Johann Zarco (links, Ducati) und Miguel Oliveira (rechts, KTM) – zwei der herausragendsten Figuren beim Doppelrennen auf dem nicht erst seit diesem Jahr äußerst umstrittenen Red Bull Ring in Spielberg/Österreich (© MotoGP).

Zu viele unschöne Szenen und verfälschte Resultate

Dass es im ersten Rennen zum GP von Österreich in der Moto2 und MotoGP keine Toten oder Schwerverletzten gab, grenzt an ein Wunder. Angesichts der Bilder, die am 16. August 2020 um die Welt gingen, kann man nicht von guter Werbung für den Motorrad-Rennsport sprechen. Schuld daran waren, dies ist dabei sehr wichtig zu betonen, nicht in erster Linie Fahrer. Ein High-Sider, wie er dem davor in der Moto2 WM führenden Enea Bastianini passierte, kann immer passieren. Der Italiener stürzte in der 1. Kurve nach drei Runden, wonach sein Bike mitten auf der Strecke liegen blieb. Da es hinter einer leichten Kuppe zu liegen kam, eine riesige Gefahr für die nachfolgenden Piloten. Prompt wurde es von Hafizh Syahrin dazu noch durch einen vor im liegenden Fahrer verdeckt, welcher noch knapp ausweichen konnte. Doch der Malaysier hatte keine Chance und prallte ungebremst in Bastianinis Bike und flog dabei heftig ab. Das Rennen wurde sofort abgebrochen. Er fehlte im Rennen eine Woche danach aufgrund seiner schweren Prellungen. Zumindest hatte sich Syahrin zum Glück dabei keine gravierenden Verletzungen zugezogen.

Die Spielzeuge des Streckenbesitzers zogen am Himmel trotz Geisterrennen ohne Zuschauer am Sonntag ihre Kreise. Dieses Geld wäre wohl besser in ausreichende Sicherheitsvorkehrungen investiert worden, wie sich im MotoGP Rennen zeigten sollte (© MotoGP).

Mangelnde Sicherheitsvorkehrungen mit beinahe tödlichen Folgen

Was im MotoGP Rennen danach passierte, war sogar noch gefährlicher. Die Kurve 2 von Spielberg ist mehr ein links-Knick und wird in den kleineren Klassen daher auch mit Vollgas genommen. In der MotoGP zum Abbremsen vor der extrem spitzwinkligen Kurve 3 eine gute Möglichkeit zum Überholen. Genau dies tat Johann Zarco (Hublot Reale Avintia) auf der gegenüber den Yamahas wesentlich schnelleren Ducati. Doch der Franzose kreuzte dadurch sehr knapp vor Franco Morbidelli (Petronas Yamaha SRT) dessen Linie. Der überraschte Italiener bremste etwas zu spät und berührte mit seinem Vorderrad das Heck von Zarco, wodurch beide Piloten mit fast 300 km/h abflogen. Glücklicherweise verletzte sich keiner der beiden dabei schwer. Aber ihre Bikes und Teile davon flogen danach nur um Zentimeter an den Köpfen der davor liegenden Monster Energy Yamaha Fahrer Viñales und Rossi vorbei.

Valentino Rossi vor Maverick Viñales (Monster Energy Yamaha) – mit viel Glück unverletzt davongekommen, nachdem ihnen führerlose Bikes und deren Teile um die Ohren geflogen waren (© MotoGP).

Zu späte Sicherheitsvorkehrungen und sinnlose Bestrafung

Dass Maverick und Valentino dies überlebten, war pures Glück. Erst danach wurde diese Stelle vor dem 2. Rennen entsprechend gesichert. Mit Johann als Sündenbock vom Dienst hatte die Rennleitung schnell einen Schuldigen ausgemacht, was natürlich ausgemachter Blödsinn war. Der Mann aus Cannes wurde für das Rennen danach mit dem Start aus der Boxengasse bestraft. Doch Zarco hatte sich sogar beim Sturz noch verletzt und musste mit einer Mikrofraktur im Handgelenk operiert werden. Er kam am Donnerstag wieder rechtzeitig zurück und musste von den Rennärzten erst noch als fit erklärt werden. Prompt entschieden diese Quacksalber jedoch, den Franzosen noch nicht am freien Training am Freitag teilnehmen zu lassen. Wie peinlich falsch diese Fehlentscheidung war, stellte sich am Samstag im Qualifying heraus. Johann fuhr nämlich die drittbeste Zeit und wäre damit für die erste Startreihe qualifiziert gewesen. Trotz sinnloser Bestrafung mit Start aus der Boxengasse holte er sich im Rennen tags darauf sogar noch 2 WM-Punkte.

