Ein Rück- und Ausblick zur Nr. 31 – Garrett Gerloff
Wir erinnern uns noch als wäre es gestern gewesen, als wir 2020 in Phillip Island als einzige deutschsprachige Berichterstatter eines News-Portals vor Ort gewesen waren. Zum Glück machten die sportlichen Ereignisse die Enttäuschungen punkto Unterkunft und Verpflegung wett. Manche Pension in Österreich ist im Vergleich zur sündhaft teuren 4-Sterne Unterkunft, welche wir in Cowes gebucht hatten, ein wahrer Luxustempel. Vom teuren und schlechten Essen dabei gar nicht erst zu reden. Trotzdem haben wir diesen „Abstecher“ samt dem Hin- und Rückflug via Singapur in bester Erinnerung. Mitverantwortlich dafür war toller Sport und Fahrer wie der US-Boy Garrett Gerloff, welcher als Rookie in die Superbike WM kam. Viele waren skeptisch, ob dieser einen Marco Melandri oder Sandro Cortese würdig zu ersetzten vermochte, welche bei GRT Yamaha im Vorjahr ausgeschieden waren.
Ein Saisonbeginn zum Abhaken
Die Saison begann für den Texaner in Down Under eher suboptimal, als zweitletzter des Qualifyings, sprich der Superpole am Samstagmorgen. Im ersten Rennen holte er mit P14 direkt hinter Sandro Cortese (Kawasaki) seine ersten beiden WM-Punkte. Tags darauf war es ausgerechnet der Deutsche, welcher mit einem Versuch im Warm-Up innen am US-Boy vorbeizugehen für den Sturz der beiden sorgte. Zumindest war Cortese so fair, die Schuld daran auf sich zu nehmen. Gerloff nützte dies nichts, er landete danach im Spital. Auch Eugene Laverty als Pechvogel von Dienst war in derselben Session gecrasht und musste mit Hirnerschütterung auf den Start am Sonntag verzichten.
Erste Überraschung – den SSP-Vizeweltmeister geschlagen
Wohl niemand hätte im Vorfeld darauf gewettet, dass der Nobody aus den Vereinigten Staaten als dritter der AMA-Superbike Saison 2019 schon bald stärker abschneiden würde als sein GRT Yamaha Teamkollege Federico Caricasulo. Dieser hatte gegen Randy Krummenacher im Vorjahr nur hauchdünn den Titelkampf der WorldSSP 600 verloren. Doch bereits beim verspäteten Europa-Auftakt aufgrund der Corona-Pandemie vermochte der Texaner zu beeindrucken. Im ersten Rennen holte er in Jerez Platz 11, noch vor Fahrern wie Eugene Laverty (BMW), Xavi Fores und Sandro Cortese (beide Kawasaki). Im Sprintrennen schlug er nebst diesen Fahrern auch noch Marco Melandri (Ducati) und die beiden HRC Honda Werksfahrer Haslam und Bautista und wurde Achter. Im 2. Lauf am Sonntag doppelte er mit einem weiteren Top Ten Resultat nach, wieder vor Cracks wie Tom Sykes, den beiden HRC Piloten und weiteren arrivierten Fahrern. Vor allem auch seinen Teamkollegen und WSSP Vizeweltmeister hatte er damit deutlich hinter sich gelassen.
Die Lernphase auf neuen Strecken
Es war klar, dass für den US-Boy die Bäume nicht sofort in den Himmel wachsen würden. Doch er schaffte auf den vielen für ihn neuen Strecken immer wieder solide Leistungen. Im ersten Rennen auf dem Autodromo do Algarve schlug er mit P14 unter anderem seinen Teamkollegen Caricasulo und Marco Melandri auf der Barni Ducati. Es folgte mit einem weiteren Top Ten Resultat im Superpole Race die Bestätigung der guten Resultate von Jerez. Mit Platz 11 im zweiten Rennen am Sonntag landete er erneut vor Werkspiloten wie Laverty (BMW) und Haslam (Honda), sowie WSBK Ex-Vizeweltmeister Melandri. Im ersten Rennen von Aragon kam mit dem ersten Rennsturz ein leichter Rückschlag. Im Superpole Race hatte er immerhin mit P13 wieder beide BMW Werksfahrer hinter sich gelassen. Es folgte am Nachmittag das nächste Top Ten Resultat, direkt vor Fores, Sykes, Caricasulo und Laverty.
Der endgültige Durchbruch in Katalonien
Das zweite Aragon Wochenende war für Garrett Gerloff der einzig wirkliche Rückschlag, als er dreimal in Folge hinter Federico Caricasulo und nie in den Top Ten ins Ziel gekommen war. Doch in Barcelona kam der endgültige Durchbruch des Texaners. Mit Platz 8 im ersten Rennen hatte er bereits Fahrer wie Alex Lowes, Leon Haslam, Eugene Laverty, Loris Baz und Jonas Folger hinter sich gelassen. Im Superpole Race ging es noch weiter nach vorne und mit Platz 5 schlug er nebst Aragon-Sieger Rinaldi und Lowes diesmal sogar den WM-Zweiten Scott Redding auf der Werks-Ducati. Doch es ging am Nachmittag noch besser beim US-Boy. Diesmal kämpfte er um den Sieg mit und ohne einen gravierenden Fehler wäre es zumindest Rang 2 geworden. Trotzdem reichte es hinter Chaz Davies und „Magic Michael“ van der Mark für das erste Podium, noch vor Rekordweltmeister Johnny Rea.
