Das Pedercini Kawasaki Team mit Sandro Cortese beim Gruppenbild im Februar 2020, kurz vor Saisonbeginn in Phillip Island. In buchstäblich letzter Minute fand der „Italo-Schwabe“ bei Lucio Pedercini noch eine Möglichkeit, um eine 2. Saison in der WorldSBK dabeizusein (© WorldSBK).

Ein Rückblick zur Nr. 11 und 33 – Cortese und Melandri

Wir haben die beiden aus Italien stammenden ehemaligen Yamaha-Teamkollegen zusammengenommen, da sie 2020 ein Schicksal teilten. Das stimmt zwar so nur teilweise, weil der eine beendete seine Saison unfreiwillig. Der andere dürfte eigentlich gar nicht mit dabei gewesen sein, hätte man seinen Abschiedsworten Glauben schenken können. Die Rede ist dabei von Marco Melandri, dem Paddock-Zwergl der WorldSBK, wie ihn einige hinter vorgehaltener Hand gern nannten. Er hatte bereits nach seinem ersten Rücktritt noch große Töne gespuckt und besonders auch vor seiner überraschenden Rückkehr ins Paddock mitten im Jahr 2020 erst Recht.

Marco Melandri an der Paddock Show Autogrammstunde in Imola 2019 von uns fotografiert, dahinter Tom Sykes und links Sandro Cortese.

Vor dem Nichts stehend – die beiden „Nachwuchsfahrer“ Ende 2018

Die Situation war reichlich grotesk, wie sie sich Ende 2018 präsentierte. Die Firma Yamaha hatte ein Nachwuchsteam gebildet, welches eigentlich den Namen „GRT Yamaha WorldSBK Junior Team“ tragen sollte. Der bei der japanischen Marke für den Rennbetrieb in Europa zuständige Andrea Dosoli wollte damit jungen Fahrern die Möglichkeit bieten, sich in einem B-Team bei guten Leistungen für das Pata Yamaha Werksteam zu empfehlen. Doch dann wurde im Herbst der Saison überraschend Melandri bei Aruba.it Ducati rausgeworfen und durch Alvaro Bautista ersetzt. Dazu wurde der in der Moto2 jahrelang mit bescheidenem Erfolg angetretene Sandro Cortese für Kallio Racing Yamaha WSSP 600 Weltmeister. Also entschied sich Yamaha, die letzten beiden Worte im Teamnamen zu entfernen und nahm die beiden unter Vertrag. Aber insgesamt zwei dritte Plätze, wovon der von Marco in Jerez geschenkt war, reichten als Ausbeute nicht. Bei GRT Yamaha gescheitert, mussten sich Cortese und Melandri Ende 2019 entscheiden, wie es weitergehen soll.

Marco Melandri (GRT Yamaha) von uns nach dem 1. Rennen im Parc Fermé am 6. Juli 2019 in Donington Park fotografiert. Kurz davor war der kleine Italiener als ehemaliger WSBK Vizeweltmeister von Jonathan Rea überrundet worden.

Der Start in die verkürzte Saison

Auf die Saison 2020 startete GRT Yamaha danach mit dem ursprünglich bereits geplanten Namen. Mit Garrett Gerloff sorgte das Team im Lauf des Jahres für einige positive Überraschungen. Federico Caricasulo dagegen vermochte nicht zu überzeugen und stand mit wenigen Ausnahmen fast immer im Schatten des schnellen Texaners. Melandri war im Vorruhestand und Cortese bestritt mit minimaler Vorbereitung den Saison-Auftakt in Down Under. Die Plätze 13, 11 und 9 entsprachen so weit den Erwartungen und weiter ging es erst nach endloser Lockdown-Pause anfangs August.

Sandro Cortese vor Xavi Fores von uns in Kurve 4, genannt Honda Corner am 1. März 2020 in Phillip Island (Australien) fotografiert. Der Deutsche hielt sich tadellos angesichts der knappen Vorbereitungszeit und man hoffte natürlich auf eine Steigerung im Lauf der Saison.

