Start zum ersten deutschen Weltmeisterschaftslauf der Geschichte auf der Solitude Rennstrecke nahe bei Stuttgart im Jahr 1952. Während mit Werner Haas der Sieger in der kleinsten Klasse zum Idol zahlreicher Fans wurde, kennt heute kaum jemand den Gewinner der mit 250 cm³ doppelt so großen Kategorie wie jene, in welcher der NSU-Werksfahrer den allerersten GP-Sieg für Deutschland vor heimischem Publikum feierte.

Rudi Felgenheier – der erste deutsche 250 cm³ Grand Prix Sieger

Deutsche Zweiradhelden wie Ewald Kluge, H. P. Müller, Werner Haas, Horst Fügner oder Georg „Schorsch“ Meier aus Zeiten kurz vor oder nach dem 2. Weltkrieg sind auch heute noch vielen Motorsportfans ein Begriff. Wer sie nicht kennt, findet über viele von ihnen in unserem History-Bereich auf dieser Seite sehr ausführliche und reich bebilderte Informationen. Aber wie steht es bitte um Rudi Felgenheier? Eigentlich sollte ein Motorsportler unsterblich werden, wenn er in der Viertelliterklasse erster GP-Sieger für sein Land wird. Aber beim am 20.11.1930 im Koblenzer Ortsteil Horchheim geborenen Deutschen trifft dies keinesfalls zu. Deshalb würdigen wir ihn und seine Leistungen mit diesem Bericht auf unserer Seite.

Rudi Felgenheier war eines der größten Talente der frühen Nachkriegsjahre. Eigentlich ist es nur schwer zu verstehen, weshalb dieser sympathische und laut seinen Weggenossen höchst wertvolle Sportfreund danach viel zu früh in Vergessenheit geriet.

Der Beginn einer viel zu kurzen Rennfahrerkarriere

Laut den wenigen dazu noch existierenden Aufzeichnungen startete die Karriere von Rudi Felgenheier im Jahr 1950. Da er in diesem Jahr jedoch bereits in Resultatlisten der deutschen Meisterschaft bis 125 cm³ zu finden ist, kann dies wie beispielsweise in Wiki genannt, so kaum stimmen. Zuerst musste man sich damals in der sogenannten Ausweiskategorie seine ersten Sporen verdienen, bevor man bei den besten und damit lizenzierten Fahrern mitmischen darf. Wir fanden in unserem riesigen Archiv zumindest aus seinem ersten Jahr bei den Lizenzfahrern mehrfach die Erwähnung seines Namens. Er sollte danach dem Fabrikat DKW treu bleiben und schon wenig später eine Werksmaschine erhalten. Nach dem Krieg gab es nur noch wenige Produktionsjahre für DKW-Motorräder in Ingolstadt, während in Zschopau die Reste der ehemaligen Fabrikhallen für die Fertigung unter dem Namen IFA (später MZ) weiterlief. Dort war in den 1930-er Jahren DKW als weltgrößter Motorradhersteller bekannt geworden. Die erste DDR-Baureihe basierte daher auch auf dem Vorkriegsmodell RT 125 der Marke.

Hier der Zwischenstand der Gesamtdeutschen Meisterschaften von BRD und DDR, mit Rudi Felgenheier auf dem fünften Zwischenrang. Mit H.P. Müller lag punktgleich mit dem Chemnitzer Ellmann einer der ganz großen der späten Vorkriegs und frühen Nachkriegsjahre vorne. Mehr über den Mann aus Bielefeld und seine unvergleichliche Karriere siehe in unserer History auf dieser Seite.
Eine Runde später fanden wir eine weitere Nennung von Felgenheier, welcher in der vierten Runde auf dem Schottenring keine Punkte holen konnte. Übrigens erhielten selbst in der Motorrad-Weltmeisterschaft nur die ersten 6 Punkge zugesprochen und 1950 wurden nur 3 Runden in der 125 cm³ Klasse ausgetragen, in Assen (NL), Clady (Nord-Irland) und Monza (Italien). Der traurigste Witz daran: Bis in den ersten drei WM-Jahren von 1949 bis 1951 war, dass Fahrer aus Deutschland gar nicht zugelassen waren. Vor dem 2. Weltkrieg stellten ihre Piloten, welche zum Großteil auch danach immer noch aktiv waren, über die Hälfte der Europameister-Laufsiege. Dies zum sportlichen Wert der ersten 3 WM-Jahre.
Im Zusammenhang mit dem Endstand der Deutschen Meisterschaft und Rudi Felgenheier auf Rang 6 sei nicht verschwiegen, dass Fahrer wie H. P. Müller mit einer sogenannten Ladepumpe unterwegs waren. Dies ist mit dem Vermerk „m. K.“ hinter dem Hersteller hervorgehoben und bedeutet nichts anderes, als dass mit einem Kompressor eine erhebliche Mehrleistung gegenüber Saugmotoren erzielt wurde. Übrigens führte die DDR im Folgejahr eine eigene Meisterschaft ein, womit deren Piloten im Westen für längere Zeit nur selten zu Gast sein sollten.

