Mit oder ohne Superpole Race

Durch die Einführung des Superpole Race sind natürlich sämtliche Statistiken ab 2019 ziemlich unmöglich bis zumindest erschwert, insbesondere was den Vergleich mit den bisherigen Jahren betrifft.

Die Maschine des ersten WSBK-Weltmeisters Fred Merkel (USA) in den Jahren 1988 und 1989. Damals war eine V4 mit 750 cm³ das Maß der Dinge.

Da es sich beim 2019 eingeführten Superpole Race um ein Sprintrennen handelt, ist die Sache eigentlich recht einfach. Im Prinzip ist es eine 2. Superpole, bei welcher die Startreihenfolge für das zweite Rennen bestimmt wird. Im Gegensatz zur Superpole vom Samstagmorgen gibt es dafür allerdings WM-Punkte, jedoch nur für die Plätze 1 bis 9. Dazu wird das SP-Race nur über 10 Runden ausgetragen. Somit handelt es sich nicht wie bei den beiden Rennen um einen echten WM-Lauf im herkömmlichen Sinn. Insofern ist die Frage geklärt, beim Vergleich mit früheren Jahren und in der Statistik ist das Superpole Race und die dadurch erzielten WM-Punkte schlicht zu ignorieren. Damit kann bestimmt auch jeder Statistiker leben, weil alles andere ist schlichter Stumpfsinn und wäre absolut falsch. Im Prinzip ist daher auch die Vergabe von WM-Punkten für das Superpole Race ein ausgemachter Schwachsinn, dies ist zumindest auch die Einschätzung der meisten Fahrer. Nach der Bestrafung von Jonathan Rea in Jerez, als er mit einem missglückten Überholmanöver im 1. Rennen Alex Lowes berührte und dieser zu Sturz kam, sieht jeder Laie die Problematik des SP-Rennens aufgrund Reas Bestrafung. Zuerst wurde Rea auf Platz 3 bestätigt, völlig offiziell und auch an der Paddock Show so kommuniziert. Sogar ein Interview als Dritter gab der Nord-Ire bei dieser Gelegenheit und betonte, wie leid ihm der Vorfall tat. Selbst der gestürzte Alex Lowes gab zu Protokoll, das er Rea nicht böse sei und die Kollision in der letzten Kurve ein simpler Rennunfall gewesen wäre.

Nach Lauf 1 wurde Jonathan Rea (2. von Rechts) zuerst als Dritter offiziell bestätigt. Später am Abend kam die kalte Dusche und er wurde um einen Platz zurückversetzt, sowie auf den letzten Startplatz für das SP-Race. Dadurch verlor er alle Chancen auf ein Podium im Superpole Rennen.

Nachträglich wurde der Weltmeister Jonathan Rea allerdings um einen Rang auf Platz 4 im 1. Rennen zurückversetzt und dazu auf den letzten Startplatz des Superpole Race. In nur 10 Runden hatte Rea somit praktisch keine Chance mehr auf einen vorderen Platz und schaffte trotzdem noch P4. Beim Marquez-Rossi Clash in Argentinien 2018 wurde nicht ansatzweise eine derart harte Strafe für Rüpel Marc Marquez angewandt. Obwohl er nicht nur Rossi vom Sattel holte, sondern auch andere Piloten wie Aleix Espargaro gnadenlos von der Piste rempelte, wurde er mit Samthandschuhen angefasst. Da er Spanier ist und die Mehrheit aller Mitarbeiter bei der Dorna Landsleute sind, dazu noch der FIM-Präsident einen sehr spanisch klingenden Namen trägt: Wer wundert sich da noch, dass bei Rea deutlich härtere Strafen zur Anwendung kommen?