Die Bestätigung auf dem Circuit de Nevers Magny-Cours
Bereits in der Superpole auf der für ihn völlig neuen und schwierig zu lernenden Strecke bei Nevers vermochte der US-Boy ein weiteres Mal zu überzeugen. Mit Startplatz 5 war er bester Yamaha-Fahrer und ihm gelang ein perfekter Start, bei welchem er nach der ersten Kurve hinter Weltmeister Rea lag. Böse Zungen behaupteten später, er hätte davor Tom Sykes abgedrängt, doch wir waren unmittelbar an dieser Stelle vor Ort und sahen die Szene mit eigenen Augen. Auch sämtliche Aufzeichnungen und die Race-Commission bestätigten, dass Gerloff unschuldig war. Dies nützte ihm jedoch nichts, weil er aus eigener Schuld in Kurve 7 abflog. Im Sprintrennen rehabilitierte sich der Yamaha Pilot mit P8 und im 2. Rennen bestätigte er diese Platzierung. Direkt hinter ihm der hoch gehandelte Toprak Razgatlioglu, Tom Sykes und noch weiter zurück die beiden HRC Honda Werksfahrer.
Das Saisonfinale und die Sondershow in der MotoGP
In Estoril war Gerloff erneut auf Anhieb sensationell stark. Platz 5 in der Superpole folgte das zweite Podium im ersten Rennen am Samstag hinter Toprak Razgatlioglu und Chaz Davies. Im Superpole Race schlug er seinen Yamaha Markenkollegen van der Mark erneut, als er hinter Toprak diesmal gar zweiter wurde. Nach Platz 2 vielleicht ein wenig übermütig, flog der US-Amerikaner im 2. Rennen am Nachmittag in Kurve 4 ab. Wenig später zeigte der Crash des amtierenden Weltmeisters im 3. Eck, dass so etwas passieren kann und darf. Unter dem Strich war Garrett jedoch die positivste Überraschung der Saison, von vor Ducati Pilot Rinaldi. Daher erhielt der Texaner auch die Chance, als Rossi Ersatz für einen Tag auf dessen M1 zu fahren. Auf der für ihn völlig neuen Strecke von Valencia bei nasser Strecke, komplett anderen Pneus und Bike, lieferte er eine beeindruckende Sondershow ab. Im FP1 fuhr der Mann aus The Woodlands in Texas schneller als Weltmeister Joan Mir (Suzuki), HRC Honda Pilot Crutchlow und Yamaha Ass Fabio Quartararo!
Die Karriere von Garrett Gerloff in Zahlen
MotoAmerica Supersport 2015: Platz 3.
MotoAmerica Supersport Meister 2016.
MotoAmerica Supersport Meister 2017.
MotoAmerica Superbike Championship 2018: Platz 5.
MotoAmerica Superbike Championship 2019: Platz 3 (Sieger Cameron Beaubier, P2 Toni Elias).
WM-Elfter in der ersten Superbike WM-Saison 2020 mit auf 8 Runden verkürztem Kalender.
In seiner Rookie Saison auf sämtlichen für ihn neuen Strecken lag der Texaner am Ende vor Werksfahrern wie Tom Sykes und Eugene Laverty (beide BMW), sowie seinem Teamkollegen Federico Caricasulo (SSP Vizeweltmeister 2019) und Xavi Fores (Kawasaki Puccetti Racing), dem besten Privatfahrer der Saison 2018 (damals WM-Siebter).
Endstand der Fahrer-WM 2020
Die WM-Chancen von Gerloff für die kommende Saison
Provisorischer Kalender für 2021
Eigentlich wollte der WSBK-Verantwortliche der Dorna, Gregorio Lavilla mit drei für die Superbike WM neuen Strecken überraschen (mehr über seine Karriere als Fahrer siehe in unserer History). Dessen sehr spät veröffentlichter provisorischer Kalender enthielt jedoch nur eine und zum Leidwesen vieler Deutschen Fans fehlt darin Oschersleben. Genau deshalb barg der Kalender auch so viele Überraschungen, vor allem den indonesischen Ort auf der Insel Lombok und Donington ohne WorldSSP. Während Red Bull Media fälschlicherweise bis kurz vor Veröffentlichung über deren Seite speedweek von einem angeblichen Start in Jerez berichtete, soll dieser Termin nun erst im September stattfinden. Saisonstart im April in Assen tönt jedenfalls gut. Aber viele befürchten, das Event fällt ohne Bewilligung für Zuschauer am Ende flach. Derzeit muss daher noch mit einigen Modifikationen gerechnet werden.
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