Scott Redding (Aruba.it Ducati) vor Toprak Razgatlioglu (Pata Yamaha) von uns in der Startaufstellung in Phillip Island vor dem ersten Rennen am 29. Februar 2020 fotografiert. Die beiden Fahrer im Bild waren die meistgenannten Mitfavoriten auf den WM-Titel nebst dem amtierenden Weltmeister Jonathan Rea auf Kawasaki.

Ein Rück- und Ausblick zur Nr. 45 – Scott Redding

Die Saison für den Engländer als Neuzugang im Aruba.it Ducati Werksteam begann absolut nach Wunsch. Keine Fehler machen und vorne dabeizusein lautete für den BSB-Champion (Britischer Superbike Meister) von 2019 und ehemaligen MotoGP Piloten. Der Mann aus Quedgeley (westlich von London) holte auf Anhieb drei dritte Plätze, bevor die Corona-Pandemie zum Lockdown zwang. Als es anfangs August in Jerez de la Frontera wieder losging, holte er sich in der andalusischen Gluthitze zwei Siege und einen zweiten Platz im Superpole Race. Damit war der Ducati Pilot WM-Leader und der amtierende Weltmeister wurde von einigen vorlauten Stimmen mangels Fachkenntnis schon beinahe wie ein Verlierer gesehen. Dabei war sein einziges richtiges Manko ein sechster Platz im 2. Rennen gewesen. Den ersten Lauf hatte er auf P2 beendet und das Sprintrennen gewonnen.

Grimasse von Scott Redding, auf unserer Aufnahme in Phillip Island als zweiter von Rechts zwischen dem Chilenen Scheib und Jonathan Rea (am Mirkrofon) und an dessen Seite Teamkollege Lowes mit Paddock Show Moderator Michael Hill.

Der Schuss vor den Bug vom Weltmeister

Jonathan Rea stopfte seinen Kritikern auf dem Autodromo do Algarve umgehend das Maul. Trotz Manko in Topspeed und Beschleunigung gegenüber Ducati und Honda holte er sich drei Siege in Folge und war WM-Leader. In Aragon erwartete das Kawasaki Ass jedoch schwieriges Pflaster, weil dort im Vorjahr Alvaro Bautista mit der pfeilschnellen Ducati V4R alles in Grund und Boden gefahren hatte. Wie erwartet schlug sein Nachfolger Scott Redding zu und gewann vor Davis und Rea. Aber Letzterer schaffte das beinahe Unmögliche und schlug gnadenlos zurück. Beide Rennen am Sonntag blieb er unschlagbar und alle Beobachter waren fassungslos, so auch die Ducati Leute samt deren Fahrer.

Das Gesicht von Redding auf unserer Aufnahme passt zu seinen Gefühlen, welche das Ducati Ass nach dem ersten Sonntag im Motorland Aragon hatte.

Die Katastrophe für Scottie am zweiten Aragon-Weekend

Nach dem ersten Sieg in Aragon hatte Scott noch zu Protokoll gegeben, er würde es bevorzugen, gleich alle 6 Läufe im Motorland Aragon zu gewinnen. Doch unter Druck geraten passierte Redding genau das, was schon viele Widersacher des amtierenden Weltmeisters vor ihm erlebt hatten. Der Ducati Pilot versuchte im 1. Lauf dem Kawasaki Piloten zu folgen und von hinten begann ausgerechnet sein Vorgänger Alvaro Bautista auf der Honda Druck zu machen. Dabei geschah, was nie hätte passieren dürfen und der hoffnungsvollste Herausforderer von Jonathan Rea im Kampf um den Titel rutschte auf dem Hosenboden in Kurve 5 weg.

Ein fassungsloser Scott Redding im Kiesbett von Aragon, nachdem er 11 Runden vor Schluss beim Versuch Rea einzuholen in der Linkskurve 5 mit seiner Ducati Panigale V4R ausgerutscht war (© WorldSBK).

Die Zahl 13 und die Vorentscheidung im Titelkampf
Dieser Vorfall im erst 13. von 24 Rennen der verkürzten Saison kam einer Vorentscheidung im Titelkampf gleich. Eigentlich beinahe unglaublich, hatte doch Rea nach einem Rempler von Sykes im ersten Lauf der Saison bei seiner Aufholjagd selbst einen Sturz zu verzeichnen gehabt. Aber bereits nach der dritten Runde hatte er die Führung im WM-Zwischenklassement erobert und nun konnte er sich dank Scotts Fehler bereits deutlich von ihm absetzen. Nach Aragon hatte der amtierende Weltmeister von 4 auf 36 Punkte ausgebaut.

Ein zerstörter Scott Redding in der Ducati Box heult sich im Beisein eines Team-Mitarbeiters hemmungslos die Seele aus dem Leib. Er war sich absolut bewusst, die Chance seines Lebens innert Sekundenbruchteilen kurz davor so gut wie zerstört zu haben (© WorldSBK).

Die vergebliche Jagd nach dem Anschluss

In Barcelona begann Reddings vergebliche Jagd nach dem Anschluss, geschweige der Rückeroberung der WM-Führung. Trotzdem Rea am Sonntag wie in Jerez mit Reifenproblemen kämpfte, herrschte zwischen den beiden in Barcelona Gleichstand und beide holten je 47 Zähler. Im Regen von Nevers konnte der beste Superbike Pilot aller Zeiten seine Qualitäten als Regenkönig erneut unter Beweis stellen. Die ersten zwei Rennen gewann der Kawasaki Fahrer, während Scotty sich mit P5 und 4 begnügen musste. Trotz Problemen aufgrund falscher Reifenwahl rettete Rea im letzten Lauf noch einen 4. Platz bis ins Ziel. Mit 59 Punkten Rückstand auf den amtierenden Weltmeister hätte nur noch ein Wunder beim Saisonfinale in Estoril helfen können.

