Zum 30-jährigen Jubiläum des französischen Rennstalls
Der Franzose Hervé Poncharal ist als Präsident der IRTA ein einflussreicher Mann im MotoGP Paddock. Die Vereinigung der Rennställe hat nebst Dorna und FIM bei vielen Entscheidungen im GP Zweiradsport ein Wörtchen mitzureden. Tech 3 mit Sitz in Südfrankreich ist seit mittlerweile 30 Jahren ein fester Bestandteil des MotoGP-Fahrerlagers. Zum 30-jährigen Jubiläum des französischen Teams gibt es jedoch derzeit nur wenig Anlass zum Feiern. Die Corona-Pandemie überschattet derzeit alles. Doch blenden wir zuerst in die Anfänge seines Rennstalls zurück. Ein durchaus interessantes Kapitel im GP-Rennsport der letzten 3 Jahrzehnte.
Teamgründung und erstes Jahr als Werksteam mit Yamaha
Das Team, das vom ehemaligen Rennfahrer Herve Poncheral und dem Ingenieur und Landsmann Guy Coulon geführt wurde, nahm 1990 erstmals am Grand Prix Rennsport teil. Die ersten 9 Saisons dieses Jahrzehnts trat das Privatteam mit Bikes von Honda und Suzuki in der 250er-Klasse an. Nach einigen Grand-Prix-Siegen wechselte das Team 1999 zu Yamaha und wurde damit der offizielle Einstieg des Werks in die 250er-Weltmeisterschaft. Die Partnerschaft war ein sofortiger Erfolg. Mit dem Japaner Shinya Nakano gelang 1 GP Sieg und 4 weitere Podiumsplatzierungen, was für WM-Rang 4 reichte. Weltmeister der 250 cm³ Klasse wurde damals Valentino Rossi (Aprilia) vor Tohru Ukawa (Honda) und Loris Capirossi (Honda). Olivier Jacque wurde WM-siebter und gewann das Abschlussrennen der Saison in Argentinien.
Der Höhepunkt von Tech 3 mit Gauloises Yamaha im Jahr 2000
Nach der erfolgreichen ersten Saison dominierten die Fahrer Olivier Jacque und Shinya Nakano die Meisterschaft im Jahr 2000 vollständig. Nakano gewann zwei Rennen mehr als Jacque, aber es war der Franzose, der sich im allerletzten Rennen der Saison den Titel sicherte. Er gewann, indem er in Phillip Island seinen Teamkollegen aus der letzten Kurve des letzten Rennens auf der Zielgeraden überholte, um die gekreuzte Flagge in weniger als zwei hundertstel Sekunden vor Nakano zu erreichen. Damit wurde Jacque 250 cm³ Weltmeister, mit um sieben Punkten Vorsprung auf den Japaner.
Der Aufstieg in die 500 cm³ Klasse
Nach ihrem 250-er Doppeltriumph wechselte die französische Equipe auf Yamaha in die Königsklasse. Das Team erhielt vom Werk vollen technischen Support. Und die Erfolge mit dem Fahrerduo aus der mittleren Kategorie konnte sich gleich im ersten Jahr durchaus sehen lassen. Nakano holte ein Podium auf dem Sachsenring und klassierte sich weitere fünfmal in den Top 5. Das Resultat war WM-Rang 5, noch vor Topfahrern wie Carlos Checa (Yamaha), Norick Abe (Yamaha), Alex Crivillé (Honda), Tohru Ukawa (Honda) und Kenny Roberts jun. (Suzuki), dem Vorjahresweltmeister der 500-er Klasse. Olivier Jacque wurde WM-Fünfzehnter, sein bestes Rennen zeigte er mit Platz 5 beim GP von Valencia.
Beginn der MotoGP Ära
Als Kundenteam war Tech 3 im ersten Jahr gegenüber dem Marlboro Yamaha Werksteam im ersten Jahr der MotoGP natürlich benachteiligt. Olivier Jacque holte WM-Rang 10 und lag damit in der Endabrechnung direkt vor Shinya Nakano. Beide Fahrer holten sich je einen 5. Platz in der Debut-Saison 2002 der MotoGP. Für das Folgejahr wurde Nakano durch den Brasilianer Alex Barros ersetzt. Doch mehr als ein dritter Platz beim GP von Frankreich und WM-Rang 9 war auch für Barros 2003 nicht drin. Olivier Jacques bestes Resultat war Rang 4 bei seinem Heimrennen. In der WM wurde er zwölfter. Barros wechselte im Jahr darauf zu Repsol Honda und wurde WM-vierter. Jacque wechselte zu Moriwaki Racing und das Team verpflichtete für 2004 Norifumi „Norick“ Abe und Marco Melandri. Der kleine Italiener kam trotz zwei Podiumsplatzierungen in Barcelona und Assen nicht über WM-Rang 12 hinaus. Mit insgesamt 8 Ausfällen war auch nicht mehr zu erwarten. Abe landete in der WM-Endabrechnung direkt hinter dem Teamkollegen auf Platz 13.