Der Durchbruch im Jahr 1951

Die Deutsche Meisterschaft dieser Saison begann mit dem sogenannten Eifelrennen. Die Achtelliterklasse startete jedoch zum ersten Mal beim Feldbergrennen, welches Rudi für sich entscheiden konnte. Er siegte vor dem ehemaligen Auto Union Werksfahrer H. P. Müller nach Abbruch bei 9 Runden. Vorgesehenen waren eigentlich deren zehn, aber das konnte Felgenheier bei seinem ersten und leider auch letzten Saisonsieg egal sein. Der erst 21-jährige aus Rheinland-Pfalz hatte wie bereits im Vorjahr offenbar die Verantwortlichen von DKW ausreichend beeindruckt. Deshalb sollte er im Folgejahr als Mitglied von deren Werksteam für den wichtigsten Erfolg in der Weltmeisterschaft der Ingolstädter Firma in deren leider viel zu kurzer Nachkriegsgeschichte sorgen. Weil zu dieser Zeit meist nur die ersten drei bis vier der Rangliste veröffentlicht wurden, kann nicht mehr mit Sicherheit festgestellt werden, welche Resultate Rudi in der Saison 1951 nebst seinem Auftaktsieg noch erzielt hatte. An seinem endgültigen Durchbruch in diesem Jahr ändert sich dadurch jedoch nichts.

In den frühen 1950-er Jahren war der Rennsport noch von den Entbehrungen der Nachkriegszeit geprägt und trotzdem war er für die damalige Zeit besonders wichtig. Aus diesem Grund unterstützten sogar die amerikanischen Besatzer Deutschlands schon sehr früh derartige Veranstaltungen. Man brauchte damals im harten Alltag etwas Ablenkung und vor allem war es auch ein Wettbewerbsgedanke, welcher die Industrie anstachelte. Bevor das Auto zu seinem Durchbruch im sogenannten Wirtschaftswunder ansetzte, waren die Motorradfirmen wie BMW, DKW und NSU auch noch höchst populär und dazu erfolgreich.
Nach dem ersten Lauf zur deutschen Meisterschaft bis 125 cm³ führte Rudi Felgenheier vor Altmeister H.P. Müller, welcher wenige Jahre später als erster Privatfahrer auf NSU 250 cm³ Weltmeister werden sollte. Im Gegensatz zum dritten Jahrtausend waren die Piloten damals noch gezwungen, sich mit der Technik ihrer Motorräder auseinanderzusetzen. Ohne selbst Hand anzulegen ging damals gar nichts und dies galt auch für die Werksfahrer.

Das Auf und Ab in seiner erfolgreichsten Saison

Für Felgenheier war 1952 eine Saison mit vielen Höhen, aber auch Tiefen, wie beispielsweise am 15. Juni des Jahres am Feldbergrennen im Taunus-Gebirge. Als Vorjahressieger in der kleinsten Klasse startete der 21 Jahre junge Mann aus Koblenz-Horchheim diesmal bei den 250-ern, verpasste die Zielflagge jedoch infolge eines zum Glück glimpflich verlaufenem Sturzes. Sein DKW Werkskollege Karl Hofmann kam mit einer Gehirnerschütterung und einem Armbruch bei seinem Abflug in einer spitzen Linkskehre weniger gut davon. Noch schlimmer erging es dem erst 23-jährigen Horst Herrmann. Der Stuttgarter fand bei einem Sturz in der zweiten Runde im Freitags-Training nach dem sogenannten Sprunghügel auf der 11,576 km langen Strecke mit insgesamt 37 Kurven den Tod. Für Rudi sollte es trotz Glück im Unglück jedoch der letzte Auftritt im Taunus sein, aber dies konnte er damals natürlich noch nicht ahnen.