Johann Zarco (links) und Franco Morbidelli (rechts kniend) nach dem Horror-Crash im GP von Österreich (© MotoGP).

Die wahren Übeltäter schaden dem Ansehen des Motorsports

Mit Ralph Bohnhorst wurde ein ehemaliger Beiwagen-Rennfahrer in die Sicherheitskommission der MotoGP gewählt. An der Seite von Freddie Spencer ist der Deutsche zusammen mit Bill Cumbow eine seltsame Wahl. Kein Wunder, sind bis auf Spencer die beiden anderen sogenannten FIM-Stewards in der Zweiradszene auf WM-Niveau nie in Erscheinung getreten. Nur der US-Amerikaner hat als zweifacher 500 cm³ Weltmeister und einem Titel in der 250 cm³ Klasse eine Reputation, die ihn als Experten auszeichnet. Allerdings waren seine letzten 4 WM-Jahre alles andere als ein Ruhmesblatt. Aus „Fast Freddie“ war nach seinem letzten 500-er WM-Titel von 1985 quasi über Nacht ein Hinterbänkler geworden. Über den 16. WM-Rang (im Jahr 1989) kam der am 20. Dezember 1961 in Shreveport, Louisiana geborene Spencer nicht mehr hinaus. Er bot in der Regel schlicht ein Bild des Jammers. Elektrische Fahrhilfen wie sie heute im Einsatz sind, dürfte er nur vom Hörensagen kennen. Zusammen mit Cumbow und Bohnhorst scheint er in seiner Funktion schlicht überfordert.

Fabio Quartararo (Petronas Yamaha SRT) wird wohl nie ein Freund des Red Bull Rings werden. Viel schlechter hätte es für den WM-Leader der MotoGP in Österreich kaum laufen können. Doch der Franzose darf sich nun umso mehr auf das nächste Doppelrennen freuen. An die Strecke von Misano hat er nach P2 im Vorjahr sehr gute Erinnerungen (© MotoGP).

Absolut willkürliche Bestrafungen verfälschten die Resultate

Bereits in Brünn waren einige Entscheidungen der FIM-Stewards für die Mehrheit der MotoGP Fans völlig unverständlich. Krassester Fehler dabei war die Bestrafung von Johann Zarco, der sich innen von Pol Espargaró auf selber Höhe befand, als Letzterer mit ihm kollidiert war. Der Spanier war in Kurve 1 weit gegangen und danach wieder zurück auf die Ideallinie gezogen, wo sich zu diesem Zeitpunkt aber bereits der Franzose befand. Zarco erhielt zum Unverständnis von Millionen von Zuschauern einen Long Lap Penalty aufgebrummt, der in die Geschichte eingehen sollte. Wie an der Schnur gezogen meisterte der Ducati Pilot aus Cannes diese Situation und verlor dabei nicht einmal seine Platzierung an den hinter ihm liegenden Fabio Quartararo. Beim Moto2 Rennen in Spielberg wurde die Situation dann aber noch grotesker. Jorge Martin kreuzte die Ziellinie hauchdünn vor Marco Bezzecchi und fühlte sich danach logischerweise als Sieger. Doch aufgrund von Zeitlupen-Aufnahmen entschieden Freddie Spencer und Konsorten sich für eine Rückversetzung des Spaniers um einen Platz. Er hatte die Piste in der Zielkurve um wenige Zentimeter verlassen, wurde als Begründung angegeben. Seltsam dabei nur, dass er dies bereits im 1. Rennen getan hatte und in der MotoGP Pol Espargaró meterweit besagte Kurve verfehlt hatte, ohne dafür bestraft zu werden. Derart willkürliche Bestrafungen verfälschten die Resultate und schaden dem Rennsport!