Viele Fahrerwechsel und die Durststrecke
Auf die Saison 2005 wurden Rubén Xaus und sein spanischer Landsmann Toni Elias verpflichtet. Letzterer fehlte bei 3 Grand Prix, bei welchen er von David Checa ersetzt wurde. Eigentlich konnte man sagen, die Fahrer gaben sich bei Tech 3 zum Saisonende beim Teamwechsel ab 2003 jeweils gegenseitig die Hand. Für 2006 hiess die Fahrerpaarung Carlos Checa und James Ellison. Ein Jahr später wurden die beiden durch Makoto Tamada (JAP) und den Franzosen Sylvain Guintoli ersetzt. Immerhin war das Tech 3 Team seit Einführung der MotoGP 2002 anfänglich und bis 2005 durchaus erfolgreich. Doch bis zur Saison 2007 begann danach eine eigentliche Durststrecke, wie sich an der Team-Wertung in der Weltmeisterschaft gut ablesen ließ:
2002 mit Michelin Reifen: Rang 5
2003 mit Michelin Reifen: Rang 6
2004 mit Michelin Reifen: Rang 6
2005 mit Michelin Reifen: Rang 7
2006 mit Dunlop Reifen: Rang 9
2007 mit Dunlop Reifen: Rang 8
Zurück zu Michelin und 2 zweifache SBK-Weltmeister als Fahrerduo
Auf die Saison 2008 kehrte das Team nach 2 Jahren mit Dunlop wieder zu mit Michelin Reifen zurück. Doch viel wichtiger war die Fahrerwahl. Mit US-Boy Colin Edwards und dem Engländer James Toseland begann der endgültige Durchbruch von Tech 3 Yamaha in der MotoGP. Mit den beiden zweifachen Superbike Weltmeistern gelang zweimal in Folge Rang 4 in der Teamwertung. James Toseland landete als MotoGP Rookie insgesamt 6 Mal in den top sechs, bei 4 Nullern. Colin Edwards stand zweimal auf dem Podium und platzierte sich in der WM-Endabrechnung auf Rang 7, noch vor den beiden Suzuki Werksfahrern Chris Vermeulen und Loris Capirossi. In der Saison 2009 schaffte Edwards sogar WM-Rang 5. Als bestes Ergebnis stand bei ihm Rang 2 in Donington Park zu Buche. James Toseland landete dreimal in den top 6 und leistete sich nur 2 Nuller. Damit trug der Engländer einen wesentlichen Teil zur Verteidigung von Platz 4 in der Teamwertung der MotoGP bei.
Teil 2 – die erfolgreichsten Jahre
Die goldenen Jahre 2010 bis 2018 – Teil 2 von 3
Zum 30-jährigen Jubiläum des französischen Teams blicken wir im zweiten von 3 Teilen auf die erfolgreichsten Jahre ab 2010 zurück. Ein interessantes Kapitel im GP-Rennsport des letzten Jahrzehnts. Nach 2 Jahren mit dem Duo Colin Edwards und James Toseland trennten sich die Wege des Engländers mit Tech 3. Für die Saison 2010 wurde an dessen Stelle der frisch gebackene WSBK Weltmeister Ben Spies verpflichtet. Der US-Amerikaner hatte als Rookie zum ersten Mal in der Geschichte die seriennahe Weltmeisterschaft im Vorjahr für Yamaha gewonnen. Die Marke mit den gekreuzten Stimmgabeln in ihrem Logo dankte es Spies mit dem Aufstieg in die MotoGP beim Kundenteam Tech 3. Und der US-Boy zeigte eine überzeugende Rookie-Saison mit 2 Podiums, dazu 7 Top fünf Platzierungen und WM-Rang 6. Sein Teamkollege Colin Edwards schaffte nur Platz 11 in der WM-Endabrechnung.
Einstieg in der Moto2
Ab 2010 entschied sich Teamchef Hervé Poncharal für den Einstieg in die neu geschaffene Moto2. Mit eigenen Fahrwerken und dem Japaner Yuki Takahashi, sowie dem Italiener Raffaele de Rosa waren die Erfolge jedoch überschaubar. Mehr als die WM-Ränge 12 für Takahashi und 27 für de Rosa waren bei der Premiere nicht drin. Deutlich besser lief es im Folgejahr mit Bradley Smith und Platz 7 in der Weltmeisterschaft. Die beiden anderen Stammpiloten Mike di Meglio und Xavier Siméon schafften es hingegen nicht in die Top 20.