Stürze gehörten im Rennsport schon immer dazu. Nicht immer gingen sie aber so glimpflich aus wie auf diesem Bild und in der Regel mussten die Fahrer auch die Konsequenzen selbst tragen. Dies bezog sich natürlich auch auf notwendige Reparaturen, was Aufwand und Kosten betrifft. Diese Tatsachen sollten vielleicht Piloten der heutigen Zeit gelegentlich in Erinnerung gerufen werden, welche sich in der Regel nur auf ihre Bikes setzen und losfahren müssen. Übrigens herrschte unter den Fahrern und Teams der damaligen Zeit noch ein ausgeprägter Respekt. Bei Problemen war es absolut üblich, dem Gegner unter die Arme zu greifen und ihm notfalls sogar mit Ersatzteilen und Werkzeug zur Seite zu stehen.
Das Poster für das internationale Feldberg-Rennen von 1953, welches in der 125 cm³ Klasse zwei Jahre davor von Felgenheier gewonnen worden war. Ein Jahr nach dem in diesem Bild beworbenen Event begann an dieser Städte der internationale Durchbruch für einen Mann aus der DDR, namens Horst Fügner. Mehr über diesen Ausnahmekönner aus Sachsen siehe in unserer reich illustrierten History auf dieser Seite.

Der zweiter große Triumpf von Rudi – 1952 am Sachsenring

Auf der Traditionsstrecke in der damaligen DDR anzutreten, war für alle Piloten ein einmaliges Erlebnis, egal ob aus dem Westen oder von hinter dem eisernen Vorhang. Bereits 1951 war Felgenheier auf dem schwierigen Kurs in Hohenstein-Ernstthal angetreten, damals in der Achtelliterklasse und mit der Nummer 168 am seiner DKW um 09:30 Uhr in der früh. Diesmal hatte er auf seiner 250-er DKW die Startnummer 116 und die Piloten wurden sogar um 9 Uhr morgens ins Rennen geschickt. Nachdem in der ersten Runde noch sein westdeutscher Markenkollege Ewald Kluge vor ihm führte, war es jedoch Rudi, der am Ende die Nase vorne haben sollte. Er legte die 12 Runden in 53:18 Minuten und damit einem Schnitt von 124 km/h zurück, was auf dem damaligen Straßenkurs ein hervorragender Wert war. 1950 war der aus Nürnberg stammende Fritz Rieß bei den Sportwagen bis 2000 cm³ auf seiner Rekordrunde kaum schneller als der Koblenzer gewesen. Nachdem Felgenheier bei seinem Grand Prix Sieg auf der Solitude auch vom Pech einiger Gegner profitiert hatte, war der Erfolg in Sachsen die endgültige Bestätigung seiner fahrerischen Klasse.

Ein glücklicher Rudi Felgenheier nach seinem Erfolg auf dem Sachsenring, mit dem Kranz um den Hals. Nur wenige Ausnahmekönner konnten sich auf diesem Traditionskurs in die Siegerlisten eintragen. Mit Giacomo Agostini dürfte wohl ein Italiener für alle Zeiten Rekordgewinner in Sachsen bleiben.
Die Skizze des alten Sachsenrings mit unten im Bild der Queckenberg Kurve und der Start-Zielgeraden, die einzig beim heutigen Kurs noch existierenden Passagen. Viel zu viele Fahrer ließen hier ihr Leben, unter anderem 1969 mit Bill Ivy einer der weltweit beliebtesten und besten Piloten, welche England je hatte.

Ein gemischter Abschluss für Rudis Jahr des endgültigen Durchbruchs
Rudi Felgenheier sollte trotz Niederschlag an der Städte seines ersten großen Erfolgs am Feldberg noch seine Chancen in diesem Jahr bekommen. Nebst der Sensation auf dem Sachsenring gelang ihm beim Finale der DM (Deutschen Meisterschaft der Bundesrepublik von Westdeutschland) auf seiner 250 cm³ DKW immerhin noch ein zweiter Platz hinter NSU Werksfahrer Werner Haas. Dazu kam ein fünfter Rang am 7. September in München beim 3. Riemer Rundstrecken-Rennen, wo er anfänglich auf P3 lag. Danach jedoch vom „langen Hein“ Thorn-Prikker überholt wurde und in der Flughafenkurve zu Sturz kam. Er rappelte sich jedoch wieder auf und rette immerhin Rang fünf bis zur Zielflagge.

