Steven Odendaal (Bardahl Evan Bros Yamaha) vor Dominique Aegerter (Ten Kate Yamaha) – dieser Zweikampf bedeutet in dieser Saison eindeutig auch den Fight um den Weltmeistertitel von 2021 in der Supersport 600 Kategorie.

Halbzeit-Fazit – Aegerter und seine Mammutaufgabe vor der Zwangspause

Wir hatten mit Dominique Aegerter ein Interview vor Saisonbeginn geführt, bei welchem es auch um seine Doppel-Belastung mit MotoE und WorldSSP 600 ging (siehe unter „Interviews+TV“ auf dieser Seite). Dabei gab er sich eher diplomatisch, aber auch angriffig, was seine Ziele in der seriennahen WM betraf. Weil wir um seine Qualitäten wussten, war für uns damals bereits klar, dass ihm dieser Konflikt bevorstehen könnte. Nun ist es so weit und die Frage von damals ist ausreichend geklärt, weil sein MotoE Team Liqui Moly Intact GP auf seiner Teilnahme am Grand Prix von San Marino besteht. Gleichzeitig findet die WM-Runde in Barcelona der WorldSSP 600 statt. Schuld an dieser Kollision ist aber weder der Schweizer, noch das in Memmingen stationierte deutsche Team, für welches in der Moto2 Marcel Schrötter fährt. Erst durch die Fehlplanung von FIM und Dorna konnte diese Termin-Überschneidung entstehen.

Randy Krummenacher (EAB Racing Team Yamaha) vor Philipp Öttl (Kawasaki Puccetti Racing) – die beiden dürften aus dem Rennen um den Titel sein, wobei der Deutsche immer noch WM-Rang 3 aus dem Vorjahr wiederholen kann, während der Schweizer sich mit seinem Crash in Lauf 2 von Navarra endgültig um eine Topplatzierung in der Endabrechnung gebracht haben dürfte.

Im Extremfall verliert der Schweizer 50 Punkte
Sollte Steven Odendaal als nächster Verfolger beide Läufe in Barcelona Mitte September in Abwesenheit des an diesem Wochenende in Misano antretenden Schweizers gewinnen, verliert dieser auf den Südafrikaner damit 50 Punkte. Vor der Runde in Frankreich beträgt der Vorsprung des „Domi-Fighters“ 47 Zähler. Kampflos seinen Vorsprung zu verlieren ist definitiv ein hartes Los für den Sachsenring Sieger von 2014 in der Moto2. Aus diesem Grund kämpft er mit einer wahren Mammutaufgabe, um seinen Vorsprung auf den nächsten Konkurrenten und Hauptfavoriten im Titelkampf so weit wie möglich auszubauen. Auf dem Circuit de Nevers Magny-Cours fuhr Aegerter noch nie, deshalb wartet auf ihn eine wirklich harte Herausforderung. Doch diese Medallie hat wie so oft auch eine andere Seite. Wer sich ansieht, was seinem härtesten Konkurrenten im Titelkampf erleben musste, dem stehen speziell in einem Fall die Haare zu Berge.

Dominique Aegerter und ein maskiertes Ungetüm (dies ist nicht ganz ernst gemeint) nach der Superpole auf dem Circuito de Navarra – dem Schweizer winkt durch den Wegfall seiner Barcelona Runde ein hartes Finale. Aber er hatte auch Glück, was den Abstand zu Odendaal als seinem nächsten Verfolger in der WM betrifft.

Das unglaubliche Handicap des Bardahl Evan Bros Piloten in Misano und Assen
Man muss klar festhalten, dass Steven Odendaal zweimal extremes Pech hatte. In Misano erhielt er zum Unverständnis seines Teams und sämtlicher neutralen Beobachter kurz vor Ende des zweiten Rennens einen Long-Lap Penalty aufgebrummt. Dass er als Leader aus Sicht der sturen FIM-Kommissare diese Strafe „missachtete“, als er mit Aegerter um den Sieg kämpfte, kann jeder Mensch mit funktionierendem Hirn nachvollziehen. Zu dieser Menschengruppe gehören die Funktionäre der obersten Motorsportbehörde jedoch nicht. Obwohl Odendaaal als erster die Zielflagge kreuzte, wurde er danach mit einer Strafe belegt und dadurch auf P5 zurückversetzt. Die sportliche Fairness wurde dabei förmlich mit Füßen getreten und er verlor damit 15 Punkte, während Domi 5 dazu gewann, was eine Differenz von 20 Punkten zwischen den beiden Kontrahenten ausmacht. Toprak Razgatlioglu beging im WSBK Rennen danach ebenfalls zwei gleiche „Verfehlungen“ wie Steven, aber der Türke wurde dafür von der Rennleitung nicht bestraft. In Estoril hatte Odendaal das erste Rennen gewonnen, aber im zweiten fiel er durch einen technischen Defekt aus, als er um den Sieg kämpfe. Damit verlor er weitere 20 oder 25 Punkte.

Die Aufnahme von der Bike-Kamera der Kawasaki von Jonathan Rea in Runde 3 – ein klarer Beleg dafür, dass Toprak hier und so früh bereits dasselbe „Vergehen“ beging, wie später nochmals, als es die FIM-Stewards dann mitbekamen. Im Gegensatz zu Odendaal wurde der Türke aber nur verwarnt und behielt im Ziel im Gegensatz zum Südafrikaner die Punkte für seinen Sieg. Bei Gleichbehandlung hätte Razgatlioglu aktuell mindestens 5 Punkte weniger auf dem Konto und der Kawasaki PIlot dafür einige mehr.

