Toprak Razgatlioglu nach dem negativen Höhepunkt des WorldSBK Wochenendes in den Niederlanden im Kiesbett der ersten Kurve, genannt Haarbocht – nach einer Kollision mit dem innen liegenden Garrett Gerloff sein erster Crash in einem Rennen dieses Jahres.

Dreifach-Triumph für Jonathan Rea – die Konkurrenz verpasst den Anschluss

Ganze vier Fahrer standen nicht am Start, die eigentlich gerne dabeigewesen wären. Mit Lucas Mahias und Jonas Folger waren es die beiden Sturzverletzten vom Samstag und mit Eugene Laverty und Christophe Ponsson die Opfer von zwei Teams, welche eigentlich gar nicht in eine WM gehören. Obwohl dir Gründe vollkommen unterschiedlich sind, lautete die Begründung für deren Verzicht mit „aufgrund von Umstrukturierungen“ aufs Wort identisch. Das sagt eigentlich bereits alles und mehr gibt es dazu kaum beizutragen, bis auf die Anmerkung, dass einem dabei vor allem der Nord-Ire als Assen-Sieger von 2013 extrem leidtun muss. Sein Landsmann hingegen stellte bereits am Samstag einen neuen Rekord auf.

Crew-Chief Pere Riba mit seinem Schützling Johnny Rea (Kawasaki ZX-10RR) – die beiden erlebten ein absolut perfektes Wochenende und machten von der Reifenwahl bis zur Renntaktik absolut alles richtig und als Resultat holten sie sich in den Niederlanden nach Aragon und Estoril den bereits dritten Gesamtsieg in der fünften WM-Runde.

Jonathan Rea und sein Meisterstück und die Chancenlosigkeit von Toprak
Mit 13 Siegen war er seit Samstag im ersten Rennen von Assen vor Carl Fogarty (12) nicht nur Rekordsieger auf dieser Strecke, sondern der bisher einzige Fahrer, der überhaupt eine solche Zahl je erreichte. Mit seinem hundert fünften Triumph liegt er mittlerweile um Welten vor dem ehemaligen Ducati Ass „King Carl“, aber viel wichtiger war ihm definitiv die Tatsache, dass er Toprak schlug und wieder die WM-Führung damit übernahm. Der Türke hatte bereits in der Superpole Nerven gezeigt und danach viel Glück, dass sein Team das Bike noch in letzter Minute wieder für eine schnelle Runde hinbekam. Er fuhr zwar gut am Samstag und auch im Sprintrennen am Sonntagmorgen, aber seine Pace reichte dabei nie, um mit einem überlegen fahrenden Rea auf Augenhöhe zu kämpfen. Razgatlioglu war im Prinzip chancenlos beim Versuch, den Nord-Iren bedrängen zu wollen. Nerven zeigte Toprak bereits in der Superpole mit einem Sturz in der fünften Minute und am Sonntagnachmittag kam auch noch Sturzpech dazu.

Der Moment nach der Kollision zwischen Gerloff (vorne innen) und dem von aussen hereinziehenden Toprak, der dabei die Kontrolle über seine Yamaha verlor und sich danach im Kiesbett überschlägt. Der hier noch auf P5 liegende Rea kann ausweichen und verliert dabei noch eine Position.

Jonathan Rea nach seinem Gesamtsieg in Assen: Es war schön, hier in Assen drei aus drei zu machen. Wir haben es geschafft, nachdem wir die Wahl des Hinterreifens nach Tag eins geändert haben. Durch den nächtlichen Regen war der Grip der Strecke etwas geringer und die Temperatur vielleicht drei oder vier Grad niedriger. Wir dachten, das wäre der Übergangspunkt für den SC0. Es war schön, gestern mit der weichen Reifenwahl und heute mit der Standard-Rennreifenoption zu gewinnen. Es ist ein massives Zeugnis für die Jungs in der Boxengasse und was sie getan haben. Wir haben an diesem Wochenende eine ziemlich große Fahrwerksänderung am Setup vorgenommen und damit war es einfacher zu fahren. Das konnte man an meinen Zweikämpfen sehen, ich konnte das Bike dort platzieren, wo ich wollte und es war sehr wendig, aber auch in den schnellen Abschnitten stabil. Ich bin heute Morgen als erstes hinübergegangen, um die Überschwemmungen auf der Strecke zu sehen. Wenn man bedenkt, wie viel Regen es in der Nacht auf Sonntag gegeben hat und in Kurve fünf war sogar ein kleiner See. Daher großen Respekt vor den Helfern, die dort viele Maschinen hatten. Zwei Feuerwehrautos, drei Tankwagen und wir hatten am Morgen nur 45 Minuten Verspätung. Sie haben einen unglaublichen Job gemacht.

Der Triumphator und bereits 107-fache Sieger in der Superbike WM – Jonathan Rea machte alles richtig und nun stehen seine Heraufsorderer für die nächsten Rennen vor einer gewaltigen Aufgabe, wollen sie ihn ernsthaft unter Druck setzen (© Kawasaki Racing Team).

