mit ganz rechts Polesetter Tom Sykes vor Scott Redding, Toprak Razgatlioglu, Jonathan Rea, Leon Haslam, Loris Baz und Alex Lowes.

Der Europa-Auftakt – Rea von vielen zu früh abgeschrieben

Aufgrund der Corona-Pandemie gab es einen insbesondere für die WorldSBK extrem geschrumpften Rumpfkalender. Während die WorldSSP mit zwei Rennen pro Event als Kompensation der wenigen Runden sogar mehr Rennen als üblich hatte, war man in der Superbike WM froh um das im Vorjahr eingeführte Superpole Race. Ansonst wären es weniger Rennen geworden als 1988 mit deren 18 in nur neun Runden. Dank dem zwar nur halbe Punktzahl gebenden Sprintrennen wurden es immerhin 24 WM-Läufe. Bei den extremen Verhältnissen in Jerez durch den verspäteten Europa-Auftakt hatten die Kawasakis mehr Mühe als viele anderen. Trotzdem wurde Rea zweiter, erster und im letzten Rennen sechster, also unter diesen Umständen aller Ehren wert. Las man einige Schlagzeilen danach, hätte man meinen können, der amtierende Weltmeister sei der Looser vom Dienst und hätte keine Chance mehr im Titelkampf.

Am 9. Juni 2019 von uns in der Zielkurve von Jerez festgehalten: Bautista (Ducati) vor Rea (Kawasaki) Lowes, van der Mark und Melandri (alle Yamaha). Nach zwei vierten und einem zweiten Platz an diesem Wochenende schrieben die meisten Journalisten den Weltmeister damals bereits ab. An Siegen stand es damals 13:2 für Bautista gegen den Kawasaki-Piloten. Doch dieser wurde auch damals zu früh abgeschrieben.

Die 3. Runde in Portugal und die Demonstration des Champions

Hätte man den meisten Schreibrelingen nach den ersten zwei WM-Runden geglaubt, war der amtierende Weltmeister von 2019 bereits so etwas wie der große Verlierer der Corona-Saison. Klar hatte er „erst“ zwei Siege eingefahren, doch mehr hatte bis dahin auch WM-Leader Redding zu bieten. Die nach Australien verfrüht in den Himmel gelobten Alex Lowes und Toprak Razgatlioglu schon gar nicht. Und ausgerechnet auf der Strecke mit einer der längsten Start-Ziel-Geraden sollte die Wende bringen, obwohl Rea hier gegenüber Ducati und Honda mit der Kawasaki klar benachteiligt war. Mit seinem dreifachen Triumph in Portimão stopfte der Rekordweltmeister daher sämtlichen Kritikern gehörig das Maul.

Ein zufriedener Jonathan Rea 2019 nach seinem ersten Triumph in Imola und seiner bis davor längsten Durststrecke der Karriere, seit er für Kawasaki an den Start ging. Kurz nachdem diese Aufnahme von uns entstanden war, schenkte der überglückliche Nord-Ire MotoRacers Zippy sein Helmvisier als Andenken. Es hat seither einen Ehrenplatz in unserer Sammlung.

Die Vorentscheidung in Aragon

Wie auf dem Autodromo do Algarve in Portugal war im Motorland Aragon Jonathan Rea alles andere als der Favorit. Viele hatten noch gut in Erinnerung, wie überlegen Alvaro Bautista im Vorjahr auf der brandneuen MotoGP Replica Ducati Panigale V4R gewesen war. Damals war es ein Kampf mit ungleichen Waffen gewesen, aber diesmal sass der bullige „Scottie“ statt dem zierlichen Spanier auf der Ducati. Wie erwartet gewann der Herausforderer das erste Rennen, doch Rea schlug zurück. Nach Platz 3 am Samstag gewann der Rekord-Champion beide Läufe am Sonntag. Dann kam das zweite Wochenende des einzigen Doppelrennens der WorldSBK in der bisherigen Geschichte. Im ersten Rennen am 5. September 2020 brauchte der amtierende Weltmeister nicht mal zu gewinnen. Für die Vorentscheidung in Aragon sorgte der Bautista Nachfolger gleich selbst.

Der vorentscheidende Moment im Titelkampf 2020 – Scott Redding rutscht ins Aus, während Jonathan Rea und der später ebenfalls noch gestürzte Alvaro Bautista Kurve 5 des Motorland Aragon fehlerfrei passieren. Rea konnte seinen WM-Vorsprung auf Scottie deutlich ausbauen und war damit endgültig der haushohe Favorit (© WorldSBK).