Der Champion und Sieger auf dem Circuit de Nevers Magny-Cours lässt sich feiern – Jonathan Rea war bei einem der wenigen Rennen mit Publikum erneut eine Klasse für sich. Derweil seine Gegner bereits der Verzweiflung nahe waren, allen voran sein nächster Verfolger im WM-Zwischenklassement Scott Redding (© WorldSBK).

Die Finalrunde in Estoril mit dem nächsten Tiefschlag

Es ging natürlich bereits in der Superpole für Redding schon fast um alles oder nichts, aber mit so einen Ausgang der Qualifikation hätte niemand zuvor gerechnet. Bereits ganz früh in der Superpole flog Redding in Kurve sechs per Highsider von seiner Ducati und für eine Wiederaufnahme der Zeitenjagd reichte es danach nicht mehr. Keine drei Minuten später erwischte es sogar auch den WM-Leader. Aber Jonathan Rea war in einer Linkskurve nur harmlos ausgerutscht. Trotzdem reichte es danach auch für den Weltmeister nicht mehr für eine gute Zeit.

Scott Redding und sein Abflug auf dem Circuito do Estoril – mit viel Glück hatte sich der Engländer dabei nicht ernsthaft verletzt. Aber ohne Zeit aus der Superpole musste er von ganz hinten in den ersten Lauf starten (© WorldSBK).

Die Entscheidung im ersten Rennen von Estoril
Es war vor dem Start zum 1. Lauf klar, dass Redding weit vor Rea ins Ziel kommen musste, um noch eine winzige Chance im Titelkampf zu bewahren. Vom letzten Startplatz ins Rennen gegangen, war dies trotzdem möglich, weil Rea auch nur von P15 losfahren musste. Was dieser jedoch in den ersten Runden hinlegte, war erneut weltmeisterlich. Nach dem ersten Umgang auf Position 7, lag die Kawasaki Speerspitze in der 5. Runde bereits auf Platz fünf und Scottie erst auf P11. Einen Umlauf später spielte die Position von Rea keine Rolle mehr, weil sein Kontrahent nach knapp neuneinhalb Minuten mit defekter Ducati ausrollte. Der Titelverteidiger war kurz danach bis auf Rang 2 vorgestossen, doch ab Rennmitte fuhr er nur noch vorsichtig bis ins Ziel. Platz 4 reichte ihm für den Gewinn des 6. WM-Titels in Folge und

Der geschlagene Herausforderer am Boden zerstört – Scott Redding und seine Werks-Ducati am Boden des Circuito do Estoril am Samstag, dem 17. Oktober 2020 (© WorldSBK).

Endstand der Fahrer-WM 2020

Die WM-Chancen von Scottie für die kommende Saison

Die Frage nach dem Ziel ist beim Vizeweltmeister von 2020 schnell beantwortet, auch schon mehrfach vom Fahrer selbst. Ducati tritt mit seinen Werksfahrern nicht an, um Zweiter zu werden. Die Roten wollen unbedingt den Titel, weshalb sie mit gigantischem Aufwand 2019 mit der MotoGP Replica Panigale V4R in die Schlacht zogen. Doch Feldherr Jonathan Rea wehrte bisher alle Angriffe ab und holte sich zweimal in Folge trotz eklatant unterlegener Beschleunigung und Topspeed den Titel. Der Fall liegt also klar wie Klossbrühe und es braucht keine Kristallkugel dazu: Mit der neuen Kawasaki ZX-10RR ist der Nord-Ire absoluter Topfavorit für 2021. Redding und Ducati müssen fast auf Fehler, Ausfälle oder Stürze des amtierenden Weltmeisters hoffen. Es sei denn, Fahrer und Team finden bei Ducati noch ein geheimes Mittel, eine Art Zaubertrank, ansonsten wird es extrem schwierig.

Johnny Rea (Kawasaki ZX-10RR) – der Mann, den gerne alle schlagen würden, aber niemand schaffe dies über eine ganze Saison seit 2015. Immerhin kam Scottie in der verkürzten Saison 2020 diesem Ziel bisher am nächsten von sämtlichen Herausforderern (© WorldSBK).

Provisorischer Kalender für 2021

Eigentlich wollte der WSBK-Verantwortliche der Dorna, Gregorio Lavilla mit drei für die Superbike WM neuen Strecken überraschen (mehr über seine Karriere als Fahrer siehe in unserer History). Dessen sehr spät veröffentlichter provisorischer Kalender enthielt jedoch nur eine und zum Leidwesen vieler Deutschen Fans fehlt darin Oschersleben. Genau deshalb barg der Kalender auch so viele Überraschungen, vor allem den indonesischen Ort auf der Insel Lombok und Donington ohne WorldSSP. Während Red Bull Media fälschlicherweise bis kurz vor Veröffentlichung über deren Seite speedweek von einem angeblichen Start in Jerez berichtete, soll dieser Termin nun erst im September stattfinden. Saisonstart im April in Assen tönt jedenfalls gut. Aber viele befürchten, das Event fällt ohne Bewilligung für Zuschauer am Ende flach. Derzeit muss daher noch mit einigen Modifikationen gerechnet werden.

Der Vertrag mit Phillip Island steht noch nicht, genauso wie der Termin dafür, für welchen es fast nur die beiden von uns genannten Daten als vernünftige Möglichkeit gibt. Zumindest gilt dies für den Fall, dass auch wirklich der noch im Bau befindliche Mandalika Circuit bis im Herbst fertiggestellt und homologiert ist. Dazu müssen außerdem die Leute wieder reisen dürfen und es müsste ohne Einreisebeschränkungen gehen, was derzeit aufgrund Corona aber alles andere als sicher ist.