Die WM-Führung erhöhte den Druck auf die Yamaha Hoffnung
Nicht nur im von vielen Türken besiedelten Deutschland stieg die Freude, als Jonathan Rea die WM-Führung in Donington Park verloren hatte. Bei ihm hat man oft den Eindruck, dass die meisten sich freuen, wenn er Probleme hat und nicht wie so oft in den letzten 6 Jahren beinahe furchterregend dominiert. Auch bei den Kommentatoren ausserhalb von Grossbritannien spürt man es deutlich, wie sie begeistert sind, wenn der Nord-Ire geschlagen wird oder Rückschläge wie im letzten Rennen von England hinnehmen muss. Mit dem Vorwand, so werde wenigstens die WM wieder spannend, wird manche Schadenfreude dabei versucht zu kaschieren. Bei aller Euphorie über Razgatlioglus starkes Abschneiden in Donington übersahen jedoch viele, dass er in Assen noch nie wirklich zu überzeugen vermochte. Zudem ist die Yamaha Hoffnung immer noch den Beweis einer konstanten Saison schuldig, um wirklich als Titelkandidat zu gelten. Nun sieht es danach aus, als war der Druck durch die WM-Führung zu hoch und auf einen Schlag fehlen ihm nun 37 Punkte auf den überragenden WM-Leader und dreifachen Sieger von Assen, als dort bereits 15-fachen Gewinner, was noch nie ein Fahrer vor ihm fertigbrachte.

Die beiden Verfolger des Leaders auf der Kawasaki – Toprak Razgatlioglus (Yamaha) vor Scott Redding (Ducati) nahmen sich am Samstag mit ihrem verbitterten Zweikampf die Chance selbst, die Lücke zu Jonathan Rea zuzufahren.

Die trotzige Kampfansage des Geschlagenen
Nach seinem desaströsen Sonntagnachmittag sprach ein unsäglich enttäuschter Toprak davon, ab nun einfach nur jedes Rennen auf Sieg fahren zu wollen. Es sind trotzige Worte eines verständlicherweise enttäuschten jungen Mannes, der sich große Hoffnungen gemacht hatte, den Rekordweltmeister ernsthaft im Titelkampf herausfordern zu können. So tönte im Vorjahr auch Scott Redding und vor ihm sein Markenkollege Chaz Davies und andere, aber geschafft hat dies seit Rea für Kawasaki fährt, noch keiner bis zum letzten Rennen der Saison. Aber natürlich sind noch viele Rennen zu fahren und würde der WM-Leader auf einer BMW fahren, müsste man bei ihm die Befürchtung hegen, der Defekt-Teufel könnte nächstens wieder zuschlagen. Darauf zu hoffen, wäre jedoch sehr unsportlich und bei der sensationell hohen Zuverlässigkeit seiner Kawasaki ZX-10RR dazu auch absolut sinnlos. Um ihn im Kampf um die WM-Krone schlagen zu können, darf man sich kaum Fehler erlauben und muss konstant ganz vorne mit dabei sein. In Assen nahmen sich seine Verfolger jedoch meist gegenseitig Punkte weg, was dem bescheidenen Rekord-Champion nur recht sein kann.

Scott Redding (Ducati) vor Toprak Razgatlioglu (Yamaha) – in Assen war der Engländer der bessere der beiden und holte mit 45 Punkten auch deutlich auf den Türken im Zwischenklassement auf.

Die Situation bei BMW – die Pace wird besser, aber viel zu viele Pannen

In Donington kam mit dem ersten Podium die Bestätigung, dass die Fortschritte bei den Blau-Weißen mittlerweile Tatsache wurden. Nebst dem heftigen Sturz vom in aussichtsreicher Position liegenden Jonas Folger und der aus peinlichen Gründen bedingten Abwesenheit von Eugene Laverty gibt es jedoch weitere Probleme, die so nicht sein dürften. Wenn Tom Sykes aufgrund von technischen Problemen die Superpole komplett verpasst und danach vom Ende des Feldes starten muss, ist dies mehr als peinlich. Die Pannenserie von BMW in Assen begann jedoch bereits am Morgen früh im FP3, als dessen Teamkollege Michael van der Mark keine infolge technischer Probleme keine gezeitete Runde fahren konnte. Ausgerechnet bei seinem Heimrennen kostete dies den Niederländer danach in der Superpole die Chance für einen vorderen Startplatz, womit er knapp das Podium im ersten Rennen verpasste. Natürlich pflanzte sich dieser Ärger auch für Samstagmorgen fort, weil die Startpositionen für das Superpole Race unverändert blieben. Nachfolgend das Resultat des Sprintrennens vom Sonntag mit nur 3 WM-Punkten für Sykes auf BMW, während van der Mark mit einem Crash ausgeschieden war.

