Jorge Martin vor Joe Roberts und Brad Binder, von uns 2019 im Moto2 FP2 auf dem Circuito de Cataluña aufgenommen. Nur der Mann in der Mitte fehlt heute noch in der MotoGP, was sich womöglich bald ändern könnte. Trotz hervorragender Leistungen und aktueller Führung im Zwischenklassement vom Piloten vorne im Bild sprechen derzeit die meisten nur noch von seinem Landsmann Acosta.

Pedro Acosta – schwerlich mit Marc Marquez vergleichbar

Obwohl viele Journalisten sich mit Begeisterung darauf stürzten, aber ein Vergleich von Pedro Acosta mit dem besten spanischen MotoGP Piloten der Geschichte ist sinnlos und aktuell völlig verfehlt. Tut man es dennoch, kann der Newcomer aus Murcia mit dem 8-fachen Weltmeister schwerlich mithalten. Dies hat verschiedene Gründe und einer davon ist die Voraussetzung, mit welcher die beiden ihre Karriere in der Königsklasse des Motorrad-Rennsports lancierten. Eigens für Marc Marquez hatte die FIM auf Druck der Dorna auf die Saison 2013 sogar das Reglement geändert. Damit stieg er genauso wie vor ihm Valentino Rossi direkt in ein MotoGP-Werksteam auf. Als frisch gebackener Moto2 Weltmeister kam der Katalane durch diesen Schachzug direkt in das erfolgreichste Team dieser Zeit. Seit 1995 mit Mick Doohan hatte diese Mannschaft 9 Titel geholt und nur weil Valentino Rossi 2001 in den Farben des italienischen Bier-Herstellers Nastro Azzurro seine erste Weltmeisterschaft der Königsklasse holte, waren es nicht deren zehn. Acosta hingegen fährt zwar 2024 mit KTM Werksmaterial, aber nur im Tech 3 Kundenteam der Österreicher, die seit 2017 jedoch ohne ernsthafte Aussicht auf Erfolg von ihrem ersten Titel träumen.

Pedro Acosta im Frühling 2021, nach einem seiner zahlreichen Siege für Red Bull KTM in der Moto3. Im Jahr danach reichte es in der mittleren Kategorie aufgrund von sechs verpassten Ziel-Ankünften jedoch nur für WM-Rang 5. Der am 25. Mai 2024 erst zwanzig werdende Spanier gilt als eines der aktuell grössten Talente im Motorrad-Strassenrennsport. Trotzdem sollte zuerst abgewartet werden, wie sich seine ersten Jahre in der Königsklasse entwickeln, um ihn nicht vorschnell mit Lob zu überschütten.

Vergleicht man die ersten Resultate – Marquez klar in Führung

Wer trotzdem es eigentlich nicht statthaft wäre, den Werdegang der beiden Ausnahmetalente vergleicht, kann dabei nur zu einem Schluss kommen. Marc Marquez ist und bleibt wohl auch unantastbar und der Katalane schaffte sogar, was MotoGP Ikone Valentino Rossi verwehrt blieb. Marc fuhr im ersten Rennen in Losail (Katar) hinter Jorge Lorenzo und dem Italiener bereits in die ersten drei und gleich danach holte der beste aller Rookies der Neuzeit in Austin (Texas) schon beim zweiten Rennen seiner Karriere seinen ersten MotoGP Grand Prix Sieg. Beinahe unglaublich war jedoch dazu auch noch die Konstanz des Repsol Honda Aushängeschildes in dessen Rookie-Saison. Marquez verpasste 2013 die Zielflagge lediglich zweimal und stand in sämtlichen anderen Rennen auf dem Podest. Ein Vergleich mit Rossis erster Saison sollte dabei auf jeden Fall vermieden werden, weil der Italiener seine ersten beiden Jahre der Königsklasse ab dem Jahr 2000 auf den giftigen 500 cm³ Zweitaktern absolvierte, bei welchen der kleinste Fehler mit einem heftigen Sturz bestraft wurde. Trotzdem fuhr der Publikumsliebling bereits beim vierten Grand Prix als Rookie aufs Podium und gewann sein neuntes Rennen beim GP von England in Donington.

Kenny Roberts senior war für Yamaha in den 1970-er Jahren ein absoluter Glücksgriff. Bevor er auf die Saison 1978 mit Werksunterstützung „über den Teich“ nach Europa kam, kündigte er bereits an, dass der Weltmeistertitel in der Königsklasse sein klares Ziel sei. Anfänglich von den meisten deshalb als Großmaul bezeichnet, gab er seine Antwort ab 1978 auf den für ihn mehrheitlich neuen Rennstrecken darauf und er schaffte auf Anhieb etwas, das seit ihm nur noch Marc Marquez gelingen sollte.

