Die Kollision in Kurve eins zwischen Toprak Razgatlioglu (bereits am Boden) und Garrett Gerloff (beide Yamaha) erinnerte an das zweite Rennen von Jerez de la Frontera 2020 in der MotoGP, als Brad Binder seinen KTM Markenkollegen Miquel Oliveira in Turn 1 unsanft aus dem Sattel geholt hatte.

Fahrerstimmen nach der fünften WorldSBK Runde in Assen

Das Wochenende in den Niederlanden verlief ganz nach dem Geschmack von Jonathan Rea, der sich mit einer schlicht überragenden Leistung verdient die WM-Führung zurückerobert hatte. Auch wenn im dritten Lauf Toprak Razgatlioglu nach dem Zusammenprall mit seinem Markenkollegen aus Texas nicht die Kontrolle über seine Yamaha verloren hätte und vielleicht um ein Podium danach hätte mitfighten können, den Kawasaki Piloten hätte er dabei kaum geschlagen. Vor allem aber hatte der Türke auch noch Wetterglück gehabt, weil ursprünglich Regen für beide Rennen am Sonntag vorhergesagt war. Bei solchen Verhältnissen gilt er grundsätzlich als chancenlos, was den Kampf um Podestplätze betrifft. Im Trockenen reichte es am Sonntagmorgen deshalb für Rang 3, genau wie am Vortag, als er sich nebst dem amtierenden Weltmeister auch Scott Redding geschlagen geben musste. Nach 2 Punkten Vorsprung auf Rea vor Assen reist die Yamaha Hoffnung nun mit 37 Zählern Rückstand aus den Niederlanden ab. Nachfolgend einige Stimmen der Fahrer nach dem Wochenende, diejenigen des WM-Leaders und von Alvaro Bautista siehe in unserer Zusammenfassung vom Sonntag auf dieser Seite.

Toprak Razgatlıoğlu (Yamaha): Garrett hat im zweiten Rennen einen schlimmen Fehler gemacht, ich bin mir nicht sicher, warum er in der ersten Kurve so hart gebremst hat – ich war überrascht und bin nur wütend, weil wir dadurch so viele Punkte verloren haben für die Meisterschaft. Am Start überholte ich Rinaldi vor Turn 1. Danach war es nicht leicht, mein eigenes Bike abzubremsen. Dies war schwierig und daher kann ich nicht verstehen, warum Gerloff mit mir kollidiert ist. In Most werde ich nur um den Sieg kämpfen, ich schaue nicht mehr auf Meisterschaftspunkte. An diesem Wochenende hatte ich vielleicht einfach nur Pech, aber wir werden wieder hart um das nächste Rennen kämpfen.“

Andrea Locatelli (Yamaha):Ich habe die Situation von Sonntagmorgen sofort vergessen, weil ich danach eine weitere Chance hatte, Rennen zu fahren. Man konzentriert sich immer darauf, das Maximum herauszuholen, wenn man es kann. Ich bin sehr glücklich, denn wir haben das erste Podium geholt, auch im Rennen über die volle Distanz und es ist wirklich ein tolles Gefühl. Im kurzen Sprintrennen muss man hart pushen, aber es ist auch schade, den kleinen Fehler mit den Streckenlimits gemacht zu haben. Dabei ging es nur um wenige Millimeter. In Rennen 2 habe ich dann sofort die Führung übernommen und konnte ein gutes Tempo halten, aber am Ende habe ich viel mit dem weicheren SCX-Hinterreifen gekämpft. Bei den Bedingungen wie am Sonntag und tags davor mit etwas Sonne konnten wir in allen Sessions pushen und ich habe jedes Mal gelernt und mich verbessert. Nun sind wir schneller und ich war erstmals ganz vorne. Wir waren das ganze Wochenende bei den Besten und ich freue mich auch für meine Crew. Wir arbeiten sehr gut zusammen, sie arbeiten hart und wir machen keine Fehler und auch der R1 funktioniert so gut. Es war schön, hier in Assen zu fahren, und wir haben sehr bald eine weitere Chance, so weiterzumachen und zu versuchen, noch mehr Podestplätze zu erringen.

Die von Andrea Locatelli angesprochene Situation, bei welcher man auf diesem Bild noch sieht, wie er mit dem Hinterreifen sehr knapp im grün markierten Bereich (was für eine Farbe für die verbotene Zone) war. Die Aufnahme mit Topraks diesbezüglicher „Verfehlung“ hatten wir bereits im Bericht zum Superpole Race veröffentlicht. Im Grunde genommen sind die Track-Limit Bestrafungen jedoch völliger Unsinn, da sie die Sicherheit nicht erhöhen. Immerhin können sich die FIM-Stewards damit wichtig machen, die meisten Fahrer hingegen finden dies wie viele Zuschauer weniger lustig.