Der sportlich endgültige Abstieg und das jähe Ende

Weil Barni Ducati Racing mit Leon Camier einen Fahrer unter Vertrag hatte, der sich aufgrund seiner Schulterprobleme als Langzeitverletzter erwies, wurde eifrig nach Ersatz gesucht. Mit Marco Melandri glaubte man, fündig geworden sein und auch der Rennzwerg spuckte vor seinem Rücktritt vom Rücktritt große Töne. Au Backe, derart blamiert hatten sich davor erst wenige früheren Weltmeister, als es der Mann aus Ravenna danach tat. In Jerez startete Marco noch halbwegs hoffnungsvoll in die verkürzte Europa-Saison und holte die Plätze 8 und 9 über die volle Distanz. Im Superpole Race wurde er jedoch nur 18. und Cortese musste sich mit drei 14. Rängen begnügen.

Marco Melandri (Barni Ducati Racing) – vor der Rückkehr große Töne gespuckt und wenig später fast nur noch über das Material gelästert. Sich nochmals durchzubeissen scheiterte offenbar an seinem Stolz (© WorldSBK).

Doppeltes Drama in Portugal
Auf dem Autodromo do Algarve spielte sich kurz nach Jerez gleich ein doppeltes Drama ab. Sandro nur auf P14 in der Superpole und Marco gar nur 19. und damit 5. Letzter verhiess bereits nichts Gutes. Cortese stürzte im ersten Rennen nach einer Berührung mit einem Konkurrenten und zog sich dabei schwere Verletzungen zu. Lange war nicht sicher, ob er danach überhaupt seine Karriere fortsetzten könnte. Die Saison für ihn war damit vorzeitig beendet. Melandri wurde 17., 15. und 14. und sollte mit nur 2 WM-Punkten nach Aragon weiterreisen, wo er nach erneut blamablen Resultaten die Reissleine zog. Sein Landsmann Rinaldi hatte auf einer Kunden-Ducati im GoEleven Team dort gewonnen und Marco war erneut gescheitert und gab seinen diesmal sofortigen Rücktritt bekannt. Es war der endgültige sportliche Abstieg in die Bedeutungslosigkeit für den Winzling mit dem großen Maul und einem ehemaligen Gridgirl als Ehefrau, welche ihn um zwei bis drei Köpfe überragt.

Unsere Aufnahme 2019 nach dem 1. Rennen von Jerez mit von links Sieger Bautista, dem Zweiten van der Mark und Weltmeister Rea als Drittem, sowie Privatfahrer Melandri auf P4. Weil Jonathan Rea nach einem grenzwertigen Manöver am Sturz von Alex Lowes als mitschuldig gesehen wurde, erhielt er eine Strafe und wurde später zurückversetzt. Dadurch holte Marco sein letztes Podium der Karriere geschenkt.

Die WorldSBK-Karriere von Marco Melandri in Zahlen

Da bei Sandro Cortese nur eine volle WM-Saison mit dem 12. Schlussrang und ohne Podestplätze zu Buche steht, haben wir uns auf die lange WSBK-Geschichte des Italieners beschränkt. Vielleicht ist es mit seinen erfolgreichen früheren Jahren zu erklären, weshalb sich der Italiener in seinen letzten Jahren im Paddock mehrmals unfreiwillig zum Gespött machte. Vor der Rückkehr auf der Barni Ducati hatte er noch zu Protokoll gegeben, mit einem derart guten Bike wie der Panigale V4R und einem Team wie Barni Racing werde es 2020 keine Ausreden geben. Doch ausgerechnet diese suchte er nach seinem Scheitern und sorgte mit einer abstrusen Behauptung endgültig für Kopfschütteln im Fahrerlager. Der Italiener behauptete, Alvaro Bautista (obwohl kaum größer als Melandri selbst) sei in voller Ausrüstung rund 8 kg schwerer als er. Ob Melandri lieber in Badehosen gefahren wäre, verschwieg er dabei. Als der kleine Spanier mit dieser Aussage konfrontiert wurde, grinste er übers ganze Gesicht und sagte zu uns, er hätte weder Blei im Helm noch in seinen Stiefeln, aber vielleicht ein schwereres Hirn.