Die fast unerreichbare erste Saison des aktuell weltbesten Piloten

Mit sechs Siegen wurde Marc für Repsol Honda auf Anhieb Weltmeister, obwohl Jorge Lorenzo auf der Yamaha zwei Rennen mehr als er gewonnen hatte. Dies ist in der Geschichte der letzten Jahrzehnte des Motorrad-Rennsports einzigartig und selbst ein Mick Doohan schaffte seinen ersten 500 cm³ Weltmeister-Titel erst im sechsten Jahr. Ganze 35 Jahre nach „King Kenny“ Roberts (sen.), als noch auf Zweitaktern und mit wesentlich weniger Konkurrenz, dafür auf lebensgefährlichen Kursen gefahren wurde. Wie sieht es aus für Pedro Acosta? Nach den ersten zwei Runden im Zwischenklassement auf dem sechsten Rang liegend, holte der GasGas KTM Pilot in den ersten 4 Rennen die Plätze 8, 9, 7 und drei. Fairerweise muss man dabei in letzterem Fall jedoch festhalten, dass das erste Podium einem Ausfall von Aprilia Ass Maverick Viñales zu verdanken war, aus eigener Kraft hätte es die erst 19-jährige KTM-Hoffnung ansonsten definitiv nicht aufs Podest geschafft.

Marc Marquez (Repsol Honda) vor dem Start zum Grand Prix von Malaysia in Sepang – einem Rennen, was nicht nur für ihn unschön endete. Mit aus Sicht vieler Fans fragwürdigen Mitteln bremste er seinen Erzfeind Valentino Rossi 2015 mehrmals aus, um damit dessen Sieg und nächsten Titel erfolgreich zu verhindern. Es kam zu unschönen Szenen, wonach der Katalane jahrelang von vielen Zuschauern zum Buhmann erkoren wurde. Marc gab seine Antwort darauf auf den Rennstrecken und holte sich ab dem Folgejahr vier Titel in Folge.

Eine Bestmarke der Nr. 93 wäre für Acosta 2024 sogar möglich

Noch hat Pedro die Chance, Marc als jüngsten MotoGP Sieger der Geschichte abzulösen, sollte er bis zum Sachsenring seinen ersten Grand Prix gewinnen. Marquez war 20 Jahre, zwei Monate und 4 Tage alt, als er in Austin seinen ersten GP gewann. Dessen Rookie Saison aber nur schon zu egalisieren, dürfte für Acosta jedoch als illusorisch gelten. Marc hatte 2013 nämlich nicht nur auf Anhieb seinen ersten WM-Titel in der MotoGP geholt, sondern diesen im Folgejahr sogleich zu verteidigen gewusst. Selbst Valentino Rossi als Vizeweltmeister in seinem ersten MotoGP Jahr, sowie womöglich auch Fabio Quartararo als WM-Fünfter bei seinem Einstieg 2019 und Johann Zarco (2017 auf Yamaha sechster in seiner Premieren-Saison) liegen ausser Reichweite des jungen Spaniers, bei dessen Feuertaufe in der MotoGP.

Ein verzweifelter Johann Zarco in der KTM Box 2019 – zwei Jahre davor war der Franzose als zweifacher Moto2 Weltmeister auf Tech 3 Yamaha in die MotoGP gekommen und sorgte dabei auf Anhieb für Furore. Aber bei den Orangen passte nichts zusammen und die Maschine war Fahrwerksseitig der Konkurrenz um Längen unterlegen, weshalb der schnelle Mann aus Cannes freiwillig aus seinem Vertrag ausstieg. Fünf Jahre später ist KTM so nahe dran an der Spitze wie vielleicht seit dem Einstieg 2017 noch nie.

Starke Leistungen von Pedro – aber kein Vergleich mit Marc

Fahrerisch zählt Acosta selbstverständlich zu den Besten der letzten Jahrzehnte, aber trotzdem ist ein Vergleich mit Marquez für ihn höchstens als Hypothek zu sehen. Dies liegt, wie eingangs bereits erwähnt, zum einen am Material, wobei Brad Binder als nach Runde 2 WM-Zweiter mit der KTM wenig Zweifel an deren Konkurrenzfähigkeit aufkommen lässt. Auf der anderen Seite ist jedoch die Dichte nur 11 Jahre nach dem kometenhaften Aufstieg von Ausnahmekönner Marc Marquez noch extremer geworden und die Zeitabstände in Training und Rennen wurden in den letzten Jahren immer geringer. Jedenfalls hat Pedro zwei der wichtigsten Bestmarken der Nummer 93 mittlerweile bereits verpasst. Auf Anhieb einen Podestplatz zu erreichen und das bereits zweite Rennen zu gewinnen, dürfte aber auch keinen Massstab darstellen, an welchem sich junge Talente orientieren sollen. Für die Saison 2024 gilt es ausserdem noch einige anderen Kriterien zu beachten, welche Acosta nicht zu beeinflussen vermag.