Neuzugang Cal Crutchlow – der Glücksgriff
Ben Spies wurde nach seinem hervorragenden Einstand in der MotoGP auf die Saison 2011 ins Yamaha Werksteam befördert. Durch Valentino Rossis fatalen Fehlentscheid, zu Ducati zu wechseln, wurde an der Seite von Jorge Lorenzo dort ein Platz frei. Tech 3 ersetzte Spies mit dem Engländer Cal Crutchlow. Rossi schaffte nur ein Podium und WM-Rang 7. Sein Nachfolger holte hingegen seinen ersten GP-Sieg, zwei dritte und einen zweiten Platz. In der WM landete Spies auf Rang 5 und Colin Edwards wurde Neunter. Cal Crutchlows erste MotoGP Saison verlief eher ernüchternd. Der Supersport 600 Weltmeister von 2009 glänzte erst beim Saisonfinale in Valencia mit Rang 4. Im Endklassement der Weltmeisterschaft belegte er Platz 12. Für 2012 wurde Colin Edwards durch Andrea Dovizioso ersetzte. Mit WM-Platz vier für „Dovi“ und 7 für Crutchlow resultierte Rang 3 in der Team-Wertung der MotoGP.
Wiederholung der Bestmarke 2013 und starke Jahre 2014 bis 2016
Trotzdem Andrea Dovizioso auf die Saison 2013 zu Ducati gewechselt hatte und für ihn Rookie Bradley Smith verpflichtet wurde, gelang in diesem Jahr die Wiederholung der Bestmarke. Dank den WM-Rängen 5 für Crutchlow und 10 für Smith schaffte Tech 3 erneut Rang drei in der Teamwertung. Für 2014 und 2015 lautete die Fahrerpaarung Bradley Smith und Pol Espargaró. Letzterer schaffte es als Rookie gleich auf den sechsten Rang in der WM-Endabrechnung. Bradley Smith wurde achter und holte in Phillip Island 2014 das einzige Podium für sein Team. Im Jahr darauf wurde Smith WM-Sechster und holte mit Platz 2 in Misano sein zweites Podium und bestes MotoGP Resultat. Pol Espargaró sah die Zielflagge in dieser Saison fünfmal nicht und landete in der WM auf Rang 9. Auch 2016 ging das Team mit derselben Fahrerpaarung ins Rennen. Zum ersten Mal in der Geschichte des französischen Teams gab es über drei Jahre keinen Fahrerwechsel. Doch Smith verletzte sich in der 2. Saisonhälfte und wurde für 3 Rennen durch Alex Lowes ersetzt. Zum ersten Mal seit 2007 sah man keinen Tech 3 Piloten mehr auf dem Podium. Trotzdem schaffte man Rang 5 in der Teamwertung der MotoGP 2016.
Die beiden Jahre mit Johann Zarco
Bradley Smith und Pol Espargaró wechselten auf die Saison 2016 zum KTM Werksteam. Die beiden sollten damit harte Jahre vor sich haben, auch wenn es sich zumindest finanziell gelohnt haben dürfte. Mit der Verpflichtung des zweifachen Moto2 Weltmeisters Johann Zarco und Jonas Folger wurde guter Ersatz gefunden. Auch wenn Letzterer sich auf tragische Weise noch in seinem Rookie Jahr zurückziehen sollte, aber der Saisonauftakt verlief erfolgversprechend. Zarco zeigte keinerlei Respekt vor großen Namen und holte sich 3 Podiumsplatzierungen und WM-Rang 6.
Die kurze MotoGP Karriere von Jonas Folger
Für Folger war das Highlight der 2. Platz auf dem Sachsenring. Danach gab es für den Deutschen lediglich noch 3 zählbare Resultate, wovon nur 2 in den Punkterängen und dazu 2 Ausfälle. Ab dann war Schluss mit MotoGP und erst viel später wurde als Grund dafür ein Burn-out öffentlich. Zarco legte 2018 nach und egalisierte sein Resultat aus dem Vorjahr. Sein Teamkollege Hafizh Syahrin verpasste den Titel „Rookie of the Year“ mit 46 Punkten nur um 4 Zähler an Franco Morbidelli (Marc VDS Honda).