Der Champion zeigte erneut allen den Meister

Seit Portimão als WM-Leader und ab Aragon sogar mit komfortablem Vorsprung, dosierte der Champion sein Risiko. Dies heisst bei ihm jedoch nicht, dass Jonathan Rea „auf sicher“ fährt, sonst hätte er das erste Rennen in Barcelona nicht gewonnen. Aber er riskierte mit Ausnahme der Superpole in Estoril nie zu viel. Im Superpole Race gab sich der Nord-Ire mit Platz 2 hinter „Magic Michael“ van der Mark (Pata Yamaha) zufrieden. Mit Reifenproblemen kämpfend begnügte er sich im zweiten Rennen sogar mit einem vierten Platz. Aber bei Regen in Magny-Cours zeigte er erneut allen den Meister. Johnny gewann die ersten beiden Läufe und riskierte im letzten Rennen klugerweise keinen Sturz, als die Reifenwahl sich als Fehlgriff erwiesen hatte. Am Ende ging es in Estoril nur noch darum, weiterhin keinen unnötigen Fehler zu begehen. So holte er Titel Nummer 6 in Folge und „King Carl“ Fogarty musste sich als Dschungelkönig im TV beweisen, um den Titel zu behalten. Mehr über die Geschichte und Foggy siehe in unserer History.

Jonathan Rea (Kawasaki ZX-10RR) mit dem Daumen hoch für nächste Saison – alle hoffen, dass diese auch halbwegs wie geplant stattfinden kann. An der Vorbereitung des Champions und seiner bewährten Truppe soll es zumindest nicht liegen (© WorldSBK).

Die WorldSBK Karriere des Rekordweltmeisters in Zahlen

Der Mann hat praktisch sämtliche bisherigen Rekorde förmlich pulverisiert. Gegen seine Bestmarke von bereits 99 Siegen und bereits 6 WM-Titeln verblassen selbst die Zahlen von „King Karl“ Fogarty. Dessen 59 Triumphe und vier Weltmeisterschaften galten lange Zeit als unanfechtbar. Doch vor allem die Zahl dessen Siege könnte der im besten Rennfahrer-Alter stehende Nord-Ire nächstens gar verdoppeln. Johnny Rea ist der unbestritten beste und erfolgreichste Fahrer der seriennahen WM aller Zeiten.

Endstand der Fahrer-WM 2020

Die Aussichten von Jonathan Rea für die Saison 2021

Sein wichtigstes Weihnachtsgeschenk war wohl die Kawasaki ZX-10RR des Jahrgangs 2021, zu welcher wir bereits früh in der Saison die wichtigsten Details bekannt geben konnten. Ohne diese Basis hätten wir dieselben Bedenken gehabt, wie seit Saisonbeginn 2019. Als Ducati mit deren MotoGP Replica einen in der Szene umstrittenen Tabubruch begann, stand der beste Superbike Fahrer der Geschichte oft auf verlorenem Posten. Diesmal ist er aber wieder der haushohe WM-Favorit und wer daran zweifelt, müsste schon auf ein Unglück oder krasse Fehler des Titelverteidigers hoffen, um Recht zu behalten. Auch 2021 wird kein Spaziergang für den Champion aus Nordirland, aber seine Chancen stehen wohl bei 80 bis 90 Prozent für kommende Saison.

Die Kawasaki ZX-10RR für 2021 und rechts das bisherige Modell. Es ist eine Evolution und wie von uns angekündigt keine Revolution, aber bestimmt eine hocheffiziente Waffe für den 6-fachen Weltmeister im Kampf um die Titelverteidigung in der kommenden Saison (© WorldSBK).

Provisorischer Kalender für 2021

Eigentlich wollte der WSBK-Verantwortliche der Dorna, Gregorio Lavilla mit drei für die Superbike WM neuen Strecken überraschen (mehr über seine Karriere als Fahrer siehe in unserer History). Dessen sehr spät veröffentlichter provisorischer Kalender enthielt jedoch nur eine und zum Leidwesen vieler Deutschen Fans fehlt darin Oschersleben. Genau deshalb barg der Kalender auch so viele Überraschungen, vor allem den indonesischen Ort auf der Insel Lombok und Donington ohne WorldSSP. Während Red Bull Media fälschlicherweise bis kurz vor Veröffentlichung über deren Seite speedweek von einem angeblichen Start in Jerez berichtete, soll dieser Termin nun erst im September stattfinden. Saisonstart im April in Assen tönt jedenfalls gut. Aber viele befürchten, das Event fällt ohne Bewilligung für Zuschauer am Ende flach. Derzeit muss daher noch mit einigen Modifikationen gerechnet werden.

Der Vertrag mit Phillip Island steht noch nicht, genauso wie der Termin dafür, für welchen es fast nur die beiden von uns genannten Daten als vernünftige Möglichkeit gibt. Zumindest gilt dies für den Fall, dass auch wirklich der noch im Bau befindliche Mandalika Circuit bis im Herbst fertiggestellt und homologiert ist. Dazu müssen ausserdem die Leute wieder reisen dürfen und es müsste ohne Einreisebeschränkungen gehen, was derzeit aufgrund Corona aber alles andere als sicher ist.