Tom Sykes (BMW): Ich habe es geschafft, in Rennen zwei aus der dritten Reihe zu starten, was viel besser war. Von dort hatte ich einen guten Start ins Rennen, nachdem die Jungs ein bisschen an der BMW M-1000RR gearbeitet haben. Wir haben den härteren Hinterreifen verwendet und damit konnte ich zu Beginn des Rennens einfach nicht genug Grip finden. Aber das Motorrad blieb während des gesamten Rennens sehr konstant. Leider kam ich in die letzte Kurve vor der letzten Runde etwas von der Linie ab und verlor die Front. Es war ein wirklich langsamer Crash, aber ich konnte ihn nicht retten. Ich finde es schade, das Bike war heute gut genug für die Top-Sechs und es wäre schön gewesen, das ganze Wochenende konstant zu sein. Es schien, als dass wir einige gute Verbesserungen erzielt haben, sowohl bei mir und Michael. Ein enttäuschender Abschluss des Wochenendes. Aber wir können das Positive mitnehmen und werden uns darauf konzentrieren, zu versuchen für die nächste Runde darauf aufzubauen.“

Michael van der Mark (BMW): Der Sturz am Sonntagmorgen war ein dummer Fehler von mir. Ich wollte es unbedingt versuchen und in den schnellsten Kurven der Strecke habe ich probiert, noch schneller zu werden. Dies war eindeutig ein unnötiger Crash und es tat mir leid für das Team. Im zweiten Rennen hatte ich einen guten Start. Ich hatte in Turn 1 ein bisschen Glück, angefangen von P11 und am Ende der ersten Runde war ich Fünfter, aber ich hatte nicht die Pace oder den Grip, auf den ich gehofft hatte. Meist hatte zu viel Mühe, das Motorrad in der Spur zu halten, und ich hatte einfach nicht mehr zu geben, also war es ziemlich hart. Aber am Ende des Rennens fand ich ein bisschen mehr Tempo und schaffte es, Michael Ruben Rinaldi und Alex Lowes einzuholen und zu überholen, womit P6 am Ende nicht so schlecht ist. Aber ich wollte wirklich mehr.

Leandro Mercado (MIE Honda): Ich hatte einen tollen Start, habe den Kontakt zwischen den anderen Fahrern in der ersten Kurve genutzt und bin, glaube ich, auf den zehnten Platz gekommen, den ich eine Weile halten konnte. Mit frischen Reifen konnte ich in der Gruppe bleiben, der wir leistungsmäßig am nächsten sind. Aber wenn deren Haftung nachlässt, fällt es mir schwer, das Tempo zu halten, also habe ich mich auf den Rhythmus konzentriert, den ich halten konnte und versucht, so konstant wie möglich zu sein. In dieser Phase geht es darum, Rennen zu beenden, Daten zu sammeln und das Setup weiter zu verbessern. Tatsächlich sind wir heute mit einem etwas anderen Setup gefahren als gestern und ich muss sagen, dass die Pace etwas konstanter war als im ersten Rennen. Wir müssen natürlich noch einige Aspekte des Bike-Setups verbessern, aber jetzt verstehen wir besser, wo wir stehen. Von nun an müssen wir weitere Schritte in der Entwicklung unternehmen, um näher an die anderen Fahrer zu kommen.“

Leon Haslam (HRC Honda): Im Superpole-Rennen habe ich nach einem Problem mit einem anderen Fahrer in der ersten Kurve viele Positionen verloren. Es war ein schwieriges Rennen und wir hatten sowohl mit der Front des Motorrads, als auch mit der Kraftentfaltung zu kämpfen. Im zweiten Rennen hatte ich einen guten Start, aber dann stürzte Toprak und ich musste ihm ausweichen, wodurch ich wieder an Boden verlor. Im ersten Teil des Rennens hatte ich sowieso das Gefühl, dass ich einen guten Rhythmus hatte, aber ab ungefähr Runde zehn verlor ich viel Zeit, mehr als eine Sekunde pro Runde. Insgesamt war es ein hartes Wochenende und ich bin frustriert, da ich auf dieser Strecke Top-5-Ergebnisse erwartet habe.

Leon Haslam, von seinen Landsleuten auch „Pocket Rocket“ genannt, zusammen mit seinem Vater und Betreuer „Rocket Ron“ Haslam, selbst ehemaliger Weltklassefahrer und im Werksteam für HRC Honda unterwegs.

Stand in der WorldSBK WM nach Assen und ein kleiner Ausblick

Mit 8 Siegen in 15 Rennen und mit nur einer Ausnahme immer auf dem Podium ist Jonathan Rea erneut ein Muster an Konstanz. Toprak hingegen verpasste als nächster Verfolger durch seinen Crash im letzten Rennen von Assen bereits zum vierten Mal in dieser Saison einen Podestplatz und gewann erst drei Rennen und damit nur eines mehr als Scott Redding. Dieser war zweitbester in den Niederlanden hinter dem WM-Leader und konnte damit seinen Rückstand auf den Türken auf 44 Punkte reduzieren, nachdem es vor Assen 66 waren. Er ist zusammen mit Raztaglioglu der einzige, der sich noch Titelchancen ausrechnen darf, was jedoch gegen den amtierenden Weltmeister eine Mammutaufgabe sein dürfte. Dieser wird besonders auf den bekannten Strecken wie Barcelona, Jerez, Magny-Cours und Portimão nur schwer zu schlagen sein, da die neue Kawasaki ZX-10RR deutlich schlagkräftiger ist, als das Vorjahresmodell. Und selbst damit war er auf den genannten Kursen bisher schon sehr erfolgreich, dazu dürften ihm auch Most und Navarra liegen.

In Hellblau hinterlegt die sogenannten Wet-Races, die bei nasser oder zumindest feuchter Strecke gestartet wurden.

Der immer noch provisorische Kalender

Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© WorldSBK).