Die einzig korrekte Statistik

Aufgrund der zuvor angeführten Gründe kann es nur eine vernünftige und auch korrekte Statistik geben, auch weil die Weltmeister der früheren Jahre kein Superpole Rennen ausgetragen haben:
Zumindest in der Statistik darf das SP-Race nicht mitgezählt werden, andernfalls würden sämtliche bisher ausgetragenen Rennen und Punktzahlen in einem falschen Licht erscheinen. Das Superpole Rennen darf höchstens in der aktuellen Saison mitgerechnet werden, selbst wenn dies zumindest sehr fragwürdig ist. Bei der MotoGP erhält der schnellste Fahrer des Qualifyings eine Uhr, den Hersteller lassen wir hier mal beiseite, es spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Am Ende der Saison eventuell noch ein Auto, worüber ein Millionär wie ein Marquez nur müde lächeln dürfte. Aber keine WM-Punkte und dies ist der springende Punkt. Hier haben die Macher von Dorna & Co. wohl übers Ziel hinausgeschossen und mit 3 Rennen wird die WSBK auch nicht attraktiver als „nur“ mit zwei. Viel wichtiger wäre eine Chancengleichheit, wie es sie bis 2018 noch einigermaßen gab. Nachfolgend somit eine Statistik bis und mit Jerez 2019, unter Berücksichtigung von Lauf 1 & 2, aber ohne die Siege des Superpole Sprintrennens.

Rangliste mit Renn-Siegen in der WSBK – Top Ten

Rekordweltmeister Jonathan Rea liegt bis Jerez 2019 mit 72 Siegen mit deutlichem Vorsprung auf Carl Fogarty in Führung. Unter den aktuellen Fahrern liegt Tom Sykes mit 34 Siegen auf Platz 5 und Chaz Davies mit 29 GP-Erfolgen auf Position 8. Dem aktuell dank einer infolge Reglementslücke überlegenen Ducati in der WM führenden Alvaro Bautista fehlen auf seinen spanischen Landsmann Carlos Checa auf Platz 10 exakt 15 Rennsiege. Seine bisher 9 Siege sind, selbst wenn man (was definitiv nicht korrekt wäre) die 4 Superpole Erfolge dazu rechnen würde, im Vergleich zu den besten WSBK Fahrern der Geschichte Peanuts. Davon abgesehen mussten bisher sämtliche Sieger in der Regel um ihre Siege kämpfen und konnten sich nicht auf eine MGP-Replica setzen, mit welcher sie die herkömmlichen Superbikes auf den Geraden um locker 20-30 Km/h distanzierten. Nachfolgend die Top Ten der Geschichte, grün eingefärbt die aktuell noch aktiven Fahrer.

In diesem Jahr sind noch 14 Rennsiege möglich, bei verbleibenden 7 Events. Die Top Ten in der World Superbike WM liegen für Alvaro somit definitiv außerhalb der Reichweite. Davon ausgehend, dass 2020 dieselbe Anzahl an Runden bei der WSBK ausgetragen wird, finden 26 WM-Läufe statt. Im günstigsten Fall kann es Bautista somit in die Top 5 schaffen. Es ist allerdings zu bezweifeln, dass die Gegner von Ducati sich auch im nächsten Jahr derart auf der Nase herumtanzen lassen, wie dieses Jahr. Ohne die gütige Mithilfe der FIM wäre dies gar nicht erst passiert. Wäre Kawasaki derart überlegen gewesen, das erlaubte Drehzal-Limit für die Grünen läge mittlerweile bei rund 1500 bis 2000 U/Min unter dem Wert zu Saisonbeginn.

Für die nächsten 2-3 Jahre definitiv uneinholbar – Rekordweltmeister Jonathan Rea, hier nach seinem ersten Sieg 2019. Im Jahr 2018 gewann er 17 Rennen, sein Teamkollege und Top-Fahrer der letzten Jahre, Tom Sykes schaffte in seinem letzten Jahr bei Kawasaki exakt einen Rennsieg!