Jorge Martin (Red Bull Ajo Kalex) – der Spanier verstand wohl nach der fragwürdigen und willkürlichen Entscheidung nach dem GP der Steiermark zu Recht die Welt nicht mehr (© MotoGP).

Wieviel ist der KTM Sieg im 2. Rennen von Spielberg wert?

Auf den ersten Blick sehr wenig, bedenkt man die Vorteile, welche KTM durch die frühe Aufhebung des Lockdowns in Österreich und zahlreiche Tests im Vorfeld hatte. Zudem wäre der erfolgreichste Fahrer des Doppelrennens Sieger geworden, wäre sein Gegner im Kampf um den Sieg nicht Pol Espargaró gewesen. Die Rede ist von Jack Miller (Pramac Ducati), der im Kampf mit dem Spanier am Ende noch den Portugiesen Oliveira vorbeiziehen lassen musste. Ohne den Abbruch des Rennens nach einem Bremsversagen der Yamaha von Viñales und dem folgenden Neustart wäre zudem kaum eine KTM ganz vorne mit dabei gewesen. Joan Mir führte auf seiner Suzuki bereits mit einem Abstand von rund 2,5 Sekunden, bevor der Abbruch kam. In Brünn und Spielberg kann nicht wegdiskutiert werden, dass die KTM Piloten durch ihre Tests auf diesen Strecken vor dem Rennen einen haushohen Vorteil hatten. Nachdem die Österreicher zusammen mit Aprilia auch in Misano während der Corona-Zwangspause testen durften, benötigt die Marke aus Mattighofen dringend einen Sieg, der auch sportlich unbestrittenen Wert hat.

Jack Miller (Pramac Ducati) vor Bagnaia-Ersatz Michele Pirro – der Australier ist einer von unzähligen Fahrern in der MotoGP, der von Red Bull persönlich gesponsert wird. Auf dem Red Bull Ring in Spielberg war er mit zwei Podiumsplatzierungen in der Saison 2020 der erfolgreichste Pilot in Österreich (© MotoGP).

Wer den Red Bull Ring in Schutz nahm

Es war geradezu köstlich wie Red Bull Media einige Fahrer zitierte, welche den Red Bull Ring nach dem unseligen Doppelrennen und den vielen fatalen Zwischenfällen in Schutz nahmen. Die Rede war dabei von Miguel Oliveira (Red Bull Tech 3 KTM), Pol Espargaró (Red Bull KTM Factory Team) und Jack Miller (Pramac Ducati, mit einem Red Bull Sponsoringvertrag versehen). Peinlicher geht es fast nicht, als drei beim Sprudelkonzern unter Vertrag stehende Piloten zu nennen, welche den Red Bull Ring in Schutz nahmen. Selbst Johann Zarco ist bei diesem Sponsor unter Vertrag und natürlich würde auch er daher kein schlechtes Wort über diesen Kurs verlieren. Bleibt nur die Frage offen, warum ein Milliardär und seines Zeichens reichster Österreicher eine derart ungeeignete Strecke kaufte und kraft seines Einflusses die F1 und MotoGP herbrachte. Im Jahr 1969 wurde dieser Kurs gebaut und als Highspeed-Rennstrecke konzipiert. Für die MotoGP ist es im aktuellen Kalender der wohl ungeeignetste Veranstaltungsort. Ein Kurs mit überspitzt ausgedrückt drei Geraden und drei scharfen Kurven, mit nur einem kurzen 4. Teil, der fahrerisch wirklich anspruchsvoll ist.

Die umstrittene Rennstrecke in Spielberg wird garantiert jedes Jahr in der Kritik stehen, was für den landschaftlich hervorragend gelegenen Kurs extrem schade ist. Zudem ist Österreich unbestritten eines der schönsten und attraktivsten Urlaubsländer von ganz Europa (© MotoGP).

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