Die Abschaffung der Track-Limits – eine Frage der Zeit?

Wir waren über die Ungleichbehandlung von Odendaal und Toprak in Misano derart vor den Kopf gestossen, dass wir danach aus Protest entschieden hatten, ab sofort auf unseren Live Blog zu verzichten. Die Vorgeschichte dazu fand auch in der MotoGP in Mugello statt, um nur ein weiteres Beispiel zu nennen. Auch dort gab es durch die Kommissare der FIM eine Ungleichbehandlung. In der Moto2 wurde Marco Bezzecchi bestraft und verlor dadurch sein Podium. In der MotoGP taten mit Oliveira und Mir zwei Fahrer vor dem Franzosen Zarco liegend faktisch exakt dasselbe wie in der mittleren Klasse der Italiener. Sie aber behielten ihre Plätze, was selbst diverse Kommentatoren keineswegs verstanden. Eigentlich müsste die Abschaffung der Track-Limits nur eine Frage der Zeit sein, weil Fahrer und Teams die neue Regel in beiden Serien wie die Pest hassen. Erste Vorzeichen dazu spürte man ab Assen in der WorldSBK und WSSP.

Ein Beispiel aus Most mit dem offiziell veröffentlichten Protokoll aus der WSBK-Superpole – es hagelte Track-Limits und am Ende waren es 13 an der Zahl, wonach es im Paddock bittere Sprüche der Betroffenen dazu gab. Diese zahlreichen Reklamationen zeigten offenbar Wirkung, weil im Rennen am Nachmittag gab es wie im WSSP 600 Rennen nicht eine einzige Verwarnung zur sogenannten „Track-Limit-Violation“ und folgerichtig auch keine Bestrafungen. Erst im Warm-Up am Sonntagmorgen waren es plötzlich wieder 12 gestrichene Rundenzeiten, aber im Nachmittag in sämtlichen vier Rennen aller Klassen keine Einzige Verwarnung oder Bestrafung. Die ist mehr als seltsam, oder nicht? Besonders auf der kurvenreichsten Strecke des Jahres schlicht unglaubwürdig, aber trotzdem ganz im Sinn des Sports.

Die Situation vor der Frankreich-Runde

Mit dem Circuit de Nevers Magny-Cours kommt eine besondere Strecke für die nächste Runde auf die Piloten zu. Mit der kürzesten Zielgeraden im Kalender und einigen sehr heiklen Passagen eine typische Fahrerstrecke. Genau deshalb hatte Johnny Rea im Podiums-Interview von Navarra ein Strahlen im Gesicht, als er von dem Kurs sprach, an welchen er hervorragende Erinnerungen hat. Für den „Krummenator“ gilt dies weniger, wobei er nach seinem Crash im Rennen von 2019 insofern Glück hatte, als sein Teamkollege und härtester Konkurrent im Titelkampf Federico Caricasulo kurz danach auch noch gestürzt war. Steven Odendaal zeigte im Vorjahr insbesondere im zweiten Lauf eines seiner besten Rennen und wurde hervorragender vierter, während Aegerter auf der speziellen Strecke am westlichen Rand des Burgunds bisher noch nie antrat. Philipp Öttl hatte 2020 in Nevers sein schlechtestes Wochenende, wobei es in beiden Läufen damals nass war und zumindest aktuell sieht es laut Prognose höchstens für Freitag und Samstag feucht aus für das Event in Frankreich.

Start zum WorldSSP 600 Rennen vor aufgrund der überrissenen Preise fast leerer Haupttribüne in Navarra – für Magny Cours kosten vergleichbare Tickets für 3 Tage am ersten September-Wochenende weniger als die Hälfte.

Der aktuelle WM-Stand in der WSSP 600

Wie es weitergeht im provisorischen Kalender

Laut Plan kommt zwei Wochen nach der Navarra Premiere der Circuit de Nevers Magny-Cours als nächste Station und weitere 14 Tage später beginnt ein sogenannter Dreierblock. Genau wie im ersten Jahr der WSBK 1988, als mit nur je einer Woche Abstand Runde 5 in Sugo gefahren wurde (am 28.8), es nach Le Mans weiterging und 7 Tage danach in Estoril gefahren wurde. Damals natürlich noch am Sonntag beide Rennen und Punkte gab es weniger als heute und dazu kein Superpole Race. Vierzylinder-Motoren waren auf 750 cm³ limitiert und es wurden nur 9 Runden ausgetragen. Mehr dazu siehe in unserer reichhaltig illustrierten History. Diese Saison sind es erst zum zweiten Mal Barcelona mit dem Circuito de Cataluña, Jerez und Portimão. Was danach kommt, ist jedoch noch fragwürdig, weil an Rennen in Argentinien und Indonesien bereits bei Veröffentlichung des ersten Kalenders viele absolut zu Recht zweifelten. Es wird dabei entweder mit Ersatzrunden auf anderen Strecken oder einer Kürzung des Kalenders zu rechnen sein. Zumindest in der MotoGP wurden bereits nacheinander die Events in Australien, Japan, Thailand und Malaysia abgesagt.

Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© WorldSBK).