Der frisch gebackene Westdeutsche 125 cm³ Meister Otto Daiker (rechts im Bild, und sein NSU Mannschafts-Kollege Werner Haas als Doppelsieger in der kleinsten und der 250 cm³ Klasse. Damit verhalf dieser seinem Markenkollegen zur Landesmeisterschaft von 1952.

Das frühe Karrierenende an der Tourist Trophy

NSU hatte aufgerüstet und mit ihren Viertaktmotoren begann die Firma aus Neckarsulm nun richtig durchzustarten. Fast aus dem Nichts waren sie mit Werner Haas und dem jungen Österreicher Rupert Hollaus (mehr über dies beiden siehe in unserer History) plötzlich mit in der Weltelite angekommen und die italienischen Fabrikate wie Moto Guzzi, Morini und MV Agusta staunten genauso wie die Engländer über die Deutschen Piloten und die Leistungsfähigkeit ihrer Fabrikate. Dabei hatten diese und ihre Vorgänger noch im Jahr 1939 die Mehrheit der Läufe der damaligen Europameisterschaft für sich entschieden, bevor ein unsinniger Krieg den Rennsport für viele Jahre unterbrach. DKW hatte auf die Saison 1953 vor allem auf Siegfried „Sissy“ Wünsche, August Hobl und Karl Hofmann gesetzt. Die letzten beiden sollten vor allem in der 350 cm³ Klasse für die Ingolstädter die Kohlen aus dem Feuer holen. Statt einem Kompressor, welcher mittlerweile für deren Zweitakter verboten worden war, setzten sie auf eine Drehschieber-Steuerung zur Gemischzuführung.

Das Layout des Snaefell Course, einer der zwei häufigsten TT-Varianten. Die Zahl der Opfer der Tourist Trophy erreichte 1953 die Zahl 46 und sie sollte leider noch kräftig steigen. Aber es dauerte noch bis 1976, bis die FIM als oberste Motorsportbehörde ein Einsehen hatte und diesem Event den Weltmeisterschafts-Status für die folgenden Jahre entzog.

Der letzte Einsatz des ersten 250 cm³ Weltmeisters aus Deutschland
Rudi Felgenheier war mit Startnummer 115 bereits für das Solitude-Rennen am 21. Juni 1953 von DKW gemeldet, aber er sollte nicht mehr antreten. EIn schwerer Sturz beim Training zur TT beendete seine Karriere vorzeitig. Der zu diesem Zeitpunkt erst 22-jährige gründete danach eine Mechanische Werkstatt in Lahnstein. Auf dem Snaefell Course verloren anfangs Juni 1953 nicht weniger als vier Fahrer ihr Leben. Nachfolgend ihre Todesdaten, Namen und der Ort ihres Ablebens:

DateNameNATCategoryManufacturerWhere, Age, TT Victim No.
12.06.1953Geoffrey „Geoff“ J. WalkerAUS500 ccNortonKerrowmoar, 23, 46
12.06.1953Robert Leslie „Les“ GrahamGBR500 ccMV AgustaBray Hill, 42, 45
08.06.1953Thomas Walter SwarbrickGBR350 ccNortonKirk Michael, 29, 44
08.06.1953Harry L. StephenGBR350 ccNortonBishhop’s Court, 37, 43
Mit „Les“ Graham starb der 500 cm³ Weltmeister von 1949 auf A.J.S., welcher auf demselben Fabrikat im Jahr darauf zweifacher WM-dritter bis 350 cm³ und 500 cm³ wurde. In der Saison 1962 wurde er auf einer Velocette 250 cm³ WM-dritter und auf MV Agusta Vizeweltmeister. Der Mann gewann 8 Grand Prix, bevor er auf der Isle of Man als TT Opfer Nummer 45 sein Leben verlor.
Rudi Felgenheier im Rennen seines Lebens am 250 cm³ Grand Prix 1952 auf der Solitude. Ein Sturz an der TT, respektive der Vorbereitung auf das tödlichste Motorsport-Event der Geschichte, beendete viel zu früh seine Rennsportkarriere. Bedenkt man jedoch, dass laut unserer Statistik mindestens 35 Piloten in den Jahren von 1950 bis 1953 im Zweirad-Straßenrennsport ihr Leben verloren, ist man froh, dass Felgenheier immerhin 74 Jahre alt wurde. In seinen letzten Lebensmonaten hatte er das Augenlicht verloren..

Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© MotoGP).