Woran liegen die dauernden Pannen von BMW?
Man kann es sich aussuchen, aber wir sehen hierbei nur zwei Möglichkeiten. Entweder ist die neue BMW M-1000RR und auch das von vielen Pannen begleitete Modell S-1000RR von katastrophal schlechter Qualität, oder das Problem liegt am Werksteam unter der Führung von Marc Bongers seitens BMW und Shaun Muir als Teamchef. Wenn man sich ansieht, wie selten beispielsweise Kawasaki mit technischen Problemen kämpft, betreiben die Blau-Weißen ein Stück weit mit ihrem Engagement sogar Werbung für die extrem zuverlässige Konkurrenz. Gleichzeitig machen sie mit ihrem Werkseinsatz eine Form von Negativ-Werbung, die so nicht gewünscht sein kann. Während man im Vergleich zur Konkurrenz viel zu spät auf die Rennstrecken ging, um die Entwicklung des komplett neuen Bikes voranzutreiben, verspielte man damit einen erfolgreichen Saisonauftakt.

Michael van Mark am Boden – sein Crash in Kurve 12 bedeutete für den vierten vom Samstag im Superpole Race bereits in der ersten Runde das Aus und einen herben Rückschlag, bevor es am Nachmittag wieder etwas besser lief. Ohne die Stürze von Gerloff und Toprak, sowie die Reifenprobleme von Rinaldi wäre es jedoch für die Top Ten definitiv eng geworden.

Ein augenfälliger Unterschied von BMW zu den anderen Mitbewerbern
Vergleicht man die Presse-Aussendungen von BMW mit denen der Mitbewerber in der WorldSBK, fällt sofort etwas auf, das sich grundlegend von den anderen unterscheidet. Bei der deutschen Marke werden nämlich immer zuerst die Kommentare der Herren Bongers und Muir aufgeführt, erst danach kommen die Aussagen der Fahrer. Unsere Vermutung deshalb: Der Fisch stinkt bei BMW vom Kopf und es liegt eher am Team und nicht dem Material. Da sich in einer halben Saison bereits derart viele Pannen anhäuften, wie sie Kawasaki nicht einmal in mehreren Jahren zu beklagen hat, ist die Teamführung dafür verantwortlich.

Alvaro Bautista (HRC Honda) vor Rinaldi und Lowes – der Spanier bot nach seinen beiden Stürzen in den ersten zwei Rennen am Sonntagnachmittag eine hervorragende Leistung und fuhr in die Top 5 und lag damit vor der besten BMW von Michael van der Mark.

Alvaro Bautista (HRC Honda): Es war ein herausforderndes Wochenende für uns mit zwei Stürzen in den ersten beiden Rennen, was mich ehrlich gesagt ziemlich ärgert, denn ich denke, unsere Leistung in diesen Rennen hätte ähnlich sein können wie in den ersten beiden Rennen. Wenn ich jetzt versuche, natürlicher zu fahren, stürze ich. Trotzdem haben wir das Wochenende mit einem positiven Ergebnis abgeschlossen, einer hart umkämpften Top-5 Platzierung mit einigen schönen Kämpfen und ich denke, das liegt an unserer Arbeit. Im Laufe des Wochenendes haben wir uns auf der Elektronikseite stark verbessert, vor allem im unteren Bereich des Leistungsbereichs, was mir jetzt mehr Selbstvertrauen gibt. Vielleicht ist es noch nicht so offensichtlich, aber ich hoffe, es ist nur ein Ausgangspunkt für die kommenden Rennen.

Das Ergebnis des zweiten Rennens am Sonntag

Stand in der WorldSBK WM nach der Assen-Runde

In Hellblau hinterlegt die sogenannten Wet-Races, die bei nasser oder zumindest feuchter Strecke gestartet wurden.

Der immer noch provisorische Kalender

Die in dunklem Grau hinterlegten beiden Runden gelten aufgrund der Pandemie schon seit Veröffentlichung des Plans von FIM und Dorna für dieses Jahr als sehr fragwürdig. Aus diesem Grund suchen die Verantwortlichen um den WSBK-Verantwortlichen Gregorio Lavilla nach zusätzlichen Möglichkeiten, um wenigstens eines oder zwei dieser Events durch Rennen in Europa zu ersetzen. Aktuell ist zumindest nicht klar und sicher, wie viele WM-Runden es diese Saison geben wird. Nebst der Reiseproblematik gilt der Mandalika Circuit insbesondere auch aufgrund der unklaren Situation bezüglich der Fertigstellung der Boxenanlagen und Infrastruktur als höchst fragwürdig. Die nächsten beiden Strecken sind komplett neu und dort erwarten die WorldSBK Fahrer zwei sehr spezielle Layouts. Most ist der kurvenreichste Kurs und bleibt laut Vertrag für 5 Jahre im Kalender und Navarra gleicht laut einigen Kritikern eher einer Go-Kart Strecke, als einem WM-würdigen Circuit.

Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© WorldSBK).