Start zum Saisonauftakt der WorldSSP im Motorland Aragon und einem überaus dramatischen Beginn mit sehr vielen Überraschungen und sehr viel Spannung in den ersten beiden Rennen.

Rückblick auf den WorldSSP 600 Saisonauftakt in Aragon

Es geht dieses Jahr in der mittleren Klasse der seriennahen Weltmeisterschaft darum, den Nachfolger von Andrea Locatelli zu finden. Der Italiener wechselte nach einer Dominanz, wie es sie in der Geschichte der WorldSSP so davor noch nie gegeben hatte auf 2021 direkt ins Yamaha Werksteam der WSBK. Nach der Superpole standen mit Jules Cluzel (Yamaha), Niki Tuuli (MV Agusta) und Philipp Öttl (Kawasaki) drei verschiedene Fabrikate in der ersten Startreihe. Eigentlich seltsam, gibt es auf einschlägigen Portalen doch oft den dümmlichen Spruch zu lesen, die WSSP 600 sei zu einem Yamaha Cup verkommen. Die Realität sieht zum Glück aber anders aus, auch wenn zwei der Männer aus Reihe 1 das Rennen nicht überstehen sollten.

Philipp Öttl (Kawasaki Puccetti Racing) in Topform – der junge Deutsche war der einzige der drei aus der ersten Startreihe, welcher es ins Ziel schaffte und dies durchaus unter dem Jubel seines Teams.

Dramatischer Ausgang des ersten Rennens am Samstag
Es war mit Jules Cluzel der Polesitter, welcher das Rennen in der ersten Halbzeit prägte. Der schnelle Franzose ergriff früh das Kommando und nach fünf Runden hatte er sich einen Vorsprung von gut einer Sekunde auf seinen nächsten Verfolger Philipp Öttl herausgefahren. Niki Tuuli hingegen hatte keinen besonders guten Start erwischt und lag zuerst nur auf P5, als die Fahrer zum ersten Mal bei Start-Ziel vorbeikamen. Doch der Finne arbeitete sich auf seiner MV Agusta F3 675 sukzessive nach vorne und nach dem ersten Drittel war er am zweitplatzierten Deutschen dran, um kurz danach an diesem und seiner Kawasaki ZX-6R vorbeizugehen. Wenig später war er bereits am führenden Franzosen dran, aber danach passierte es.

Jules Cluzel (stehend) kümmert sich um den am Boden liegenden Niki Tuuli, nachdem in dieser in Turn 12 davor abgeräumt hatte, weil er ihm ins Heck gefahren war, wobei der Franzose wie vor einem Jahr in Aragon in Kurve 1 keine Chance hatte. Damals wurde er von Tuulis Vorgänger Raffaele de Rosa erwischt und fiel danach mit Knochenbrüchen aus.

Eine Kollision mit Folgen
Der MV Agusta Pilot war zu optimistisch in Kurve 12 und erwischte den vor ihm liegenden Cluzel am Hinterrad, wobei es zu einem heftigen Crash der beiden kam. Es war ganz klar der Fehler des Finnen und der einzige Trost des Franzosen dabei war am Ende, dass er sich im Gegensatz zu Tuuli nicht ernsthaft dabei wehgetan hatte. Aber zum zweiten Mal innert einem Jahr von einem MV Agusta Piloten unschuldig abgeschossen zu werden, war für ihn und auch für sein Team sehr hart. Niki musste danach mit einer Gehirnerschütterung ins Spital zur weiteren Untersuchung und sollte am Sonntag in der Startaufstellung fehlen. Damit war der Weg für die dahinter liegenden Fahrer frei und es war Steven Odendaal, der Dominique Aegerter im Finale hauchdünn hinter sich lassen konnte, während Öttl mit Platz 3 sein erstes Podium der Saison holte.

Exakt 0,099 Sekunden vor Dominique Aegerter (Ten Kate Racing Yamaha) kreuzte Steven Odendaal (Evan Bros. WorldSSP Team Yamaha) bei seinem ersten WorldSSP Sieg der Karriere die Zielflagge.

Philipp Öttl nach dem 3. Rang im ersten Rennen:Es war ein gutes Rennen und ich hatte einen sehr guten Start. Am Anfang hatte ich ein gutes Gefühl mit dem Bike, aber gegen Ende fiel der Grip auf einmal dramatisch ab. Ich dachte mir danach, nun muss ich so lange wie möglich in der Führungsposition bleiben. Aber am Ende bin ich wie auf Eierschalen geritten, derart rutschig war es. Die Vorderseite war in Ordnung, mein Hinterreifen war das Problem. Ich habe mein Bestes versucht und heute war der dritte Platz das beste, was ich auch am Morgen in der Superpole erreichen konnte. Nun hoffe ich, dass die Bedingungen am Sonntag etwas kühler werden, um später im Rennen keine Probleme zu haben. Aber es war trotzdem ein gutes Rennen. Sechzehn Punkte sind ein positiver Start. Die Kawasaki war auf den Geraden schnell und ich bin soweit zufrieden. Jetzt können wir mit den Schnellsten mithalten. Das Team und das Motorrad sind eine Verbesserung gegenüber dem Vorjahr.“

Can Öncü nach Platz 10 im 1. Lauf am Samstag:Der Start war nicht schlecht, es war sehr schön. Nach einem guten Beginn bekam ich mitten im Rennen in den schnellen Kurven Probleme und musste etwas kämpfen. Ich begann hinten ein bisschen zu rutschen und ich denke, am zweiten Tag sollten wir noch einen Schritt in diesem Bereich machen. Bis zur 10. oder 11. Runde war alles in Ordnung, aber danach wurde es sehr schwierig.