Endstand der Fahrer-WM 2020

Fragliche Chancen von Cortese für die kommende Saison

Nach seiner Rehabilitation hilft beim Berkheimer wohl nur noch beten, was die neue Saison betrifft. Aufgrund der Corona-Pandemie brachen vielen privaten Teams Sponsorenbeiträge weg. Lucio Pedercini (mehr über seine Karriere als Fahrer sie in unserer History ab den späten 90-er Jahren der WorldSBK) verpflichtete anstelle von Sandro bereits Loris Cresson. Es ist davon ausgzugehen, dass der Franzose es schaffte, eine „Mitgift“ aufzutreiben. Seine Testergebnisse gaben zu wenig Hoffnung Anlass, aber Sandro nützt dies wenig.

Loris Cresson vor seinem WorldSSP 600 Einsatz im Jahr 2017 auf Yamaha. Der Franzose dürfte noch eine gewisse Zeit brauchen, um sich in der WorldSBK durchzusetzen. Für Prognosen ist es bei ihm derzeit wohl noch zu früh (© WorldSBK).

Eine Frage des Geldes oder Glücks bei Cortese
Mit einem potenten Geldgeber im Rücken wäre seine Zukunft für 2021 längst in trockenen Tüchern. Für Firmen wie Red Bull scheint der bescheiden auftretende Schwabe zu wenig interessant zu sein. Die österreichische Firma fand es nicht einmal für nötig, über deren hauseigenen Sender Servus TV die Supersport 600 WM zu übertragen, als Thomas Gradinger noch mitfuhr. Die Chancen für Cortese stehen daher mies, sprich minimal, aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Vor diesem Hintergrund aber von sportlichen Zielsetzungen zu sprechen, dafür ist es definitiv noch zu früh.

Ein Bild aus glücklicheren Tagen – Sandro Cortese von uns in der Startaufstellung von Aragon anfangs April 2019 aufgenommen. Nach den Startplätzen 6 in Australien und 4 in Thailand stand er nach P2 in der Superpole sogar in der ersten Reihe. Mehr als ein siebter und ein zehnter Platz schauten über die volle Distanz in den Rennen aber leider danach nicht heraus.

Provisorischer Kalender für 2021

Eigentlich wollte der WSBK-Verantwortliche der Dorna, Gregorio Lavilla mit drei für die Superbike WM neuen Strecken überraschen (mehr über seine Karriere als Fahrer siehe in unserer History). Dessen sehr spät veröffentlichter provisorischer Kalender enthielt jedoch nur eine und zum Leidwesen vieler Deutschen Fans fehlt darin Oschersleben. Genau deshalb barg der Kalender auch so viele Überraschungen, vor allem den indonesischen Ort auf der Insel Lombok und Donington ohne WorldSSP. Während Red Bull Media fälschlicherweise bis kurz vor Veröffentlichung über deren Seite speedweek von einem angeblichen Start in Jerez berichtete, soll dieser Termin nun erst im September stattfinden. Saisonstart im April in Assen tönt jedenfalls gut. Aber viele befürchten, das Event fällt ohne Bewilligung für Zuschauer am Ende flach. Derzeit muss daher noch mit einigen Modifikationen gerechnet werden.

Der Vertrag mit Phillip Island steht noch nicht, genauso wie der Termin dafür, für welchen es fast nur die beiden von uns genannten Daten als vernünftige Möglichkeit gibt. Zumindest gilt dies für den Fall, dass auch wirklich der noch im Bau befindliche Mandalika Circuit bis im Herbst fertiggestellt und homologiert ist. Dazu müssen außerdem die Leute wieder reisen dürfen und es müsste ohne Einreisebeschränkungen gehen, was derzeit aufgrund Corona aber alles andere als sicher ist.