Die besten drei Piloten im Qualifying von Assen 2017 mit von links Marc Marquez (Repsol Honda, P2), dem Polesitter Johann Zarco (Tech 3 Yamaha) und Danilo Petrucci (Pramac Ducati) als Drittem. Für den Rookie in der Mitte aus Frankreich war es erst seine achte Runde in der Königsklasse, im Rennen reichte es leider nur für Rang 14. während Valentino Rossi von Startplatz 4 aus das Rennen gewann. Bestes Qualifying von Pedro Acosta war bisher in Portugal P7 und auch in diesem Bereich ist noch reichlich Luft nach oben für ihn.

Ein wichtiger Aspekt – Marc Marquez ist wieder in Topform

Nach den schwierigsten Jahren seiner Karriere ist der Mann aus Cervera ausgerechnet nach dem aus freien Stücken riskierten Verlust seines Status als Werksfahrer erneut in der Form seines Lebens. Er gab seinen auf 20 Millionen Euro pro Saison geschätzten Werks-Vertrag bei Repsol Honda im Vorjahr freiwillig auf, um auf einer Kunden-Ducati im Gresini-Privatteam die Freude am Rennfahren wiederzufinden. Nach schwerer Verletzung und körperlichem Handicap ab 2020 blieb der Spanier beharrlich und bewies 2024 mit auf Anhieb hervorragenden Resultaten der Öffentlichkeit, den Fans und vor allem auch sich selbst, dass er es immer noch drauf hat. Für ihn erschwerend ist der Umstand, dass in diesem Jahr die Vorjahres-Ducati zu Jahresbeginn der neuen Werks-Maschine nicht mehr so überlegen ist, wie dies im Vorjahr noch der Fall war, als Marco Bezzecchi damit WM-Dritter wurde. Die Zweifler an Marcs Performance sollten daher dringend über die Bücher gehen. Womöglich wird ausgerechnet er dem einzigen Rookie des Jahres noch einiges Kopfzerbrechen bereiten.

Der schlimmste Moment in der Karriere von Marc Marquez, als er 2020 in Jerez de la Frontera bei seiner Aufholjagd nach einem vorherigen Fehler heftig abflog und sich dabei den Oberarm brach. Das Risiko eines viel zu kurz nach der OP gewagten Comebacks zahlte sich nicht aus und es sollte fast ein Jahr dauern, bis Repsol Honda wieder auf ihn zählen konnte. Nebst 3 Siegen gab es jedoch viel zu viele Stürze und Ausfälle durch Verletzungen, was sich auch 2022 und 2023 weiter fortsetzte, wo er zudem gar sieglos blieb.

Die Situation in der Weltmeisterschaft – nach 2 Runden noch völlig offen

Trotz laut Meinung der meisten Experten unverschuldetem Sturz nach der Kollision im GP von Portugal mit „Pecco“ Bagnaia, liegt Marc Marquez nur einen Punkt hinter Acosta auf dem sechsten Zwischenrang. Obwohl ihm vermeintliche Experten wie zum Beispiel KTM Sportchef Pit Beirer dies vor Saisonbeginn nicht zugetraut hatten, brauchte Marquez auf der für ihn neuen Ducati nur drei Rennen, um sämtliche seiner neuen Markenkollegen im Sprintrennen von Portimão hinter sich zu lassen. Jemand anderen mit ihm zu vergleichen, verbietet sich aufgrund all der Superlative, die er in seiner Karriere bereits aufgestellt hat, eigentlich von selbst. Derzeit ist nach 2 Runden noch alles völlig offen und laut Marc Marquez sind die WM-Favoriten unter den besten des Vorjahres zu suchen. Diesbezüglich melden wir unsere Zweifel an und behaupten, wer 2024 Weltmeister werden will, muss vor allem ihn schlagen. Dabei ist jedoch stets zu berücksichtigen, dass beispielsweise unverschuldete Kollisionen oder sturzbedingte Verletzungen letztlich den Ausschlag geben können.

Marc Marquez (Gresini Ducati) auf der Verfolgung von Maverick Viñales (Aprilia) und Jorge Martin (Pramac Ducati). Bei seinem bisher besten Rennen auf der für ihn noch fast neuen Kunden-Ducati war der Mann mit der 93 im Sprintrennen als Zweiter, noch vor Martin auf der neuen Werksmaschine abgewunken worden. Ob Rookie Acosta irgendwann mit dem 6-fachen MotoGP Weltmeister ernsthaft verglichen werden kann, wird sich zweifelsohne aber erst nach mehreren Jahren erweisen.

Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© MotoGP).