Can Öncü (Kawaski Puccetti Racing) vor Randy Krummenacher (EAB Racing Team Yamaha) – der junge Türke konnten den vermeintlichen WM-Mitfavoriten aus der Schweiz das ganze Rennen lang hinter sich lassen. Damit schaffte es der Weltmeister von 2019 im ersten Rennen der Saison im Gegensatz zu Kenan Sofuoglus Schützling nicht einmal in die Top Ten.
Resultate des ersten Tages der WorldSBK (links, mit dem 100. Sieg von Jonathan Rea) und er WSSP 600 mit einem Sieger aus Südafrika, der sein erstes WM-Rennen der Karriere gewann. Er sollte auch einen Tag später wieder einer der Hauptprotagonisten sein.

Das zweite Rennen am Sonntag

Der Wunsch von Phillip Öttl nach kühlerem Wetter sollte sich erfüllen, dazu war es aber auch noch recht nass geworden. Leider übertrieb es der junge Deutsche zu Beginn etwas und kam nur bis zur zweiten Kurve, als er fast parallel mit Federico Caricasulo ausrutschte und sich im Kiesbett wiederfand. Beide versuchten danach wieder das Rennen aufzunehmen, aber beim Kawasaki Piloten ging es danach mit defektem Bike an die Box. Auch für den Vizeweltmeister von 2019 reichte es nicht mehr in die Punkteränge, womit er im WM-Zwischenklassement aus den Top Ten flog. Wer ganz schlechte Aussichten bereits vor dem Start hatte, war Jules Cluzel. Der Yamaha Pilot musste von ganz hinten starten, weil bei ihm von den Stewards früher ein Problem mit dem Reifendruck festgestellt worden war. Was der Franzose danach leistete, war jedoch mehr als nur erstaunlich.

Federico Caricasulo (GMT94 Yamaha, links im Bild) und Phillip Öttl (Kawasaki Puccetti Racing) nach ihrem Sturz in Kurve 2, direkt nach dem Start – damit waren zwei Mitfavoriten auf das Podium bereits nach wenigen Sekunden so gut wie aus dem Rennen.

Der überragende Mann des Rennens – Jules Cluzel
Sieger Steven Odendaal und der zweitplatzierte Raffaele de Rosa mögen es uns verzeihen, aber keiner der beiden war für die meisten Betrachter der Mann des Rennens. Zur Erläuterung hier kurz die wichtigsten Stationen von Jules Cluzel, dem Pechvogel des ersten Rennens und vor dem Start beinahe chancenlosen Yamaha Piloten. Von ganz hinten gestartet, lag der schnelle Franzose nach einer Runde bereits auf P15, beinahe 8,5 Sekunden hinter dem Spitzenreiter. Nach dem ersten Drittel wurde er bereits auf Position 8 geführt. Dabei war er beinahe 14 Sekunden hinter Leader Chris Bergman aus Schweden. In der 10. von 15 Runden war er bereits auf Position zwei angekommen und auf der Jagd nach dem Führenden.

Jules Cluzel (GMT94 Yamaha) als dritter von links hinten mit der Nummer 16, während vorne im Bild Caricasulo und Öttl parallel ins Kiesbett rutschen, während die Führenden bei dieser Aufnahme bereits vorbei waren.

Die denkbar knappe Entscheidung um das Podest
Es war am Ende extrem knapp, wer zuoberst auf dem Podium stehen würde und erneut war es wie am Samstag mit Steven Odendaal der Bardahl Evan Bros Pilot. Dahinter mit nur einem Zehntel Rückstand Raffaele de Rosa zum ersten Mal mit der Kawasaki auf Podest und dahinter als dritter mit einer hauchdünnen Entscheidung Jules Cluzel als Mann des Rennens vor Hannes Soomer. Dominique Aegerter musste sich diesmal mit P5 begnügen und Bergman als vorheriger Leader wurde hinter dem Schweizer sechster. Die Ehre Finnlands rettete diesmal anstelle des fehlenden Niki Tuuli sein Landsmann Vertti Takala mit Rang 8 hinter Marc Alcoba. Der von vielen vor Saisonbeginn als Favorit gehandelte Randy Krummenacher schaffte es vor Hendra Pratama diesmal immerhin knapp in die Top Ten. Nachfolgend die Rangliste des 2. Rennens in Aragon.

Jules Cluzel (GMT94 Yamaha) vor Vertti Takala (Kallio Yamaha) und Can Öncü (Kawasaki Puccetti Racing) – am Ende wurde der Mann aus Montluçon (zwischen Lyon und Le Mans) immerhin mit Platz 3 für seine sensationelle Aufholjagd belohnt.

WM-Stand der WorldSSP nach der ersten Runde

Sicherheitshalber und aus Gründen der Übersichtlichkeit haben wir nur die ersten Runden hier aufgeführt. Fragwürdig sind effektiv die Überseerunden in Argentinien und Indonesien. In Blau hinterlegt das zweite Rennen von Aragon, weil dieses als Regenrennen gestartet wurde. Erneut führt nach den ersten beiden Rennen ein Bardahl Evan Bros Yamaha Fahrer und dies sogar mit deutlichem Abstand vor seinem nächsten Verfolger aus der Schweiz. Hinter dem „Domi-Fighter“ geht es jedoch recht eng zu und bis Platz 8 ist nur eine Differenz von 15 Punkten.

Motorland Aragon Streckenkarte

Die seriennahe WM fährt seit 2011 in Aragon und den ersten WSSP-Sieg holte damals ein gewisser Chaz Davies auf ParkinGo Yamaha. Im Jahr danach war Sam Lowes auf PTR Honda der Sieger. In der WorldSSP war Kenan Sofuoglu der beste als von 2014 bis 2016 dreimaligem Gewinner in Folge.

Der provisorische Kalender der WorldSBK für 2021

Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© WorldSBK).