Teil 3 – der sportliche Absturz mit KTM
Der sportliche Absturz nach 30 Jahren
Zum 30-jährigen Jubiläum des französischen Teams gibt es derzeit nur wenig Anlass zum Feiern. Dabei ist nicht allein die Rede von der Corona Pandemie, sondern dem sportlichen Absturz in der Saison 2019. Die Hauptschuld daran trägt dabei Teamchef Hervé Poncharal selbst. Sein Entscheid, die langjährige Partnerschaft mit Yamaha auf Ende der Saison 2018 aufzulösen, war der wohl folgenschwerste Fehler im Leben des heute 62-jährigen. In Teil 1 und 2 dieses Rückblicks gingen wir auf die ersten Jahre und danach die erfolgreichste Zeit mit Yamaha ein. Der Franzose Johann Zarco beschwerte sich in seinen beiden Jahren bei Tech 3 öfters über mangelnde Werksunterstützung. Daher entschied er sich für die Saison 2019, ein Angebot des KTM Werksteams anzunehmen. Es sollte auch sein schwerwiegendster Fehler in seiner gesamten Karriere sein. Sein Teamchef nahm ebenfalls ein lukratives Angebot von KTM an, um als Kundenteam ab 2019 in der MotoGP und Moto2 anzutreten.
Gründe für den sportlichen Niedergang mit KTM
In der Moto2 entpuppte sich das KTM-Fahrwerk zu Saisonbeginn als eigentliche Fehlentwicklung. Insgesamt gingen 7 Fahrer mit KTM in der Saison 2019 ins Rennen. Beim Saisonauftakt in Losail/Katar holten Brad Binder und Jorge Martin zusammen nur gerade 5 WM-Punkte für die österreichische Marke. Nach den ersten 6 Runden und dem GP von Mugello lag KTM trotz 7 Fahrern noch weit hinter dem kleinen Hersteller Speed Up mit nur 2 Piloten auf Platz 3 in der Hersteller-Zwischenwertung. Während Kalex, eine Firma mit gerade einmal 9 Mitarbeitern aus Deutschland, das Punktemaximum von 150 Punkten holte, lag KTM hinter Speed Up mit deren 78 bei kümmerlichen 43 Zählern. Alex Marquez führe nach dem GP von Barcelona-Catalunya mit 111 Punkten vor Tom Lüthi (104), beide auf Kalex Fahrwerken. Das finanzkräftige KTM RB Ajo Team mit Binder und Martin kam zusammen auf mickrige 47 Pünktchen. Und bevor zumindest beim KTM Ajo Werksteam der Aufschwung richtig begann, warf KTM am Spielberg in Österreich das Handtuch. Man orientierte die Öffentlichkeit, per Saisonende 2019 aus der Moto2 WM auszusteigen!
MotoGP – noch nie dagewesener Absturz eines Teams
Seit Austragung der MotoGP ab 2002 hatte es noch nie ein Team gegeben, was einen derartigen Absturz erleben musste. Dagegen war das Desaster in der Moto2 für Tech 3 ein Sturm im Wasserglas. Seit 2010 hatte sich das französische Team immer in den ersten 6 der Teamwertung halten können. Ganze 6 Mal davon sogar unter den besten 4 Teams und zweimal war Tech 3 gar das drittbeste Team überhaupt in der MotoGP. Nachfolgende Grafik verdeutlicht, wie tief Poncharals Truppe 2019 abgestürzt ist.
Krasse Zahlen in der Teamwertung 2019 der MotoGP
In der Teamwertung von 2019 wird es noch deutlicher ersichtlich, in welche Niederungen der Skala der sportliche Absturz erfolgte. Und wer dabei annimmt, Teamchef Hervé Poncharal nehme diesen Umstand mit größter Betrübnis zur Kenntnis, der irrt gewaltig. Trotzdem Tech 3 in nur einer Saison vom Spitzenteam zur Hinterbänkler-Truppe abgerutscht ist, wird Poncharal nicht müde zu betonen, wie froh er um die Partnerschaft mit KTM sei. Selbst den ihm durch den werksseitigen Ausstieg aus der Moto2 aufgedrängten Wechsel in die Moto3 nahm der Mann mit einem Schulterzucken zur Kenntnis. Dank Sponsorengeldern in Millionenhöhe, insbesondere von Red Bull, vergeht Hervé Poncharal die Freude noch lange nicht. Er wird nicht müde, alles schönzureden und mancher Politiker könnte ab Hervés Eloquenz neidisch werden. Die Schönfärberei selbst peinlichster Blamagen lernte er jedoch von KTM-Vorstand Pierer, dieser ist mittlerweile der unbestrittene Meister dieses Fachs.