Nebst Jonathan Rea gab es in der jüngeren WSBK-Geschichte übrigens auch andere Fahrer, welche die Meisterschaft von Beginn an dominierten. Ein gutes Beispiel ist der Amerikaner Ben Spies, der 2009 in 28 Rennen 14 Siege, zwei Zweite und einen dritten Platz erzielte und damit hoch überlegen gewann. Im Jahr darauf wechselte er in die MotoGP und wurde auf Anhieb Gesamtsechster, mit zwei Podiumsplatzierungen. Das Jahr 2011 war sein erfolgreichstes, mit einem Sieg und 4 Podiums, einer schnellsten Rennrunde und WM-Rang 5.

Der US-Amerikaner Ben Spies in seiner glamourösen WSBK Saison 2009 für Sterilgarda Yamaha, interessant ist insbesondere die Startnummer 19.

Von solchen Erfolgen kann Alvaro Bautista nur träumen, selbst wenn er dieses Jahr – wovon die Buchmacher ausgehen – WSBK Weltmeister wird. Nachdem er aktuell vielerorts meist als Überflieger bezeichnet wird und schon beinahe zum Superhelden hochstilisiert wurde, sei dies hier zur Wiederherstellung der Realität vorsichtshalber erwähnt. Bautista ist definitiv ein sehr guter Fahrer, was er in den letzten Jahren in der MotoGP auch schon mehrfach unter Beweis gestellt hat. Allerdings wäre sein aktueller Erfolg ohne das Leistungsplus der Ducati, auf welcher er derzeit antritt, absolut undenkbar. Ob Marco Melandri mit seiner Aussage, Ducati zerstöre den Geist der WSBK mit deren MotoGP Replica recht hat oder nicht, es ist kaum davon auszugehen, dass es 2020 so weiter geht wie in diesem Jahr.

Ex-Ducati Fahrer Marco Melandri kritisiert seinen ehemaligen Arbeitgeber aufs Schärfste. Laut Melandri wird mit dem MotoGP Prototypen für 2019 der Geist der WSBK zerstört. Im Prinzip hat Marco Recht – kein Normalsterblicher kann sich ein solches Motorrad für beinahe 40’000 Euro leisten.

Mit WSBK-Rückkehrer BMW, dem Weltmarktführer Honda, sowie Yamaha und Kawasaki sind absolute Top-Hersteller in der Serie vertreten. Wer denkt, dass derart renommierte Firmen bloß um Platz 2 kämpfen wollen, irrt sich gewaltig. Dazu kommt, dass 99 Prozent aller Ducati Käufer mit V2-Motoren unterwegs sind und in der World Superbike Serie geht es prinzipiell um seriennahe Maschinen. Eine MotoGP Replica mit V4 Motor ist ein komplett anderes Motorrad. MotoRacers Zippy kann mit verbundenen Augen feststellen, ob eine (V2-) Ducati gerade vorbeifährt (rein am Geräusch erkennbar), genauso wie sämtliche Ducatistis erst recht den Sound ihrer Bikes selbst im Schlaf erkennen können. Bis auf den kurzfristigen Erfolg der Duc V4R ist sogar durchaus denkbar, dass dieser Schritt für die Marke aus Borgo Panigale zum Schuss ins eigene Knie wird. Auf der einen Seite freut sich die Mehrheit der Fans nur über mit legitimen Mitteln erreichte Erfolge und andrerseits fehlt gegenüber der Konkurrenz die Identifikation mit erschwinglichen Serienmaschinen. Und hier liegt bei der aktuellen V4R das derzeit größte Manko. Seltsamerweise geht genau dieser Aspekt in vielen Diskussionen zum Thema absolut vergessen. Der Käufer eines Sportmotorrads und Besucher von WSBK-Rennen möchte lieber keine Prototypen siegen sehen, sondern seine eigene Maschine im Kampf mit anderen Fabrikaten. Dies ist ja das Besondere der World Superbike Serie, ein Kampf zwischen seriennahen Motorrädern, die sich fast jedermann leisten kann. Für 2019 haben es Dorna und FIM womöglich versemmelt, aber für die folgenden Jahre besteht durchaus Hoffnung, und sofern es gelingt, werden sich bestimmt auch die Zuschauerzahlen wieder den Erwartungen annähern.